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OGH 27.04.2021, 10ObS37/21w

OGH 27.04.2021, 10ObS37/21w

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei P*****, Schweiz, vertreten durch Mag. Manfred Aron, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Alterspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 23 Rs 49/20g-19, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] 1. Der ***** 1952 geborene Kläger ist kosovarischer Staatsangehöriger und wohnt seit 42 Jahren in der Schweiz. Dort verfügt er über einen aufrechten Aufenthaltstitel. Am beantragte er bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt die Zuerkennung einer Alterspension. Zum Stichtag hat er in Österreich in der Zeit von 12/1971 bis 09/1978 insgesamt 82 Versicherungsmonate erworben, davon 79 Beitragsmonate der Pflichtversicherung und drei Monate einer Ersatzzeit. Ab Oktober 1978 hat der Kläger in Österreich keine weiteren Versicherungsmonate mehr erworben, weil er in der Folge ab Juni 1980 bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters ***** 2017 nur mehr in der Schweiz unselbständig erwerbstätig war. In der Schweiz bezieht der Kläger eine monatliche Altersrente aus der ersten und der zweiten Säule. In Österreich erfüllt er die Wartezeit nicht.

[2] 2. Es ist strittig, ob sich der Kläger als Drittstaatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz – bezogen auf die gewünschte Zusammenrechnung von schweizerischen und österreichischen Pensionszeiten – auf die VO (EG) 883/2004 iVm der VO (EU) 1231/2010 sowie dem Freizügigkeitsabkommen (FZA) EU-Schweiz berufen kann, was die Vorinstanzen verneinten.

Rechtliche Beurteilung

[3] 3. Den persönlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 regelt deren Art 2 Abs 1. Danach gilt die Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, staatenlose Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Die VO (EU) 1231/2010, die den Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 auf Drittstaatsangehörige ausdehnt, erfordert nach ihrem Abs 1, dass diese drittstaatsangehörigen Personen einen rechtmäßigen Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat haben.

[4] 4. Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (ABl 2000 L 114/6) begünstigt nach seinem Art 1 die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die Staatsangehörigen der Schweiz. Die Drittstaatsangehörige betreffende VO (EU) 1231/2010 ist nicht Teil des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Schweiz. Drittstaatsangehörige haben daher in Beziehung zur Schweiz nur abgeleitete Rechte als Familienangehörige von Staatsangehörigen der Schweiz oder Unionsbürgern (vgl 10 ObS 118/16z SSV-NF 30/83 mwN; RIS-Justiz RS0128676).

[5] 5. Mit Beschluss Nr 1/2012 des Gemischten Ausschusses, eingesetzt im Rahmen des Abkommens zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizer Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom wurde die VO (EG) 883/2004 in den Anhang des Freizügigkeitsabkommens aufgenommen, dies ohne Hinweis auf deren Erweiterung auf Drittstaatsangehörige durch die VO (EU) 1231/2010.

[6] 6. Die ausführlich begründete Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger als Drittstaatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz nicht dem persönlichen Anwendungsbereich der VO (EU) 883/2004 unterliegt, entspricht sowohl Unionsrecht als auch der darauf gegründeten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Der Oberste Gerichtshof sieht sich – so wie bereits in einem vergleichbaren, zu 10 ObS 159/12y entschiedenen Fall – nicht zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens veranlasst.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:010OBS00037.21W.0427.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAF-68008