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OGH 13.10.2020, 10ObS121/20x

OGH 13.10.2020, 10ObS121/20x

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G*, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Familienzeitbonus, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 61/20m-9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Tochter des Klägers wurde am geboren. Sein Antrag auf Familienzeitbonus für den Zeitraum von bis langte am bei der beklagten Partei ein.

[2] Mit Bescheid vom wies die beklagte Partei diesen Antrag als verspätet ab. Der erste Tag der 91-tägigen Antragsfrist des § 3 Abs 3 FamZeitbG sei der Tag der Geburt, sodass der letzte Tag der Antragsfrist der gewesen wäre; an diesem Tag hätte der Antrag eingelangt sein müssen.

[3] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Zuerkennung des Familienzeitbonus statt. Wie sich aus den §§ 902 und 903 ABGB und den Bestimmungen des Europäischen Fristenberechnungsübereinkommens ergebe, sei der Tag der Geburt in die 91-tägige Antragsfrist nicht einzurechnen. Der am bei der beklagten Partei eingelangte Antrag sei daher rechtzeitig.

[4] Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit einer Maßgabe. § 3 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG normiere eine materiell-rechtliche Frist des öffentlichen Rechts, die mangels spezifischer abweichender verwaltungsrechtlicher Regelungen in analoger Anwendung der Zivilkomputation gemäß den §§ 902 ff ABGB zu berechnen sei. Sei für den Beginn einer nach Tagen bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, in welchem das Ereignis eintrete (hier die Geburt des Kindes), werde bei der Berechnung der Frist dieser Tag, in den das Ereignis falle, nicht mitberechnet. Auch gemäß Art 3 Abs 1 des Europäischen Fristenberechnungsübereinkommens, das nach seinem Art 1 alle Fristen des Privat- und Verwaltungsrechts erfasse und keine sondergesetzlichen Abweichungen zulasse, sei der den Fristenlauf auslösende Tag bei Tagesfristen nicht miteinzurechnen. Die Antragsfrist habe daher nicht bereits am Tag der Geburt des Kindes am , sondern erst am Tag danach (am ) zu laufen begonnen, sodass der Antrag rechtzeitig sei.

[5] Das Berufungsgericht ließ die Revision nicht zu.

[6] Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist unzulässig.

[7] Die Revisionswerberin vertritt die Ansicht, § 3 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG stelle eine spezifische verwaltungsrechtliche Regelung dar, die ihrem Wortlaut nach eine Regelung auch zum Beginn des Fristenlaufs in dem Sinn enthalte, dass die Antragsfrist bereits am Tag der Geburt des Kindes beginne, wodurch ein Gleichlauf mit der Bezugsdauer hergestellt sei. Die analoge Anwendung der §§ 902 ff ABGB komme daher nicht in Betracht. Auf das EuFrÜb wird in der Revision nicht Bezug genommen.

Rechtliche Beurteilung

[8] Dazu ist auszuführen:

[9] 1. Nach § 3 Abs 3 Satz 1 FamZeitbG kann der Bezug des Familienzeitbonus frühestens am Tag der Geburt des Kindes beginnen und endet spätestens am 91. Tag ab der Geburt. Für die Bezugsdauer des Familienzeitbonus wird der Tag der Geburt somit mitgerechnet (vgl Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG3 § 3 FamZeitbG Rz 3).

[10] 2.1 Nach § 3 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG muss der Antrag bei sonstigem Anspruchsverlust spätestens binnen 91 Tagen ab dem Tag der Geburt des Kindes gestellt werden.

[11] 2.2 Ob diese Regelung dahin interpretierbar ist, dass sie eine Aussage zur Berechnung der 91-tägigen Antragsfrist bzw zu ihrem Beginn in dem Sinn trifft, dass der Tag der Geburt in die Frist mit einzuberechnen sei, muss im Hinblick darauf nicht abschließend beurteilt werden, dass das Berufungsgericht seine Begründung alternativ auch auf das Europäische Übereinkommen über die Berechnung von Fristen (EuFrÜb), BGBl 1983/254, gestützt hat.

[12] 3.1 Nach Art 3 Abs 1 dieses Übereinkommens laufen Fristen, die in Tagen ausgedrückt sind, von Mitternacht des dies a quo (somit des Tages, an dem die Frist zu laufen beginnt) bis Mitternacht des dies ad quem.

[13] 3.2 Die Normen des EuFrÜb erfassen ua das Verwaltungsrecht einschließlich des Verwaltungsverfahrens-rechts (Art 1 Abs 1 des Übereinkommens; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 902 ABGB Rz 2). Es ist auch auf Sachverhalte ohne Auslandsbezug anwendbar; sondergesetzliche Abweichungen sind unzulässig (5 Ob 147/98y; Kietaibl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 902 Rz 7; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 902 ABGB Rz 1).

[14] 3.3 Daraus hat das Berufungsgericht abgeleitet, dass auch nach dem EuFrÜb der den Fristenlauf auslösende Tag (hier der Tag der Geburt) in die Antragsfrist nicht einzurechnen ist.

[15] 4. Zum EuFrÜb finden sich in der Revision aber keine Ausführungen. Wird eine alternative Begründung des Berufungsgerichts, die selbständig tragfähig ist, unbekämpft gelassen, vermag die außerordentliche Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen (RS0118709 [T3]).

[16] Sie ist daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2020:0100OBS00121.20.1013.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-67941