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OGH 25.03.2021, 12Os1/21w

OGH 25.03.2021, 12Os1/21w

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Pateisky in der Strafsache gegen Mathias R***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 38 Hv 85/20x-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mathias R***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (1./) und des Vergehens der Datenverarbeitung in Gewinn- oder Schädigungsabsicht nach § 63 zweiter Fall DSG (2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

1./ am in T***** außer den Fällen des § 201 StGB Franziska G***** mit Gewalt, indem er ihr heimlich bewusstseinseintrübende Substanzen in einem Getränk verabreichte, wodurch sie wehr- und willenlos wurde, zur Vornahme und Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er in diesem Zustand ihre Hand an seinen erigierten Penis führte und damit Masturbationsbewegungen vornahm, ihre entblößten Brüste ableckte und über ihrer Bekleidung mit seiner Hand an ihrer Vagina rieb;

2./ um den in P***** mit der Absicht, Pamela P***** in ihrem von § 1 Abs 1 DSG gewährleisteten Anspruch auf Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten, an denen sie ein schutzwürdiges Interesse hat, zu schädigen, Daten, die er sich widerrechtlich verschafft hat, nämlich zumindest drei von ihm heimlich angefertigte Nacktfotos der schlafenden Pamela P***** anderen zugänglich gemacht, indem er diese per WhatsApp an unbekannte Personen versandte.

[3] Nach den wesentlichen, zum objektiven Tathergang getroffenen Feststellungen zum Schuldspruch I./ (US 5 ff) verabreichte der Angeklagte Franziska G***** in einem Lokal bewusstseinstrübende Substanzen (mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Gamma Hydroxybuttersäure [GHB]“), die er während kurzfristiger Abwesenheit der Franziska G***** heimlich einem für sie bestellten Getränk beimengte. Nachdem er das an Übelkeit leidende Opfer nach Hause begleitet hatte, setzte er das im Spruch ersichtliche Verhalten. Franziska G***** hatte zu diesem Zeitpunkt immer wieder „Aussetzer“ und „Blackouts“ (US 7) und war zu einer körperlichen Gegenwehr nicht in der Lage (US 8).

[4] In subjektiver Hinsicht konstatierte der Schöffensenat, dass es dem Angeklagten bei Verabreichung des mit bewusstseinsbeeinträchtigenden Substanzen versetzten Getränks an Franziska G***** darauf ankam, diese mit Gewalt in weiterer Folge zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen (US 10).

Rechtliche Beurteilung

[5] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[6] Der zum Schuldspruch 1./ erhobenen Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Frage, welches betäubende Mittel der Angeklagte dem Opfer verabreichte, nicht entscheidend (vgl Hinterhofer SbgK § 201 Rz 24). Damit geht aber der Einwand, die Feststellung des Einsatzes der chemischen Substanz „Hydroxybuttersäure“ (GHB) verstoße gegen das Überraschungsverbot, ins Leere.

[7] Details der Geschehensabläufe im Lokal (ob sich das Opfer zwischenzeitig einem anderen Gast zuwandte und in weiterer Folge alleine oder gemeinsam mit diesem Gast zum Angeklagten zurückkehrte) betreffen keinen für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand (instruktiv zum Begriff der entscheidenden Tatsachen RIS-Justiz RS0117264).

[8] Aus welchem Grund der Schluss aus dem zielgerichteten und geplanten Vorgehen des (zwar alkoholisierten) Angeklagten auf dessen (nur) eingeschränkte (und nicht aufgehobene) Diskretions- und Dispositionsfähigkeit mit den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht im Einklang stehen soll, macht der Beschwerdeführer nicht deutlich. Abgesehen davon übergeht er (vgl aber RIS-Justiz RS0119370), dass der Schöffensenat seine Überzeugung von der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten auf mehrere Faktoren (kein Vollrausch des Angeklagten, Verfassen einer WhatsApp Nachricht sowie Anruf bei einer Bekannten im Tatzeitraum) gestützt hat (US 24).

[9] Mit der (vom Beschwerdeführer solcherart interpretierten) Einschätzung der Zeugin Jana P*****, dass es sich bei der Anzeige des Opfers um einen Racheakt handeln könnte, musste sich das Erstgericht schon deshalb nicht befassen (Z 5 zweiter Fall), weil subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sein können, sondern nur die ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Prämissen (vgl RIS-Justiz RS0097540).

