OGH 23.11.2023, 9ObA32/23f
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Rechtssatz
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Norm | KollV für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten §49 Abs3 |
RS0134740 | Die Nichtberücksichtigung von berufseinschlägigen Vordienstzeiten bei der Vorrückung gemäß § 49 Abs 3 lit c und lit d des Kollektivvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten stellt keinen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit dar. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Karin Koller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat *, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden ao. Univ.-Prof. Dr. M*, dieser vertreten durch Dr. Harald Burmann em, Dr. Peter Wallnöfer LL.M., Mag. Eva Suitner-Logar BSc., MMMag. Nadja Auer, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M* Universität *, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 51/22w-22, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 43 Cga 13/21x-16, nicht Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.883,40 EUR (darin enthalten 313,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Auf die Mitarbeiter der Beklagten ist der Kollektivvertrag der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten (KV) anzuwenden.
[2] § 49 Abs 3 KV lautete zum Zeitpunkt der Klagseinbringung wie folgt:
„Der monatliche Bruttobezug in der Gehaltsgruppe B1 beträgt Euro 2.971,50. Dieser Betrag erhöht sich
a) nach dreijähriger Tätigkeit auf Euro 3.522,70. Die Dreijahresfrist verkürzt sich um Zeiträume, für die tätigkeitsbezogene Vorerfahrungen nachgewiesen werden;
b) nach achtjähriger Tätigkeit in der Einstufung nach lit. a oder bei Vorliegen eines Doktorates, das Voraussetzung für die Begründung des Arbeitsverhältnisses war (PostDoc-Stelle) auf Euro 3.945,90;
c) nach achtjähriger Tätigkeit in der Einstufung nach lit. b auf Euro 4.371,80;
d) nach achtjähriger Tätigkeit in der Einstufung nach lit. c auf Euro 4.601,10.“
[3] Eine Berücksichtigung der achtjährigen Tätigkeit nach lit b, c und d erfolgt ausschließlich hinsichtlich Tätigkeiten bei der Beklagten im selben Dienstverhältnis, nicht hingegen von Tätigkeiten an anderen Universitäten in Österreich und/oder an Universitäten oder an vergleichbaren Institutionen in anderen Ländern.
[4] Der klagende Betriebsrat begehrt die Feststellung, dass bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Beklagten in der Verwendungsgruppe B, Gehaltsgruppe B1 des KV bei der Vorrückung gemäß § 49 Abs 3 lit b nach lit c bzw gemäß § 49 lit c nach lit d des KV gleichwertige Tätigkeiten als PostDoc auch dann zu berücksichtigen/anzurechnen seien, wenn diese Tätigkeiten von Mitarbeitern des wissenschaftlichen Personals der Beklagten, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union sind, an Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Österreich erbracht worden seien, sei es, dass diese vor Beginn der Beschäftigung bei der Beklagten erbracht worden seien, sei es, dass diese nach dem Wechsel von der Beklagten an eine andere Universität oder vergleichbare Einrichtungen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Österreich vor Rückkehr an die Beklagte erbracht wurden.
[5] Er brachte vor, dass bei wissenschaftlichen Mitarbeitern, die bereits vor Beginn ihres Dienstverhältnisses zur Beklagten an anderen Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen in einem europäischen Mitgliedstaat gearbeitet hätten, der Zeitraum als PostDoc für die jeweiligen Gehaltssprünge um diese Tätigkeitszeit verkürzt sein müsse. Dasselbe gelte für wissenschaftliche Mitarbeiter, die nach Beginn des Dienstverhältnisses zur Beklagten zwischenzeitig an anderen Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen als PostDoc gearbeitet hätten. Da es sich um gleichwertige Berufserfahrungen handle, würden diese Arbeitnehmer sonst in ihrem Recht auf Freizügigkeit beschränkt werden.
[6] Aus der Bestimmung ergebe sich nicht, dass die jeweilige achtjährige Tätigkeit in der vorangehenden Einstufung nur an einer bzw der betreffenden Universität erbracht werden müsse. Bei unionsrechtskonformer Interpretation des KV sei jede gleichwertige Tätigkeit anzurechnen, gehe es doch um die Festlegung in der Gehaltseinstufung. Eine Nichtanrechnung von gleichwertigen Berufserfahrungen sei jedenfalls europarechtswidrig, zumal der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung vom , C-703/17, Adelheid Krah, bereits eine Beschränkung der Anrechnung von gleichwertigen Tätigkeiten als unionsrechtswidrig qualifiziert habe. Eine Rechtfertigung durch ein legitimes Ziel liege nicht vor. Die Gehaltseinstufung sei nicht als Treueprämie zu qualifizieren, weil die wissenschaftlichen Mitarbeiter in einem ständigen wissenschaftlichen Wettbewerb stünden. Die Ablehnung der Anrechnung sei zur Erreichung des Ziels der Betriebstreue auch nicht verhältnismäßig.
