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OGH 28.01.2021, 1Ob238/20m

OGH 28.01.2021, 1Ob238/20m

Rechtssatz


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Norm
§15a TSchVG
RS0133458
Eine Bank, die als Zahlstelle der Emittentin tätig ist, kommt nicht als gemeinsame Vertreterin der Anleihegläubiger gemäß § 15a TSchVG in Betracht.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerinnen 1. M*****gesellschaft mbH & Co KG und 2. M*****, beide *****, vertreten durch die Kubes Passeyrer Rechtsanwälte OG, Wien, wegen Genehmigung der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gemäß § 15a Abs 3 TSchVG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 12 R 41/20t-5, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 8 Nc 1/20s-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

[1] Die Erstantragstellerin begab auf Grundlage der Anleihebedingungen vom in einer Sammelurkunde verbriefte Teilschuldverschreibungen mit einem Gesamtvolumen von 30,5 Mio EUR und einer Laufzeit von 30 Jahren. Die Schuldverschreibungen wurden zur Gänze von einer Kommanditgesellschaft erworben und auf Basis der Anleihebedingungen an institutionelle Investoren weiterverkauft. Nach den Anleihebedingungen ist eine Börseeinführung der Teilschuldverschreibungen geplant.

[2] Die Erstantragstellerin ist Eigentümerin von Liegenschaften, die jeweils (mit einer Ausnahme) mit einem Baurecht zugunsten der Zweitantragstellerin belastet sind. Mit „Pfandbestellungsurkunde“ vom 28. 3./, abgeschlossen zwischen den Antragstellerinnen als „Sicherheitengeber“ und einer Bank als „Treuhänderin“ bzw „gemeinsame Vertreterin“ der Anleihegläubiger, bestellten die Antragstellerinnen – neben anderen Sicherheiten – zugunsten sämtlicher Anleihegläubiger ein Simultanpfandrecht auf den Liegenschaften im Höchstbetrag von 30,5 Mio EUR. Die Bank wurde von den Antragstellerinnen zur „gemeinsamen Vertreterin“ gemäß § 15a TSchVG (Gesetz vom 24. April 1874 betreffend die gemeinsame Vertretung der Rechte der Besitzer von auf Inhaber lautenden oder durch Indossament übertragbaren Teilschuldverschreibungen und die bücherliche Behandlung der für solche Teilschuldverschreibungen eingeräumten Hypothekarrechte; RGBl 1874/49; mitunter auch als Kuratorengesetz bezeichnet) bestellt. Sie ist nach dem Pfandbestellungsvertrag verpflichtet, die ihr aufgrund zwingend gesetzlicher Vorschriften, insbesondere – jedoch nicht ausschließlich – des TSchVG und des Kuratoren-ErgänzungsG (Gesetz vom 5. December 1877, womit ergänzende Bestimmungen zu den Gesetzen vom 24. April 1874, [R.G.Bl. Nr. 48 und 49], betreffend die Vertretung der Besitzer von Pfandbriefen oder von auf Inhaber lautenden oder durch Indossament übertragbaren Theilschuldverschreibungen erlassen werden; RGBl 1877/111; „KurEG“), obliegenden Verpflichtungen zu beachten und innerhalb der Grenzen der Anleihebedingungen sowie des Treuhandvertrags im Interesse der Anleihegläubiger (subsidiär im Interesse der Sicherheitengeber) wahrzunehmen. Im Übrigen wird hinsichtlich der Rechte und Pflichten der gemeinsamen Vertreterin auf die Anleihebestimmungen sowie den – zwischen der Bank und den Antragstellerinnen abgeschlossenen – Treuhandvertrag verwiesen.

[3] In den Anleihebedingungen finden sich ebenfalls grundsätzliche Regelungen über die Bestellung der Bank zur gemeinsamen Vertreterin nach § 15a TSchVG sowie zu ihren diesbezüglichen Rechten und Pflichten. Sie ist demnach verpflichtet, die Bestellung der Sicherheiten (insbesondere des Pfandrechts) zugunsten der Anleihegläubiger „zu kontrollieren, sie in deren Interesse zu verwalten sowie gegebenenfalls freizugeben oder zu verwerten“.

