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OGH 31.08.2022, 9ObA92/22b

OGH 31.08.2022, 9ObA92/22b

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende, sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Hon.-Prof. Dr. Dehn und die fachkundigen Laienrichter Mag. Manfred Joachimsthaler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Christian Lewol (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. (FH) A*, geboren am *, vertreten durch Dr. Alexander Burkowski, Dr. Maximilian Burkowski, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei E* GmbH, FN *, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte OG in Ried im Innkreis, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 27/22k-27, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656).

[2] 2.1 Der Kündigungs- und Entlassungsschutz nach dem Väter-Karenzgesetz (VKG) bei einer Teilzeitbeschäftigung beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabe der Teilzeitbeschäftigung, frühestens jedoch vier Monate vor dem beabsichtigten Antritt der Teilzeitbeschäftigung, nicht jedoch vor der Geburt des Kindes (§ 8f Abs 1 Satz 1 VKG).

[3] 2.2 Beginn und Bekanntgabe der Teilzeitbeschäftigung werden in § 8b VKG geregelt. Beabsichtigt der Arbeitnehmer – wie hier – den Antritt der Teilzeitbeschäftigung zu einem späteren als den in § 8b Abs 3 VKG genannten Zeitpunkten, so hat er dies gemäß § 8b Abs 4 Satz 1 VKG dem Arbeitgeber einschließlich Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung schriftlich spätestens drei Monate vor dem beabsichtigten Beginn bekannt zu geben.

[4] 3.1 Die Tochter des Klägers wurde am geboren, der Kläger nahm vom bis Vaterschaftskarenz in Anspruch. Er äußerte erstmals am gegenüber seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dass er in Elternteilzeit gehen möchte. Ob er dabei ein konkretes wöchentliches Stundenausmaß nannte, auf das seine Arbeitszeit reduziert werden sollte, steht nicht fest. Der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers äußerte diesem gegenüber, dass er sich eine Reduktion der Arbeitszeit des Klägers in Anbetracht eines laufenden größeren Projekts nicht vorstellen könne und verwies den Kläger an die HR-Abteilung. Noch am 2. oder übermittelte der Kläger eine Outlook-Termineinladung an seinen unmittelbaren Vorgesetzten und den stellvertretenden Leiter der HR-Abteilung, in der er ausführte, dass er beabsichtige, in Elternteilzeit zu gehen, der Termin solle der weiteren Abstimmung dienen. Am sprach die Beklagte die Kündigung des Klägers aus. Es steht nicht fest, ob der Kläger der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung seinen Elternteilzeit- bzw Teilzeitbeschäftigungsanspruch im Hinblick auf dessen Dauer, Ausmaß oder Lage schriftlich oder mündlich bekanntgab.

[5] 3.2 Die Vorinstanzen gingen rechtlich davon aus, dass darin keine den Anforderungen des § 8b Abs 4 VKG genügende Bekanntgabe einer Teilzeitbeschäftigung liegt, sodass der Kündigungsschutz des Klägers gemäß § 8f Abs 1 VKG noch nicht begonnen habe.

[6] 3.3 Dem hält der Kläger in seiner außerordentlichen Revision entgegen, dass vor dem Hintergrund des Art 8 EMRK die Bestimmung des § 8b VKG dahin ausgelegt werden müsse, dass den darin genannten Kriterien keine konstitutive Bedeutung zukomme. Maßgeblich für das Vorliegen des Kündigungsschutzes sei, ob dem Arbeitgeber gegenüber klar zum Ausdruck komme, dass der Arbeitnehmer aufgrund der erforderlichen Betreuung des Kindes nur mehr einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen wolle. Zumindest analog bestehe der Kündigungsschutz dann zumindest so lange, bis die Gespräche über die konkrete Ausgestaltung der Elternteilzeit stattgefunden hätten.

