OGH 30.06.2022, 9ObA56/22h
Rechtssatz
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RS0134036 | Ein Unternehmen/Betrieb dient dann „unmittelbar“ einer nach § 132 Abs 1 ArbVG geschützten Tendenz, wenn von außen erkennbar seine Arbeitsergebnisse überwiegend auf die Verfolgung eines besonders geschützten geistig-ideellen Zwecks ausgerichtet sind. Diese Zwecke müssen im Unternehmen oder Betrieb selbst verfolgt werden, sodass es für den Tendenzschutz nicht ausreichend ist, wenn in der Person des Betriebsinhabers geschützte Tendenzen vorliegen. Das Unmittelbarkeitserfordernis zielt nicht auf das Verhältnis zwischen der im Unternehmen/Betrieb verfolgten Tätigkeit und den jeweiligen schutzbedürftigen Zielpersonen ab, sondern auf das Verhältnis zwischen den mit dem Unternehmen/Betrieb verfolgten Zwecken und der bloßen Eigenschaft des Betriebsinhabers. Entscheidend ist also, welcher Betriebszweck nach außen hin in Erscheinung tritt. Ein Unternehmen oder Betrieb verfolgt dann seine ideellen Zwecke nicht unmittelbar, wenn es/er selbst nur die Aufgabe hat, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Verwirklichung eines der geschützten Zwecke zu schaffen, also nur indirekt der ideellen Zielsetzung zu dienen. Keine Voraussetzung ist aber, dass die Arbeitsergebnisse auch direkt bei jenen Zielpersonen ankommen, die mit der Tendenz erreicht werden sollen. Unmittelbar dient das Unternehmen/der Betrieb vielmehr auch dann, wenn es/er von außen erkennbar andere Tendenzbetriebe in ihrer Arbeit unterstützt. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat S* International, *, vertreten durch Mag. Ines Praxmarer und Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei S* International, *, vertreten durch Rainer-Rück-Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 43/21b-36, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 76 Cga 72/18m-30, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] S*-Kinderdorf ist in 135 Ländern vertreten und betreibt mehr als 550 S*-Kinderdörfer sowie über 1.500 weitere Programme in der Kinder- und Jugendbetreuung sowie Familienstärkung. Dazu zählen Kindergärten, Schulen, Sozialzentren, medizinische Zentren und Nothilfeprogramme. In den meisten Fällen wird vor Ort ein autonomer Verein (oder eine ähnliche Rechtsform wie eine Stiftung) als eigenständige juristische Person gegründet.
[2] Bei der beklagten Partei handelt es sich um einen Verein nach österreichischem Recht mit Sitz in *, der nach dessen Statuten als Föderation bezeichnet wird. Dessen Statuten lauten auszugsweise:
„Unsere Programmprinzipien
Wir schützen die Rechte von Kindern, die ohne elterliche Betreuung aufwachsen oder Gefahr laufen, nicht länger von ihren Eltern betreut zu werden. Wir glauben, dass die Entwicklung eines Kindes im Sinn einer vollen Entfaltung seiner Potenziale am besten in einem familiären Umfeld geschieht, innerhalb dessen jedes Kind von einem fürsorglichen Elternteil (oder einer anderen elterlichen Betreuungsperson) begleitet und unterstützt wird. Das Kindeswohl ist die Grundlage all unserer Entscheidungen und Handlungen und wir geben ihm Vorrang vor allen anderen Überlegungen. Dazu entwickeln wir bedarfsgerechte Antworten auf die Situation jedes Kindes und binden es in alle Entscheidungen sein Leben betreffend ein. Wir unterstützen die Familie, die Gemeinde und den Staat dabei, ihre Fähigkeiten, Kindern und Familien zu helfen, zu stärken. Wir setzen uns dafür ein, die allgemeinen Rahmenbedingungen für die Kinder und Familien unserer Zielgruppe zu verbessern, indem wir dort, wo die Entwicklung der Kinder gehemmt und deren Rechte untergraben werden, auf eine Verbesserung bestehender Richtlinien und Praktiken hinarbeiten.
Prinzipien der Zusammenarbeit
Wir sind eine Föderation von autonomen, interdependenten Mitgliedsvereinen und unterstützen uns gegenseitig im Geiste der Solidarität.
Wir vermehren und entwickeln unsere Programme kontinuierlich weiter, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen, und stellen deren Existenzfähigkeit sicher, indem wir eine respektvolle Partnerschaft zwischen den Mitgliedsvereinen fördern.
Wir sind gemeinsam dafür verantwortlich, unsere weltweite Marke zu fördern, zu stärken und zu schützen.
Artikel 2: Föderationszweck
Die Föderation koordiniert, unterstützt und kontrolliert die angeschlossenen Mitgliedsorganisationen und betreibt S*-Kinderdorf-Programme in eigenem Namen, wenn nötig.
Die Föderation handelt gemeinnützig bzw mildtätig gemäß §§ 34 ff BAO und ist nicht auf die Erzielung eines Gewinns ausgerichtet. Sie arbeitet ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit bzw für die Unterstützung Hilfsbedürftiger.
Sämtliche finanziellen Mittel der Föderation, wie auch alle finanziellen Überschüsse, werden zur Erreichung des Föderationszwecks verwendet.
Artikel 3: Verwirklichung des Föderationszwecks
3.1 Die Föderation verwirklicht ihren Zweck durch:
3.1.1 die Errichtung und den Betrieb von S*-Kinderdörfern, die Kindern ein Zuhause, eine Mutter/Elternteil, Geschwister und das Umfeld einer Dorfgemeinschaft bieten.
Die Arbeit des S*-Kinderdorfs wird kontinuierlich in den S*-Jugendprogrammen weitergeführt.
