Suchen Hilfe
OGH 25.01.2022, 1Ob3/22f

OGH 25.01.2022, 1Ob3/22f

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj V*, geboren am * 2009, des mj S*, geboren am * 2010, und des mj R*, geboren am * 2013, wegen Unterhalts, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs des Vaters H*, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom , GZ 2 R 201/21i-49, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom , GZ 1 Pu 30/20w-40, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Das Erstgericht setzte den laufenden monatlichen Unterhalt für die beiden älteren Kinder ab mit jeweils 547 EUR und für das jüngste Kind ab diesem Zeitpunkt mit 451 EUR fest und verpflichtete den Vater außerdem zur Zahlung von (bis ) rückständigem Unterhalt für das älteste Kind in Höhe von 4.578 EUR, für das mittlere Kind von 4.442 EUR und für das jüngste Kind von 4.457 EUR.

[2] In ihrem dagegen erhobenen Rekurs begehrten die beiden älteren Kinder eine Erhöhung ihres laufenden monatlichen Unterhalts ab um 124 EUR (sohin insgesamt 671 EUR), das jüngste Kind begehrte eine solche um weitere 101 EUR (sohin insgesamt 552 EUR). Außerdem strebten sie eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dahin an, dass der Vater dem ältesten Kind 10.285 EUR und den beiden jüngeren Kindern jeweils 8.569 EUR an bis fällig gewordenem Unterhalt zu zahlen habe.

[3] Der Vater wandte sich in seinem Rekurs nicht gegen die Bemessung des laufenden Unterhalts ab , begehrte aber eine Herabsetzung der bis dahin fällig gewordenen (rückständigen) Unterhaltsbeträge.

[4] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Kinder, soweit ihr Abänderungsantrag über die in erster Instanz begehrten Unterhaltszahlungen hinausging, zurück. Im Übrigen sprach es dem ältesten Kind an bis zum fällig gewordenen Unterhalt 8.271,33 EUR, dem mittleren Kind 8.688,33 EUR und dem jüngsten Kind 6.588,87 EUR zu und bemaß den laufenden Unterhalt ab für die beiden älteren Kinder mit 671 EUR und für das jüngste Kind mit 552 EUR. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 2 AußStrG nicht zulässig.

[5] Dagegen richtet sich das als „außerordentlicher“ Revisionsrekurs bezeichnete Rechtsmittel des Vaters, welches das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

[6] Dies entspricht nicht dem Gesetz.

[7] 1. Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs – wie hier – für nicht zulässig erklärt hat. In einem solchen Fall kann eine Partei nur nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Diese Zulassungsvorstellung ist mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden.

[8] 2. Die Ermittlung des Werts des vom Rekursgericht behandelten Entscheidungsgegenstands richtet sich nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften der JN. Er bestimmt sich beim Unterhalt nach § 58 Abs 1 JN mit dem 36-fachen des monatlichen Unterhalts. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung nur auf jenen monatlichen Unterhaltsbetrag abzustellen, der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichts noch strittig war (laufender Unterhalt), während jene Unterhaltsansprüche, die vor diesem Zeitpunkt strittig waren bzw fällig wurden (rückständiger Unterhalt), nicht zusätzlich zu berücksichtigen sind (vgl RIS-Justiz RS0122735 [insb T5, T8]; RS0114353 [insb T1]). Der Wert des Entscheidungsgegenstands ist im Unterhaltsverfahren für jedes Kind einzeln zu beurteilen, eine Zusammenrechnung findet nicht statt (vgl RS0112656; RS0017257).

