OGH 01.09.2021, 3Ob118/21f
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin L***** S*****, geboren am ***** 2002, *****, vertreten durch Mag. Ulrich Berger und Mag. Christof Pusswald, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, gegen den Antragsgegner M***** G*****, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, wegen Unterhalt, über den (Revisions-)Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 183/21s-44, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Tulln vom , GZ 15 FAM 43/20a-30, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der (Revisions-)Rekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 481,91 EUR (darin 63,65 EUR an USt) bestimmten Kosten der (Revisions-)Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die volljährige Antragstellerin begehrte die Erhöhung der monatlichen Unterhaltsverpflichtung ihres Vaters von bisher monatlich 130 EUR auf 460 EUR ab .
[2] Das Erstgericht gab dem Antrag teilweise statt und verpflichtete den Vater zur Leistung eines erhöhten Unterhaltsbeitrags von monatlich 450 EUR ab ; das Mehrbegehren wies es ab. Thema des (Revisions-)Rekursverfahrens ist nur die Abzugsfähigkeit der Fahrtkosten des Vaters zum und vom Arbeitsplatz. Dazu war das Erstgericht der Ansicht, dass nach der Rechtsprechung monatliche Fahrtkosten nur dann überdurchschnittlich und daher von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen seien, wenn sie um 140 EUR über dem Preis einer Nahverkehrskarte liegen. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, seien die vom Vater geltend gemachten Fahrtkosten nicht zu berücksichtigen.
[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge und hob die Entscheidung des Erstgerichts auf. Zu den Arbeitsplatzfahrtkosten führte es aus, dass die Entscheidung zu 10 Ob 59/06h den Betrag von 140 EUR nach Abzug der fiktiven Kosten einer Nahverkehrskarte als überdurchschnittlich bezeichne. Unter Berücksichtigung von Überlegungen zur geplanten Einführung eines 1-2-3-Tickets, das zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in zwei Bundesländern um täglich 2 EUR berechtigen solle, könnten Kosten von nur rund 60 EUR pro Monat als durchschnittliche Arbeitsplatzfahrtkosten angesehen und bereits bei Überschreiten dieser Grenze die Arbeitsplatzfahrtkosten als Abzugspost zu berücksichtigen sein.
[4] Der ordentliche Revisionsrekurs sei (auch) in Bezug auf die Arbeitsplatzfahrtkosten zulässig, weil die Ansicht des Rekursgerichts bereits bei relativ geringen Kilometerleistungen zu einem Abzug führte.
[5] Gegen den Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts richtet sich der (Revisions-)Rekurs des Vaters, der auf eine Abweisung des Unterhaltserhöhungsantrags seiner Tochter abzielt.
[6] Die Antragstellerin begehrt mit ihrer (Revisions-)Rekursbeantwortung, das Rechtsmittel des Vaters zurückzuweisen, hilfsweise diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[7] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der (Revisions-)Rekurs an den Obersten Gerichtshof mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
[8] 1. Trotz Zulässigerklärung des (Revisions-)Rekurses durch das Rekursgericht muss der Rechtsmittelwerber eine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.
[9] 2. In seinem (Revisions-)Rekurs an den Obersten Gerichtshof steht der Vater auf dem Standpunkt, dass die von ihm berufsbedingt aufgewendeten Fahrtkosten Mehraufwendungen darstellten, die – zur Gänze – als Abzugsposten die Unterhaltsbemessungsgrundlage minderten. Der Unterhaltsschuldner müsse um die gesamten ihm konkret entstehenden Fahrtkosten entlastet werden, und zwar ohne Bedachtnahme nur auf das halbe Kilometergeld und ohne weitere Abzüge für eine Nahverkehrskarte. Damit zeigt der Vater keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[10] 3.1 Es entspricht der Rechtsprechung, dass die Kosten der Fahrten zum und vom Arbeitsplatz mit dem eigenen PKW von der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht zur Gänze abzugsfähig sind, weil sonst eine Besserstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern erfolgen würde (2 Ob 150/02a; 10 Ob 59/06h). Aus diesem Grund können die abzugsfähigen Fahrtkosten nicht generell mit dem amtlichen Kilometergeld gleichgesetzt werden (1 Ob 211/16k; 3 Ob 41/17a). Dabei ist auch zu beachten, dass während des Erholungsurlaubs und allfälliger Krankenstände keine PKW-Fahrtkosten anfallen (vgl 1 Ob 211/16k) und der Unterhalt überdies nicht mathematisch exakt zu berechnen ist (RS0057284; 8 Ob 63/13t).
[11] 3.2 Mit welchem Betrag pro gefahrenem Kilometer der tatsächliche Aufwand an Betriebsmitteln von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0111469). Im Allgemeinen erachtet der Oberste Gerichtshof einen Abzug des Kilometergeldes im Ausmaß von 50 % unter Berücksichtigung eines weiteren Abzugs für fiktive Kosten einer Nahverkehrskarte als angemessen (vgl RS0121470; 10 Ob 59/06h; 3 Ob 41/17a). Von dieser Rechtsprechung ist das Rekursgericht nicht zu Lasten des Vaters abgewichen.
[12] 3.3 Die dargelegte Berechnung des Vaters weicht von dieser ständigen Rechtsprechung ab; es besteht aber weiterhin kein Anlass, von dieser abzugehen.
[13] 4. Der Rekurs des Vaters an den Obersten Gerichtshof ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Aufgrund der vom Rekursgericht zu anderen, vom Vater in seinem Rechtsmittel nicht relevierten Fragen angenommenen sekundären Feststellungsmängeln hat es bei der Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung zu bleiben.
[14] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die volljährige Antragstellerin hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Vaters hingewiesen (vgl 2 Ob 58/14i; 2 Ob 7/15s; 4 Ob 47/18t).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00118.21F.0901.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-68483