Suchen Hilfe
OGH 25.01.2022, 1Ob237/21s

OGH 25.01.2022, 1Ob237/21s

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* A*, vertreten durch Dr. Thomas Jappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und 2. Land *, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 11.309,88 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 98/21s-48, mit dem das Endurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 33 Cg 6/19y-43, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 418,26 EUR und der zweitbeklagten Partei die mit 501,91 EUR (darin enthalten 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der jeweiligen Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin begehrt aus dem Titel der Amtshaftung den Ersatz von Kosten, die ihr durch ihre Rechtsvertretung in einem Verwaltungsstrafverfahren erwachsen seien. Eine bestimmte Landespolizeidirektion habe es unterlassen, Beweise vollständig aufzunehmen und gesetzmäßig zu würdigen. Ihrer Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion sei nach mündlicher Verhandlung Folge gegeben worden; das Landesverwaltungsgericht habe das Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

[2] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Frage, ob der Klägerin auf der Grundlage der „Allgemeinen Honorar-Kriterien“ (AHK) die für die Erhebung der Bescheidbeschwerde gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion sowie die für die Vornahme einzelner Handlungen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht angefallenen Vertretungskosten zu ersetzen sind und gegebenenfalls in welcher Höhe.

[3] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 5.502,72 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Für die Beschwerde und die Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht stehe kein Zuschlag nach § 9 Abs 2 AHK zu, weil nur ein Rechtsmittel zu honorieren sei, was einer „zugleich mit der Nichtigkeitsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof auch erhobenen Berufung an das Oberlandesgericht“ (§ 280 StPO) nicht ausreichend entspreche. Die Stellungnahme vom sei nicht zweckmäßig und „angemessen“ gewesen, weil die Urkunde ebenso im Rahmen der Verhandlung vorgelegt hätte werden können. Da die mündliche Verhandlung „nach § 24 VwGVG“ – auch aufgrund ihres Antrags – nicht entfallen habe können, wäre die Klägerin auch nicht zwecks Schadensminderung gehalten gewesen, dem Verwaltungsgericht bereits vor der Verhandlung Ergebnisse des Zivilprozesses zu übermitteln. Der Protokollberichtigungsantrag vom sei überflüssig gewesen, weil das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts am selben Tag in Rechtskraft erwachsen sei und aufgrund des Spruchs nicht fraglich sein konnte, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichts kein Unfall vorgelegen sei. Verzugszinsen stünden erst ab Fälligkeit zu, hier nach Ablauf der im Aufforderungsschreiben eingeräumten Zahlungsfrist von drei Monaten.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin, die sich gegen die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von 5.807,16 EUR sA richtete, teilweise Folge und verpflichtete die Beklagten zur Zahlung von (insgesamt) 7.388,56 EUR samt 4 % Zinsen seit . Das Mehrbegehren von weiteren 3.921,32 EUR sA wies es ab. Rechtlich führte es – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – aus, der Klägerin stünde für die Bescheidbeschwerde und die Verhandlung kein Zuschlag von 20 % gemäß § 9 Abs 2 AHK zu. Die Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht stelle nur ein einziges Rechtsmittel mit unterschiedlichen Rechtsmittelgründen dar. § 9 Abs 2 AHK ziele eindeutig auf schöffen- und geschworenengerichtliche Verfahren ab, in denen gegen ein Urteil eine Nichtigkeitsbeschwerde (an den Obersten Gerichtshof) und eine Strafberufung (an das Oberlandesgericht) erhoben werden könne, bei denen es sich also um zwei unterschiedliche Rechtsmittel handle, die in einem Schriftsatz verbunden werden könnten. In § 9 Abs 1 Z 3 AHK seien zwar auch einzelrichterliche Verfahren nach § 61 Abs 1 Z 5 StPO genannt; diese könnten allerdings von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des § 9 Abs 2 AHK fallen, weil gegen Urteile eines Einzelrichters nur das Rechtsmittel der (sogenannten „vollen“) Berufung (und nicht jenes der Nichtigkeitsbeschwerde) zur Verfügung stehe. Bei der Bescheidbeschwerde handle es sich nicht um zwei verbundene Rechtsmittel, sondern um ein einziges an eine bestimmte Instanz (hier das Landesverwaltungsgericht) gerichtetes Rechtsmittel mit unterschiedlichen Rechtsmittelgründen. Die Voraussetzungen für den Zuspruch einer Verbindungsgebühr nach § 9 Abs 2 AHK lägen daher nicht vor.

