OGH 01.09.2021, 3Ob123/21s
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers J***** S*****, vertreten durch Dr. Stephan Probst, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner A***** H*****, geboren am ***** 2011, *****, vertreten durch das Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung für die Bezirke 13–15, *****), aus Anlass der Zulassungsvorstellung des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 96/21d-47, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 46 FAM 10/20y-39, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Der Antragsteller (geldunterhaltspflichtiger Vater) begehrte die Feststellung, dass der betriebene Anspruch des Kindes auf Zahlung eines (einstweiligen) monatlichen Unterhaltsbeitrags von monatlich 119,60 EUR mit einem Teilbetrag von monatlich 115,10 EUR ab erloschen sei.
[2] Das Erstgericht wies den Antrag ab.
[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
[4] Mit seiner dagegen erhobenen Zulassungsvorstellung stellte der Vater den Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 AußStrG, den er mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verband.
[5] Das Erstgericht legte dem Obersten Gerichtshof das Rechtsmittel als „außerordentlichen Revisionsrekurs“ vor. Diese Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof widerspricht dem Gesetz:
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Der Streitwert im Oppositionsverfahren bestimmt sich nach der Höhe der bekämpften betriebenen Geldforderung (vgl RS0001618; RS0001622). Bei Unterhaltsansprüchen richtet sich die Bewertung des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts nach dem 36-fachen jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz strittig war (vgl RS0122735).
[7] Der Antragsteller macht das Erlöschen des betriebenen Unterhaltsanspruchs im Umfang von monatlich 115,10 EUR ab Juli 2019 geltend. Der Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts beläuft sich demnach auf 4.143,60 EUR.
[8] 2. Nach § 62 Abs 3 und 4 AußStrG ist der Revisionsrekurs, soweit der Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur ist (außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG) jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei gemäß § 63 Abs 1 AußStrG nur einen Antrag an das Rekursgericht stellen, den Zulässigkeitsausspruch dahin abzuändern, dass der Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; mit dieser Zulassungsvorstellung ist der ordentliche Revisionsrekurs zu verbinden.
[9] Der Anspruch auf Geldunterhalt ist rein vermögensrechtlicher Natur (RS0007110 [T32]). Da der Streitgegenstand, über den das Rekursgericht hier entschieden hat, den Schwellenwert von 30.000 EUR nicht übersteigt, kommt dem Obersten Gerichtshof im derzeitigen Verfahrensstadium keine Entscheidungskompetenz zu.
[10] Im Hinblick auf diese Rechtslage hat das Erstgericht den Rechtsmittelschriftsatz des Antragstellers dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen, das über den Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs zu entscheiden hat.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers J* S*, vertreten durch Dr. Stephan Probst, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner A* H*, geboren am * 2011, *, vertreten durch das Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung für die Bezirke 13–15, *), über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 96/21d-47, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 46 FAM 10/20y-39, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er lautet:
„Es wird festgestellt, dass der ab mit monatlich 119,60 EUR festgesetzte einstweilige Unterhaltsanspruch des Kindes A* H* gegenüber seinem Vater J* S* mit folgenden Teilbeträgen erloschen ist:
- Vom 1. 7. bis mit monatlich 43,60 EUR,
- vom 1. 1. bis mit monatlich 58,60 EUR,
- vom bis mit monatlich 77,60 EUR und
- ab Jänner 2021 mit monatlich 88,60 EUR.
Das Mehrbegehren auf Feststellung des Erlöschens im Ausmaß der jeweiligen Differenz zu monatlich 115,10 EUR wird abgewiesen.“
Text
Begründung:
[1] Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichts vom , GZ 46 Pu 29/16x-23, wurde der Vater zur Zahlung eines vorläufigen Unterhaltsbeitrags von monatlich 119,60 EUR ab an seinen Sohn A* verpflichtet.
[2] Mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , AZ 71 E 5021/19t, wurde dem Kind zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands sowie des laufenden Unterhalts ab die Forderungsexekution nach § 294a EO bewilligt.
