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OGH 23.08.2021, 17Ob8/21g

OGH 23.08.2021, 17Ob8/21g

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Musger, Mag. Malesich, Dr. Kodek und Dr. Stefula als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. P***** C*****, Rechtsanwalt, *****, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der S***** GmbH, *****, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, gegen die beklagte Partei S***** Kft, *****, vertreten durch Dr. Peter Semlitsch, Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wegen 158.755,38 EUR sA, infolge der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 65/21b-20, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 12 Cg 14/20i-13, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren des Obersten Gerichtshofs wird bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Ablehnungssache 3 Nc 55/21w des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz unterbrochen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Über die Ablehnung des Richters des erstgerichtlichen Verfahrens durch die Beklagte ist zu 3 Nc 55/21w des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz ein Verfahren anhängig. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung des nach § 23 JN zuständigen Senats des Erstgerichts ist das Verfahren über die Revision der Beklagten zu unterbrechen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Musger, Mag. Malesich, Dr. Kodek und Dr. Stefula als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. P* C*, Rechtsanwalt, *, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der S* GmbH, *, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, gegen die beklagte Partei S* Kft, *, vertreten durch Dr. Peter Semlitsch, Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wegen 158.755,38 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 65/21b-20, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Das Verfahren über die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird fortgesetzt.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zu I.

[1] Das Revisionsverfahren war bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Ablehnungssache 3 Nc 55/21w des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz unterbrochen. Der Ablehnungsantrag der Beklagten wurde nunmehr rechtskräftig abgewiesen, sodass das unterbrochene Verfahren fortzusetzen ist.

Zu II.

[2] Mit Generalzessionsvertrag vom 10./ (ergänzt am 16. 3./) trat die Schuldnerin der U* AG (in der Folge: Bank) sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen – darunter auch jene gegenüber der C* M* B* („CMB“) in der Höhe von 148.227,24 EUR – ab.

Am war über das Vermögen der Schuldnerin ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung (AZ 25 S 78/17h des LG ZRS Graz) eröffnet worden. Im Zuge dieses (ersten) Insolvenzverfahrens wurde mit Vereinbarung vom 6./ eine Vereinbarung zwischen der Bank, der Beklagten, Ing. J* H* und der Schuldnerin (vertreten durch deren Geschäftsführer und den Insolvenzverwalter) getroffen, mit der die Bank – gegen Zahlung von 2 Mio EUR – unter anderem die ihr von der Schuldnerin abgetretene Forderung gegen die CMB der Beklagten zedierte. Mit E-Mail vom wurde die CMB davon verständigt. Das (erste) Insolvenzverfahren wurde im Jahr 2018 aufgehoben (Bestätigung eines Sanierungsplans).

[3] Aufgrund des unbedingten Wunsches der CMB, die Zahlung an die Schuldnerin und nicht an die Beklagte zu leisten, kamen Letztere zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt überein, dass die Schuldnerin die Forderung von 148.227,24 EUR gegenüber der CMB für die Beklagte geltend machen und nach Eingang der Zahlung bei der Schuldnerin den Betrag von 148.227,24 EUR an die Beklagte weiterleiten sollte. Tatsächlich überwies die CMB am an die Schuldnerin einen Betrag von 158.755,38 EUR (148.227,24 EUR zuzüglich Rechtsanwalts- und Gerichts-kosten). Zu diesem Zeitpunkt befand sich auf dem Konto der Schuldnerin ein Guthaben von 52.313,55 EUR. Am überwies die Schuldnerin 50.000 EUR an die Beklagte. Darüber hinaus wurden diverse Abbuchungen in Höhe von 159.963,59 EUR vorgenommen. Am erfolgte eine Gutbuchung in Höhe von 134.001,93 EUR. Am überwies die Schuldnerin den Restbetrag von 108.755,38 EUR an die Beklagte.