[5] Der Schriftsatz vom sei nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Mit dieser Urkundenvorlage samt Vorbringen habe die Klägerin dem Landesverwaltungsgericht die Urteilsausfertigung des Zivilprozesses mit dem Vorbringen übermittelt, damit sei bindend festgestellt, dass sie keinen Schaden am Fahrzeug des Anzeigers verursacht und die ihr zur Last gelegten Taten nicht begangen habe. Sie habe weiters die bisher gestellten Anträge wiederholt. Das Landesverwaltungsgericht habe zu diesem Zeitpunkt bereits aufgrund der vorangegangenen Stellungnahme der Klägerin Kenntnis vom Zivilprozess gehabt. Die Klägerin habe davon ausgehen können, dass sich das Landesverwaltungsgericht dementsprechend auch Kenntnis vom Inhalt des Akts bzw des Urteils verschaffen werde. Jedenfalls hätte sie die Möglichkeit gehabt, die gekürzte Urteilsausfertigung – falls sie nicht beigeschafft worden wäre – in der Verhandlung vorzulegen. Zwar hätte nach § 44 Abs 2 VwGVG das Verwaltungsgericht von der Verhandlung Abstand nehmen können, wenn bereits aufgrund der Aktenlage festgestanden wäre, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben sei. Die Klägerin habe aber im Schriftsatz keinen entsprechenden Antrag gestellt, sondern neuerlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Sie könne sich daher jetzt nicht darauf berufen, dass sie damit ihrer Schadensminderungspflicht nachgekommen sei.

[6] Mit Protokollberichtigungsantrag vom habe die Klägerin geltend gemacht, es müsste statt „Die [Beschwerdeführerin] war am nicht als Lenkerin in keinen Verkehrsunfall mit Sachschaden verwickelt“ heißen, „Die [Beschwerdeführerin] war am nicht als Lenkerin in einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verwickelt“, und statt „Das Verhandlungsprotokoll wird von der anwesenden Partei übernommen“, „Das Verhandlungsprotokoll wird vom Beschwerdeführervertreter übernommen“. In der Verhandlung sei eine unkorrigierte Kopie der Verhandlungsschrift ausgehändigt und das Erkenntnis verkündet worden. Im Zusammenhang mit dem Spruch des verkündeten Erkenntnisses sei der Sinn der in der Begründung enthaltenen Protokollierung offenkundig, dass die Klägerin als Lenkerin nicht in einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verwickelt war. Der Berichtigungsantrag sei – unabhängig von der tatsächlich durchgeführten Berichtigung – nicht zu honorieren.

[7] Amtshaftungsansprüche wie auch andere Schadenersatzansprüche würden mit ihrer ziffernmäßig bestimmten Einforderung fällig. Mit Aufforderungsschreiben an die Erstbeklagte vom habe die Klägerin eine Zahlung ihrer Forderung „längstens binnen drei Monaten“ begehrt. Wenn sie die Finanzprokuratur namens der Erstbeklagten an die Zweitbeklagte verwiesen und die Angelegenheit für sich als „erledigt“ bezeichnet habe, lasse sich daraus weder eine Anerkennung, „noch eine Ablehnung des Anspruches ableiten“. Die Fälligkeit sei drei Monate nach dem Aufforderungsschreiben eingetreten und Verzugszinsen stünden erst ab zu.

[8] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich für zulässig, weil zur Rechtsfrage, „ob bei sinngemäßer Anwendung der Kriterien der §§ 8 Abs 1, 9 bis 12 AHK in Verwaltungsstrafsachen entsprechend § 13 Abs 1 AHK“ auch Zuschläge nach § 9 Abs 2 AHK für die Bescheidbeschwerde und die Verhandlung in Verwaltungsstrafsachen zustünden, keine Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die dagegen erhobene Revision der Klägerin – die von den Beklagten beantwortet wurde – ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

[10] 1. Für die Wertgrenze der Revisionszulässigkeit nach § 502 Abs 2 ZPO ist der gesamte Entscheidungsgegenstand des Berufungsverfahrens maßgebend, auch wenn – wie hier – nur ein Teil davon Gegenstand des Revisionsverfahrens wird (RIS-Justiz RS0042408). Dass allenfalls erhebliche Rechtsfragen nur Anspruchsteile unter der Revisionsgrenze des § 502 Abs 2 ZPO betreffen, führt daher – entgegen der Meinung der Beklagten, wobei die Erstbeklagte mit Judikatur noch zur Rechtslage vor der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, BGBl 1989/343, argumentiert (vgl zur früheren Rechtslage RS0042244) – nicht dazu, dass die Revision der Klägerin jedenfalls unzulässig wäre.