[7] Die Beklagte bestritt und brachte vor, dass § 49 Abs 3 KV auf Vortätigkeiten welcher Art und Dauer auch immer keinen Bezug nehme. Ausschließlich die dreijährige Verweildauer in der Einstiegsstufe nach lit a könne durch die Ausübung einer, auch einer nicht unbedingt vergleichbaren, Tätigkeit verkürzt werden. Dabei handle es sich jedoch nicht um eine Anrechnung, sondern um eine Wartefristverkürzung. Die in § 49 Abs 3 KV vorgesehenen Vorrückungen seien als echte Betriebstreueprämien und nicht als Erfahrungsanstiegsprämien ausgestaltet. Sie seien die Folge der jeweiligen Dauer der Dienstverwendung im Dienstverhältnis, in dem die Vorrückung erfolge. Eine Leistung werde damit nicht beurteilt. Eine Anrechnung von Vordienstzeiten sehe der KV dagegen nicht vor. Eine echte Treueprämie rechtfertige eine allfällige Freizügigkeitsbeschränkung. Insofern unterscheide sich der vorliegende Fall von der Rechtssache Krah. Dort sei eine Anrechnung von Vordienstzeiten aufgrund eines Rektoratsbeschlusses und nicht auf Basis des KV vorzunehmen gewesen. Da der KV aber überhaupt keine Vordienstzeiten anrechne, gebe es auch keinen Unterschied in der Behandlung von Arbeitnehmern. Aus der Rechtssache Krah sei nicht abzuleiten, dass das Unionsrecht grundsätzlich, wenn die Dauer der Betriebszugehörigkeit für die Arbeitsbedingungen eine Rolle spiele, eine Anrechnung von Vordienstzeiten verlange. Der EuGH habe selbst ausgeführt, dass ein Entlohnungssystem, das an die Dauer einer Beschäftigung bei dem aktuellen Arbeitgeber ein höheres Entgelt knüpfe, keine Behinderung der Freizügigkeit darstelle. Es habe daher keine Anrechnung von Vordienstzeiten auf die vertraglich vorgesehene Zeitvorrückung zu erfolgen, auch nicht bei Personen, die aus einem Dienstverhältnis zur Beklagten ausscheiden und nach Absolvierung von auswärtigen Tätigkeitszeiten wieder zurückkehren.
[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es liege keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung von Arbeitnehmern der Mitgliedstaaten vor. Die Bestimmung des KV regle nur die Vorrückung in die nächste Gehaltsstufe. Es handle sich nicht um eine „Berufserfahrungsregel“, sondern um eine „Dienstzeitregel“. Auch solche Regelungen könnten zwar die Arbeitnehmerfreizügigkeit behindern. Allerdings lasse sich aus der Rechtsprechung des EuGH kein generelles Anrechnungsgebot von Vordienstzeiten ableiten. Die Entgeltregelung des KV sei als zulässige „echte Treueprämie“ zu qualifizieren. Damit sei aber die Beklagte nicht verpflichtet, die vom Kläger begehrte Anrechnung durchzuführen.