[4] Im Treuhandvertrag verpflichtete sich die Bank, ihre Aufgaben als Treuhänderin im Interesse der Anleiheinhaber zu übernehmen und auszuüben. Sie handelt im Hinblick auf die Sicherheiten im Interesse dieser Begünstigten gemäß den Bestimmungen des Treuhandvertrags, der Sicherheitenverträge und der Anleihebedingungen und wird von den Begünstigten und der Emittentin mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben im Interesse der Begünstigten beauftragt. Die Begünstigten sind nach dem – insoweit als „echter Vertrag zu Gunsten Dritter“ bezeichneten – Treuhandvertrag unmittelbar berechtigt, von der Treuhänderin (also der Bank) zu verlangen, dass sie ihre Pflichten aufgrund dieses Vertrags, der Sicherheitenverträge und der Anleihebedingungen erfüllt. Nach den Anleihebedingungen treten die Anleihegläubiger dem Treuhandvertrag durch Zeichnung oder Erwerb der Schuldverschreibungen bei und „unterwerfen“ sich dessen Bestimmungen sowie jenen der Pfandurkunde.

[5] Neben ihrer Funktion als gemeinsame Vertreterin der Inhaber der hypothekarisch gesicherten Teilschuldverschreibungen iSd § 15a TSchVG übernahm die Bank nach den Anleihebedingungen auch jene der Zahlstelle der Emittentin. § 10 der Anleihebedingungen sieht dazu Folgendes vor:

„1. Zahlstelle für die Anleihe ist die [Bank].

2. Die Emittentin behält sich das Recht vor, jederzeit die Bestellung der Zahlstelle zu beenden, verpflichtet sich für diesen Fall jedoch gleichzeitig mit der Beendigung der Bestellung ein anderes dem österreichischen Bankwesengesetz unterliegendes Kreditinstitut als Zahlstelle zu bestellen. Eine Abberufung, Bestellung oder ein sonstiger Wechsel der Zahlstelle ist nur wirksam (außer im Insolvenzfall der Zahlstelle, in dem eine Änderung sofort wirksam wird), wenn die Anleihegläubiger hierüber vorab […] informiert wurden.

3. Die Zahlstelle handelt ausschließlich als Beauftragte der Emittentin und übernimmt keinerlei Verpflichtungen gegenüber den Anleihegläubigern. Insbesondere wird – mit Ausnahme der von der Zahlstellenfunktion unabhängigen Bestellung zur Treuhänderin gemäß den Bestimmungen und Bedingungen des Treuhandvertrages […] – kein Vertrags-, Auftrags- oder Treuhandverhältnis zwischen der Zahlstelle und den Anleihegläubigern begründet.

4. Die Emittentin verpflichtet sich, Kapital und Zinsen bei Fälligkeit in Euro zu bezahlen. Eine Zahlung gilt als rechtzeitig, wenn sie am Geschäftstag vor dem Fälligkeitstag nicht später als 12:00 Uhr auf dem Konto der Zahlstelle einlangt. Derartige Zahlungen erfolgen […] über die Zahlstelle an ein Clearingsystem oder an dessen Order zur Gutschrift für die jeweiligen Kontoinhaber.“

[6] Nachdem ein erster Antrag auf gerichtliche Genehmigung der Bestellung der Bank zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger gemäß § 15a Abs 3 TSchVG in einem Vorprozess rechtskräftig abgewiesen worden war, weil die Bank nach dem – auch für die Inhaber der Schuldverschreibungen verbindlichen – Treuhandvertrag nur beschränkt haften sollte (vgl 6 Ob 220/16w), erklärte die Bank „als Treuhänderin und gemeinsame Vertreterin“, auf die im Treuhandvertrag enthaltenen Haftungsbeschränkungen gegenüber den Begünstigten (also den Anleihegläubigern) zu verzichten und sich „im Anlassfall nicht auf diese zu berufen“. Die (damaligen) Inhaber der Teilschuldverschreibungen erklärten, „für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum der Teilschuldverschreibungen“ den Verzicht der Bank auf die im Treuhandvertrag geregelten Haftungsbeschränkungen anzunehmen und mit der Bestellung der Bank zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger einverstanden zu sein, wobei auch darauf hingewiesen wurde, dass die Anleihebedingungen samt Anlagen schon mit Zeichnung der Schuldverschreibung „vollständig zur Kenntnis genommen wurden“ und sie sich „mit ihrem Inhalt in sämtlichen Punkten einverstanden erklärt haben“.