[11] 2. Nach § 37 Abs 1 Z 4 RAO (idF BRÄG 2006, BGBl I 2005/164) ist der Österreichische Rechtsanwaltskammertag befugt, Richtlinien zu den Kriterien für die Ermittlung des angemessenen Honorars zu erlassen. Die Anwendbarkeit der von der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags beschlossenen „Allgemeinen Honorar-Kriterien“ (AHK) zur Bestimmung der der Klägerin im Wege der Amtshaftung zu ersetzenden Kosten ist im Revisionsverfahren nicht strittig. Damit bedarf es aus Anlass des vorliegenden Rechtsmittels keiner Erörterung zur Rechtsnatur und zum Geltungsgrund der AHK (so auch 1 Ob 57/13h mwN).

3. Zuschlag nach § 9 Abs 2 AHK:

[12] 3.1. Die in den AHK enthaltenen Kriterien dienen nach ihrem § 2 (Abs 1) im Interesse der Rechtspflege insbesondere dem Schutz der Auftraggeber zur Beurteilung der Angemessenheit des Honorars eines Rechtsanwalts. Für Leistungen eines Rechtsanwalts in einem Verwaltungsstrafverfahren gilt § 13 AHK. Nach § 13 Abs 4 AHK ist für Leistungen im Rechtsmittelverfahren in Verwaltungsstrafsachen § 9 insofern sinngemäß anzuwenden, als gleich offiziosen Strafsachen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen zu unterscheiden ist, ob das Rechtsmittel sich auf die Bekämpfung der Strafhöhe beschränkt oder darüber hinausgeht.

[13] In § 9 Abs 1 AHK ist geregelt, welche Honoraransätze in offiziosen Strafsachen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen jeweils angemessen sind. Dabei wird einerseits zwischen der jeweiligen Verfahrensart (bezirksgerichtliches Verfahren; einzelrichterliches Verfahren des Gerichtshofs; schöffengerichtliches Verfahren; geschworenengerichtliches Verfahren; Haftverfahren) und andererseits innerhalb der Verfahren zwischen Vertretungshandlungen in erster Instanz und im Rechtsmittelverfahren unterschieden.

[14] Wird in den Fällen des § 9 Abs 1 Z 3 AHK [schöffengerichtliches Verfahren und einzelrichterliches Verfahren gemäß § 61 Abs 1 Z 5 StPO] oder § 9 Abs 1 Z 4 AHK [geschworenengerichtliches Verfahren] zugleich mit der Nichtigkeitsbeschwerde auch Berufung erhoben, ist ein Zuschlag in der Höhe von 20 % zu den Honoraransätzen für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und den Gerichtstagen über Nichtigkeitsbeschwerden angemessen (§ 9 Abs 2 AHK).

[15] 3.2. Gemäß § 9 Abs 1 Z 3 und 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (kurz: VwGVG) hat die (Bescheid-)Beschwerde die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und das Begehren zu enthalten. In Verwaltungsstrafsachen kann sich das Rechtsmittel gegen die Strafhöhe oder auch gegen die Bestrafung selbst – den Schuldspruch – richten (vgl etwa VwGH Ra 2015/07/0092 ua). Die Klägerin bekämpfte in ihrer Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht sowohl den Schuldspruch als auch die Strafhöhe.

[16] Nach § 13 Abs 4 AHK gelangt auf Leistungen im Rechtsmittelverfahren in Verwaltungsstrafsachen § 9 AHK sinngemäß zur Anwendung, „als gleich offiziosen Strafsachen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen zu unterscheiden ist, ob das Rechtsmittel sich auf die Bekämpfung der Strafhöhe beschränkt oder darüber hinausgeht“. § 9 Abs 1 AHK differenziert in bezirksgerichtlichen Verfahren (Z 1) und einzelrichterlichen Verfahren des Gerichtshofs (Z 2) zwischen höheren Honoraransätzen für die Ausführung der vollen Berufung und geringeren für die Ausführung der Berufung nur wegen der Strafe. Im schöffengerichtlichen Verfahren (§ 9 Abs 1 Z 3 AHK) und im geschworenengerichtlichen Verfahren (§ 9 Abs 1 Z 4 AHK) sind niedrigere Honoraransätze für die Ausführung der Berufung und höhere für die Nichtigkeitsbeschwerde als angemessen angeführt. Die letztgenannte Unterscheidung soll nach § 9 Abs 1 Z 3 AHK auch in einzelrichterlichen Verfahren gemäß § 61 Abs 1 Z 5 StPO gelten, obwohl gegen solche Urteile nur das Rechtsmittel der Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe ergriffen werden kann (§ 489 Abs 1 StPO).