[9] Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge. Wesentlicher Unterschied zur Rechtssache Krah sei, dass es nach dem KV zu keiner Anrechnung von Vordienstzeiten komme. Es werde nicht zwischen österreichischen Staatsangehörigen und Nichtstaatsangehörigen oder zwischen mobilen und nicht mobilen Arbeitnehmern unterschieden, weil alle denselben Bedingungen unterliegen. Die einzige Gruppe, mit der mobile Arbeitnehmer verglichen werden könnten, sei die jener Personen, die bereits in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zur Beklagten stünden. Diese seien aber nicht besser gestellt, weil auch ihnen keine Vordienstzeiten angerechnet worden seien. Sie hätten nur den vorgesehenen Zeitraum zur Vorrückung im Dienstverhältnis schon durchschritten. In der Rechtssache Krah sei nur der Aspekt der Berufserfahrung im Hinblick auf die Vordienstzeitanrechnung angesprochen. Entscheide sich der Gesetzgeber dazu, die Berufserfahrung vor Beginn des aktuellen Dienstverhältnisses zu honorieren, so dürfe er weder zwischen in- und ausländischen Zeiten unterscheiden, noch bei der Gewichtung der Vordienstzeiten differenzieren. Eine Gleichstellung der Anrechnung von dem konkreten Dienstverhältnis vorangegangen Vordienstzeiten mit bloß dienstzeitabhängigen Vorrückungen aufgrund von beim selben Arbeitgeber verbrachten Zeiten lasse sich der Entscheidung nicht entnehmen. Eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit liege daher nicht vor. Die „Rückkehrproblematik“ könne eine Behinderung schon deshalb nicht begründen, weil damit eine Gesamtheit von Umständen miteinzubeziehen wäre, die zu ungewiss und zu indirekt sei, als dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit beeinträchtigt sein könne. Selbst wenn man eine solche Beeinträchtigung annehme, liege aber, wie schon das Erstgericht ausgeführt habe, eine „echte“ Treueprämie vor, die diese Beschränkung rechtfertige.
[10] Die Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen, da sich die Entscheidung auf die Rechtsprechung des EuGH stützen könne.
[11] Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[12] Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts zur Klarstellung zulässig, aber nicht berechtigt.
[14] Nach § 54 Abs 1 ASGG können in Arbeitsrechtssachen die parteifähigen Organe der Arbeiternehmerschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereichs sowie die jeweiligen Arbeitgeber auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer ihres Betriebs oder Unternehmens betreffen, klagen oder geklagt werden. Dass diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind, ist im Revisionsverfahrens nicht mehr strittig.
[15] 2. Voranzustellen ist, dass sich der Antrag nur auf sogenannte „PostDoc-Stellen“ bezieht. Für diese Personen sieht § 49 Abs 3 KV vor, dass sie bei Beginn des Dienstverhältnisses unmittelbar in die Gehaltsgruppe B1 Gehaltsstufe b eingestuft werden. Eine Anrechnung von Vordienstzeiten bei einem anderen Arbeitgeber erfolgt nicht. Eine Vorrückung in die Gehaltsstufe c erfolgt nach acht Jahren in dieser Tätigkeit im selben Dienstverhältnis, ohne dass es auf andere Voraussetzungen als die Dienstzeit ankommt, eine Einstufung in die Gehaltsstufe d nach weiterer achtjähriger Tätigkeit in der Einstufung nach lit c.
[16] 3. Der Kläger sieht unter Berufung auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Krah in der Nichtanrechnung von Vordienstzeiten auf den in der jeweiligen Gehaltsstufe zurückzulegenden Zeitraum eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 AEUV.
[17] Der Rechtssache Krah lag, worauf bereits die Vorinstanzen hingewiesen haben, ein vom vorliegenden Fall abweichender Sachverhalt zugrunde, da an der Universität, bei der die klagende Arbeitnehmerin beschäftigt war, über die Regelung des KV hinausgehend mit Beschluss des Rektorats eine Anrechnung einschlägiger Vordienstzeiten für PostDoc-Stellen im Ausmaß von vier Jahren vorgesehen war.
[18] Der EuGH entschied, dass Art 45 Abs 1 AEUV dahin auszulegen sei, dass er einer Regelung einer Universität eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der, wenn es um die Festlegung der Gehaltseinstufung eines Arbeitnehmers als Senior Lecturer/PostDoc an dieser Universität geht, dessen in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegte Vordienstzeiten nur im Ausmaß von insgesamt höchstens vier Jahren angerechnet werden, wenn die betreffende Betätigung gleichwertig oder gar identisch mit derjenigen war, zu der der Arbeitnehmer im Rahmen dieser Tätigkeit als Senior Lecturer/PostDoc gehalten ist.
[19] Weiters entschied er, dass Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union dahin auszulegen sind, dass sie einer solchen Regelung nicht entgegenstehen, wenn die frühere Betätigung in diesem anderen Mitgliedstaat nicht gleichwertig war, sondern für die Ausübung der fraglichen Tätigkeit eines Senior Lecturer/PostDoc schlicht nützlich ist.