3.1.2 Die Errichtung und den Betrieb von
3.1.2.1 S*-Sozialzentren, S*-Familien-stärkungsprogrammen, S*-Kindertagesstätten, S*-
Kindergärten, S*-Mutter-Kind-Zentren, S*-
medizinischen Zentren und S*-Beratungsstellen,
3.1.2.2 S*-Schulen und S*-Berufsbildungszentren, die Kindern, Jugendlichen und Familien in Not qualifizierte Betreuung und Unterstützung bieten;
3.1.3 den Betrieb von S*-Nothilfeprogrammen in Katastrophen- und Kriegssituationen;
3.1.4 die Förderung und das Eintreten für das S*-Kinderdorf-Programm sowie die Rechte der Kinder und Jugendlichen in der ganzen Welt, wie diese in der 'Konvention über die Rechte des Kindes' der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1989 festgelegt sind;
3.1.5 die Förderung des weltweiten Verständnisses und des Wissensaustausches zwischen Menschen verschiedener Nationen und Kulturen zum Thema Kinderbetreuung und Kindesentwicklung, sowie durch die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen;
3.1.6 die Einnahme einer Vorbildfunktion in der langfristigen familiennahen Fremdunterbringung von Kindern, und die Bereitstellung und Verbreitung von Fachwissen über familiennahe Kinder- und Jugendbetreuung;
3.1.7 die Errichtung und den Betrieb eines Generalsekretariats, um die laufenden Aufgaben der Föderation zu erfüllen, die Beschlüsse der Föderationsgremien umzusetzen und deren Umsetzung zu kontrollieren, den Mitgliedern der Föderation Unterstützung und Dienstleistungen zu bieten und ihre Zusammenarbeit zu erleichtern;
3.1.8 den Zusammenschluss und die Koordination bestehender S*-Kinderdorf-Vereine, Verbände oder anderer juristischer Personen in aller Welt, welche die S*-Kinderdorf-Idee als Grundlage ihrer Arbeit haben, in einer Föderation;
3.1.9 die Sicherstellung, dass mögliche Einkünfte aus verschiedenen Quellen, die zur Erreichung der Föderationsziele nötig sind, weltweit auf einem optimalen Niveau gehalten werden; die Föderation unterstützt die Mitgliedsvereine bei ihren Mittelbeschaffungsaktivitäten und ergänzt diese in Abstimmung mit den Mitgliedsvereinen durch eigene Mittelbeschaffungsaktivitäten;
die Koordinierung und Revision der von Mitgliedsvereinen für den Bau und Unterhalt von S*-Kinderdörfern und anderen S*-Kinderdorf-Programmen gesammelten und aufgewendeten Geldmittel, soweit diese anderen Mitgliedsvereinen und/oder der Föderation zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt werden;
die Kontrolle der laufenden Geschäftsgebarung der Mitgliedsvereine und die Erlassung von verbindlichen Anordnungen in Übereinstimmung mit den vorliegenden, die zur Erreichung der Föderationsziele erforderlich sind;
die Förderung eines interkulturellen Austauschs über die Situation der Kinder und Jugendlichen durch Betrieb des internationalen Patenprogramms, sowie die Unterstützung der Gewinnung und Betreuung von S*-Kinderdorf-Paten in aller Welt;
die Bereitstellung von geeigneten administrativen Mitteln und die Beteiligung an Kapitalgesellschaften, insbesondere durch Ausgliederung von Föderationstätigkeiten zur Verbesserung der Organisation der Föderation, aber auch zur Bewältigung von Aufgaben am Markt, welche von einem gemeinnützigen Verein nicht wahrgenommen werden können. Allenfalls daraus fließende Gewinnausschüttungen werden ebenfalls ausschließlich zur Erfüllung des Föderationszwecks verwendet.
3.2 Die erforderlichen materiellen Mittel werden aufgebracht durch:
• Mitgliedsbeiträge
• freiwillige Zuwendungen wie Spenden und Nachlässe
• Zuschüsse und Subventionen öffentlicher und privater Stellen
• Sponsoring, Unternehmenspartnerschaften und Werbeeinnahmen, soweit diese zur Erreichung des Föderationszwecks dienlich oder erforderlich sind
• Erträge aus wirtschaftlichen Einrichtungen der Föderation, soweit dies mit den abgabenrechtlichen Bestimmungen der §§ 34 ff BAO vereinbar ist
• Vermögensverwaltung (zB Zinserträge, Vermietung und Verpachtung etc)
Sämtliche Gelder der Föderation dürfen ausschließlich dazu verwendet werden, den in den vorliegenden Statuten festgelegten Föderationszweck zu erreichen.
Artikel 4: Mitgliedschaft
4.1. Arten der Mitgliedschaft
Die Föderation hat ordentliche Mitglieder und Ehrenmitglieder.
4.1.1 Ordentliche Mitglieder sind juristische Personen, die Rechtsfähigkeit besitzen und gemäß ihrer Verfassung, ihren Verordnungen bzw Statuten mit dem alleinigen Ziel gegründet wurden, S*-Kinderdörfer und andere S*-Kinderdorf-Programme zu begründen, zu betreiben, zu verwalten, zu finanzieren oder zu unterstützen bzw andere Aktivitäten zu verfolgen, die den Zielen, die in diesen Statuten festgelegt sind, entsprechen.
...“
[3] Der beklagte Verein verfügt über einen Aufsichtsrat, bezeichnet als „Internationaler Senat“, der aus 22 Mitgliedern besteht.
[4] Weltweit verfügt der Beklagte über rund 126 Mitgliedsverbände, die sich aus reinen Fördervereinen und nationalen Vereinen zusammensetzen. In Ländern, in denen es aus unterschiedlichen Gründen, wie etwa einer Kriegssituation, der Unmöglichkeit internationaler Transfers oder aus juristischen Gründen nicht möglich war, einen unabhängigen Verein mit einem Vorstand zu gründen, werden die vom Beklagten in diesen Ländern durchgeführten Programme dort als sogenannte „GSC-run operations“ geführt. Das Ziel des Beklagten ist es aber, diese temporär abhängigen Zweigstellen in eigenständige Vereine überzuführen.
[5] Im Wesentlichen bezahlen nur die Fördervereine Mitgliedsbeiträge, weil andere Vereine dazu finanziell meist nicht in der Lage sind. Deren Mitgliedsbeiträge werden von den Fördervereinen übernommen. Sämtliche Mitgliedsverbände bedürfen der Unterstützung durch den Beklagten; so sind auch die reinen Fördervereine auf dessen Unterstützung angewiesen. Der Beklagte verteilt jene Gelder, die über Spenden, insbesondere auch Patenschaften, eingenommen werden, an jene Mitgliedsverbände, die auf finanzielle Hilfe angewiesen sind. Der Beklagte steht dem Förderverein im Hinblick auf deren Verantwortung gegenüber dem Spender zur Seite und hat die Aufsicht über die Programme, die Fördervereine gegenüber Spendern benötigen, um zertifiziert zu werden. Bei jenen Mitgliedsvereinen, die sich selbst finanzieren und ihre Programmarbeit selbständig durchführen, besteht der Benefit der Kooperation mit dem Beklagten darin, dass Wissen weitergegeben und ausgetauscht werden kann und man voneinander lernt. Sie sind dem Beklagten gegenüber nicht verpflichtet, einen Budgetplan zu erstellen. Insgesamt leistet der Beklagte einen entwicklungspolitischen Beitrag, in dem die Zahlungsflüsse reicherer Mitgliedsvereine zu den ärmeren koordiniert werden. Im Rahmen der Programmplanung kontrolliert die Beklagte, ob gewisse Prozessschritte eingehalten werden. Der Beklagte erstellt Vorgaben und Standards und kontrolliert auch, dass diese eingehalten werden. Des Weiteren verfügt der beklagte Verein über eine Abteilung, in
der Kinderrechtsverletzungen und Missbrauchsvorfälle dokumentiert werden und in der festgelegt wird, wie insoweit zu berichten ist. In Afrika und Asien betreibt der Beklagte auch Schulen, für die sozial gestaffelte Schulgebühren eingehoben werden. Viele Schulen sind defizitär, einige erwirtschaften aber auch einen Gewinn. Der erzielte Überschuss wird in der Folge im Sinn der Statuten in andere Programme, die wiederum Kindern und Jugendlichen zugute kommen, am jeweiligen Standort investiert. Primäres Ziel des beklagten Vereins ist die Ausbildung der Kinder und nicht die Gewinnerwirtschaftung.
