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OGH 18.03.2024, 9Ob7/23d

OGH 18.03.2024, 9Ob7/23d

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätin und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, vertreten durch Neumayer & Walter Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei E*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 98.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 95/22f-106, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 21 Cg 32/20x-96, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 2.364,30 EUR (darin enthalten 394,05 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger erwarb am 100 Stück der W* Unternehmensanleihe *, begeben von der W* AG *, zu einer Nominale von 100.000 EUR um 98.000 EUR. Die Anleihe wäre im Jahr 2020 zur Rückzahlung fällig und mit 5,25 % verzinst gewesen. Die Beklagte war Jahresabschlussprüferin der W* AG * für das Geschäftsjahr 2016 und erteilte am einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk iSd § 274 UGB für den Jahresabschluss zum . Über das Vermögen der W* AG * wurde am das Konkursverfahren eröffnet‚ wobei laut Bericht des Masseverwalters kein nennenswertes Vermögen besteht.

[2] Der Kläger begehrt Schadenersatz von 98.000 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für seine Kosten für die Teilnahme am Konkursverfahren der W* AG *. Er habe die Anleihen ua im Vertrauen auf die Richtigkeit des Berichts über die Prüfung des Jahresabschlusses und des darin enthaltenen uneingeschränkten Bestätigungsvermerks der Beklagten gezeichnet. Bei einer ordnungsgemäßen Prüfung hätte die Beklagte den Bestätigungsvermerk jedoch versagen oder zumindest einschränken müssen. Insbesondere seien vom Eigenkapital von 4,74 Mio EUR 2,965 Mio EUR auf die Marken W* entfallen, die offenkundig wertlos gewesen seien.

[3] Die Beklagte besteitet das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung und der Kausalität für den vom Kläger behaupteten Schaden. Der Jahresabschluss habe keine unrichtigen Angaben enthalten, sondern die damalige Lage der Gesellschaft, soweit die Beklagte sie kennen habe können und müssen, richtig und vollständig wiedergegeben. Im Lagebericht sei umfassend auf alle erkennbaren Risiken hingewiesen worden. Die Marken seien 2016 auf Basis von Bewertungsgutachten um 3,12 Mio EUR erworben und als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht worden, wobei dieser Vorgang nochmals geprüft und vom Firmenbuchgericht genehmigt worden sei. Sie habe diese Annahmen eingehend und kritisch geprüft, habe aber keine eigenständige Neubewertung vornehmen müssen. Selbst bei Wertlosigkeit der Marken wären zudem liquide Mittel von 1,89 Mio EUR nur 0,2 Mio EUR an Verbindlichkeiten gegenübergestanden.

[4] Das Erstgericht wies die Klage ab.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung nicht Folge. Es führte (soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz) im Wesentlichen aus, die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB sei bei der Dritthaftung nicht anwendbar. Ein haftungsbegründender Sorgfaltsverstoß der Beklagten im Zusammenhang mit der Überprüfung des Markenwerts und des Lageberichts sei ausgehend von den Feststellungen zu den Prüfungshandlungen der Beklagten und zu den Anforderungen an einen durchschnittlich sorgfältigen Abschlussprüfer iSd § 1299 ABGB zu verneinen. Die Beklagte sei nur zur Plausibilisierung der ihr vorgelegten rezenten Gutachten zur Markenübertragung und Sacheinlagenprüfung verpflichtet gewesen und habe diese (noch) ausreichend vorgenommen.

[6] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Präzisierung der Pflichten eines Abschlussprüfers im Zusammenhang mit der Prüfung immaterieller Vermögenswerte und der Fortbestehensannahme (going concern Prämisse) samt der dahingehenden Behauptungs- und Beweislast sowie im Hinblick auf die zahlreichen geschädigten Anleger zugelassen.

[7] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[10] 1. Der Umstand, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten können, bewirkt für sich allein noch nicht ihre Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816 [T3]).