[9] 3. Da sich der Vater in seinem Rekurs nicht gegen die Höhe des laufenden Unterhalts der Kinder (ab ) aussprach und die Kinder nur eine Erhöhung um 124 EUR bzw 101 EUR anstrebten, betrug der Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts nach der dargelegten Judikatur hinsichtlich der beiden älteren Kinder 4.446 EUR (124 EUR x 36) und hinsichtlich des jüngsten Kindes 3.636 EUR (101 EUR x 36). Daran, dass bei keinem Kind die Wertgrenze von 30.000 EUR überschritten wird, würde sich auch nichts ändern, wenn die (im Rekursverfahren noch strittigen) Unterhaltsrückstände hinzuzurechnen wären. Ein „außerordentlicher“ Revisionsrekurs kommt damit nicht in Betracht. Das Erstgericht wird zu beurteilen haben, ob es die Eingabe des Vaters als mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG oder aber als verbesserungsbedürftig ansieht (vgl RS0109505).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj V*, geboren * 2009, des mj S*, geboren * 2010, und des mj R*, geboren * 2013, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters H*, M*, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom , GZ 2 R 201/21i-49, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom , GZ 1 Pu 30/20w-40, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Gegen die vom Erstgericht angenommene Verpflichtung zur Zahlung rückständigen Unterhalts (vom bis ) wandte sich der Vater in seinem Rekurs nur insoweit, als das Erstgericht von ihm geleistete Unterhaltszahlungen unberücksichtigt gelassen habe. Das Rekursgericht berücksichtigte diese Zahlungen bei der Bestimmung des Unterhaltsrückstands. Die Höhe des laufenden, also des für die Zukunft zuerkannten Unterhalts wurde vom Vater in zweiter Instanz nicht bekämpft.

[2] 1.2. Die Kinder erhoben ebenfalls Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung und begehrten – sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft – die Festsetzung höherer Unterhaltsbeträge. Sie begründeten dies unter anderem damit, dass der Unterhaltsbemessungsgrundlage auch der in der Zurverfügungstellung eines Dienstwagens gelegene Sachbezug zugrundezulegen sei. Der Vater hielt dem in seiner Rekursbeantwortung entgegen, dass ihm für seinen Arbeitsweg kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung stehe, weshalb eine Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht gerechtfertigt sei. Im Übrigen entgegnete er dem Rekurs der Kinder, dass das Erstgericht von ihm erbrachte Sachleistungen für einen bestimmten Zeitraum als Naturalunterhalt berücksichtigen und seine – nach der Prozentwertmethode bemessene – Unterhaltspflicht aufgrund einer überdurchschnittlichen Betreuung der Kinder in seinem Haushalt um mehr als 15 % pro Jahr reduzieren hätte müssen, weshalb ihrem Rechtsmittel auch insoweit keine Berechtigung zukomme.

[3] 1.3. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kinder insoweit Folge, als es den Unterhalt aufgrund des vom Vater bezogenen Sachbezugs auf Basis eines höheren monatlichen Nettoeinkommen bemaß und den Kindern daher sowohl einen höheren rückständigen als auch einen höheren laufenden Unterhalt als das Erstgericht zusprach. Auf die Einwände des Vaters in seiner Rekursbeantwortung, wonach weitere Naturalunterhaltsleistungen zu berücksichtigen und aufgrund seiner überdurchschnittlichen Betreuung der Kinder ein höherer Prozentabzug von seiner Unterhaltspflicht gerechtfertigt gewesen wäre, ging es nicht ein, weil er diese – gegen die erstinstanzliche Entscheidung gerichteten – Argumente in seinem Rekurs erheben hätte müssen.

[4] 1.4. Hat die Partei die Entscheidung erster Instanz nur in einem bestimmten Punkt wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten, können andere Rechtsgründe, denen selbständige rechtserzeugende oder rechtsvernichtende Tatsachen zugrunde liegen, in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043338 [insb T10, T11, T13]; RS0043480 [T22]; RS0043573 [insb T2, T29, T31, T33, T36, T40, T43]). Da der Vater der rechtlichen Beurteilung der beiden vom Erstgericht beurteilten selbstständigen Rechtsfragen, inwieweit von ihm erbrachte Sachleistungen – über das vom Erstgericht berücksichtigte Ausmaß hinaus – als Naturalunterhaltsleistungen zu berücksichtigen seien und aufgrund seiner überdurchschnittlichen Betreuungsleistungen ein höherer Abzug von seiner Unterhaltspflicht gerechtfertigt wäre, in seinem Rekurs nicht entgegentrat, kann dies im Revisionsrekurs nicht mehr nachgeholt werden. Der Rekursbeantwortung kann, wenn überhaupt, nur eingeschränkt die Funktion eines Rechtsmittels zugebilligt werden. Ihr Hauptzweck liegt darin, auf die Rechtsmittelausführungen zu erwidern und Argumente für die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung – oder zumindest ihrer vom Gegner bekämpften Punkte – zu liefern. Eine eigenständige Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung der erstinstanzlichen Entscheidung wird damit nicht eröffnet (vgl RS0119592).