[20] In seiner Entscheidungsbegründung verneinte der EuGH sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Diskriminierung durch die beschränkte Anrechnung von Vordienstzeiten. Zu der von ihm bejahten Verletzung von Art 45 Abs 1 AEUV führte er aus:
„Als Erstes ist, was die gleichwertige Berufserfahrung betrifft, festzustellen, dass Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind und länger als vier Jahre die Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs oder eine gleichwertige Tätigkeit an einer oder mehreren Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen in ihrem Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt haben, davon abgehalten sein werden, sich um eine Stelle als Senior Lecturer/Postdoc an der Universität Wien zu bewerben und damit von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, wenn trotz im Wesentlichen gleicher Arbeit in ihrem Herkunftsmitgliedstaat bei der Festlegung ihrer Gehaltseinstufung nicht ihre volle Berufserfahrung angerechnet wird (Rn 47).
Anders als im Fall der nationalen Regelung im Urteil vom , Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach C-437/17, (EU:C:2019:193), wo es – wie sich insbesondere aus Rn. 33 jenes Urteils ergibt – darum ging, die Treue eines Arbeitnehmers gegenüber einem bestimmten Arbeitgeber zu honorieren, beruht die Tatsache, dass die teilweise Anrechnung der gleichwertigen Berufserfahrung die Arbeitnehmerfreizügigkeit behindern kann, auch nicht auf einer Gesamtheit von Umständen, die zu ungewiss und indirekt sind (Rn 48).
Im vorliegenden Fall würde die Anrechnung der gesamten gleichwertigen Berufserfahrung, die Arbeitnehmer an einer Universität in einem anderen Mitgliedstaat als Österreich erworben haben, bewirken, dass für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind und länger als vier Jahre die Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs oder eine gleichwertige Tätigkeit an einer oder mehreren Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen in ihrem Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt haben, bei ihrer Gehaltseinstufung die gleichen Bedingungen gälten wie für Arbeitnehmer, die die Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs insgesamt genauso lange an der Universität Wien ausgeübt haben. Daher ist die Annahme gerechtfertigt, dass es sich hierbei um einen Aspekt handelt, der für die betreffenden Arbeitnehmer von Relevanz ist, wenn es um die Entscheidung geht, sich um eine Stelle als Senior Lecturer/Postdoc an der Universität Wien zu bewerben und ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen (Rn 49).“
[21] Dabei nahm er weiters eine Unterscheidung zwischen gleichwertigen Berufserfahrungen, deren Nichtanrechnung eine Verletzung der Freizügigkeit darstelle, zu schlicht nützlichen Berufserfahrungen vor.
[22] Die von der dort beklagten Universität geltend gemachte Rechtfertigung der beschränkten Anrechnung, dass mit den vier Jahren die Berufserfahrung honoriert werde, die den Arbeitnehmer befähige, seine Arbeit besser zu verrichten, wobei eine darüber hinausgehende Berufserfahrung nicht zu einer Verbesserung der Leistungen führe, erachtete der Gerichtshof als nicht überzeugend.
[23] Zur vom vorlegenden Gericht gestellten zweiten Frage, ob Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 dahin auszulegen seien, dass sie einem Entlohnungssystem einer Universität eines Mitgliedstaats entgegenstünden, das keine volle Anrechnung der von einem Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten einschlägigen Vordienstzeiten vorsehe, gleichzeitig aber an die Dauer der Beschäftigung bei dieser Universität ein höheres Entgelt knüpfe, verwies der Gerichtshof darauf, dass sich diese Frage in Wirklichkeit auf den Fall beziehe, dass ein an der Universität Wien beschäftigter Senior Lecturer/PostDoc beschließe, von dieser Universität an eine andere Universität in einem anderen Mitgliedstaat als Österreich zu wechseln, bevor er später an diese erste Universität zurückkehre. Dieser sei jedoch für die im Ausgangsrechtsstreit zu treffende Entscheidung offensichtlich nicht erheblich. Eine Beantwortung dieser zweiten Frage erübrige sich daher.
[24] 4. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Krah hat in der Literatur große Resonanz ausgelöst.
[25] Schöberl (in Pfeil/Grimm/Schöberl, Personalrecht der Universitäten2 § 50 KollV Rn 11/1) führt dazu aus, dass die Entscheidung Krah kontrovers diskutiert werde, werde hier doch die Anrechnung von (gleichwertigen oder identen) Vorerfahrungen bei Arbeitsbeginn mit der altersbedingten Vorrückung vermischt. Der Entscheidung könne man wohl entnehmen, dass, wenn bei einem Gehaltsschema (mit Altersvorrückungen) generell Anrechnung von Vorerfahrungen vorgenommen würden, die Anrechnung nicht durch eine Höchstgrenze (für Arbeitnehmer eines anderen EU-Mitgliedstaats) beschränkt werden könne.
