OGH 19.12.2022, 9ObA125/22f
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martina Michor (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Andrea Eisler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F*, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, wegen 20.863,40 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 21/22w-13, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 36 Cga 83/21k-9, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.411,20 EUR (darin 235,20 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger war von bis als Angestellter bei der Beklagten beschäftigt. Am trafen die Parteien für die Zeit von bis eine Altersteilzeitvereinbarung in Form einer Blockzeit bis und einer anschließenden Freizeitphase. Darin wurde ua geregelt, dass die Abfertigung auf Basis des einer Vollzeitbeschäftigung entsprechenden Monatsbruttogehalts im letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührt.
[2] Der Kläger bezog seit dem Jahr 2009 Ergebnisprämien und Erfolgsprämien in unterschiedlicher Höhe, abhängig von den Unternehmensergebnissen bzw dem Erreichen der jeweiligen Zielvereinbarungen sowie individuelle Bonifikationen. Er erhielt diese überkollektivvertraglichen Entgelte zuletzt für den Zeitraum Jänner 2019 bis Mai 2019 mit den Monatsgehältern Februar, März, Mai und November 2020 ausbezahlt. In der Zeit von bis wurden dem Kläger die Ergebnis- und Erfolgsprämie sowie individuelle Bonifikation zu 100 % ausbezahlt. Die Abfertigung wurde dem Kläger auf Basis des vereinbarten Monatsbruttogehalts ausbezahlt; die Ergebnisprämien, die Erfolgsprämien und die individuellen Bonifikationen wurden nicht in die Abfertigungsbemessungsgrundlage einbezogen.
[3] Die Vorinstanzen haben übereinstimmend das Begehren des Klägers auf Bezahlung der Ergebnisprämien, der Erfolgsprämien und der Bonifikationen für die Monate Juni 2019 bis November 2020 (Freizeitphase) sowie einer Abfertigungsdifferenz, resultierend aus der ausbezahlten und der unter Einbeziehung der zusätzlichen Entgelte berechneten Abfertigung, abgewiesen. Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen (ua der Vereinbarung über die Teilnahme am Zielerreichungsprämiensystem der Beklagten für die Jahre 2019 und 2020) keinen Anspruch auf die klagsgegenständlich geltend gemachten Ansprüche (auch) in der Freizeitphase habe. Danach kämen nur „ganzjährig beschäftigte“ Mitarbeiter in den Genuss dieser Leistungen. Im Zusammenhang mit leistungsorientierten Entgelten könnten darunter aber nur Mitarbeiter verstanden werden, die auch tatsächlich (ganzjährig) Leistungen für die Beklagte erbringen würden. Der Ausschluss eines Arbeitnehmers von allfälligen Beteiligungen und Erfolgsprämien in der Freizeitphase eines Blockzeitmodells sei – wie auch hier – dann sachlich gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase trotz Teilzeitverpflichtung den vollen Anteil an der Erfolgsprämie bekommen habe, und die Prämie als freiwillige, überkollektivvertragliche Leistung zu qualifizieren sei.
[4] Die zusätzlichen Entgelte fielen zwar unter den weiten Entgeltbegriff des § 23 AngG, gebührten aber, auch wenn sie erst später ausbezahlt worden seien, nicht für den letzten Monat des Dienstverhältnisses des Klägers. § 27 AlVG stelle keine Grundlage für die geltend gemachten arbeitsrechtlichen Ansprüche des Klägers dar, sondern regle lediglich die öffentlich-rechtlichen Reflexwirkungen einer Altersteilzeitvereinbarung.
[5] Das Berufungsgericht hat die Revision zur Frage der Einbeziehung in der Freizeitphase der Altersteilzeit nicht mehr gebührender, erfolgsabhängiger Entgeltbestandteile in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Abfertigung zugelassen.
[6] In seiner Revision, die auf eine gänzliche Klagsstattgabe gerichtet ist, bezieht sich der Kläger auf diese Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts. Eine andere Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO wird darin nicht geltend gemacht.
Rechtliche Beurteilung
[7] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kann aufgrund des Gesetzes und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beantwortet werden.
[8] 1. Es ist ständige Rechtsprechung, dass der Gesetzgeber nicht die Vereinbarung einer Altersteilzeit selbst geregelt hat, sondern lediglich deren öffentlich-rechtliche Reflexwirkungen. § 27 AlVG (Altersteilzeitgeld) regelt die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen der Arbeitgeber Anspruch auf eine arbeitsmarktpolitische Förderung erwirbt. Die privatrechtlichen Rahmenvereinbarungen zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels können durch Vereinbarung der Parteien des Arbeitsvertrags geregelt werden (9 ObA 96/04i; 8 ObA 23/09d Pkt 1.; 8 ObA 34/09x mwN = RS0125588). Auf § 27 AlVG kann der Kläger die von ihm begehrte Einrechnung der Zusatzentgeltr in die Abfertigungsbemessungsgrundlage daher nicht stützen (vgl 9 ObA 90/10s).
[9] Bei Arbeitnehmern, die Altersteilzeit vereinbart haben, ist die Abfertigungsberechtigung – unabhängig vom Ausmaß der Arbeitszeit im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – auf Grundlage der Arbeitszeit vor Herabsetzung der Normalarbeitszeit vorzunehmen (§ 27 Abs 2 Z 4 AlVG). Aus der zwischen den Parteien abgeschlossenen Altersteilzeitvereinbarung ergibt sich nicht, dass der Berechnung der Abfertigung ein höheres Entgelt zugrunde gelegt werden sollte. Die Abfertigungsberechnung erfolgte in Einklang mit § 23 AngG (vgl RS0127201).
[10] 2. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung der von den Vorinstanzen übereinstimmend vorgenommenen Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen über die Prämien und Bonifikationen wird in der Revision des Klägers nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht. Auch die Revisionsausführungen, die sich insofern auf die wörtliche Wiedergabe der Berufungsausführungen beschränken, zeigen dies nicht auf. Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden.
[11] Da die Revision des Klägers damit keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufweist, ist sie zurückzuweisen. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00125.22F.1219.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-67723