[5] 2.1. Im Revisionsrekursverfahren ist somit nur auf das Argument des Vaters einzugehen, das Rekursgericht sei aufgrund der Berücksichtigung der privaten Nutzungsmöglichkeit seines Dienstwagens als Naturalbezug von einer zu hohen Unterhaltsbemessungsgrundlage ausgegangen.

[6] 2.2. Naturalbezüge – wie insbesondere die private Nutzungsmöglichkeit eines Dienstkraftfahrzeugs – haben als Einkommensbestandteile in die Bemessungsgrundlage einzufließen (RS0109238). Dabei sind keine weitwendigen Ermittlungen anzustellen, um den Umfang der tatsächlichen privaten Nutzung eines solchen PKWs abzuklären, vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der vom Dienstgeber unbeanstandet verrechnete Wert des Sachbezugs den Gegebenheiten entspricht und somit einen entsprechenden Einkommensbestandteil bildet. Es kann solange von der lohnsteuerrechtlichen Bewertung ausgegangen werden, als es keine Hinweise dafür gibt, dass diese nicht den realen Gegebenheiten entsprechen (6 Ob 109/21d mwN).

[7] 2.3. Hier liegen keine Hinweise darauf vor, dass die Tatsachen, die der steuerlichen Ermittlung des Sachwerts (durch das Rekursgericht) zu Grunde lagen, nicht der Wahrheit entsprechen. Eine private Nutzung des Firmenfahrzeugs wird vo m Revisionsrekurswerber nicht in Abrede gestellt. Seine Behauptung, „der Sachbezug egalisiere sich mit den – auf Basis des amtlichen Kilometergeldes bemessenen – Fahrtkosten zu und vom Arbeitsplatz“, lässt nicht konkret erkennen, inwieweit der vom Rekursgericht angenommene Wert des vom Dienstgeber unbeanstandet verrechneten Sachbezugs keinen entsprechenden Einkommensbestandteil bilden sollte. Dass das Fahrzeug vom Vater primär für Fahrten von und zum Arbeitsort genutzt wird, hat das Rekursgericht (in Anlehnung an die Rechtsprechung, wonach sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage – bei Benützung eines eigenen Fahrzeugs – um 50 % des Kilometergeldes sowie eines weiteren Abzugs für fiktive Kosten einer Nahverkehrskarte vermindere; vgl 3 Ob 118/21f mwN) ohnehin berücksichtigt, worauf der Revisionsrekurswerber aber nicht eingeht, sodass er auch dazu keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt. Aus der von ihm ins Treffen geführten Entscheidung 3 Ob 351/97g, in der unter anderem dargelegt wurde, dass es sich beim Sachbezug für die private Nutzung eines Dienstfahrzeugs um keinen Aufwandersatz handelt, ist für ihn nichts zu gewinnen; ebensowenig aus der im Revisionsrekurs genannten Entscheidung zu 10 ObS 158/17h, wo darauf hingewiesen wurde, dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass ein vom Dienstgeber verrechneter Wert des Sachbezugs „den Gegebenheiten“ entspricht und daher einen entsprechenden Einkommensbestandteil bildet.

[8] 2.4. Dass das Rekursgericht der Unterhaltsbemessungsgrundlage den Brutto-Sachbezugswert zugrundegelegt hätte, ist unzutreffend, ergibt sich aus dessen Entscheidung doch ein Abzug „der insgesamt einbehaltenen SV-Beiträge und Lohnsteuern von den Bruttobezügen“. Soweit er behauptet, dass die ergänzende Feststellung auf bloßen Vermutungen basiere und von keinen konkreten „Verfahrensergebnissen“ gedeckt sei, wendet er sich inhaltlich gegen die in dritter Instanz nicht bekämpfbare Beweiswürdigung (RS0069246). Auch ergänzende Feststellungen, die das Gericht zweiter Instanz getroffen hat, können beim Obersten Gerichtshof nicht bekämpft werden (RS0069246 [T3]). Ein Verfahrensmangel kann darin, dass das Rekursgericht aufgrund der vom Vater in erster Instanz selbst vorgelegten (Jahres-)Lohnzettel ergänzende Feststellungen zu dessen Einkommen (einschließlich seines Sachbezugs) traf, nicht erblickt werden (vgl auch RS0121557).

[9] 3. Gemäß § 101 Abs 2 AußStrG findet im Verfahren über den Unterhalt minderjähriger Kinder kein Kostenersatz statt. Die Kinder haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung daher selbst zu tragen.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00003.22F.0125.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAF-68277