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OGH 25.02.2021, 2Ob190/20k

OGH 25.02.2021, 2Ob190/20k

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** S*****, vertreten durch Denkmair Hutterer Hüttner Waldl Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei P***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 781.900 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 13 R 76/20x-21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin war Lebensgefährtin des Erblassers. Dieser wies am in einer als „Testament“ bezeichneten Verfügung den Vorstand der Beklagten, einer von ihm gegründeten Privatstiftung, an, der Klägerin nach seinem Tod 700.000 EUR (wertgesichert) zu zahlen. Eine Erbeinsetzung enthielt die Urkunde, die der Erblasser in der Form des § 579 ABGB aF errichtet hatte, nicht. Die Stiftungszusatzurkunde der Beklagten sah zu diesem Zeitpunkt Ansprüche von Angehörigen des Erblassers vor, die nach seinem Tod fällig werden sollten.

[2] Am errichtete der Erblasser ein Testament, in dem er die Beklagte als Erbin einsetzte. Am selben Tag benannte er die Klägerin in einer Neufassung der Stiftungszusatzurkunde ebenfalls als Begünstigte und sah vor, dass sie nach seinem Tod 1 Mio EUR (wertgesichert) erhalten sollte. Später erhöhte er diesen Betrag auf 2 Mio EUR. Die Vorinstanzen konnten nicht feststellen, dass er zusätzlich die Anordnung aus dem Jahr 2004 aufrecht erhalten wollte. Die 2007 neu gefasste Stiftungszusatzurkunde enthielt weitere Neuregelungen zur Begünstigtenstellung von Angehörigen des Erblassers.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin ab, ihr – zusätzlich zu den 2 Mio EUR – aufgrund der erstgenannten Verfügung 781.900 EUR zu zahlen. Die in dieser Verfügung getroffene Anordnung sei kein Vermächtnis, sondern eine Weisung an den Vorstand, die aus stiftungsrechtlichen Gründen unwirksam sei. Jedenfalls sei aber das Testament in Verbindung mit der zum selben Zeitpunkt neu gefassten Stiftungszusatzurkunde dahin auszulegen, dass die Zuwendung aus der früheren Verfügung durch jene in der Stiftungszusatzurkunde ersetzt werden sollte.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig:

[5] 1. Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass die erste Anordnung des Erblassers als Vermächtnis verstanden werden müsse, das mit der Einsetzung der Beklagten als Erbin unter Bedachtnahme auf den Grundsatz des favor testamenti (hier codicillii) wirksam geworden sei. Weiters behauptet sie eine mangelhafte Erledigung ihrer Beweisrüge zur Negativfeststellung in Bezug auf den Willen des Erblassers.

[6] 2. Der Klägerin wäre allerdings nicht geholfen, wenn eine Umdeutung der Anordnung aus dem Jahr 2004 möglich wäre, die zumindest nach ihrem Wortlaut eindeutig eine Weisung an den Vorstand der zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Erbin eingesetzten Beklagten war. Denn das Berufungsgericht hat zudem angenommen, dass das zugunsten der Beklagten errichtete Testament und die Neufassung der Stiftungszusatzurkunde dahin zu verstehen seien, dass die Einräumung der Begünstigtenstellung mit dem Anspruch auf (zunächst) 1 Mio EUR die früher angeordnete Zuwendung von 700.000 EUR ersetzen sollte.

[7] 3. Diese Auffassung ist aufgrund der außergewöhnlichen Umstände des Einzelfalls – die es zudem nicht erwarten lassen, dass die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage auch andere Personen und vergleichbare Sachverhalte berühren wird (Lovrek in Fasching/Konecny3 § 502 ZPO Rz 28) – nicht zu beanstanden:

[8] 3.1. Zwar nahm die Rechtsprechung zu den hier noch anwendbaren §§ 713 f ABGB aF an, dass ein früheres Kodizill nicht „ohne weiteres“ durch ein späteres Testament aufgehoben werde (RS0012768; anders nun die Zweifelsregel in § 713 Abs 2 ABGB). Allerdings konnte sich aus den Umständen der Testamentserrichtung eine gegenteilige Auslegung des späteren Testaments ergeben (6 Ob 18/06z mwN).

[9] 3.2. Im vorliegenden Fall liegt nahe, dass der Erblasser bei der umfassenden Neuregelung der Versorgung seiner Angehörigen im Jahr 2007 die frühere Zuwendung von 700.000 EUR zumindest erwähnt hätte, wenn er sie tatsächlich neben dem neu begründeten Anspruch der Klägerin auf 1 Mio EUR aufrecht erhalten wollte; zudem kann das Einräumen dieses Anspruchs zwanglos als „Aufrunden“ der davor zugedachten 700.000 EUR verstanden werden. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten, wenn es annahm, dass das Testament, zusammen mit der Neuregelung in der Stiftungszusatzurkunde, ein (allfälliges) früheres Kodizill ersetzen sollte. Daher kann offen bleiben, ob die Anordnung aus dem Jahr 2004 tatsächlich als (allenfalls später wirksam gewordene) Aussetzung eines Legats zu verstehen war.

[10] 4. Die Negativfeststellung zum tatsächlichen Willen des Erblassers – die das Berufungsgericht mit mangelfreier Begründung übernommen hat (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO) – geht unter diesen Umständen zu Lasten der Klägerin.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00190.20K.0225.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-68387