[26] Pfeil (in FS Fuchs, 275) kommt zu dem Ergebnis, dass nach der Entscheidung weiterhin eindeutig erscheine, dass das Unionsrecht keine Anrechnung von Vordienstzeiten verlange. Wenn eine solche doch vorgesehen sei, müsse dies diskriminierungsfrei erfolgen. Ansonsten sei es unionsrechtlich weiterhin möglich, Betriebstreue besonders zu honorieren. Das rechtfertige aber Unterschiede in der Behandlung von beim aktuellen Arbeitgeber verbrachten Zeiten im Vergleich zu solchen, die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegt worden seien. Entsprechende Zeitvorrückungen in betrieblichen oder überbetrieblichen Regelungen, seien diese nun durch Kollektivvertrag oder durch Gesetz festgelegt, erwiesen sich sohin als grundsätzlich unproblematisch.
[27] Potz (Arbeitnehmerfreizügigkeit und Entgeltsysteme – Verlangt das Unionsrecht die Gleichbehandlung von Vordienstzeiten und Dienstzeiten?, JAS 2020, 83 [103]) meint, eine Lesart des Urteils wäre, dass die Differenzierung zwischen Vordienstzeitenanrechnung und dienstzeitabhängiger Vorrückung hinfällig sei. Dafür spreche, dass der EuGH diese Differenzierung, die bereits durch die Vorlagefragen indiziert gewesen sei und auch die Basis der Schlussanträge gebildet habe, schlichtweg nicht aufgegriffen habe. Auch führe der EuGH aus, dass ein Entlohnungssystem, das an die Dauer der Beschäftigung beim aktuellen Arbeitgeber ein höheres Entgelt knüpfe, keine Behinderung darstelle, was aber offenbar voraussetze, dass gleichwertige Vordienstzeiten anerkannt würden. Arbeitnehmer sollten gleichermaßen von einer Einstufung in eine höhere Gehaltsstufe „nach Maßgabe ihrer Beschäftigungsdauer“ profitieren. Gegen diese Lesart spreche, dass der EuGH durchwegs die Anrechnung von Vordienstzeiten betone und nur in diesem Kontext die Honorierung von Berufserfahrung anspreche. Daraus könne wiederum geschlossen werden, dass allein dieser Aspekt für den EuGH im konkreten Anlassfall relevant gewesen sei, weshalb sich die Prüfung der Zeitvorrückung und des Rechtfertigungsgrundes der Betriebstreue erübrigt habe. Es lasse sich durchaus das Bild erhärten, wonach der EuGH bloß einen sehr zugespitzten Einzelfall entscheiden und weniger eine Grundsatzfrage habe klären wollen.
[28] Burger-Ehrnhofer (Neue Regeln für die Anrechnung von Vordienstzeiten in Kollektivverträgen?, ASoK 2019, 442 [446]) erachtet dagegen auch Kollektivverträge, die keinerlei Anrechnung von Vordienstzeiten vorsehen, im Lichte der Arbeitnehmerfreizügigkeit reparaturbedürftig, da in der gänzlichen Nichteinrechnung von einschlägigen Vordienstzeiten ein noch größeres Mobilitätshindernis zu erblicken sei als in einer bloß teilweisen Anrechnung derselben.
[29] Schlachter (Vordienstzeitenanrechnung zwischen Freizügigkeit und Betriebstreue, DRdA 2021, 463 [471]) kommt zu dem Ergebnis, dass dann, wenn Vergünstigungen der Arbeitsbedingungen von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig seien, Gründe bestehen könnten, diese auch Personen zu gewähren, die aufgrund einer kürzen Betriebszugehörigkeit an sich noch nicht anspruchsberechtigt wären. Eine Vordienstzeitanrechnungsklausel für eine Vergünstigung wirke also wie eine Begrenzung der Anspruchsvoraussetzung „Dauer der Betriebszugehörigkeit“. Betreffe eine Anrechnungsklausel nur Vordienstzeiten, die (früher einmal) beim selben Arbeitgeber erdient worden seien, falle sie mangels grenzüberschreitender Tätigkeit oft schon nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Andernfalls gelte dafür dasselbe wie bei der Anrechnung von Beschäftigungszeiten bei fremden Arbeitgebern. Da diese Zeit auch in einem anderen EU-Mitgliedstaat geleistet worden sein könnte, könne hier die EU-Freizügigkeitsregelung Prüfungsmaßstab werden.