[6] Im Jahr 2017 lukrierte der Beklagte rund 39 Mio EUR an Mitgliedsbeiträgen, ca 5,5 Mio EUR an Spenden und anderen Umsatzerlösen, wobei insoweit der Großteil aus Spenden stammt. Aus betrieblichen Erträgen stammen lediglich 260.000 EUR. Der beklagte Verein erzielt keine Erträge aus wirtschaftlichen Einrichtungen. Ab und zu werden über das Jahr gesehen Überschüsse erwirtschaftet, während andere Jahre defizitär ausfallen. Insgesamt gleichen sich Einnahmen und Ausgaben über die Jahre gesehen aus. Wenn ein Mitgliedsverein einen Überschuss erwirtschaftet, wird dieser dazu verwendet, weitere Programme für Kinder ins Leben zu rufen und mehr operative Tätigkeiten zu entwickeln. Erwirtschaftet ein nationaler Verein einen Überschuss und möchte selbst nicht mehr wachsen, wird eine Steuer von etwa 10 % für Verwaltungsausgaben und auch Kampagnen vor Ort abgezogen und der Rest an Länder verteilt, die sich nicht selbst kostendeckend finanzieren können.
[7] Für das Betreiben der lokalen Kinderdörfer erhalten die Mitgliedsvereine zudem auf direktem Weg Geld von lokalen Jugendämtern, wie etwa für die Aufnahme und Betreuung von Kindern. Das Budget sämtlicher Mitgliedsvereine beläuft sich jährlich auf rund 1,2 Mrd EUR; dieses Geld wird allerdings nicht über den Beklagten abgewickelt.
[8] Die operative Tätigkeit des beklagten Vereins wird vor allem über das Generalsekretariat abgewickelt, das den Mitgliedern Unterstützung und Dienstleistungen mit dem Ziel anbietet, die Kinderdorfarbeit weltweit zu fördern und zu unterstützen. Es sollen einheitliche Strukturen im Sinn gewisser Mindeststandards geschaffen werden. Das Anbot an Dienstleistungen und Unterstützung richtet sich an alle Mitgliedsvereine und Zweigstellen ohne Unterschied, ob selbständig oder nicht. Die Mitgliedsvereine und Zweigstellen können Dienstleistungen des Beklagten in Anspruch nehmen, sind dazu aber nicht verpflichtet, sondern können auch Leistungen privater Dienstleister – zu marktüblichen
Preisen – zukaufen. Grundsätzlich ist jedoch erwünscht, dass insoweit zunächst beim Beklagten angefragt wird. Wenn dieser die Dienstleistung – etwa zufolge Zeitnot – nicht erbringen kann, schlägt er teilweise einem Mitgliedsverein auch andere Dienstleister vor. In welchem Ausmaß die Mitgliedsvereine und Zweigstellen die Dienstleistungen des Beklagten in Anspruch nehmen ist unterschiedlich. Der Beklagte bietet insbesondere folgende, überwiegend Verwaltungsangelegenheiten umfassende Agenden an, die letztendlich den betreuten Kindern zugute kommen:
- Programmentwicklung
- Programmplanung und Baudienstleistungen
- globale Notfalldienste-Humanitäre Hilfe
- institutionelle Partnerschaftsentwicklungsdienste
- Mittelbeschaffungs- und Kommunikationsdienste
- Markenschutz und -entwicklung
- Finanz- und Controlling-Dienstleistungen
- Integrität, Compliance und Recht
- Personal- und Organisationsentwicklungsdienste
- Informations- und Kommunikationstechnologiedienste
- Management- und Managementunterstützung.
[9] Über die „GSC-run operations“ und Notfallmaßnahmen hinaus betreibt der Beklagte selbst keine Programme. Das Generalsekretariat betreut und beaufsichtigt selbst keine Kinder und Schutzbefohlenen. Dem Beklagten wird die Aufsicht für ein konkretes Kind nicht direkt übergeben, sondern an den jeweiligen nationalen Repräsentanten. Im Rahmen von Nothilfemaßnahmenprojekten beschäftigt der Beklagte etwa fünf Personen, die eine beratende Tätigkeit ausüben.
[10] Am beschloss der Betriebsrat die Entsendung von sieben namentlich benannten Betriebsratsmitgliedern in den internationalen Senat. Der Beklagte verweigert dem Kläger, diese Betriebsratsmitglieder in den internationalen Senat zu entsenden, weil es sich bei ihr um einen Tendenzbetrieb im Sinn des § 132 ArbVG handle.
[11] Mit dem Hauptbegehren der vorliegenden Klage begehrt der klagende Betriebsrat die Feststellung, dass ihm aufgrund der geltenden Fassung der Vereinsstatuten des Beklagten und der tatsächlichen Besetzung dessen internationalen Senats mit 22 Mitgliedern das Recht zukomme, aus dem Kreis seiner Mitglieder, denen das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat zustehe, bis zu insgesamt elf Betriebsratsmitglieder in den internationalen Senat als Aufsichtsgremium mit Sitz und Stimmrecht zu entsenden. Daneben stellte er mehrere Eventualbegehren, teils in Form eines jeweils gleichlautenden Duldungsbegehrens, teils durch Ersatz der Wendung „elf Betriebsratsmitglieder“ durch „für je zwei Mitglieder des internationalen Senats ein Betriebsratsmitglied“ modifizierten (Feststellungs- und Duldungs-)Begehrens und teils um die Formulierung „soweit die Mitwirkung der ArbeitnehmervertreterInnen mit Sitz und Stimme im internationalen Senat nicht mit den festgesetzten Programmprinzipien, den Prinzipien der Zusammenarbeit und dem Föderationszweck gemäß einen integrierenden Bestandteil dieser Klage in der 20. ordentlichen Generalversammlung am genehmigten Statuten des Beklagten bzw in eventu mit den festgesetzten Programmprinzipien und Föderationszwecken gemäß den jeweils geltenden Statuten des Beklagten unvereinbar sei“ ergänzten Feststellungs- und Duldungsbegehrens. Dazu brachte der Kläger zusammengefasst vor, dass der Beklagte nicht als Tendenzbetrieb im Sinn des § 132 Abs 1 fünfter und sechster Fall ArbVG zu qualifizieren sei, sodass dem Kläger im Sinn der § 5 Abs 4 VerG 2002, § 110 ArbVG das Recht zustehe, bis zu elf ArbeitnehmervertreterInnen mit aktivem Wahlrecht zum Betriebsrat in den nach § 5 Abs 4 VerG 2002 konstituierten internationalen Senat zu entsenden, weil der Beklagte weder unmittelbar erzieherischen noch unmittelbar karitativen Zwecken diene. Der Beklagte übe in erster Linie die Overhead-Funktion für seine Mitgliedsvereine aus, leiste aber nicht selbst erzieherische oder karitative Tätigkeiten. Voraussetzung für die Annahme eines Tendenzbetriebs sei aber, dass die im Betrieb entfaltete Tätigkeit selbst unmittelbar durch die besondere Zweckbestimmung charakterisiert sei. Dies sei hier nicht der Fall.