[7] Die Antragstellerinnen beantragten daraufhin neuerlich, die Bestellung der Bank zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger gerichtlich zu genehmigen und bei den verpfändeten Liegenschaften im Grundbuch anzumerken. Die Bank habe kein besonderes Naheverhältnis zur Emittentin, den Pfandbestellern oder einem ihrer Organe und verfüge über Erfahrung mit der Abwicklung von Treuhandschaften.

[8] Das Erstgericht wies diesen Antrag ab, weil die Bank auch als Zahlstelle der Emittentin fungiert, wodurch sich die Gefahr von Interessenskonflikten ergebe, was einer Genehmigung nach § 15a TSchVG – wegen eines in der Person der gemeinsamen Vertreterin gelegenen Ausschlussgrundes – entgegenstehe. Als Zahlstelle bestehe ein Naheverhältnis zur Emittentin und somit die Gefahr, dass die Bank auch als gemeinsame Vertreterin der pfandberechtigten Anleihegläubiger im Zweifel nicht zugunsten dieser sondern im Interesse der Emittentin entscheiden und handeln könnte. Durch die Zustimmung der Anleihegläubiger, denen kein Mitwirkungsrecht bei der Bestellung des gemeinsamen Vertreters zukomme, könne dieses – der gerichtlichen Genehmigung entgegenstehende –Hindernis nicht beseitigt werden.

[9] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Notwendigkeit einer Verpflichtung zur gerichtlichen Genehmigung der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger bezwecke auch den Schutz ihrer Rechte und Interessen. Die Prüfkompetenz des Gerichts umfasse daher auch die Frage, ob die gleichzeitige Ausübung mehrerer Funktionen durch die zum gemeinsamen Vertreter bestellte Person zu einem Interessenkonflikt zu Lasten der Anleihegläubiger führen könne. Im vorliegenden Fall ergebe diese Prüfung, dass die Bestellung der Bank zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger mit ihrer Funktion als Zahlstelle unvereinbar sei, weshalb das Erstgericht den Antrag zu Recht abgewiesen habe.

[10] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob der Bestellung einer Bank, die in Zusammenhang mit der Emission einer Anleihe als Zahlstelle fungiert, zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger wegen möglicher Interessenkonflikte die Genehmigung zu versagen sei.

[11] Der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen ist aus diesem Grund zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[12] 1.1. § 1 TSchVG sieht die gerichtliche Bestellung eines gemeinsamen Kurators für die jeweiligen Besitzer von auf Inhaber lautenden oder durch Indossament übertragbaren Teilschuldverschreibungen in jenen Fällen vor, „in welchen es sich ergibt, dass die Rechte dieser Besitzer wegen des Mangels einer gemeinsamen Vertretung gefährdet oder die Rechte eines anderen in ihrem Gang gehemmt würden“. In Angelegenheiten, die gemeinsame Rechte der Besitzer von Teilschuldverschreibungen betreffen, können die einzelnen Besitzer ihre Rechte nicht selbständig geltend machen (§ 9 Abs 1 TSchVG; vgl auch 4 Ob 176/15h; 6 Ob 220/16w).