[3] Mit Antrag vom begehrte der Vater die Feststellung, dass der betriebene Anspruch des Kindes auf Zahlung eines einstweiligen monatlichen Unterhaltsbeitrags von monatlich 119,60 EUR mit einem Teilbetrag von monatlich 115,10 EUR ab erloschen sei.
[4] Der Vater bezieht seit Notstandshilfe in Höhe von monatlich 960 EUR. Er ist für zwei weitere Kinder, nämlich für N* S*, geboren am * 2018, und für M* S*, geboren am * 2020, sorgepflichtig. Er lebt mit der Mutter dieser beiden Kinder im gemeinsamen Haushalt, die seit (voraussichtlich bis ) für das Kind M* ein Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 33,88 EUR pro Tag (rund 1.033 EUR monatlich) bezog.
[5] Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters ab. Mit dem festgesetzten einstweiligen Unterhalt für das Kind A* H* werde die Belastbarkeitsgrenze des Vaters trotz seines geringen Einkommens nicht unterschritten, weil bei geteilten Lebenshaltungskosten aufgrund einer Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen Person das Unterhaltsexistenzminimum des Unterhaltspflichtigen ausnahmsweise um 25 % unterschritten werden könne. Die Voraussetzungen dafür seien auch im Anlassfall gegeben, weil die Lebensgefährtin des Antragstellers ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld beziehe. Zur Deckung der Unterhaltsansprüche seiner drei Kinder seien ihm daher im Jahr 2019 monatlich 348 EUR, im Jahr 2020 monatlich 326 EUR und im Jahr 2021 monatlich 304 EUR zur Verfügung gestanden. Die Summe der Unterhaltsansprüche der Kinder belaufe sich seit Juli 2019 auf 307 EUR sowie ab auf 422 EUR. Davon ausgehend könne der Vater bis die Unterhaltsansprüche der Kinder zur Gänze decken. Ab sei der jeweils verfügbare Betrag auf die drei Kinder aufzuteilen und dementsprechend deren Unterhaltsansprüche aliquot zu kürzen. Der gekürzte Unterhaltsanspruch des Kindes A* (des Antragsgegners) belaufe sich ab auf rund 119 EUR und ab auf rund 111 EUR pro Monat. Diese Beträge lägen im Rundungsbereich des einstweilig festgesetzten Unterhaltsbeitrags von monatlich 119,60 EUR, weshalb der Antrag des Vaters abzuweisen sei.
[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Herabsetzung des Unterhaltsexistenz-minimums um 25 % sei gerechtfertigt, weil eine Teilung der Lebenshaltungskosten im Fall einer Haushaltsgemeinschaft zu einer wesentlichen Verringerung der Aufwendungen pro Kopf führe. Die vom Erstgericht angestellte Berechnung sei nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Vaters seien nicht die konkreten Lebenshaltungskosten zu erheben, sondern grundsätzlich durchschnittliche Wohn- und Lebenshaltungskosten zugrunde zu legen. Allfällige Sonderkosten (hier Therapiekosten) hätte der Vater bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltend machen müssen. Eine Reduktion des Geldunterhaltsanspruchs wegen eines (möglichen) überdurchschnittlichen Kontaktrechts komme erst dann in Betracht, wenn ein solches Kontaktrecht tatsächlich ausgeübt werde. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Festlegung des Mindestbetrags, der dem Unterhaltspflichtigen zu verbleiben habe, von den Umständen des Einzelfalls abhänge.
[7] Über Antrag des Vaters nach § 63 AußStrG sprach das Rekursgericht nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei, weil allenfalls zu Unrecht von einem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld der Lebensgefährtin des Antragstellers ausgegangen worden sei und für den Fall eines pauschalen Kinderbetreuungsgeldes eine gegenteilige höchstgerichtliche Entscheidung zur Herabsetzung des Unterhaltsexistenz-minimums bestehe.
[8] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er begehrt, seinem verfahrenseinleitenden Antrag stattzugeben.