[30] Vinzenz/Burger (Beschränkte Anrechnung von Vordienstzeiten im Kollektivvertrag für das wissenschaftliche Universitätspersonal, EuZA 2020, 522 [530 f]) leiten aus der Judikatur des EuGH ab, dass es in erster Linie eine Ermessensentscheidung sei, ob der nationale Gesetzgeber Vordienstzeiten anrechne oder nicht. Es bestehe daher kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Berücksichtigung bereits gemachter Berufserfahrungen. Entscheide sich der Gesetzgeber jedoch dazu, die Berufserfahrung vor Beginn des aktuellen Dienstverhältnisses zu honorieren, so dürfe er weder zwischen in- und ausländischen Zeiten unterscheiden noch bei der Gewichtung der Vordienstzeiten differenzieren. Kritisiert wird, dass der EuGH anders als der Generalanwalt Bobek in seiner Stellungnahme Vordienstzeiten mit Dienstzeiten, also eine Berufserfahrungsregel mit einer Dienstzeitenregelung, vermische. Es sei zu hinterfragen, ob ein Arbeitnehmer, der bereits gewisse Dienstzeiten bei einem einzelnen Arbeitgeber absolviert habe, in einem Lohn- und Gehaltsschema weiter vorrücken dürfe als ein Arbeitnehmer, der gerade erst bei diesem Arbeitgeber zu arbeiten beginne, aber vergleichbare Vordienstzeiten aufweise. Auch hier könne man wohl von einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgehen, die aber – mit einem Verweis auf die bereits angestellten Ausführungen zur Betriebstreue – aller Voraussicht nach gerechtfertigt werden könne.
[31] Friedrich (Die Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Vorrückung und Arbeitnehmerfreizügigkeit – Eine scheinbar nicht enden wollende Geschichte, DRdA 2021, 24 [31]) geht davon aus, dass die Entscheidung Krah dem nationalen Gesetzgeber bzw den Kollektivvertragsparteien ein „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ vorgebe, das sich in Wirklichkeit immer zu Lasten des schwächeren Arbeitnehmers auswirke. Entweder gebe es ein System, in dem alle gleichwertigen Vordienstzeiten angerechnet würden, oder keines. Insbesondere aufgrund des Umstands, dass es im europäischen Arbeitsrecht keine explizite Regelung gebe, ob und inwieweit Vordienstzeiten anzurechnen seien, erscheine sogar mehr als fraglich, ob der EuGH vorgeben dürfe, ob und unter welchen Voraussetzungen Vordienstzeiten angerechnet werden müssten, wenn es eine nationale Regelung zur Vordienstzeitenanrechnung in Gehaltstabellen gebe. Der EuGH gebe de facto ein System vor, das, sofern generell Vordienstzeiten oder Einstufungen in ein Gehaltsschema berücksichtigt würden, eine Berücksichtigung von Vordienstzeiten, die gleichwertig seien, verlange, während die Nichtberücksichtigung von bloß nützlichen Vordienstzeiten zulässig sein solle. Damit habe der EuGH seine Kompetenzen überschritten, da er über die Grenzen, die Art 45 AEUV vorgebe, die Regelungskompetenz der nationalen Gesetzgeber und Sozialpartner beschränke.
[32] Posch (Vordienstzeitenanrechnung in Österreich aus unionsrechtlicher Sicht, ALJ 2021, 117 [150]) schließt sich der Ansicht an, dass (weiterhin) keine Pflicht zur Vordienstzeitanrechnung bestehe, wenn diese Regelung von vornherein keinen Einzug in den Kollektivvertrag finde.
[33] 5. Nach der Rechtsprechung des EuGH sollen Art 45 AEUV sowie sämtliche Bestimmungen des Vertrags über die Freizügigkeit den Unionsbürgern die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Unionsbürger benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als ihres Herkunftsmitgliedstaats eine Tätigkeit ausüben wollen (vgl Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH, C-437/17, ECLI:EU:C:2019:193, Rn 36 ua). Folglich steht Art 45 AEUV jeder nationalen Maßnahme entgegen, die geeignet ist, die Ausübung der durch diese Vorschrift garantierten Grundfreiheiten durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen ( Kraus, C-19/92, ECLI:EU:C:1993:125, Rn 32).