[12] Der Beklagte bestritt die Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Er hielt den Begehren im Wesentlichen entgegen, dass unter dem Begriff „unmittelbar“ in § 132 Abs 1 Satz 1 ArbVG nicht zu verstehen sei, dass ein Betrieb sozusagen mit seinem Dienst selbst „Hand am Tendenzempfänger anlege“ und die Arbeitsergebnisse des Betriebs „direkt“ den sozial schwachen Menschen oder Gruppen bzw hier den schutzbefohlenen Kindern und Jugendlichen zukommen müsse. „Unmittelbar“ bedeute, dass die nach außen in Erscheinung tretenden Arbeitsergebnisse den geschützten Tendenzen dienen müssten. Dies könne auch indirekt geschehen, indem – wie beim Beklagten – die nationalen Mitgliedsvereine durch die nach außen in Erscheinung tretenden Arbeitsergebnisse des Beklagten entweder überhaupt erst in die Lage versetzt würden, ihre erzieherischen und karitativen Tätigkeiten zu entfalten oder darin zumindest unterstützt würden.
[13] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Entscheidend für den Tendenzschutz seien die unmittelbar objektiv erkennbar vom Unternehmen bzw Betrieb verfolgten Zwecke. Da sämtliche Mitgliedsverbände bzw -vereine durch das Betreiben von Programmen des S*-Kinderdorfs wie zB Schulen, Sozialzentren, S*-Kinderdörfer jedenfalls direkt und unmittelbar karitativ und erzieherisch tätig seien und die Statuten des Beklagten für diese und für sich selbst vorsähen, dass diese gemeinnützig und mildtätig zu agieren hätten und der Beklagte auch nicht auf die Erzielung eines Gewinns ausgerichtet sei, komme diesem Tendenzschutz zu. Der Beklagte als Dachverband habe zwar nach seinem Leistungskatalog und seinen Arbeitsergebnissen durch das Generalsekretariat vorwiegend Verwaltungsangelegenheiten zu erfüllen, im Ergebnis würden diese jedoch dazu dienen, den Förderungszweck zu erreichen, den Mitgliedsvereinen die Arbeit zu erleichtern und sie in ihrer Tätigkeit, nämlich dem tatsächlichen Betreiben von Programmen zu unterstützen. Auch wenn die Mitarbeiter des Beklagten im Generalsekretariat nicht selbst mit Kindern arbeiten würden, so diene ihre Tätigkeit doch einzig und allein dem Zweck, die betreuten Kinder bestmöglich zu unterstützen und zu versorgen. Eine ideelle Zwecksetzung liege nicht nur bei den Mitgliedsvereinen, sondern auch beim Beklagten selbst unmittelbar vor. Die von ihm verfolgten Ziele, nämlich die Förderung und Unterstützung von Kindern, würden nach außen auch als solche in Erscheinung treten, sodass objektiv auch für Außenstehende dieser ideelle Zweck erkennbar sei. Zudem werde der Beklagte im Notfall auch selbst im Rahmen von „GSC-run operations“ oder Nothilfeprogrammen tätig und würden in diesem Zusammenhang von ihm Programme auch selbst betrieben, sodass insoweit seine Leistung den Kindern auch direkt zugute komme.
[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und dem Klagehauptbegehren statt. Strittig sei im vorliegenden Fall letztlich nicht, dass der beklagte Verein einem karitativen, erzieherischen Zweck diene, sondern ob dies „unmittelbar“ im Sinne des § 132 Abs 1 ArbVG erfolge. Sowohl nach der wörtlichen Auslegung, nach dem juristischen Sprachgebrauch (vgl „unmittelbare Diskriminierung“) und auch den Gesetzesmaterialien stehe das Wort „unmittelbar“ für „direkt“. Ein Unternehmen/Betrieb könne daher direkt nur erzieherischen oder karitativen Zwecken dienen, wenn es/er diese Intention selbst und nicht mittelbar, etwa über Mitgliedsvereine mit eigener Rechtspersönlichkeit umsetze. Auch die Literatur und die – zur vergleichbaren Gesetzeslage in Deutschland ergangene – Rechtsprechung bestätigten, dass ein Tendenzbetrieb nur dann vorliege, wenn dieser selbst „direkt an den Schutzbedürftigen Hand anlege“, und es nicht ausreiche, dass ein erzieherischer oder karitativer Zweck mittelbar verfolgt werde, indem rechtlich selbständigen Vereinen mit derselben Zielsetzung dies ermöglicht oder sie hierin unterstützt würden, weil eine solche Tätigkeit dann bloß mittelbar sei. Da der beklagte Verein nach seinem Arbeitskatalog und den Arbeitsergebnissen durch das Generalsekretariat vorwiegend Verwaltungsangelegenheiten erfülle und selbst bloß ca 30 „GSC-run operations“ führe, insgesamt 126 vollständig unabhängige Mitgliedsverbände ihre Tätigkeit (wenn auch mit Unterstützung des Beklagten) jedoch selbständig ausübten, könne ein unmittelbares Verfolgen von erzieherischen oder karitativen Zwecken durch den Beklagten selbst in einem überwiegenden Ausmaß nicht bejaht werden. Darauf, dass – so das Erstgericht – die Verwaltungstätigkeit des Beklagten im Ergebnis dazu diene, den Förderungszweck zu erreichen, den Mitgliedsvereinen die Arbeit zu erleichtern und sie in ihrer Tätigkeit, nämlich dem tatsächlichen Betreiben von Programmen zu unterstützen und dabei unmittelbar tätig werde, komme es hier nicht an. Entscheidend sei vielmehr, dass die Tätigkeit des Beklagten nicht unmittelbar ideellen Zwecken diene und nicht darauf, ob dies bei seinen Mitgliedsvereinen der Fall sei.
[15] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt der Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer vollständigen Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[16] Der Kläger beantragt in seiner Revisions-beantwortung, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.