[9] Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht eingebracht.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig; er ist auch teilweise berechtigt.
[11] 1. Durch das Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl I 2001/103, wurde das Kinderbetreuungsgeld als Familienleistung ausgestaltet. Zunächst wurden drei Pauschalvarianten vorgesehen, die sich in ihrer (vom Alter des Kindes abhängigen) Bezugsdauer unterscheiden; die Höhe des Pauschalbetrags hängt von der gewählten Variante und damit von der Bezugsdauer ab. Das pauschale Kinderbetreuungsgeld gebührt unabhängig von einer früheren Erwerbstätigkeit der Eltern (10 ObS 117/14z; vgl auch 10 ObS 74/17f). Dem pauschalen Kinderbetreuungsgeld kommt existenzsichernder Charakter zu (10 ObS 1/20z).
[12] Durch die Kinderbetreuungsgeldgesetz-Novelle 2009, BGBl I 2009/116, wurde neben einer vierten Pauschalvariante der Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld in das Kinderbetreuungsgeldgesetz eingefügt. Seit dieser Novelle ist das Kinderbetreuungs-geldgesetz (im Wesentlichen) in folgende Abschnitte gegliedert:
- Abschnitt 2: Pauschales Kinderbetreuungsgeld (als Konto; §§ 2 bis 8b);
- Abschnitt 3: Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld (§§ 9 bis 17);
- Abschnitt 5: Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens (§§ 24 bis 24d, jetzt 24e).
[13] Die Höhe des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes ist vom früheren Erwerbseinkommen des beziehenden Elternteils abhängig; es steht damit nur vor der Geburt tatsächlich erwerbstätigen Eltern offen. Nach den Gesetzesmaterialien zur Kinderbetreuungsgeldgesetz-Novelle 2009 (RV 340 BlgNR 24. GP 16) soll dadurch jenen Eltern, die vor der Geburt über ein relativ hohes Erwerbseinkommen verfügt haben, die Möglichkeit gegeben werden, trotz kurzzeitigen Rückzugs aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten.
[14] 2. Nach der vom Erstgericht herangezogenen Bestätigung über den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes durch die Lebensgefährtin des Antragstellers (ON 38) hat diese für das Kind M* ab Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 33,88 EUR pro Tag bezogen. Bei diesem Tagessatz handelt es sich um das Kinderbetreuungsgeld in der kürzesten Pauschalvariante (§ 3 Abs 1 KBGG).
[15] Die Feststellung des Erstgerichts, die Lebensgefährtin des Antragstellers habe ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld bezogen, erweist sich damit als aktenwidrig. In Wirklichkeit handelt es sich um pauschales Kinderbetreuungsgeld.
[16] 3. Allgemein ist in der Rechtsprechung zur Unterhaltsbemessung anerkannt, dass in besonderen Ausnahmefällen das – vielfach als absolute Belastbarkeitsgrenze bezeichnete – niedrigste Unterhaltsexistenzminimum unterschritten werden kann (RS0125931). Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige in Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen Person (seinem Ehegatten oder Lebensgefährten) lebt und sich dadurch einen Teil der ihn treffenden Lebenshaltungskosten erspart (RS0121124; vgl 10 Ob 105/18s mwN). Es ist nämlich davon auszugehen, dass sich diese andere Person, sofern sie über eigene finanzielle Mittel verfügt, an den gemeinsamen Lebenshaltungskosten beteiligt, wodurch sich die finanzielle Belastung des Unterhaltspflichtigen anteilig vermindert (9 Ob 61/15h; 9 Ob 41/18x). Eine allgemeine Formel oder Berechnungsmethode zur Ermittlung der Belastungsgrenze besteht nicht (RS0047455 [T15]). In der Judikatur hat sich für solche Fälle jedoch ein Abschlag von bis zu 25 % vom Unterhaltsexistenzminimum etabliert (RS0125931; vgl 4 Ob 259/16s).