[13] 1.2. Der II. Abschnitt des TSchVG (§§ 11 bis 15) enthält Regelungen zur bücherlichen Behandlung der für Teilschuldverschreibungen eingeräumten Hypothekarrechte. Durch die mit dRGBl I 1942/102 eingefügten §§ 15a und 15b TSchVG sollten Verfügungen über die Hypothek (weiter) vereinfacht werden, weil das Verfahren zur Bestellung eines gemeinsamen Kurators nach § 1 TSchVG sowie die Vornahme einzelner Verfügungen durch diesen – hinsichtlich der Hypothek – (insbesondere aufgrund des in § 1 KurEG angeordneten Erfordernisses einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung „wichtiger gemeinsamer Angelegenheiten und Entscheidungen“ des Kurators) als „zu schwerfällig“ angesehen wurde (vgl Hesse, Die Verordnung zur Vereinfachung des Grundbuchverfahrens vom [RGBl S 573], DFG 1943, 17 [23]). § 15a Abs 1 TSchVG ermöglicht es, bereits in der Pfandbestellungs- oder Pfandübertragungsurkunde einen gemeinsamen Vertreter hinsichtlich jener Verfügungen, die das Pfandrecht der Anleihegläubiger betreffen, zu bestimmen. Eine solche Bestellung ist gemäß § 15a Abs 3 leg cit aber nur dann wirksam, wenn sie durch das (in § 2 TSchVG näher bestimmte Pflegschafts-)Gericht genehmigt und im „öffentlichen Buch“ angemerkt wird. Wurde der gemeinsame Vertreter nicht schon in der Pfandurkunde bestellt, kann er nur mehr vom Gericht – auf Antrag des gemeinsamen Kurators gemäß § 1a TSchVG – bestellt werden; dieses hat dann seine Befugnisse „zu bestimmen“ und die Eintragung im „öffentlichen Buch“ anzuordnen (§ 15a Abs 4 TSchVG).

[14] 2.1. Sowohl der gemeinsame Vertreter nach § 15a TSchVG als auch der Kurator nach § 1 TSchVG sind – wie sich schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt – Vertreter der Anleihegläubiger. Ebenso wie die Bestellung des Kurators dient jene des gemeinsamen Vertreters (auch) dem Interesse der Anleihegläubiger an einer möglichst effektiven Durchsetzung ihrer Rechte. Während der Kurator nach § 1 TSchVG dieses Interesse primär hinsichtlich der schuldrechtlichen Ansprüche der Gläubiger wahrnimmt, ist der nach § 15a TSchVG bestellte gemeinsame Vertreter dazu nur im Zusammenhang mit dem Pfandrecht berufen.

[15] 2.2. Beiden Vertretern ist – was in der Literatur als verbindendes Element sämtlicher Kuratelen angesehen wird (vgl Mondel, Die Kuratoren im österreichischen Recht2 [2013] Rz 1/49; siehe auch Rz 1/61) – die „Übernahme vermögensrechtlicher Verantwortung über fremdes Vermögen“ gemeinsam; ebenso, dass ihnen von den Anleihegläubigern keine Weisungen erteilt oder ihren Handlungen widersprochen werden kann (zum Kurator nach § 1 TSchVG vgl Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht² [2015] Rz 34/67; Kalss, Anlegerinteressen [2001] 409 FN 170; Bartsch in Klang I/11 § 276 ABGB Rz 8, S 1121; zum Vertreter nach § 15a TSchVG siehe Moser in Kalss/Moser, Kuratorengesetz [2018] § 15a TSchVG Rz 16; Juster, Koordination und Bündelung von Finanzgläubigern in der [vorinsolvenzlichen] Unternehmenssanierung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage bei Unternehmensanleihen [Dissertation Universität Wien 2016] 178 mwN). Vor allem bedarf die Bestellung beider Vertreter einer – mehr oder minder „intensiven“ – (pflegschafts-)gerichtlichen „Mitwirkung“: Während der Kurator nach § 1 TSchVG sowie der nicht bereits in der Pfandurkunde bestellte Vertreter nach § 15a Abs 4 TSchVG vom Gericht zu bestellen sind, erfordert die – hier vorliegende – Bestellung des gemeinsamen Vertreters in der Pfandurkunde eine gerichtliche Genehmigung, worin – gemeinsam mit der Möglichkeit der jederzeitigen Enthebung durch das Gericht aus wichtigem Grund gemäß § 15a Abs 5 TSchVG – ein ausreichender (pflegschaftsgerichtlicher) Kontrollmechanismus gesehen wurde (vgl Hesse,DFG 1943, 17 [23]; Moser aaO § 15a TSchVG Rz 12).

