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OGH 07.09.2021, 1Ob152/21s

OGH 07.09.2021, 1Ob152/21s

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers J*****, vertreten durch Mag. Vinzenz Fröhlich ua, Rechtsanwälte in Graz, gegen die Antragsgegnerin Verlassenschaft nach der am ***** 2017 verstorbenen E***** (zuletzt wohnhaft in H*****), vertreten durch Mag. Stephan Holler, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 160/21w-54, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom , GZ 24 Fam 1/18p-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Rekursgericht übermittelt.

Text

Begründung:

[1] Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss, mit dem der Antrag des Mannes auf Fortsetzung des Aufteilungsverfahrens abgewiesen wurde, weil dieses durch Vergleich der Parteien vom beendet worden sei. Es traf keinen

Bewertungsausspruch und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

[2] Diese Entscheidung bekämpft der Mann mit „außerordentlichem“ Revisionsrekurs.

[3] Das Erstgericht legte das Rechtsmittel unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorlage ist verfehlt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. In einem solchen Fall kann nur eine Zulassungsvorstellung gemäß § 63 Abs 1 AußStrG an das Rekursgericht erhoben werden.

[5] Das Recht des geschiedenen Ehegatten auf

Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG ist in Geld bewertbar und rein vermögensrechtlicher Natur (RIS-Justiz RS0007124 [T5, T8]). Obwohl ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur vorlag, der nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, hat das Rekursgericht entgegen § 59 Abs 2 AußStrG nicht ausgesprochen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder nicht. Dies wird es nachzuholen haben.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Parzmayr und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers J*, vertreten durch Mag. Vinzenz Fröhlich ua, Rechtsanwälte in Graz, gegen die Antragsgegnerin Verlassenschaft nach der am * 2017 verstorbenen E* (zuletzt wohnhaft in *), vertreten durch Mag. Stephan Holler, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 160/21w-54, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom , GZ 24 Fam 1/18p-50, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Verfahren fortgesetzt wird.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 1.839,96 EUR (darin 306,66 EUR USt) bestimmten Kosten seines Rekurses und die mit 2.207,70 EUR (darin 367,95 EUR USt) bestimmten Kosten seines Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihres Schriftsatzes vom endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Die Ehe des Antragstellers und seiner am * 2017 verstorbenen Ehefrau wurde mit Urteil des Erstgerichts vom geschieden. Im anschließend eingeleiteten Aufteilungsverfahren schlossen der Mann und die durch den Verlassenschaftskurator vertretene Verlassenschaft nach der Frau einen Vergleich, wonach der Mann seine Liegenschaft mit dem darauf befindlichen Einfamilienhaus an die Verlassenschaft überträgt und sich diese zur Leistung einer Ausgleichszahlung von 18.000 EUR bis verpflichtet. Für den Verzugsfall wurden 4 % Zinsen pa vereinbart. Der Vergleich wurde unter der Bedingung der verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung geschlossen. Mit Beschluss vom genehmigte das Verlassenschaftsgericht den Vergleich „mit der Maßgabe“, dass die Ausgleichszahlung erst mit rechtskräftigem Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens fällig wird und Verzugszinsen „ab Rechtskraft als vereinbart gelten“.

[2] Am beantragte der Mann die Fortsetzung des Aufteilungsverfahrens. Dieses sei durch den Vergleich nicht beendet worden, weil das Verlassenschaftsgericht dessen Inhalt nicht genehmigt, sondern diesen ohne Zustimmung durch die Parteien verändert habe.

[3] Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss, mit dem der Antrag des Mannes auf Fortsetzung des Aufteilungsverfahrens abgewiesen wurde. Die materielle „Rechtskraft“ des dort abgeschlossenen Vergleichs, der vom Verlassenschaftsgericht genehmigt wurde, stehe einer neuerlichen Aufteilungsentscheidung entgegen.

[4] Der Streitwert übersteige 30.000 EUR, der Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch zulässig und berechtigt.

[6] 1. Auf Vertretungshandlungen des (Verlassenschafts-)Kurators ist § 167 Abs 3 ABGB sinngemäß anzuwenden (RIS-Justiz RS0129074). Demnach bedürfen Vertretungshandlungen in Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung des Gerichts. Diese ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung, welche die fehlende volle Verpflichtungsfähigkeit der Partei bzw des Vertragspartners ergänzt (RS0049181 [insb T2, T5, T12]). Bis zu ihrer Erteilung ist ein zu genehmigender Vertrag – unter Bindung beider Vertragsteile – schwebend unwirksam. Nach Verweigerung der Genehmigung ist er nichtig bzw von Beginn an unwirksam (vgl RS0053275; Fischer-Czermak in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 167 ABGB Rz 15 mwN; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² § 30 Rz 37; Nademleinsky in Schwimann/Kodek5 § 167 ABGB Rz 15, jeweils mwN). Ein durch die Versagung der Genehmigung unwirksames Rechtsgeschäft kann später nicht mehr einseitig „bestätigt“ und damit rechtswirksam gemacht werden (vgl RS0053275 [T8] = 5 Ob 180/02k).