[17] Da nur gegen die Urteile der Landesgerichte als Schöffengerichte (§ 280 StPO) und der Geschworenengerichte (§ 344 StPO) die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung offen stehen, kann entsprechend § 9 Abs 2 AHK allein in diesen Verfahren, wenn zugleich mit der Nichtigkeitsbeschwerde auch Berufung erhoben wird, ein Zuschlag in Höhe von 20 % zu den Honoraransätzen für die Ausführung der Rechtsmittel und die Gerichtstage darüber in Betracht kommen. Da gegen Urteile in einzelrichterlichen Verfahren gemäß § 61 Abs 1 Z 5 StPO, die zwar ebenfalls in § 9 Abs 1 Z 3 AHK genannt werden, nur das Rechtsmittel der Berufung erhoben werden kann, fallen diese jedenfalls nicht darunter. Daraus leitet sich ab, dass nur ein mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zulässig verbundenes Rechtsmittel einen Zuschlag nach § 9 Abs 2 AHK rechtfertigt.

[18] Die Beschwerde in Verwaltungsstrafsachen, mit der Schuldspruch und/oder Strafhöhe bekämpft werden können, kennt keine Unterscheidung zwischen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung. Nach § 13 Abs 4 AHK ist dessen § 9 nur sinngemäß anzuwenden; eine Unterscheidung soll danach erfolgen, ob sich das Rechtsmittel auf die Bekämpfung der Strafhöhe beschränkt oder darüber hinausgeht. In § 9 Abs 1 Z 1 bis 4 AHK werden niedrigere Honoraransätze für die Berufung wegen Strafe (vgl zum schöffengerichtlichen und geschworenengerichtlichen Verfahren § 283 Abs 1, § 346 StPO) und höhere für die volle Berufung bzw die Nichtigkeitsbeschwerde genannt. Diese Differenzierung gelangt auch für die Bescheidbeschwerde in Verwaltungsstrafsachen zur Anwendung, bei der es sich jedenfalls nicht um zwei verbundene Rechtsmittel handeln kann. Je nachdem, ob sich das Rechtsmittel nur gegen die Strafhöhe oder auch gegen die Bestrafung selbst richtet, kommt entsprechend § 9 Abs 1 AHK der niedrigere oder höhere Honoraransatz zur Anwendung. Ein Zuschlag von 20 % gemäß § 9 Abs 2 AHK, den die Klägerin für ihre Beschwerde und die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beansprucht, steht ihr dagegen – wovon die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen sind – nicht zu.

4. Schriftsatz vom und Protokollberichtigungsantrag vom :

[19] 4.1. Anwaltskosten, die aufgewendet werden, um eine (drohende) Verwaltungsstrafe – hier durch Bekämpfung eines Straferkenntnisses vor dem Landesverwaltungsgericht – abzuwenden, sind als „Rettungsaufwand“ positiver Schaden (RS0023516). Der Rettungsaufwand ist nur zu ersetzen, wenn und soweit er zweckmäßig und angemessen war (RS0022802 [T4]; RS0023516 [T5]; RS0106806 [T2]). Ob dies der Fall ist, muss jeweils am Vergleichsmaßstab des Vorgehens eines „vernünftigen Menschen in der gleichen Sachlage“ ex ante geprüft werden (vgl RS0023516 [T1, T3]; RS0023055).

[20] 4.2. Das Berufungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass die Klägerin die Urteilsausfertigung des Zivilgerichts auch jederzeit – ohne einen Nachteil zu erleiden – dem Landesverwaltungsgericht in der Verhandlung vorlegen hätte können. Ihr Schriftsatz vom , der sich ansonsten auf die Wiederholung bereits gestellter Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Aufnahme beantragter Beweise, ersatzlose Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens richtete, war daher leicht vermeidbar. Ein Ersatz im Rahmen des notwendigen Rettungsaufwands kommt demnach nicht in Betracht.

