OGH 22.06.2021, 1Ob107/21y
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* R*, vertreten durch Dr. Constanze Emesz, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 7/21k-11, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 13 Cg 92/20i-7, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft. Die Beklagte ist Eigentümerin eines nicht unmittelbar daran angrenzenden Grundstücks; dazwischen liegen eine Häuserzeile, eine Straße und ein Wiesengrundstück. Das Grundstück der Beklagten bildet einen Teil der Salzach und des rechten Salzachufers.
[2] Der Kläger begehrte gestützt auf § 364 Abs 2 ABGB von der Beklagten, die von Feuerstellen auf ihrem Grundstück herrührenden Emissionen von Rauch und Gasen und von Gestank auf seine Liegenschaft durch geeignete Maßnahmen zu unterlassen. Im Zeitraum März bis November würden Freizeitsuchende vorwiegend mit feuchtem Schwemmholz Lagerfeuer in großer Zahl am Ufergrundstück der Beklagten errichten, wodurch es zu einer massiven Rauch- und Gasentwicklung käme. Die Verwendung von Schwemmholz für die Errichtung von Feuerstellen sei nicht vom Gemeingebrauch umfasst.
[3] Die Vorinstanzen bejahten die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs und wiesen – ohne weitere Beweisaufnahme – das Unterlassungsbegehren mangels realistischer Möglichkeit der Beklagten, die über den Gemeingebrauch hinausgehenden, beanstandeten Störungshandlungen zu unterbinden, ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
[4] In der außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Abgesehen davon, dass der Kläger seinen Unterlassungsanspruch daraus ableitet, dass das Entzünden von Feuerstellen gerade nicht vom Gemeingebrauch im Sinn des § 8 Abs 1 WRG erfasst ist, haben die Vorinstanzen – wovon auch er ausgeht – das (nunmehr) behauptete Prozesshindernis der Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs ausdrücklich und übereinstimmend in den Entscheidungsgründen ihrer Urteile bejaht, sodass eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung nach § 42 Abs 3 JN über diese Prozessvoraussetzung vorliegt (RIS-Justiz RS0046249 [T1]; RS0044536 [T18]; vgl RS0114196). Zudem ist nicht nachvollziehbar, welchen Vorteil er aus einer allfälligen Zurückweisung seines Klagebegehrens ziehen wollte, wenn er meint, er könne „diese Rechtsmeinung bei den Wasserrechtsbehörden nützen“, die bislang untätig geblieben seien.
[6] 2. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die – wie hier – vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können nicht nach § 503 Z 2 ZPO neuerlich geltend gemacht werden (RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht mit der Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren selbst sei, weil dieses der Mängelrüge des Berufungswerbers nicht gefolgt ist, mangelhaft geblieben (RS0042963 [T58]). Mit Darlegungen zur inhaltlichen Berechtigung des Klagebegehrens vermag der Kläger ebenfalls keinen Verfahrensmangel aufzuzeigen.
[7] 3. Im Verfahren ist unstrittig, dass es sich beim Grundstück der Beklagten um öffentliches Wassergut im Sinn des § 4 Abs 1 WRG handelt, das dem „großen“ Gemeingebrauch des § 8 Abs 1 WRG unterliegt. Öffentliches Wassergut dient unter Bedachtnahme auf den Gemeingebrauch insbesondere der Erholung der Bevölkerung (§ 4 Abs 2 lit e WRG). Nach § 8 Abs 1 WRG ist an öffentlichen Gewässern der gewöhnliche ohne besondere Vorrichtungen vorgenommene, die gleiche Benutzung durch andere nicht ausschließende Gebrauch des Wassers, wie insbesondere zum Baden, Waschen, Tränken, Schwemmen, Schöpfen, dann die Gewinnung von Pflanzen, Schlamm, Erde, Sand, Schotter, Steinen und Eis, schließlich die Benutzung der Eisdecke überhaupt, soweit dadurch weder der Wasserlauf, die Beschaffenheit des Wassers oder die Ufer gefährdet noch ein Recht verletzt oder ein öffentliches Interesse beeinträchtigt noch jemandem ein Schaden zugefügt wird, ohne besondere Bewilligung der Wasserrechtsbehörde unentgeltlich erlaubt.
[8] Als Gemeingebrauch wird die jedermann unter gleichen Bedingungen ohne besondere behördliche Bewilligung und ohne Zustimmung des über die betroffene Liegenschaft Verfügungsberechtigten zustehende Freiheit verstanden, bestimmte Sachen entsprechend ihrer Zweckbestimmung bzw im Rahmen der Üblichkeit zu verwenden. Der Gemeingebrauch bewirkt, dass der Eigentümer den Gebrauch der Sache durch andere nicht hindern kann, sofern sich diese im Rahmen des Gemeingebrauchs halten. Der Eigentümer hat über die Sache nur noch die rechtliche Verfügungsbefugnis, aber nicht die tatsächliche Sachherrschaft (8 Ob 20/14w mwN; vgl RS0009757 [T4, T5]; RS0009781 [T3, T5]).