[7] 2. Vertretungshandlungen des gesetzlichen Vertreters (hier des Verlassenschaftskurators) dürfen nur „in der vorgelegten Form“ genehmigt, nicht aber abgeändert werden (vgl RS0048113). Das Gericht kann einen zur Genehmigung vorgelegten Vertrag also nur entweder genehmigen oder die Genehmigung versagen, aber keine Vertragsänderung vornehmen (RS0048113 [T2]), weil es nicht in dessen Kompetenz liegt, die künftigen schuldrechtlichen Beziehungen der Vertragsteile zu gestalten (5 Ob 212/12f mwN). Dem Vertragspartner des Betroffenen darf somit kein anderer Vertragsinhalt aufgezwungen werden (3 Ob 63/14g mwN). Auch eine Genehmigung mit einer Einschränkung („[...] mit der Maßgabe [...]“) ist keine – auch bloß teilweise – wirksame Genehmigung (RS0048113 [T3]; Fischer/Czermak aaO Rz 15). Ein Beschluss, mit dem ein zur gerichtlichen Genehmigung vorgelegter Vertrag „mit Abänderungen“ genehmigt wurde, kann allenfalls dahin verstanden werden, dass zwar die vorgelegte Vereinbarung nicht genehmigt wird, einem von den Parteien in der Folge abgeänderten – dem gerichtlichen „Vorschlag“ entsprechenden – Vertrag aber eine Genehmigung erteilt würde (3 Ob 293/01m).

[8] 3. Im vorliegenden Fall genehmigte das Verlassenschaftsgericht den im Aufteilungsverfahren geschlossenen Vergleich nicht mit dem von den Parteien vereinbarten Inhalt, sondern „mit der Maßgabe“ inhaltlicher Änderungen (betreffend die Fälligkeit der Ausgleichszahlung). Damit wurde – auch wenn der Genehmigungsbeschluss in Rechtskraft erwuchs – der zwischen den Verfahrensparteien abgeschlossene Vergleich gerade nicht genehmigt. Er ist daher endgültig unwirksam (nichtig). Ein bindendes Einverständnis der Parteien, einen anderen Vergleich mit dem vom Verlassenschaftsgericht „vorgeschlagenen“ Inhalt abzuschließen, ergibt sich weder aus den Feststellungen, noch wurde ein solches von der Antragsgegnerin behauptet. Auch ihre Revisionsrekursbeantwortung enthält dazu keine Ausführungen. Soweit die Revisionsrekursgegnerin argumentiert, der Mann hätte gegen den Genehmigungsbeschluss des Verlassenschaftsgerichts ein Rechtsmittel erheben können, ist ihr zu entgegnen, dass es darauf mangels Wirksamkeit der „mit der Maßgabe“ inhaltlicher Änderungen erfolgten Genehmigung nicht ankommt.

[9] 4. Wesentliche verfahrensrechtliche Wirkung eines wirksamen Vergleichs ist auch im Außerstreitverfahren die Verfahrensbeendigung (Gitschthaler aaO Rz 42; Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 30 Rz 4; Klicka/Rechberger in Rechberger/Klicka, AußStrG3 § 30 Rz 4; Schneider in Schneider/Verweijen, AußStrG § 30 [Stand , rdb.at] Rz 25; zum Aufteilungsverfahren vgl auch 6 Ob 84/08h). Wird diesem die erforderliche gerichtliche Genehmigung versagt oder – wie hier – bloß mit der unzulässigen Maßgabe einer inhaltlichen Änderung erteilt, tritt keine Verfahrensbeendigung ein, sondern es ist das Verfahren fortzusetzen (vgl Gitschthaler aaO Rz 54; Schneider aaO Rz 32).

[10] 5. Die Kostenentscheidung im Zwischenstreit um die Verfahrensfortsetzung beruht auf § 78 Abs 1 und Abs 2 AußStrG. Als Bemessungsgrundlage für die Kosten des Rekurses war der vom Antragsteller angegebene Wert seines Aufteilungsbegehrens von 40.000 EUR zugrundezulegen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00152.21S.0907.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-68210