[17] Die Revision ist zulässig und im Sinne einer Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils auch berechtigt.
[18] 1. Nach § 132 Abs 1 Satz 1 ArbVG sind auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, wissenschaftlichen, erzieherischen oder karitativen Zwecken dienen, die §§ 110 bis 112 ArbVG nicht anzuwenden.
Rechtliche Beurteilung
[19] 2.1. § 132 ArbVG schränkt für einen bestimmten Kreis von Betrieben und Unternehmen das Mitbestimmungskonzept des ArbVG ein, um der Eigenart gewisser Unternehmensziele Rechnung zu tragen und auszuschließen, dass deren Verfolgung durch die Ausübung von Mitbestimmungsrechten der Belegschaft gestört werden könnte. Für solche geistig-ideelle Zielsetzungen hat sich der Ausdruck „Tendenz“ eingebürgert. Betriebe und Unternehmen, in denen diese Einschränkung stattfindet, werden als „Tendenzbetriebe“ bzw „Tendenzunternehmen“ bezeichnet; die ihnen vom ArbVG eingeräumte Sonderstellung wird Tendenzschutz genannt (Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz 1).
[20] 2.2. Mit dem Tendenzschutz reagierte der Gesetzgeber im Hinblick auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer darauf, dass auch solche Unternehmen dem Gesetz unterliegen, die primär andere als kaufmännisch-wirtschaftliche Ziele verfolgen. Einige dieser Zielsetzungen hält das ArbVG für so wichtig, dass es ihre Realisierung durch die volle Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer nicht gefährden will und deshalb in den §§ 132 ff ArbVG Teilausnahmen durch einfachen oder qualifizierten Tendenzschutz vorsieht. Dabei handelt es sich um geistig-ideelle Zielsetzungen, die häufig in einem engen Naheverhältnis zu Grundrechten stehen (9 ObA 107/17a Pkt 3.1.).
[21] 2.3. In der Literatur wird die Ausnahmeregelung des § 132 Abs 1 ArbVG damit begründet, dass Institutionen, die nicht kaufmännisch-wirtschaftliche Zwecke bzw Erwerbszwecke, sondern überwiegend bestimmte ideell geprägte Ziele verfolgen, nicht der Gefahr ausgesetzt sein sollen, dass die Belegschaft – ausgehend von gegnerischen Ideen und Zielsetzungen – dem Betrieb bei Verfolgung seiner Ziele (Tendenzverwirklichung) Hindernisse in den Weg legt (Unterwanderung). In diesem Sinne dient die Sonderstellung dem Schutz eines ungestörten Betriebsablaufs in Betrieben und Unternehmen, die wegen ihres geistig-ideellen Engagements besonders störanfällig sind. § 132 Abs 1 ArbVG sichert damit dem Unternehmer, der seinem Betrieb oder einzelnen seiner Betriebe eine „immaterielle“ Ausrichtung gegeben hat und nicht ausschließlich erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgt, einen Freiraum, Prioritäten zu setzen, in welcher Art und mit welchen Mitteln das ideelle Ziel am besten erreicht werden soll (Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz 1; Dunst in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht12 § 132 ArbVG Rz 2; Mair in Tomandl, ArbVG15 § 132 Rz 4; vgl Schrammel in FS Strasser [1983] 559 [561 ff]).
[22] 3.1. Die Frage nach dem Vorliegen eines Tendenzbetriebs ist aufgrund des objektiven Betriebszwecks und nicht danach zu beurteilen, ob der Betriebsinhaber subjektiv eine bestimmte Tendenz verfolgen will. Von einem Tendenzbetrieb kann nur gesprochen werden, wenn eine gewisse Übereinstimmung zwischen der unternehmerischen Zielsetzung und der Tätigkeit bzw den Arbeitsergebnissen des Betriebs gegeben ist (Dunst in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht12 § 132 ArbVG Rz 2). Entscheidend ist damit die Zwecksetzung des Unternehmens bzw des Betriebs, genauer die vom Unternehmensinhaber mit dem Unternehmen oder Betrieb nach der nach außen in Erscheinung tretenden und damit objektiv erkennbaren Zweckwidmung verfolgten Ziele (vgl Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz 9).
[23] 3.2. Diese Zwecksetzung muss allerdings nicht ausschließlich, wohl aber – nach dem eindeutigen Wortlaut des § 132 Abs 1 ArbVG – unmittelbar gegeben sein. Es ist daher davon auszugehen, dass es genügt, wenn die betreffende Zwecksetzung im Rahmen der Institution vorwiegend gegeben ist. Die im § 132 Abs 1 ArbVG angeführten Zwecksetzungen müssen demnach im Einzelfall die Tätigkeit der Institution derart beherrschen, dass sie deren Wesen ausmachen, kurz die Institution unter Bedachtnahme auf den Einsatz der Ressourcen prägen („Geprägetheorie“; Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz 9 mwN; Mair in Tomandl, ArbVG15 § 132 Rz 17; Potz, Quo vadis Tendenzschutz?, DRdA 2021, 13 [15] je mwN).
[24] 4. Nach § 132 Abs 1 ArbVG sind Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar erzieherischen (fünfter Fall) oder karitativen (sechster Fall) Zwecken dienen, vom Tendenzschutz umfasst.
[25] 4.1. Unter Einrichtungen, die (unmittelbar und vorherrschend) erzieherischen Zwecken dienen, sind nach dem Schrifttum vor allem private Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu verstehen. Der Erziehungsbegriff erfasst jegliche planmäßige Einwirkung auf die Entwicklung des Menschen im Sinn einer Unterstützung und Förderung, aber auch die Beeinflussung seiner Persönlichkeitsentwicklung, sowie jeglichen Unterricht und Ausbildung, gleichgültig ob in allgemeiner oder fachlicher Hinsicht. Weder das Alter der Benützer noch die Dauer des jeweiligen Unterrichts sind an sich von Bedeutung, wenn auch eine gewisse Nachhaltigkeit der Formung der Persönlichkeit notwendig ist (Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz 27 f; ders in Strasser/Jabornegg/Resch, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, § 132 Rz 44 f; vgl Mair in Tomandl, ArbVG15 § 132 Rz 13).
[26] 4.2. Unter Einrichtungen mit (unmittelbar und vorherrschend) karitativer Zwecksetzung werden in der Literatur ganz allgemein gesprochen solche verstanden, die wohltätigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, dh sich ohne Absicht der Gewinnerzielung und freiwillig zur Aufgabe gemacht haben, körperlich, geistig oder seelisch leidenden Menschen in Notsituationen zu helfen (Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz 29; ders in Strasser/Jabornegg/Resch, Kommentar zum Arbeits-verfassungsgesetz, § 132 Rz 46; vgl Dunst in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht12 § 132 ArbVG Rz 6; Mair in Tomandl, ArbVG15 § 132 Rz 14; Fister, Der Tendenzbetrieb im österreichischen und europäischen Recht [2008], 90 mwN).