[34] Ferner verbietet nach ständiger Rechtsprechung insbesondere Art 45 Abs 2 AEUV jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 ist nur als besondere Ausprägung des in Art 45 Abs 2 AEUV enthaltenen Diskriminierungsverbots auf dem spezifischen Gebiet der Beschäftigungsbedingungen und der Arbeit anzusehen und daher ebenso auszulegen wie Art 45 Abs 2 AEUV ( Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH, C-514/12, ECLI:EU:C:2013:799, Rn 23; Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH, C-437/17, ECLI:EU:C:2019:193, Rn 16).
[35] 6. Eine unmittelbare Diskriminierung bedeutet, dass die in Rede stehende nationale Regelung Ungleichbehandlungen aufgrund der Staatsangehörigkeit vorsieht, sodass Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Union in einer vergleichbaren Situation weniger günstig behandelt werden als andere Staatsangehörige.
[36] Eine Vorschrift des nationalen Rechts ist als mittelbar diskriminierend anzusehen, wenn sie sich ihrem Wesen nach mehr auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt. Um eine Maßnahme als mittelbar diskriminierend qualifizieren zu können, muss sie nicht bewirken, dass alle Inländer begünstigt werden oder dass unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden (vgl Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Krah, Rn 53 f).
[37] Dem Kläger gelingt auch in der Revision nicht aufzuzeigen, inwiefern Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, durch die hier zu beurteilende Regelung unmittelbar oder mittelbar benachteiligt sind. Unabhängig von der Nationalität werden alle Beschäftigten, die bei der Beklagten als PostDoc anfangen, gleich eingestuft und rücken nach demselben Zeitraum in die nächsthöhere Gehaltsstufe vor. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ausländische Wanderarbeitnehmer eher tätigkeitsbezogene Berufserfahrungen aufzuweisen haben als österreichische Arbeitnehmer. Im Verfahren ist auch unstrittig, dass ausschließlich die in einem konkreten Dienstverhältnis zur Beklagten zurückgelegten Zeiten für die Vorrückung von Relevanz sind. Es werden daher auch nicht berufseinschlägige Dienstzeiten an anderen Universitäten günstiger behandelt. Es liegt daher keine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung vor. Eine solche wurde in der Rechtssache Krah, in der nicht nur der KV, sondern auch der Rektoratsbeschluss zu beurteilen war, auch vom EuGH ausdrücklich verneint.
[38] 7. Wie der Generalanwalt Bobek in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Krah (Rn 83 mwN) ausführt, hat der EuGH mehrfach klargestellt, dass nationale Vorschriften, die eine Erwerbstätigkeit lediglich regeln, ohne Bedingungen für den Zugang einer Beschäftigung vorzusehen, normalerweise nicht als Beschränkungen im Sinn von Art 45 AEUV angesehen werden können. Insbesondere verschafft Art 45 AEUV dem Arbeitnehmer nicht das Recht, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf die Arbeitsbedingungen zu berufen, die ihm im Herkunftsmitgliedstaat nach den dortigen nationalen Rechtsvorschriften zustanden. Mit anderen Worten bedeutet Freizügigkeit angesichts der Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften auf bestimmten Gebieten nicht zwangsläufig soziale Neutralität. Daher können Regelungen, die notwendigerweise auf objektive und nicht diskriminierende gesetzgeberische Wahlentscheidungen auf in der Europäischen Union nicht harmonisierten Gebieten zurückgehen, nicht als Beschränkung betrachtet werden („keine Garantie der sozialen Neutralität“).
[39] Auch in der Rechtssache Krah hat der EuGH klargestellt, dass ein Entlohnungssystem, das – wie das im vorliegenden Fall durch den KV errichtete – an die Dauer der Beschäftigung bei dem aktuellen Arbeitgeber ein höheres Entgelt knüpft, an sich keine Behinderung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellt (Rn 67).
[40] Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers bietet die Rechtssache Krah daher keine Grundlage für die von ihm gewünschte Auslegung des KV. In der Rechtssache Krah hat der EuGH die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darin gesehen, dass aufgrund des Beschlusses des Rektorats Vordienstzeiten angerechnet werden, allerdings nur im Umfang von vier Jahren. Aus dieser Entscheidung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass nationale Vorschriften überhaupt eine Anrechnung vorsehen müssen. Dies wäre auch mit der zuvor zitierten Rechtsprechung, dass es keine Garantie der sozialen Neutralität gibt, nicht zu vereinbaren. Mit der überwiegenden Literatur ist vielmehr davon auszugehen, dass diese Entscheidung nur auf den konkret zu beurteilenden Sachverhalt (Rektoratsbeschluss) abstellt, jedoch keine grundsätzliche Gleichstellung zwischen Vordienstzeiten (vom GA Bobek als „Berufserfahrungszeiten“ bezeichnet) und beim Arbeitgeber verbrachten Dienstzeiten vornimmt. Auch erfolgt weder eine Ungleichbehandlung bei der Einstellung – aufgrund einer Entscheidung der Kollektivvertragsparteien werden keine Vorerfahrungen angerechnet – noch bei der Vorrückung. Alle Arbeitnehmer müssen acht Jahre beim selben Dienstnehmer absolviert haben, um vorzurücken.