[4] Die Schuldnerin war zum zahlungsunfähig. Zu diesem Zeitpunkt lag jedenfalls auch bereits Überschuldung vor. Ing. J* H* – dem Geschäftsführer der Schuldnerin und der Beklagten – war mit Anfang Februar 2019, somit vor den beiden Überweisungen bekannt, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig und (insolvenzrechtlich) überschuldet war. Mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , AZ 26 S 38/19m, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.

[5] Der Kläger ficht die beiden von der Schuldnerin an die Beklagte geleisteten Zahlungen unter anderem nach § 31 Abs 1 Z 2 IO an.

[6] Das Berufungsgericht gab der Klage statt. In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage iSd § 502 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Rechtssache unrichtig beurteilt, wenn der Entscheidung unzulässige überschießende Feststellungen zugrunde gelegt werden (RS0040318 [T2]; RS0036933 [T10, T11, T12]; RS0037972 [T11]; RS0112213 [T1, T4]). Ob sogenannte „überschießende“ Feststellungen in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen fallen (RS0037972; RS0040318) und daher nach der Rechtsprechung zu berücksichtigen sind, ist eine Frage des Einzelfalls (3 Ob 73/01h mwN).

[8] 1.2 Die Beklagte bestritt den Anfechtungsanspruch mit der Begründung, dass die Zahlung der CMB an die Schuldnerin rechtsgrundlos erfolgt sei. Der Kläger brachte dagegen vor, dass die Schuldnerin der CMB von der Beklagten als Zahlstelle namhaft gemacht und die Zahlung von CMB mit schuldbefreiender Wirkung geleistet worden sei.

[9] 1.3 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, keine der Parteien habe damit die Tatsachengrundlage für die Vereinbarung einer Inkassozession zwischen Schuldnerin und Beklagter behauptet, sodass die entsprechenden Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts nicht zu berücksichtigen seien, ist nicht korrekturbedürftig.

[10] 2.1 Gemäß § 27 IO können vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene, das Vermögen des Schuldners betreffende Rechtshandlungen angefochten werden. Das Berufungsgericht ging vom Vorliegen der Voraussetzungen zur Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 IO aus, weil der Beklagten zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlungen (die beiden Überweisungen von der Schuldnerin an die Beklagte) die Zahlungsunfähigkeit der die Rechtshandlungen setzenden Schuldnerin bekannt war.

[11] 2.2 Die Beklagte hält der Anfechtung entgegen, sie verfüge über einen – anfechtungsfesten – Aussonderungsanspruch. Als Folge der Vollzession sei sie nicht nur materiell berechtigte Gläubigerin der „rechtsgrundlos und damit zu Unrecht in die Masse eingeflossenen Zahlung“ der CMB an die Schuldnerin, sondern auch Eigentümerin des Geldbetrags aufgrund der weiterhin bestandenen Unterscheidbarkeit vom Vermögen der Schuldnerin gewesen.

[12] 2.2.1 Die Behauptung der rechtsgrundlosen Zahlung der CMB an die Schuldnerin könnte allenfalls eine Forderung der Beklagten gegen die Schuldnerin begründen, ein Anspruch auf Aussonderung des Geldbetrags wird damit aber nicht aufgezeigt.

[13] 2.2.2 Auf die in Lehre und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob sich ein Aussonderungsanspruch in diesem Zusammenhang auf die Forderung des Kontoinhabers gegen die Bank oder auf den dem Konto gutgeschriebenen Geldbetrag bezieht, muss schon deshalb nicht eingegangen werden, weil aus den Feststellungen abzuleiten ist, dass hier eine Vermengung mit dem Vermögen der späteren Schuldnerin stattfand, die auch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine Eigentumsklage ausschließt (vgl 8 Ob 131/07h; RS0010924).

[14] 2.3 Zusammengefasst ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keinen der Anfechtung entgegenstehenden Aussonderungsanspruch dargelegt, nicht zu beanstanden.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:0170OB00008.21G.0823.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAF-68170