[27] 5. Auch im Revisionsverfahren wird
– zutreffend – nicht weiter in Frage gestellt, dass der beklagte Verein grundsätzlich erzieherische und karitative Zwecke verfolgt. Strittig ist allein, ob er dies „unmittelbar“ oder – so das Berufungsgericht – bloß „mittelbar“, also indirekt über seine Mitgliedsverbände tut.
[28] 5.1. Jede Gesetzesauslegung beginnt mit der wörtlichen (sprachlichen, grammatikalischen) Auslegung, die nach dem Wortsinn der Norm und innerhalb dieser durch den äußerst möglichen Wortsinn abgesteckten Rahmens auch der nach Bedeutung eines Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der Regelung fragt (RS0008896 [T4]).
[29] 5.2. Dafür bietet zunächst die Entstehungsgeschichte des Unmittelbarkeitskriteriums in § 132 Abs 1 ArbVG aufschlussreiche Hinweise. Die Regelung des § 132 ArbVG war bereits im Betriebsrätegesetz 1947 enthalten. Nach § 14 Abs 3 BRG 1947 fanden Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung „keine Anwendung auf
Betriebe politischer, gewerkschaftlicher, konfessioneller, wissenschaftlicher, künstlerischer oder charitativer Art“. Begründet wurde dies in der erläuternden Regierungsvorlage damit, dass von der Mitverwaltung der Betriebsvertretung eine Ausnahme gemacht werden müsse, weil es sich bei diesen Betrieben um Zielsetzungen handle, die eine Teilnahme der Betriebsräte an der Führung und Verwaltung entweder überhaupt unmöglich oder doch nicht zweckmäßig erscheinen ließen (ErlRV 320 BlgNR 5. GP 12). Eine „Unmittelbarkeit“ war nicht gefordert. Dafür waren im BRG 1947 lediglich Betriebe tendenzgeschützt, nicht aber Unternehmen.
[30] 5.3. Mit der Schaffung des ArbVG wurde die frühere Bestimmung des Tendenzschutzes in § 14 BRG 1947 unter anderem mit dem Zusatz des Unmittelbarkeitserfordernisses in das geltende Recht übernommen. Auslöser dieser Änderung war die Entscheidung des Zl 2087/65, Arb 8276 = ZAS 1967, 114 [115] (Mayer-Maly). Gegenstand dieser Entscheidung war eine Druck- und Verlags-GmbH im Alleineigentum eines tendenzgeschützten katholischen Pressevereins. Fraglich war, ob es für den Tendenzschutz bereits ausreicht, wenn in der Person des Betriebsinhabers geschützte Tendenzen vorliegen oder ob auch der Betrieb durch diese Tendenzen gekennzeichnet sein muss. Nach Ansicht des VwGH beziehe sich der Tendenzschutz nur auf Betriebe, die sich durch besondere Kennzeichen von den sonstigen Betrieben abgrenzen. Dabei müsse eine gewisse Übereinstimmung zwischen der unternehmerischen Zielsetzung und der Tätigkeit bzw der Arbeitsergebnisse des Betriebs vorliegen. Nur wenn die unternehmerische Zielsetzung des katholischen Pressevereins auch im unmittelbaren konkreten Betriebszweck der mitbeteiligten Druck- und Verlags-GmbH dadurch Ausdruck fände, dass die Tätigkeit bzw die Arbeitsergebnisse mindestens zum überwiegenden Teil konfessionell gekennzeichnet seien, könnte das Zusammenwirken dieser Umstände dem Betrieb den Charakter eines konfessionellen Betriebs verleihen.
[31] 5.4. Nach Burger (Drittelbeteiligung der Belegschaft im Aufsichtsorgan eines karitativen Dachvereins? in FS Löschnigg [2019] 36 [41]) berücksichtigte der Gesetzgeber diese vom VwGH vorgezeichnete Differenzierung, wonach ein Betrieb, der von einem Tendenzunternehmen geführt werde, selbst nicht zwingend ein Tendenzbetrieb sein müsse, sofern er selbst keine geschützten Tendenzen aufweise, durch die Aufnahme des Wortes „unmittelbar“ in den Wortlaut der Nachfolgebestimmung des § 132 ArbVG. Das Wort „unmittelbar“ möchte daher die Mitwirkung der Belegschaft dann nicht ausschließen, wenn ein Tedenzträger einen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsbetrieb führe, um bloß mit dessen Erlösen und Gewinnen seine eigene Tendenztätigkeit mittelbar zu finanzieren. Das Tatbestandsmerkmal „unmittelbar“ beziehe sich somit auf den Betriebszweck, also darauf, ob die Arbeitsergebnisse erkennbar einem in § 132 ArbVG genanten Zweck dienen (aaO 44).
[32] 5.5. Nach Tomandl (Der Anwendungsbereich des betriebsverfassungsrechtlichen Tendenzschutzes bei Presseunternehmen in FS Kralik [1986] 559 [563 f]) bedürfe es zur Klärung der Frage, wann ein Betrieb einem bestimmten Zweck unmittelbar diene, zunächst der Entscheidung, ob eine subjektive oder objektive Betrachtung zu erfolgen habe. Auf die persönlichen Absichten und Motive des Betriebsinhabers dürfe es dabei nicht ankommen. Welchen Zwecken und Zielen ein Betrieb diene, sei vielmehr aus seiner tatsächlichen Tätigkeit zu erschließen. Die Führung eines rein erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Betriebs ohne bestimmte Tendenz in der Absicht, die aus dieser Tätigkeit gewonnenen Erträge für die Verwirklichung einer bestimmten Tendenz einzusetzen, diene nur mittelbar der Tendenzverwirklichung. Ein solcher Betrieb könne daher keinen Tendenzschutz für sich beanspruchen. Der unmittelbaren Tendenzverwirklichung dienten jedoch auch alle Hilfs- und Nebentätigkeiten, ohne die jene Waren und Dienstleistungen nicht hergestellt oder erbracht werden könnten, die Gegenstand des Tendenzbetriebs seien. Zur bloß mittelbaren Verwirklichung zählt hingegen die Schaffung der erforderlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen.
[33] 5.6. Auch für Schrammel (Probleme des Tendenzschutzes in der österreichischen Betriebsverfassung, FS Strasser [1983], 571) bedeutet „unmittelbar“, dass zwischen dem Betrieb oder dem Unternehmen und seiner Zwecksetzung eine Beziehung besteht, die nicht durch ein dazwischengeschaltenes Glied unterbrochen ist. Entscheidend sei, ob der Betriebsinhaber mit den Arbeitsergebnissen des Betriebs bereits einen geschützten Zweck verwirkliche.