[16] 2.3. Die Stellung des gemeinsamen Vertreters iSd § 15a TSchVG weist also deutliche Züge einer Kuratel auf (auf die Ähnlichkeit weisen etwa auch Moser aaO § 15a TSchVG Rz 16 sowie Juster aaO 178 hin), sodass auch bei der „Auswahl“ der Person des gemeinsamen Vertreters die zum „allgemeinen Kuratelsrecht“ entwickelten Grundsätze (zumindest sinngemäß) heranzuziehen sind (idS auch Juster aaO 178), wie dies für den Kurator nach § 1 TSchVG in § 6 TSchVG („nach den allgemeinen Vorschriften, welche sich auf Kuratoren beziehen“) ausdrücklich angeordnet ist.

[17] 3.1. Dem Gericht kommt bei der Auswahl (hier: der Genehmigung) der Person eines Kurators ein weitgehendes Ermessen zu (vgl Stefula in KBB6 § 279 ABGB Rz 1 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; ebenso Mondel in Deixler-Hübner/Schauer, Erwachsenenschutzrecht [2018] Rz 15.67). Nach § 279 Abs 1 ABGB idF des 2. ErwSchG (BGBl I 2017/59; dieses ist gemäß § 1503 Abs 9 Z 18 ABGB auf Fälle anzuwenden, in denen der Kurator nach dem bestellt wurde; im vorliegenden Fall ist – da sich § 279 Abs 1 ABGB an das Gericht wendet – auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Genehmigung gemäß § 15a Abs 3 TSchVG bzw [wie hier] dessen Versagung abzustellen; durch das 2. ErwSchG sollte aber ohnehin nur das bisher geltende Recht – mit wenigen geringfügigen [hier nicht relevanten] Modifikationen – übernommen und kodifiziert werden; vgl Weitzenböck in Schwimann/Kodek5 Vor § 277 ABGB Rz 4) ist bei der Auswahl des Kurators auf die Interessen der vertretenen Person(en) Bedacht zu nehmen. Gemäß Abs 3 Z 2 leg cit (entspricht § 273 Abs 2 Z 2 ABGB vor dem 2. ErwSchG) dürfen solche Personen nicht mit der Kuratel betraut werden, „die eine förderliche Ausübung derselben nicht erwarten lassen“, was insbesondere bei einer möglichen Interessenkollision der Fall sein kann (vgl Stabentheiner in Rummel/Lukas4 §§ 273, 274 ABGB Rz 3).

[18] 3.2. Zum Kurator nach § 1 TSchVG wird im Schrifttum vertreten, dass es sich bei diesem um eine von den Interessen des Emittenten unabhängige Person handeln soll (Weber in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, § 1 TSchVG Rz 140). Es wird auch auf die Gefahr hingewiesen, die für die Anleihegläubiger mit der „Auswahl“ bzw dem „Vorschlag“ einer dem Emittenten „genehmen“ Person verbunden ist (Weber aaO § 1 Rz 164; Kalss in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, Vor § 1 Rz 38). Zum gemeinsamen Vertreter nach § 15a TSchVG macht Moser (aaO § 15a Rz 8) darauf aufmerksam, „dass Strukturen, in denen potentielle Interessenskonflikte des gemeinsamen Vertreters bestehen, problematisch sind“ und dass das zur Genehmigung berufene Gericht das Nichtvorliegen von Ausschließungsgründen (gemeint: iSd § 279 Abs 3 Z 2 ABGB in der Fassung des 2. ErwSchG; vgl § 273 Abs 2 Z 2 ABGB in der zuvor geltenden Fassung) – wozu auch ein (offenkundiges) Naheverhältnis zum Emittenten zählt – prüft (vgl auch Juster aaO 177). Selbst wenn kein „formaler Ausschlussgrund“ vorläge, könnten Interessenskonflikte bestehen, etwa wenn für den Emittenten tätige Berater oder an der Platzierung bzw „Servicierung“ einer besicherten Anleihe beteiligte Kreditinstitute die Rolle des gemeinsamen Vertreters übernehmen sollen. In diesen Fällen „sei erhöhte Vorsicht geboten“ und die Bestellung solcher Institute zu vermeiden.