[9] Der Kläger geht ebenso wie das Berufungsgericht davon aus, dass das Entzünden von Feuerstellen nicht als Gemeingebrauch im Sinn des § 8 Abs 1 WRG zu werten ist, weil das Verbrennen von nassem Schwemmholz nach § 1a Abs 2 und 3 und § 3 Abs 1 Bundesluftreinhaltegesetz verboten ist und ein solches Lagerfeuer am Ufer eines öffentlichen Gewässers nicht zum Gebrauch des Wassers zählt. Die Beklagte sei als Liegenschaftseigentümerin grundsätzlich berechtigt, das Entzünden von Feuerstellen, weil diese nicht vom Gemeingebrauch umfasst seien, zu untersagen.
[10] 4.1. Nach § 364 Abs 2 Satz 1 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Immissionen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Bei der vorliegenden Klage handelt es sich um eine solche nach § 364 Abs 2 ABGB als Anwendungsfall der actio negatoria.
[11] Den Eigentümer der Nachbarliegenschaft trifft als Reflex seiner Unterlassungspflicht auch eine gewisse Hinderungspflicht im Hinblick auf Störungen durch Dritte (5 Ob 133/09h; 8 Ob 20/14w mwN). Verursacht ein anderer die Störung, so wird die Haftung des Nachbarn dann als gerechtfertigt erachtet, wenn er die Einwirkung duldet, obwohl er sie zu verhindern berechtigt und dazu auch imstande gewesen wäre (RS0053260 [T6] = RS0010586 [T4] = RS0010648 [T13]). Die passive Klagelegitimation eines „mittelbaren Störers“ setzt voraus, dass er die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hat, die störenden Handlungen Dritter zu steuern und gegebenenfalls zu verhindern (RS0011737 [T20, T32]).
[12] 4.2. Das Berufungsgericht führte dazu aus, dass die Beklagte im Rahmen des gesetzlich angeordneten Gemeingebrauchs verpflichtet sei, unter anderem das Betreten des Ufergrundstücks durch Erholungssuchende zu dulden. Das bloße Aufstellen von Verbotstafeln, mit denen das Errichten von Feuerstellen für verboten erklärt werde, könne das Unterbinden der Störungshandlungen nicht gewährleisten. Von der Beklagten könne nicht verlangt werden, laufend die Einhaltung des zulässigen Gemeingebrauchs zu kontrollieren, um darüber hinaus gehende Handlungen umgehend zu unterbinden. Stichprobenartige Kontrollen seien jedenfalls zur gänzlichen Unterbindung der beklaten Störungshandlungen nicht geeignet. Die Beklagte habe aufgrund des von ihr nach § 8 Abs 1 WRG zu duldenden Gemeingebrauchs keine verlässliche und zumutbare, vom Kläger angestrebte gänzliche Verhinderungsmöglichkeit, um das unzulässige Entzünden von Lagerfeuern zu unterbinden und die damit einhergehenden, allenfalls das ortsübliche Maß überschreitenden Immissionen auf der Liegenschaft des Klägers zu beenden. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig.
[13] 4.3. Der Kläger vermag in seiner außerordentlichen Revision nicht aufzuzeigen, welche verlässliche Handlung die Beklagte setzen könnte, um das Entzünden von Feuerstellen zu verhindern. Wenn er argumentiert, dem „privaten Eigentümer [sei] jegliche Verhinderung zumutbar“, während „die öffentliche Hand als Grundeigentümer ungerechtfertigt bessergestellt“ werde, übersieht er, dass die Beklagte unmittelbar aufgrund des Gesetzes zu Gewährung des Gemeingebrauchs (§ 8 Abs 1 WRG) und damit dazu verpflichtet ist, Interessenten die Gewässernutzung in diesem Umfang zu ermöglichen. Demgegenüber hat ein Eigentümer, der Gemeingebrauch nicht gestatten muss, andere rechtliche und praktische Möglichkeiten, die ungerechtfertigte Nutzung seiner Liegenschaft zu verhindern. Dass die Beklagte die (realistische) Möglichkeit haben muss, die vom Kläger zum Gegenstand seines Rechtsschutzbegehrens gemachten Eingriffshandlungen zu verhindern, ergibt sich daraus, dass für die Bejahung der verschuldensunabhängigen Unterlassungspflicht der beklagten Eigentümerin der Liegenschaft für einen im Nachbarrecht wurzelnden Anspruch ein Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Störung maßgeblich ist (RS0053260 [T7] = RS0010648 [T14]; RS0053260 [T8] = RS0010648 [T15]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ständige Kontrollen der Beklagten unzumutbar und stichprobenartige Kontrollen nicht ausreichend seien, ist nicht korrekturbedürftig.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2021:E132221 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAF-68178