[34] 5.7. Nach Strasser (in Floretta/Strasser, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [1975], § 132 Pkt 2.1.1.) verfolge das ArbVG mit der Hervorhebung des Tatbestandsmerkmals der „Unmittelbarkeit“ ganz offensichtlich den Zweck, eine Klarstellung in Bezug auf die Zweifelsfragen zu treffen, die in Zusammenhang mit der Entscheidung des VwGH (Arb 8276) und der dazu erfolgten Besprechung von Mayer-Maly (ZAS 1967, 115 ff) entstanden seien. Der VwGH habe den Fall zwar richtig gelöst und den Tendenzschutz nicht angenommen, jedoch dies damit unrichtig begründet, dass stets zu prüfen sei, ob der Betrieb oder das Unternehmen eine ideelle Zwecksetzung verfolge. Obwohl diese Überlegungen richtig seien, seien sie für diese Entscheidung fehl am Platze gewesen. Es sei nach der Sachlage nicht darum gegangen, ob der unternehmerische Zweck maßgebend zu sein habe, sondern ob das Vorhandensein der ideellen Zwecksetzung bei der Person des Betriebsinhabers genüge. Der Sinn dieses Ergebnisses, welches auch schon dem früheren Recht zu entnehmen gewesen sei und nun durch die nunmehrige Hervorhebung der Unmittelbarkeit auch vom Wortlaut gestützt werde, liege darin, dass Betriebe und Unternehmen, die vorwiegend wirtschaftlich-kaufmännischen Zwecken dienten, nicht deshalb Tendenzschutz genießen sollten, nur weil dem Eigentümer oder der betreibenden Gesellschaft selbst Tendenzschutz zukomme. § 132 Abs 1 ArbVG stelle durch die Hervorhebung der Unmittelbarkeit der Zwecksetzung somit eindeutig klar, dass es bei Unternehmungen mit eigener Rechtspersönlichkeit auf deren Zwecksetzung ankomme. Irrelevant sei die Zwecksetzung des Gesellschafters sowie die Beschaffenheit des Betriebsinhabers.
[35] 5.8. Neumayr (in Strasser/Jabornegg/Resch, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, § 132 Rz 17; ders in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz 10) betont, dass die ideelle Zwecksetzung der Institution nach dem eindeutigen Wortlaut des § 132 Abs 1 ArbVG unmittelbar gegeben sein müsse. Mit der Hervorhebung dieses Tatbestandsmerkmals wolle das ArbVG nicht nur den Ausnahmecharakter des Tendenzschutzes hervorheben, sondern auch die Fragen klarstellen, ob das Vorhandensein der ideellen Zwecksetzung bei der Person des Betriebsinhabers oder Unternehmensinhabers genüge. Entscheidend sei die Zwecksetzung des Unternehmens bzw des Betriebs, genauer die vom Unternehmensinhaber mit dem Unternehmen oder Betrieb nach der nach außen in Erscheinung tretenden und damit objektiv erkennbaren Zweckwidmung verfolgten Ziele. Nur Unternehmen und Betriebe, in denen die Arbeitnehmer selbst mit dem geschützten Zweck zu tun hätten, könnten den Tendenzschutz genießen. Bei Unternehmungen mit eigener Rechtspersönlichkeit komme es auf deren Zwecksetzung und nicht – im Wege des Durchgriffs – auf die Zwecksetzung eines Einmanngesellschafters an. Die Schaffung der erforderlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen diene bloß mittelbar der Tendenzverwirklichung.
[36] 5.9. Nach Dunst (in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht12 § 132 ArbVG Rz 2) komme es für die Auslegung der Tendenzbestimmungen auf die Frage der Abgrenzung zwischen jenen Aktivitäten des jeweiligen Arbeitgebers an, die die besondere Zweckbestimmung unmittelbar beträfen, und anderen Unternehmens-entscheidungen, die vorwiegend wirtschaftlich motiviert seien und mit dem besonderen Betriebszweck im engeren Sinne nur mittelbar zu tun hätten, an.
[37] 5.10. Nach Mair (in Tomandl, ArbVG15 § 132 Rz 15 f) liegt der Grund der gesetzestextlichen Betonung der Unmittelbarkeit darin, dass die Nutzung der wirtschaftlichen Mitwirkungsrechte der Belegschaft in einer Einheit, die vorwiegend kaufmännisch-wirtschaftliche Zwecke verfolgt, nicht bereits deswegen versagt sein soll, nur weil der Eigentümer der Einheit ein Tendenzbetrieb (Tendenzunternehmen) ist. Dabei sei es erforderlich, um dem Unmittelbarkeitskriterium zu entsprechen, dass die politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, wissenschaftlichen, erzieherischen oder karitativen Zwecke den Betrieb (Unternehmen) prägten. Das reine Vorliegen einer der in § 132 Abs 1 Satz 1 ArbVG genannten Zielsetzungen reiche allein aber nicht aus, um für einen Betrieb (Unternehmen) den Tendenzschutz zu begründen. Vielmehr müsse der Betrieb (Unternehmen) unmittelbar der Verfolgung einer der dort genannten geistig-ideellen Zwecke dienen. Somit müsse der Betriebszweck (Unternehmenszweck) selbst auf die Tendenz ausgerichtet sein und dürfe „nicht nur nach seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geeignet [sein], den eigentlichen Tendenzbetrieb zu unterstützen“. Damit werde auch deutlich, dass die Beschaffenheit oder die Rechtsform des Betriebsinhabers (Unternehmers) irrelevant seien. Auf der Ebene des Betriebs komme es allein auf dessen Arbeitsergebnisse und damit darauf an, ob diese der Verwirklichung der geistig-ideellen Zwecksetzung dienten.
[38] 5.11. Auch nach Fister (Der Tendenzbetrieb im österreichischen und europäischen Recht [2008] 74) liegt der Sinn des Unmittelbarkeitserfordernisses daran, dass Betriebe und Unternehmen, die vorwiegend wirtschaftlich-kaufmännischen Zwecken dienen, sich der Mitwirkung der Arbeitnehmerschaft nicht dadurch entziehen können sollen, dass ihr Eigentümer ein Tendenzbetrieb ist. Zwischen dem Betrieb und seiner Zwecksetzung müsse – so auch Schrammel in FS Strasser [1983] 571 – eine Beziehung bestehen, die „nicht durch ein dazwischengeschaltetes Glied unterbrochen sei“.