[17] Die konkrete Festlegung des Mindestbetrags, der dem Unterhaltspflichtigen jeweils zu verbleiben hat, ist letztlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig (6 Ob 81/10w; 9 Ob 61/15h). Dem Unterhalts-pflichtigen muss noch so viel von seinem Einkommen verbleiben, dass seine wirtschaftliche Existenz nicht gefährdet wird (vgl RS0047455; RS0008667).
[18] 4.1 In der Entscheidung zu 9 Ob 61/15h beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, welche Auswirkungen der Umstand auf die Belastungsgrenze des Unterhaltspflichtigen hat, dass sein im gemeinsamen Haushalt lebender Ehegatte oder Lebensgefährte Kinderbetreuungsgeld bezieht.
Dazu führte der 9. Senat aus:
„Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Kinderbetreuungsgeldanspruch der Ehegattin gemäß § 42 KBGG hier kein Einkommen darstellt und deren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Vater nicht schmälert, stellt die Revisionsrekurswerberin nicht in Frage. Sie hält dem im Wesentlichen entgegen, dass das der Ehegattin zukommende Kinderbetreuungsgeld dennoch faktisch vorhanden sei, sodass nach der Erfahrung davon auszugehen sei, dass sich die Ehegattin anteilig an den Lebenshaltungskosten des Vaters beteilige. Dem hat der Oberste Gerichtshof in vergleichbaren Konstellationen jedoch bereits mehrfach entgegengehalten, dass der Gesetzgeber in § 42 KBGG eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass er im Bereich des Unterhaltsrechts das Kinderbetreuungsgeld nicht als Einkommen des Kindes oder eines Elternteils behandelt haben will (6 Ob 200/08t; 6 Ob 219/08m; RS0124356 [T1]; zuletzt 2 Ob 230/09a). […] Zielsetzung des Kinderbetreuungsgeldes ist die finanzielle Unterstützung der Eltern während der Betreuung ihres Kindes in den ersten Lebensjahren im Sinn einer Abgeltung der Betreuungsleistung oder der Ermöglichung der Inanspruchnahme außerhäuslicher Betreuung. Das Kinderbetreuungsgeld soll nach der Intention des Gesetzgebers daher dem Haushalt des beziehenden Elternteils zukommen, ohne damit mittelbar eine Entlastung des Unterhaltspflichtigen herbeizuführen (Kolmasch, Auswirkungen des Kinderbetreuungsgeldes auf Unterhaltsansprüche und -pflichten des Beziehers, Zak 2009/93, 67). Vor diesem Hintergrund lässt sich eine von der Revisionsrekurswerberin behauptete Verpflichtung der Ehegattin des Vaters, sich aufgrund des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld entsprechend an den Lebenshaltungskosten des gemeinsamen Haushalts zu beteiligen, nicht ableiten.“
[19] 4.2 Diese Entscheidung unterscheidet nicht zwischen pauschaliertem und einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld. Ob diese Ausführungen für beide Arten des Kinderbetreuungsgeldes gelten oder insofern eine Differenzierung geboten ist, muss hier aber nicht geklärt werden, weil die dargelegten Grundsätze jedenfalls für das pauschale Kinderbetreuungsgeld sachgerecht sind.
[20] Nach § 42 KBGG ist das Kinderbetreuungsgeld weder eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils. Daraus folgt, dass der Unterhaltsschuldner gegenüber dem das Kinderbetreuungsgeld beziehenden Elternteil bzw dem Kind, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, nicht entlastet wird, das Kinderbetreuungsgeld daher nicht als unterhaltsminderndes Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten in Betracht kommt (RS0124356; 3 Ob 100/16a; 4 Ob 88/16v).
[21] Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil der Antragsgegner nicht das aus dem Kinderbetreuungsgeld „begünstigte Kind“ ist. Dementsprechend geht es hier um die (andere) Frage, ob der Mitbewohner (hier die Lebensgefährtin) des Unterhaltspflichtigen über eigene finanzielle Mittel verfügt, um sich an den gemeinsamen Lebenshaltungskosten zu beteiligen.