[19] 3.3. Der Oberste Gerichtshof erkannte bereits in seiner Entscheidung zu 1 Ob 325/37 (SZ 19/110) das Problem von Interessenkonflikten des Kurators nach § 1 TSchVG (im Verhältnis zum Emittenten) und wies darauf hin, „dass dem Gesetzgeber natürlich nicht unbekannt war, dass sehr oft […] schon bei der Anleihebegebung eine bestimmte Person mit der treuhändigen Vertretung der Inhaber von Obligationen betraut wurde“, dass der Gesetzgeber dies aber nicht für ausreichend hielt, „weil ein solcher Vertreter sehr oft aus Rücksichten für den Schuldner in Pflichtenkollisionen geraten mußte“. Der sechste Senat ging in einer jüngeren – zur auch hier zu beurteilenden Teilschuldverschreibung ergangenen – Entscheidung (6 Ob 220/16w) davon aus, dass das zur Genehmigung der Bestellung des gemeinsamen Vertreters berufene Gericht – im Interesse und zum Schutz der Anleihegläubiger – auch Hindernisse in dessen Person wahrzunehmen habe. Dass solche Hindernisse auch aus (offensichtlichen) Interessenkonflikten resultieren können, liegt auf der Hand.

[20] 3.4. Im vorliegenden Fall übernahm die in der Pfandurkunde gemäß § 15a TSchVG zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger bestellte Bank zusätzlich die Rolle der Zahlstelle der Emittentin. Als solche hat sie die Aufgabe, deren Zahlungen an die Anteilsinhaber weiterzuleiten (vgl Oppitz in Apathy/Iro/Koziol [Hrsg], Österreichisches Bankvertragsrecht² Band VI [2007] Rz 3/66). Sie ist für die Kupon- und Tilgungszahlungen „verantwortlich“, dient als zentrale Stelle für die Durchführung der Zahlungsflüsse (vgl Colcuc-Simek/Leimer/Rappold-Mellitzer,

Privatplatzierung – Finanzierungsinstrument für öffentliche Unternehmen, RFG 2005/27) und ist dabei nur der Emittentin gegenüber verpflichtet (vgl Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen [1991] Rz 46; Koziol/Oppitz, ÖBA 2005/1312 [898]). In den Anleihebedingungen wird diese Verantwortlichkeit der Bank als Zahlstelle allein gegenüber der Emittentin dahin konkretisiert, dass sie ausschließlich als deren Beauftragte tätig wird, keinerlei Verpflichtungen gegenüber den Anleihegläubigern übernimmt und zu diesen in keinem Vertrags-, Auftrags- oder Treuhandverhältnis steht. Als „auszahlende Stelle“, die für die Emittentin die Zahlungen an die Inhaber der Wertpapiere „verteilt“, ist sie als deren Erfüllungsgehilfin zwar ermächtigt, Leistungen zur Erfüllung der Verbindlichkeiten des Anleiheschuldners zu erbringen (8 Ob 54/16y), eine Erfüllungswirkung gegenüber dem einzelnen Anleihegläubiger tritt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „regelmäßig“ (jedenfalls wenn nichts anderes vereinbart ist; vgl aber 9 Ob 81/08i, wo – im Verbandsprozess – eine Klausel, die eine solche Erfüllungswirkung vorsah, als sittenwidrig angesehen wurde) aber erst mit Gutschrift bei diesem bzw der für ihn tätigen Bank ein (vgl 8 Ob 19/04h; 8 Ob 54/16y).