[39] 6. Das deutsche BAG vertritt bei vergleichbarer Rechtslage zu § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BetrVG die Rechtsauffassung, dass ein Unternehmen den karitativen Bestimmungen nur dann diene, wenn die Hilfe von dem Unternehmen gegenüber körperlich, geistig oder seelisch leidenden Menschen direkt erbracht, also der Tendenzzweck in dem Unternehmen oder Betrieb selbst verwirklicht wird. Mit dieser Einschränkung werde dem Umstand Rechnung getragen, dass das Prinzip der Nächstenliebe Maßstab jedes
– unternehmerischen – Handelns sein könnte, ohne dass es sich unmittelbar bei den Hilfsbedürftigen selbst verwirklicht werde. Daher bedürfe eine karitative Zielsetzung eines Unternehmens einer in konkreten Handlungen erkennbaren Umsetzung des Prinzips der Nächstenliebe gegenüber den Hilfsbedürftigen selbst (BAG , 1 ABR 7/11 Rn 22). Der DRK-Blutspendedienst wurde daher nicht als Tendenzunternehmen im Sinn des § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BetrVG angesehen, das unmittelbar und überwiegend karitativen Bestimmungen dient. Seine Tätigkeit sei nicht unmittelbar auf die Heilung, Milderung oder die vorbeugende Abwehr der inneren oder äußeren Nöte Hilfsbedürftiger gerichtet. Dass Blutspenden für die Krankenversorgung notwendig seien, genüge nicht, denn dies gelte gleichermaßen für Arznei- und Hilfsmittel, technische Geräte, Krankenhäuser oder die ärztliche Tätigkeit selbst. Maßgeblich sei, dass der DRK-Blutspendedienst die Hilfe an körperlich, geistig oder seelisch leidenden Menschen nicht unmittelbar erbringe. Um beim Erkrankten oder Verletzten eine Heilung zu bewirken, sei das Hinzutreten einer ärztlichen Heilbehandlung erforderlich (BAG , 1 ABR 7/11 Rn 24).
[40] 7.1. Den Literaturmeinungen folgend vertritt der erkennende Senat die Rechtsauffassung, dass ein Unternehmen/Betrieb dann „unmittelbar“ einer nach § 132 Abs 1 ArbVG geschützten Tendenz dient, wenn von außen erkennbar seine Arbeitsergebnisse überwiegend auf die Verfolgung eines besonders geschützten geistig-ideellen Zwecks ausgerichtet sind. Diese Zwecke müssen im Unternehmen oder Betrieb selbst verfolgt werden, sodass es für den Tendenzschutz nicht ausreichend ist, wenn in der Person des Betriebsinhabers geschützte Tendenzen vorliegen. Das Unmittelbarkeitserfordernis zielt – entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts – nicht auf das Verhältnis zwischen der im Unternehmen/Betrieb verfolgten Tätigkeit und den jeweiligen schutzbedürftigen Zielpersonen ab, sondern auf das Verhältnis zwischen den mit dem Unternehmen/Betrieb verfolgten Zwecken und der bloßen Eigenschaft des Betriebsinhabers. Entscheidend ist also, welcher Betriebszweck nach außen hin in Erscheinung tritt. Ein Unternehmen oder Betrieb verfolgt dann seine ideellen Zwecke nicht unmittelbar, wenn es/er selbst nur die Aufgabe hat, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Verwirklichung eines der geschützten Zwecke zu schaffen, also nur indirekt der ideellen Zielsetzung zu dienen. Keine Voraussetzung ist aber, dass die Arbeitsergebnisse auch direkt bei jenen Zielpersonen ankommen, die mit der Tendenz erreicht werden sollen. Unmittelbar dient das Unternehmen/der Betrieb vielmehr auch dann, wenn es von außen erkennbar andere Tendenzbetriebe in ihrer Arbeit unterstützt (Burger, Drittelbeteiligung der Belegschaft im Aufsichtsorgan eines karitativen Dachvereins? in FS Löschnigg [2019] 36 [45]).
[41] 7.2. Der beklagte Verein als Dachorganisation seiner (karitativen) Mitgliedsverbände dient unmittelbar der Verfolgung eines karitativen bzw erzieherischen Zwecks, weil er – objektiv auch nach außen erkennbar – mit seinen Arbeitsergebnissen einen geschützten Zweck verwirklicht, indem er nach außen gegenüber Dritten und nach innen gegenüber seinen Mitgliedsverbänden den Weg für deren karitative und erzieherische Arbeit bereitet (vgl Burger, Drittelbeteiligung der Belegschaft im Aufsichtsorgan eines karitativen Dachvereins? in FS Löschnigg [2019] 36 [45]). Der Beklagte hat als Dachorganisation zwar neben
eigenen Projekten („GSC-run operations“) überwiegend Verwaltungsangelegenheiten zu erfüllen. Diese dienen jedoch im Ergebnis dazu, den Statutenzweck zu erreichen und die einzelne Mitgliedsverbände in ihren Programmen zu unterstützen. Gerade aufgrund der Größe des Netzwerks und der weltweit operierenden Organisation ist ein gewisser übergeordneter Verwaltungsapparat notwendig. Alleiniger Zweck des Beklagten ist es, die Betreuung der hilfsbedürftigen Kinder bestmöglich zu unterstützen. Damit dient der Betrieb unmittelbar karitativen und erzieherischen Zielen, weil die für den Betrieb charakteristischen Tätigkeiten, nämlich die Schaffung eines Netzwerks für die jeweiligen Mitgliedsvereine und deren organisatorische und finanzielle Unterstützung sowie das Betreiben einiger selbständigen Programme, nach außen auch als solche erkennbar sind. Insoweit ist der Sachverhalt mit jenem der Entscheidung des deutschen Bundesarbeitsgerichts zum mangelnden Tendenzschutz des DRK-Blutspendedienstes nicht vergleichbar.
[42] 7.3. Dieses Ergebnis steht auch mit dem Sinn und Zweck des Tendenzschutzes in Einklang, nämlich dass die Realisierung einiger bestimmter ideeller Ziele nicht durch die volle Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer gefährdet sein soll (9 ObA 107/17a). Nach dem Telos der Norm sollen folglich störende Eingriffe der betrieblichen Mitbestimmung vermieden werden. Somit muss dies auch dann gelten, wenn das Unternehmen/der Betrieb eine Dachorganisation von einem großen, weltweit agierenden Netzwerk darstellt. Ohne Tendenzschutz für die Dachorganisation würde genau das eintreten, was der Tendenzschutz des § 132 ArbVG zu vermeiden versucht, nämlich die Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsorgan und damit eine mögliche störende Einflussnahme auf die Verfolgung der geschützten Ziele.
[43] 7.4. Da der Beklagte ein Betrieb ist, welcher unmittelbar karitativen und erzieherischen Zwecken dient, besteht für den klagenden Betriebsrat nach § 132 ArbVG kein Entsenderecht in den internationalen Senat.
[44] Der Revision des Beklagten ist daher Folge zu geben und das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen.
[45] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG. In Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG – wie der vorliegenden – steht einer Partei ein Kostenersatzanspruch an die andere nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zu (§ 58 Abs 1 ASGG).
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00056.22H.0630.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-67767