[22] Dies ist jedenfalls für das pauschale Kinderbetreuungsgeld zu verneinen. Dieser Art des Kinderbetreuungsgeldes kommt existenzsichernder Charakter zu. Seine Zielsetzung besteht demnach darin, auch einkommensschwachen Eltern in den ersten Lebensjahren des Kindes eine möglichst kindgerechte Betreuung zu ermöglichen. Das pauschale Kinderbetreuungsgeld ist daher zweckgebunden und soll der Familie ausschließlich zur häuslichen oder außerhäuslichen Betreuung des begünstigten Kindes zur Verfügung stehen.
[23] Diese Zweckbestimmung gelangt auch dadurch zum Ausdruck, dass gemäß § 43 Abs 1 KBGG das pauschale Kinderbetreuungsgeld – so wie auch andere familienspezifische Beihilfen oder Unterstützungsleistungen, deren Zweck in der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts besteht – gemäß § 290 EO nicht pfändbar ist. Durch die Heranziehung solcher zweckgebundener Mittel zu anderen Zwecken würde nicht nur die gesetzliche Zielsetzung unterlaufen, sondern auch die Existenz der Empfänger gefährdet.
[24] 4.3 Aufgrund dieser Überlegungen scheidet eine Heranziehung des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes zur teilweisen Abdeckung der Lebenshaltungskosten aus. Die gegenteiligen Literaturmeinungen, wonach auch pauschaliertes Kinderbetreuungsgeld für den beziehenden Elternteil regelmäßig Einkommensersatzfunktion habe (vgl Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht10 95; Gitschthaler, Anm zu 9 Ob 61/15h, EF-Z 2016/75, 155), sind nicht zu teilen.
[25] 4.4 Die Vorinstanzen sind demnach zu Unrecht davon ausgegangen, dass auch im Anlassfall eine Unterschreitung der absoluten Belastbarkeitsgrenze des Vaters (Antragstellers) durch Herabsetzung des Unterhaltsexistenzminimums zufolge Beteiligung seiner Lebensgefährtin an den gemeinsamen Lebenshaltungskosten aus dem von ihr bezogenen pauschalen Kinderbetreuungsgeld gerechtfertigt sei.
[26] Bei der Berechnung des jeweiligen Unterhaltsanspruchs des Kindes (Antragsgegner) ist zu Gunsten des Vaters daher das jeweilige Unterhaltsexistenzminimum zu berücksichtigen. Unter Zugrundelegung der unbeanstandeten Berechnungsmethode des Erstgerichts standen dem Vater zur Abdeckung der Unterhaltsansprüche seiner Kinder folgende Mittel zur Verfügung:
- Von Juli bis Dezember 2019 monatlich 144 EUR
- von Jänner bis Mai 2020 monatlich 115 EUR
- von Juni bis Dezember 2020 monatlich 115 EUR
- ab Jänner 2021 monatlich 85 EUR.
[27] Die – diese Beträge jeweils übersteigenden – Unterhaltsansprüche der drei Kinder (307 EUR bis Mai 2020 und 422 EUR ab Juni 2020 pro Monat) sind aliquot zu berücksichtigen. Davon ausgehend errechnet sich der Unterhaltsanspruch des Antragsgegners wie folgt:
- Von Juli 2019 bis Dezember 2019 monatlich 76 EUR
- von Jänner bis Mai 2020 monatlich 61 EUR
- von Juni bis Dezember 2020 monatlich 42 EUR
- ab Jänner 2021 monatlich 31 EUR.
[28] Die jeweiligen Differenzbeträge zum einstweilig festgesetzten Unterhaltsbeitrag von 119,60 EUR sind erloschen.
[29] 5. In Stattgebung des Revisionsrekurses des Vaters war die angefochtene Entscheidung entsprechend abzuändern. Auf die weiteren Argumente im Revisionsrekurs kommt es nicht mehr an.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00123.21S.0901.000 |
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DAAAF-68486