[11] 2. Der Vertrag des Abschlussprüfers zur Gesellschaft wird nach der Rechtsprechung als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gesehen, weil die Prüfung zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen hat und die mit der Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks bezweckte Information Dritter aufgrund dieser Vorgaben Vertragsinhalt wird (4 Ob 236/02p; 5 Ob 208/13v). Von dieser Schutzwirkung sind (potentielle) Gläubiger der geprüften Gesellschaft umfasst, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen und dann bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen davon ausgehen können, dass Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht ihres (potentiellen) Schuldners nach fachmännischer Ansicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen (vgl RS0116076). Die Haftungsgrundlage des Abschlussprüfers gegenüber dem geschädigten Dritten besteht damit in der durch den veröffentlichten Bestätigungsvermerk geschaffenen Vertrauensbasis zwischen der geprüften Gesellschaft und den (potentiellen) Gläubigern. Diese Vertrauensbasis kann enttäuscht werden, wenn der Gläubiger auf die Richtigkeit des konkreten (uneingeschränkten) Bestätigungsvermerks vertraut hat (5 Ob 262/01t).

[12] 3. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Abschlussprüfer, der die gebotene Sorgfalt vernachlässigt und deshalb einen unrichtigen Bestätigungsvermerk ausstellt, einem Dritten, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Bestätigungsvermerks disponiert und dadurch einen Schaden erleidet, ersatzpflichtig wird (4 Ob 145/21h mwN).

[13] 4. Die Beurteilung, ob eine Abschlussprüfung lege artis durchgeführt wurde, ist eine quaestio mixta, die sowohl Tatsachen- als auch Rechtselemente enthält. Was konkret von einem gewissenhaften Abschlussprüfer zu fordern ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Abschlussprüfung abzuleiten. Die einzufordernde Sorgfalt bemisst sich nach der aus objektiver Sicht zu beurteilende Verkehrsauffassung. Maßgeblich ist, welcher Prüfungsstandard normativ geboten ist, um dem gesetzlichen Zweck der Abschlussprüfung gerecht zu werden. Der Abschlussprüfer handelt dann rechtmäßig, wenn er die Abschlussprüfung so durchführt wie ein sorgfältiger durchschnittlicher Abschlussprüfer. Der Abschlussprüfer als Sachverständiger hat die Abschlussprüfung sorgfältig iSd § 1299 ABGB vorzunehmen, wobei seine Sorgfalt an den Berufsstandards einerseits und andererseits am abstrakten Ziel der Abschlussprüfung einer möglichst getreuen Darstellung der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens zu messen ist (RS0130434 [insb auch T4]).

[14] 5. Nach der Rechtsprechung (vgl etwa 10 Ob 46/13g) hat der Geschädigte nicht nur den Eintritt des behaupteten Schadens und dessen Höhe, sondern auch den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Schadenseintritt zu behaupten und zu beweisen (RS0022862). Auch die Beweislast, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft nach der Rechtsprechung ebenfalls den Geschädigten (RS0022900 [T5 und T11]).

[15] Die Regelungen über die Beweislast kommen allerdings nur dann zur Anwendung, wenn die Beweisergebnisse nach der Überzeugung des Gerichts nicht ausreichen, um einen entscheidungswesentlichen Tatumstand als erwiesen oder als nicht erwiesen anzunehmen, sodass die freie Beweiswürdigung zu keinem Ergebnis führt. Trifft das Gericht hingegen eine eindeutige positive oder negative Feststellung, so ist für die Anwendung von Beweislastregeln kein Platz (RS0039903 [T1]).

[16] Das Erstgericht hat im vorliegenden Fall positiv festgestellt, welche Prüfhandlungen im Zusammenhang mit der Markenbewertung von der Beklagten gesetzt wurden, sodass die mangelhafte Dokumentation der Prüfschritte nicht von Bedeutung ist. Dem Berufungsgericht ist aber auch darin zuzustimmen, dass die getroffene negative Feststellung nur als summarische Ergänzung der – ausreichend getroffenen – positiven Feststellungen, insbesondere, dass die Markenprüfung lege artis erfolgt ist, zu verstehen ist, weshalb es auf die Verteilung der Beweislast letztlich nicht ankommt.

[17] 6. Festzuhalten ist, dass die Revision auf eine Verletzung der Prüfpflicht im Zusammenhang mit der Fortbestehensannahme nicht mehr zurückkommt, weshalb auf diese Frage nicht weiter einzugehen ist.

[18] Der Kläger macht vielmehr eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit den Pflichten des Abschlussprüfers bei der Beurteilung immaterieller Vermögenswerte (Markenrechte) geltend.

