OGH 14.07.2022, 9ObA45/22s
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Andreas Schlegel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid-Wilches (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. P*, vertreten durch Estermann & Partner OG, Rechtsanwälte in St. Martin, gegen die beklagte Partei S* OG, *, vertreten durch Moser Mutz Rechtsanwälte GesbR in Klagenfurt, wegen 35.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Ra 65/21g-28, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Soweit der Kläger eine Aktenwidrigkeit in Bezug auf die erstgerichtlichen Feststellungen rügt, hat er eine solche in der Berufung nicht geltend gemacht, sodass sie in der Revision nicht nachgeholt werden kann (RS0042916 [T1]). Eine Aktenwidrigkeit liegt im Übrigen nur bei einem Widerspruch zwischen Prozessakten und tatsächlichen Urteilsvoraussetzungen vor, wobei dieser Widerspruch einerseits wesentlich, andererseits unmittelbar aus den Akten ersichtlich und behebbar sein muss (RS0043421).
[2] Der Frage, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Bewerbungsgesprächs auf eine zukünftige oder vergangene Prozessführung Bezug nahm, kommt aber keine rechtliche Relevanz zu. Das trifft auch auf die Ausführungen zur Beteiligung der „Abteilung 14“ am Auswahlverfahren zu.
[3] 2. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz. Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst, ist sein Verfahren mangelhaft (RS0043371). Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Eine inhaltliche Überprüfung hat nicht zu erfolgen.
[4] 3. Rechtlich argumentiert die Revision, dass entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auf die Ausschreibung, aus der der Kläger Schadenersatzansprüche ableiten möchte, das Bundesgesetz über Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich (StellenbesetzungsG) anzuwenden ist. Das kann aber aus nachfolgenden Gründen dahingestellt bleiben:
[5] Ungeachtet des Umstands, dass das StellenbesetzungsG keinen subjektiven Anspruch auf Einstellung vermittelt und es jedenfalls öffentlichen Interessen (Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich) dient, schützt das StellenbesetzungsG auch die Interessen von Bewerbern, um diese unter anderem vor unsachlichen Besetzungsentscheidungen zu bewahren. Der Schutzzweck der Norm kann damit einen Schadenersatzanspruch zugunsten des bestqualifizierten Bewerbers auslösen, wenn die Stelle aus unsachlichen Gründen mit einem anderen Kandidaten besetzt wurde (RS0127362 [T1]; 8 ObA 25/16h; vgl auch RS0031143).
[6] Daher hat der Kläger, um Schadenersatzansprüche nach dem StellenbesetzungsG geltend machen zu können, nachzuweisen, dass er tatsächlich der am besten qualifizierte Bewerber war und bei rechtmäßiger Vorgangsweise mit der ausgeschriebenen Funktion betraut worden wäre. Dabei genügt nicht schon ein bloßer Vergleich mit den Qualifikationen des bestellten Bewerbers, sondern es muss auf das fiktive Ergebnis eines rechtmäßigen Bestellungsverfahrens Bedacht genommen werden. In diesem Zusammenhang wurde bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Frage, welcher Kandidat als besser geeignet befunden wird, nach § 4 Abs 2 StellenbesetzungsG nicht nur von leichter vergleichbaren Kriterien wie Ausbildung und Berufserfahrung abhängt, sondern wesentlich auch von weniger leicht messbaren Faktoren wie Fähigkeit zur Menschenführung, organisatorischen Fähigkeiten und persönlicher Zuverlässigkeit. Die Bewertung dieser Faktoren muss innerhalb einer sachlich begründbaren Bandbreite dem Entscheidungsträger überlassen bleiben (9 ObA 107/20f mwN).
[7] 4. Das Berufungsgericht hat sich – ungeachtet seiner Rechtsauffassung, dass das StellenbesetzungsG nicht anwendbar ist – auch damit auseinandergesetzt, warum seines Erachtens die Auswahl eines anderen Bewerbers gegenüber dem Kläger nicht unsachlich erfolgte. Es verwies dazu darauf, dass entsprechende Führungserfahrungen beim Kläger lange zurückliegen (zuletzt 1999), daher auch die Budgetverantwortung nicht unmittelbar vergleichbar sei und Englischkenntnisse, Musikstudium und Rechtskenntnisse nicht ausschlaggebend bzw beim ernannten Bewerber ebenfalls zumindest grundsätzlich vorhanden seien.
[8] Auf diese Argumentation des Berufungsgerichts geht die Revision nicht ein, sondern begnügt sich mit einer Gegenüberstellung von Auszügen des Lebenslaufs der Bewerber. Dagegen erfolgt keine Auseinandersetzung, weshalb die höhere Bewertung einer aktuellen einschlägigen Tätigkeit gegenüber einer 20 Jahre zurückliegenden unsachlich wäre oder weshalb die allenfalls qualifiziertere musikalische Ausbildung des Klägers im Rahmen der Bewerbung um die Position des Verwaltungsdirektors eines Landestheaters (neben einem Intendanten) einen relevanten Mehrwert darstellen sollte. Richtig ist zwar, dass der Kläger die wesentlich qualifiziertere rechtliche Ausbildung aufweist, der Abschluss eines juristischen Studiums war aber keine Bedingung für eine Bewerbung. Alternativ war auch ein anderes Studium (Betriebswirtschaftslehre Kulturmanagement, Theater- und Kulturwissenschaft) als ausreichend angesehen worden; bei der Beurteilung wurde besonderer Wert auf die betriebswirtschaftliche Eignung gelegt.
[9] Damit gelingt es der Revision aber nicht, in Bezug auf die Besteignung der Bewerber eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen. Selbst bei Bejahung der Anwendbarkeit des StellenbesetzungsG käme der Klage daher keine Berechtigung zu.
[10] 5. Soweit der Kläger auch in der Revision eine Altersdiskriminierung geltend macht, übergeht er die Feststellungen, nach denen weder im Zusammenhang mit der Einladung zum Hearing noch der letztendlichen Entscheidung für einen bestimmten Bewerber das Alter der Bewerber ein Kriterium darstellte.
[11] 6. Da die Vorinstanzen vertretbar bereits den Grund des Anspruchs verneint haben, ist es auch nicht zu beanstanden, dass zur Höhe eines allfälligen Schadens keine Feststellungen getroffen wurden.
[12] 7. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00045.22S.0714.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-67758