[41] Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die Regelung über die Vorrückung bei den Gehaltsstufen eine Berufserfahrungsregelung darstellt. Auch wenn wissenschaftliche Mitarbeiter untereinander in einem Wettbewerb stehen und daher durch die Fortdauer ihrer Beschäftigung allenfalls ihre Qualifikation vertiefen, stellt die Vorrückungsregelung gerade nicht auf das Erreichen wissenschaftlicher Ziele oder den Erfolg der Tätigkeit ab, sondern rein auf den Zeitablauf. Damit handelt es sich ausschließlich um eine Dienstzeitregel. Auch Personen, die keine Fortschritte in ihrer wissenschaftlichen Arbeit machen, würden, wenn sie lange genug beschäftigt sind, die Gehaltsvorrückung erhalten. Richtig wurde auch bereits vom GA Bobek sowie der Beklagten darauf hingewiesen, dass zusätzliche Qualifikationen vielmehr in einem Wechsel der Gehaltsgruppe ihren Ausdruck findet, nicht in einer Vorrückung in eine andere Gehaltsstufe in der selben Gehaltsgruppe.
[42] Es ist auch nicht richtig, dass der EuGH in der Rechtssache Krah nicht zwischen Vordienstzeiten und Dienstzeiten unterscheidet. Auch wenn diese Unterscheidung nicht im Vordergrund steht, stellt der EuGH nur auf die vom Rektoratsbeschluss umfasste Anrechnung von Vordienstzeiten ab und sieht deren zeitliche Beschränkung als Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Er weist aber auch, wie bereits ausgeführt, ausdrücklich darauf hin, dass die Abhängigkeit des Entgelts von der Dauer der Beschäftigung keine Behinderung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellt.
[43] Zusammenfassend stellt die Nichtberücksichtigung von berufseinschlägigen Vordienstzeiten bei der Vorrückung keinen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit dar. Aufgrund der bestehenden Rechtsprechung des EuGH zu den hier zu beurteilenden Fragen besteht kein Grund für eine neuerliche Vorlage.
[44] 8. Der Vollständigkeit halber ist jedoch auch darauf zu verweisen, dass, selbst wenn man einen solchen Verstoß bejahen würde, tatsächlich eine „echte Treueprämie“, deren Zulässigkeit vom EuGH grundsätzlich bejaht wird, vorliegt, wird doch die Vorrückung ausschließlich von der Dauer der Beschäftigung im konkreten Dienstverhältnis beim konkreten Arbeitgeber abhängig gemacht.
[45] Soweit der Kläger auf die Rechtssache Köbler verweist (, ECLI:EU:C:2003:513), war in dieser die Prämie nicht von der durchgehenden Beschäftigung beim selben Arbeitgeber abhängig. Dasselbe gilt für die Einstufung in der Rechtssache Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH, C-514/12, ECLI:EU:C:2013:799, in der die Beschäftigung bei verschiedenen Betrieben, die zur selben Gebietskörperschaft gehören, honoriert wurden. Beides trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu.
[46] 9. Bezüglich der Rückkehrerfälle, auf die sich der Antrag ebenfalls bezieht, ist den Vorinstanzen darin zuzustimmen, dass die Argumentation, dass Arbeitnehmer davon abgehalten werden, das Dienstverhältnis zur Beklagten zu beenden, um in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung anzunehmen, weil bei ihrer Rückkehr nach Österreich keine Anrechnung von Vordienstzeiten erfolgt, auf einer Gesamtheit von Umständen beruht, die zu ungewiss und zu indirekt sind, als dass diese Regelung die Arbeitnehmerfreizügigkeit beeinträchtigen könnte (vgl Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH, C-437/17, Rn 40).
[47] 10. Der Revision war daher insgesamt nicht Folge zu geben.
[48] 11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00032.23F.1123.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-67748