[19] Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mit der Frage befasst, ob der Abschlussprüfer eigene Bewertungen von Sacheinlagen vornehmen muss und kam zum Ergebnis, dass es nicht Aufgabe des Abschlussprüfers sei, (im dortigen Fall) Grundstücksbewertungen von Immobiliensachverständigen zu überprüfen. Ein Sachverständiger, der sein Gutachten erkennbar auf das Fachwissen eines anderen (spezialisierten) Sachverständigen stützt, den der Vertragspartner beizieht, hafte für diesen regelmäßig nicht (2 Ob 125/12i unter Bezugnahme auf 3 Ob 541/85).

[20] Diese rechtliche Wertung ist grundsätzlich unabhängig von der Frage, welche Art von Sacheinlage geprüft wird und kann daher auch für immaterielle Gegenstände des Anlagevermögens wie Marken herangezogen werden, was vom Kläger grundsätzlich auch nicht bestritten wird.

[21] 7. Dementsprechend war die Beklagte zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte dieser Verpflichtung entsprochen hat, indem sie mehrfach Ergänzungen vom Vorstand und dem Controller sowie dem zur Bewertung beigezogenen Unternehmen iSd ISA 500, 540 verlangte, diese intern mit Hilfe verschiedener Experten und Ansätze hinterfragte, und auch eine Einschätzung des Aufsichtsratsvorsitzenden einholte, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[22] Festgestellt wurde außerdem, dass die Beklagte die Tätigkeit des Sachverständigen, die Vertretbarkeit der verwendeten Annahmen und Methoden und die Relevanz der verwendeten Daten hinterfragte, dass sie sich mit der Frage auseinandersetzte, welcher Zinssatz am Markt tatsächlich erzielt wird sowie auch mit der Plausibilisierung des Referenzzinssatzes und dem angenommenen Volumen der zu begebenden Anleihe.

[23] 8. Die in der Revision aufgestellte Behauptung, dass das Gutachten erstellende Unternehmen nicht die für diese Art von Gutachten erforderliche Kompetenz aufwies, stellt eine unzulässige Neuerung dar, weshalb auf dieses Argument nicht weiter einzugehen ist. Soweit die Revision von einem methodisch falschem Gutachten ausgeht, das daher weitere Überprüfungen erforderlich gemacht hätte, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Entscheidung 6 Ob 123/06s ist, worauf schon die Vorinstanzen hingewiesen haben, nicht einschlägig.

[24] Den Feststellungen lässt sich ebenfalls eine Beschäftigung mit dem Risiko einer Beeinflussung des Markenwerts durch die finanzielle Lage der Muttergesellschaft entnehmen. Darauf wurde auch im Lagebericht hingewiesen. Dass eine weitere Beschäftigung mit der finanziellen Lage der Muttergesellschaft weitere Erkenntnisse gebracht hätte, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die sehr allgemeinen Ausführungen in der Revision dazu, lassen ebenfalls einen solchen Rückschluss nicht zu.

[25] 9. Unrichtig ist auch der Vorwurf, dass die Vorinstanzen davon ausgegangen wären, dass sich der Abschlussprüfer auf ein Gutachten, das offenbar gravierende Mängel aufgewiesen habe, verlassen dürfe. Aus den Feststellungen ergibt sich vielmehr, dass die Beklagte sich nicht auf das Gutachten „verlassen“ hat, sondern Aufklärungen und Ergänzungen forderte und selbst Berechnungen zur Überprüfung vorgenommen hat. Diese Vorgangsweise wurde als (noch) ausreichend sorgfältig beurteilt.

[26] 10. Soweit die Revision damit argumentiert, dass die Berücksichtigung von Gutachten zu einer „Auslagerung der Haftung“ führt, ändert dies aber nichts daran, dass nicht jede Bewertung im Prüfverfahren vom Abschlussprüfer eigenständig von Neuem vorzunehmen ist und oftmals auch nicht vorgenommen werden kann. Die Prüfung muss sich daher in solchen Fällen notwendiger Weise auf die Plausibilität beschränken. Wie detailliert eine solche Kontrolle sein muss, um als ausreichend beurteilt werden zu können, kann aber immer nur aufgrund des Einzelfalls beurteilt werden.

[27] 11. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[28] 12. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00007.23D.0318.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-67695