[7] 3.4 Dem steht der klare Wortlaut des § 8b Abs 4 Satz 1 VKG entgegen, wonach der Arbeitnehmer den Beginn, die Dauer, das Ausmaß und die Lage der Teilzeitbeschäftigung dem Arbeitgeber schriftlich bekanntzugeben hat. Diese strengen Formerfordernisse (siehe Schrittwieser in Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer, MSchG und VKG zur vergleichbaren Bestimmung des § 15j MSchG Rz 35 ff) dienen einerseits dazu, für den Arbeitgeber eine ausreichende Entscheidungs- und Dispositionsgrundlage darzustellen (Schrank, Arbeitszeit-Kommentar6 § 15j MSchG Rz 24, 26 f, VKG Rz 1). Andererseits sind sie gerade auch für die verfahrensrechtliche Durchsetzung der Interessen des Arbeitnehmers erforderlich: Dieser kann nämlich die von ihm vorgeschlagene Teilzeitbeschäftigung zu den von ihm bekanntgegebenen Bedingungen ohne weiteres antreten, sofern der Arbeitgeber nicht einen der von § 8c Abs 2 und 3 VKG vorgesehenen verfahrensrechtlichen Schritte dagegen vornimmt. Bei Einhaltung der gesetzlichen Formerfordernisse für die Bekanntgabe der Teilzeitbeschäftigung wirkt sich rechtliche Untätigkeit allein zum Nachteil des Arbeitgebers aus (Wolfsgruber-Ecker in ZellKomm³ § 15k MSchG Rz 4).

[8] 3.5 Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung zu den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes auch ein nur mündlich gestelltes Teilzeitbeschäftigungsbegehren einer Arbeitnehmerin trotz des Schriftlichkeitsgebots des § 15j MSchG dennoch zum Kündigungsschutz führt, wenn sich der Arbeitgeber auf Verhandlungen über dieses Begehren einlässt, es letztlich zu einer Vereinbarung über die Teilzeit kommt und am objektiven Erklärungswillen, eine Teilzeitbeschäftigung nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu vereinbaren, kein ernster Zweifel bestehen kann (RS0123841, 9 ObA 158/16z; 9 ObA 20/16f). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor: Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger auch für die Beklagte erkennbar den objektiven Willen geäußert hat, eine Teilzeitbeschäftigung nach den Bestimmungen des Väter-Karenzgesetzes zu vereinbaren, so hat sich die Beklagte weder auf Verhandlungen über dieses Begehren eingelassen, noch ist es darüber zu einer Vereinbarung gekommen.

[9] Bei fehlender Einigung der Arbeitsvertragsparteien lässt (nur) die präzise und rechtzeitige Bekanntgabe der Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung durch den Arbeitnehmer (9 ObA 39/18b) den Kündigungsschutz nach § 8f Abs 1 VKG mit der erforderlichen objektiven Sicherheit für beide Vertragsparteien beginnen und (nur) sie ermöglicht die Durchsetzung der wechselseitigen Interessen beider Parteien in dem nach § 8c VKG vorgesehenen Verfahren.

[10] 4. Wenn der Revisionswerber aus Art 8 EMRK ableiten will, dass ihm der Staat Schutz seines Familienlebens im Sinn der von ihm gewünschten Interpretation der §§ 8b, 8c und 8f VKG zu gewähren hat, lässt er vor allem außer Acht, dass dieser Schutz nicht allein durch den in § 8f VKG normierten Kündigungs- und Entlassungsschutz gewährleistet wird. Vielmehr steht dem Arbeitnehmer im Fall einer Dienstgeberkündigung im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung nach dem VKG auch noch die Anfechtungsklage nach § 105 Abs 1 lit i ArbVG (wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche) sowie nach dem GlBG (§ 3 Z 7 GlBG; § 12 Abs 7 GlBG) zur Verfügung. Eine auf diese Rechtsgründe gestützte Anfechtungsklage hat der Kläger eventualiter zu seinem Begehren auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses ohnedies erhoben.

[11] Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision des Klägers daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00092.22B.0831.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-67796