[21] Das Landesverwaltungsgericht hatte bereits seit der vorangegangenen Stellungnahme der Klägerin vom Kenntnis vom Zivilprozess gehabt, sodass diese davon ausgehen konnte, das Verwaltungsgericht werde sich auch Kenntnis vom Inhalt des zivilgerichtlichen Aktes verschaffen. Das Verwaltungsgericht wusste dadurch vom für die Klägerin vorteilhaften – wenn auch noch nicht rechtskräftigen – Prozessausgang, sodass im Hinblick auf die Möglichkeit der Vorlage der gekürzten Urteilsausfertigung in der Verhandlung kein verfahrensrechtlicher Handlungsbedarf zur Erstattung eines diesbezüglichen weiteren Schriftsatzes bestand.

[22] 4.3. Das Berufungsgericht führte auch zutreffend aus, dass nach dem Inhalt des verkündeten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts der Sinn der in der Begründung enthaltenen Protokollierung – dass die Klägerin als Lenkerin nicht in einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verwickelt war – offenkundig war und daher ein Ersatz der Kosten für den Berichtigungsantrag als Rettungsaufwand ausscheidet. Warum das Protokoll – wie die Klägerin in der Revision behauptet – „sinnstörend“ unrichtig gewesen wäre, führt sie nicht näher aus.

[23] Zwar trifft es zu, dass Widersprüche zwischen dem Spruch und der Begründung, zB über konkrete Tatumstände wie Tatzeit, die inhaltliche Rechtswidrigkeit eines Erkenntnisses im davon betroffenen Spruchumfang nach sich ziehen können (VwGH Ro 2015/09/0014; Ra 2017/10/0013). Bei den von der Klägerin im vorliegenden Fall gerügten Fehlern im Protokoll vom handelt es sich aber nicht um derartige Widersprüche, sondern – hinsichtlich der Schilderung des Vorfalls – vielmehr um eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit, die nach § 62 Abs 4 AVG iVm § 17 VwGVG jederzeit berichtigt werden konnte und die auch vor ihrer Berichtigung bloß dazu führte, dass das daran leidende Erkenntnis bereits in der entsprechend richtigen Fassung zu lesen war (VwGH Ra 2014/03/0040; Ro 2014/17/0065). Es bedurfte daher entgegen der Rechtsansicht der Klägerin keiner Protokollberichtigung zur Vermeidung einer Revision durch die Behörde. Da ihr Berichtigungsantrag schon ex ante betrachtet nicht zweckmäßig war, steht ihr dafür kein Ersatz zu.

5. Verzugszinsen:

[24] 5.1. Ein Ersatzanspruch wird erst mit der zahlenmäßig bestimmten Geltendmachung durch Mahnung, Klage oder Klagserweiterung fällig, sodass Verzugszinsen in der Regel auch erst ab diesem Zeitpunkt mit Erfolg gefordert werden können (RS0023392 [T6, T8]).

[25] 5.2. Die Klägerin hat mit Schreiben vom die Finanzprokuratur zum Ersatz des auch der Höhe nach genannten Schadens aufgefordert und um „unverzügliche Zahlung, längstens binnen drei Monaten“ ersucht. Damit hat sie der Erstbeklagten eine Zahlungsfrist von (längstens) drei Monaten eingeräumt, sodass diese erst mit Ablauf dieses Zahlungsziels in Verzug geriet. Wenn die Vorinstanzen der Klägerin Verzugszinsen erst ab dem Ablauf der von ihr gesetzten Zahlungsfrist mit zuerkannten, ist diese Beurteilung nicht zu beanstanden.

[26] Entgegen der Ansicht der Klägerin änderte sich am Zeitpunkt des Eintritts des Verzugs nichts, wenn das Schreiben der Finanzprokuratur vom einer Ablehnung ihres Anspruchs gleichzuhalten wäre. Aufgrund der von ihr eingeräumten Zahlungsfrist („längstens binnen drei Monaten“) führt auch eine frühere Anspruchsablehnung durch den Schädiger nicht zur sofortigen Fälligkeit. Die von der Revisionswerberin zitierte Judikatur (RS0030163) betrifft nicht die hier zu beurteilende Konstellation.

[27] 6. Der Revision ist damit insgesamt ein Erfolg zu versagen.

[28] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00237.21S.0125.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-68270