[21] 3.5. Abgesehen davon, dass sich die Bank aufgrund ihrer gegenüber der Emittentin (wohl entgeltlich) eingegangenen vertraglichen Verpflichtung als Zahlstelle (bei jederzeitiger Möglichkeit zur „Abberufung“ von dieser Funktion) in einem rechtlichen (und wegen der Entgeltlichkeit auch wirtschaftlichen) Verhältnis zu dieser befindet, ergibt sich ein potentieller Interessenkonflikt der Bank in Bezug auf ihre gleichzeitige Rolle als gemeinsame Vertreterin der Anleihegläubiger aus ihrer Rechtsstellung als Zahlstelle daraus, dass sie durch die zusätzliche Betrauung mit dieser Funktion die an sich der (Anleihe-)Schuldnerin obliegende Aufgabe der „Zahlungsabwicklung“ – also der „Verteilung“ der Kupon- und Tilgungszahlungen an die einzelnen (Anleihe-)Gläubiger – wahrnimmt, die Emittentin diese Funktion also an sie „ausgelagert“ hat. Damit wird die Bank funktionell – als Erfüllungsgehilfin – in den Aufgabenbereich der Anleiheschuldnerin eingebunden, wodurch sie in ein besonderes Naheverhältnis zu ihr tritt. Aus dieser Nahebeziehung ergibt sich die Gefahr, dass die Bank die in ihrer Person zusammenfallenden Pflichten zur Wahrung einerseits der Interessen der Anleiheschuldnerin (als Zahlstelle) und andererseits jener der Anleihegläubiger (als gemeinsame Vertreterin gemäß § 15a TSchVG) – auch wenn diese jeweils unterschiedliche Aufgabenbereiche betreffen – nicht immer streng zu trennen vermag und sie sich auch in ihrer Funktion als gemeinsame Vertreterin der Anleihegläubiger (in der sie deren Rechte als Hypothekargläubiger auch gegenüber der Emittentin als Pfandbestellerin zu vertreten hat) nicht allein – wie eine von der Emittentin gänzlich unabhängige Person – von deren Interessen leiten lässt, sondern (auch) von den gegenläufigen Interessen der Emittentin.

[22] 3.6. Dass die Vorinstanzen die gerichtliche Genehmigung der Bestellung der Bank zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger verweigert haben, ist somit – auch angesichts des bei der Prüfung, ob von ihrer Person eine „förderliche Ausübung ihrer Funktion (als gemeinsame Vertreterin der Anleiheinhaber) zu erwarten ist“, bestehenden weiten Beurteilungsspielraums – nicht zu beanstanden. Von einer „willkürlichen“ Versagung der gerichtlichen Genehmigung kann entgegen der Behauptung der Revisionsrekurswerberinnen jedenfalls keine Rede sein.

[23] 4. Soweit die Rechtsmittelwerberinnen argumentieren, die Anleihegläubiger hätten der Bestellung der Bank zur gemeinsamen Vertreterin „gesondert“ (also nicht nur durch Zeichnung der Anleihe) zugestimmt, ist ihnen zu entgegnen, dass dies keine Wirksamkeit für deren Rechtsnachfolger entfalten kann, weil bei der Prüfung der Eignung der Person des gemeinsamen Vertreters auch die Interessen künftiger (allenfalls unbekannter) Inhaber der Wertpapiere zu berücksichtigen sind, auf deren Wahrnehmung durch einen eingeschränkten Kreis an (bekannten) Anleihegläubiger nicht – ohne den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen – verzichtet werden kann. Davon abgesehen ist den Revisionsrekurswerberinnen entgegenzuhalten, dass eine Mitbestimmung der Anleihegläubiger bei der „Auswahl“ der Person des gemeinsamen Vertreters im TSchVG nicht vorgesehen ist.

[24] 5. Zusammengefasst ist dem Revisionsrekurs somit nicht Folge zu geben.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00238.20M.0128.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-68271

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