[10] Soweit der Rechtsmittelwerber darüber spekuliert, dass auch andere Personen Gelegenheit gehabt hätten, das Getränk der Franziska G***** mit dem betäubenden Mittel zu versetzen, und ihm selbst derartige Substanzen verabreicht worden seien, bekämpft er bloß die gegenteiligen Beweiserwägungen des Schöffengerichts (US 22 f) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

[11] Die Frage, wann die Übelkeit bei Franziska G***** eintrat, stellt ebenfalls keine schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsache dar, sodass der darauf bezogene Einwand widersprüchlicher Feststellungen (Z 5 dritter Fall) auf sich beruhen kann.

[12] Aktenwidrig sind die Entscheidungsgründe nur dann, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS-Justiz RS0099547). Diesen Anfechtungsrahmen verlässt der Beschwerdeführer, indem er die Konstatierungen zur Wehr- und Hilflosigkeit der Franziska G***** mit selektiv hervorgekehrten Depositionen dieser Zeugin zu erschüttern versucht. Der Sache nach präsentiert sich dieses Vorbringen erneut als unzulässiger Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

[13] Die gegen die Feststellung, dass die Verabreichung des betäubenden Mittels „knapp“ vor Rückkehr der Franziska G***** erfolgte, gerichtete Kritik (Z 5 erster Fall) verfehlt ebenfalls den Bezug zu entscheidenden Tatsachen. Welche genaue Zeitspanne zwischen dem Aushändigen des für Franziska G***** bestellten Getränks an den Angeklagten und der Rückkehr des Opfers lag, hat keine Bedeutung für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage.

[14] Die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a) erklärt nicht, aus welchem Grund die festgestellten – wiederholt eingetretenen – Beeinträchtigungen des Opfers (Aussetzer, Blackouts, Unfähigkeit zur körperlichen Gegenwehr) keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Sinne des Gewaltbegriffs des § 202 Abs 1 StGB (vgl 13 Os 102/05g; Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 13) sein sollen.

[15] Bleibt dazu anzumerken, dass die Beschwerde, soweit sie den Eintritt der Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers bestreitet, der Sache nach gar nicht den herangezogenen Nichtigkeitsgrund, sondern jenen des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO geltend macht. Denn selbst bei Zutreffen des Vorbringens des Angeklagten wäre von Versuchsstrafbarkeit auszugehen (vgl Hinterhofer SbgK § 201 Rz 71 f).

[16] Weshalb für die Subsumtion nach § 202 Abs 1 StGB Konstatierungen zur Dosis des verabreichten Mittels erforderlich sein sollen, macht der Beschwerdeführer (der sich im Übrigen – zu Recht – nicht auf absolut untauglichen Versuch beruft) ebenfalls nicht deutlich. Die unter einem vermissten Feststellungen zum „Bewusstseinszustand“ des Opfers hat der Schöffensenat – vom Beschwerdeführer prozessordnungswidrig übergangen – ohnedies getroffen (US 7 f).

[17] Aus welchem Grund die (eingangs wiedergegebenen) Konstatierungen zur subjektiven Tatseite für eine Tatbeurteilung nach § 202 Abs 1 StGB nicht ausreichen sollten, wird nicht klar. Die auf einer gegenteiligen Interpretation dieser Urteilspassage beruhende Kritik, wonach diese Feststellungen keinen Hinweis auf die innere Tatseite in Bezug auf den Einsatz des „Nötigungsmittels“ (Verabreichen des mit bewusstseinsbeeinträchtigenden Substanzen versetzten Getränks) enhielten, berücksichtigt prozessordnungswidrig nicht die Gesamtheit der Urteilskonstatierungen. Danach wurde die Wehr- und Willenlosigkeit des Opfers vom Angeklagten bewusst herbeigeführt (US 22).

[18] Die gegen den Schuldspruch 2./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zur Schädigungsabsicht im Sinn des § 63 DSG, ohne sich an den genau dazu getroffenen Konstatierungen (US 27) zu orientieren (vgl RIS-Justiz RS0099810).

[19] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[20] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Strafrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00001.21W.0325.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-68084