OGH 25.04.2024, 8ObA34/23t
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann-Prentner als Vorsitzende, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat MMag. Matzka sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Philipp Brokes (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei BUAK Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungskasse, Kliebergasse 1A, 1050 Wien, vertreten durch Noss & Windisch Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei P* GmbH, *, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 12.280,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 4/23a-24, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Das Berufungsgericht ist zwar davon ausgegangen, dass die Tatsachenrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, hat sich aber dennoch auch inhaltlich mit der Beweisrüge auseinandergesetzt, sodass dem behaupteten Verfahrensmangel keine Relevanz zukäme (vgl Lovrek in Fasching/Konecny3 IV/1 § 503 ZPO Rz 72).
[2] 2. Nach § 1 Abs 1 BUAG gelten die Bestimmungen des BUAG für Arbeitnehmer (Lehrlinge), deren Arbeitsverhältnisse auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen und die in Betrieben (Unternehmungen) gemäß § 2 BUAG beschäftigt werden.
[3] 3. Der Abschnitt VIb „Sonderbestimmungen für den Urlaub bei Entsendung“ enthält Regelungen für den gerade in der Baubranche häufig anzutreffenden Fall der Entsendung. Nach § 33d BUAG gelten die Bestimmungen dieses Abschnitts für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Sinne des Abschnitts I ohne gewöhnlichen Arbeitsort in Österreich, die von einem Arbeitgeber zur Arbeitsleistung (Zif 1) oder im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung (Zif 2) nach Österreich entsandt werden.
[4] 4. Arbeitskräfteüberlassungsbetriebe unterliegen nach § 2 Abs 1 lit h BUAG dem BUAG bezüglich jener Arbeitnehmer, die zur Überlassung für Tätigkeiten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 Abs 1 lit a bis g BUAG fallen, aufgenommen werden oder tatsächlich überwiegend zu solchen Tätigkeiten überlassen werden.
[5] Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist hier (im Unterschied zu den lit a bis g leg cit) konkret die von den überlassenen Arbeitnehmern ausgeübte Tätigkeit.
[6] 5. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen ihre Entscheidung auf den 2. Fall des § 2 Abs 1 lit h BUAG gestützt, daher darauf, dass die Arbeitnehmer überwiegend zu dem BUAG unterliegenden Tätigkeiten herangezogen wurden, nämlich solche iSd lit e Wärme-, Kälte-, Schall- und Branddämmungsbetriebe.
[7] 6. Die Beklagte argumentiert, dass entgegen den Vorinstanzen zur Beurteilung des Überwiegens der Tätigkeit nicht auf die konkrete Überlassung, sondern auf die Gesamttätigkeit des jeweiligen Arbeitnehmers abzustellen sei.
[8] Allerdings ist für die Beurteilung, ob eine Tätigkeit dem BUAG unterliegt, nur auf die in Österreich verrichtete Tätigkeit abzustellen. Dies ergibt sich aus den diesbezüglich eindeutigen Gesetzesmaterialien zu § 33d BUAG (ErläutRV 972 BlgNR 22. GP 6): „Bei der Prüfung der Frage, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abschnitts I vorliegt, ist zunächst an die konkrete in Österreich entfaltete Tätigkeit anzuknüpfen.“ Vom Gesetzgeber wird zusätzlich ausdrücklich auf § 3 Abs 3 BUAG Bezug genommen, wonach in Betrieben, in denen keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht, nur jene Arbeitnehmer dem BUAG unterliegen, die überwiegend Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 fallen. Auch in einem solchen Fall wird zur Beurteilung des Überwiegens der Tätigkeit nur auf die in Österreich ausgeübte Tätigkeit abgestellt.
[9] 7. Im konkreten Fall ist davon auszugehen, dass – anderes wurde von keiner der Parteien vorgebracht – nur die im Verfahren zu beurteilende Arbeitsleistung in Österreich erbracht wurde. Auf die Frage einer Gesamtbetrachtung mehrerer aufeinanderfolgender Überlassungen muss daher nicht eingegangen werden, da eine Mehrfachbeschäftigung in Österreich nicht behauptet wurde. Es kommt daher ausschließlich auf die bei der konkreten Überlassung verrichtete Tätigkeit an.
[10] 8. Ob ein konkreter Betrieb unter die in § 2 BUAG genannten Betriebe (Unternehmungen) und damit den Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 BUAG fällt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0052432 [T5]). Eine solche vermag auch die Beklagte nicht aufzuzeigen.
[11] 9. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass die Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten in den Tätigkeitsbereich von Wärme-, Kälte-, Schall- und Branddämmungsbetrieben nach § 2 Abs 1 lit e BUAG fällt.
[12] Auf der Baustelle waren Dämmelemente aufzubringen, die Dämmung erfolgte durch das Anbringen von vorgefertigten Sandwich-Paneelen, die vom Beschäftiger angefertigt und angeliefert wurden, und die auf einer von den Arbeitern montierten Unterkonstruktion am Boden, den Wänden und der Decke von Kühl- und Tiefkühlräumen aufgebracht wurden.
[13] Die Beurteilung, dass diese Arbeiten im Wesentlichen dem festgestellten Tätigkeitsbereich von Wärme-, Kälte-, Schall- und Branddämmungsbetrieben entsprechen, hält sich im Einzelfall im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Beurteilungsspielraums sowie der Grundsätze der Rechtsprechung zur Einordnung eines Betriebs in das BUAG.
[14] Dabei ist es nicht von Belang, dass die überlassenen Arbeitnehmer nur die Montage der Platten vornahmen, da es sich um eine dem BUAG unterliegende Teiltätigkeit handelt.
[15] 11. Bereits in der Entscheidung 8 ObA 2/11v wurde darauf hingewiesen, dass die Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit den Dienstleister grundsätzlich nicht von der Einhaltung jener Bedingungen befreit, die der Empfängerstaat seinen eigenen Staatsangehörigen für die Ausübung der Dienstleistung vorschreibt. Selbst Regelungen, die geeignet sind, die Dienstleistungsfreiheit zu beschränken, sind nach der Rechtsprechung des EuGH dann gerechtfertigt, wenn sie in nicht diskriminierender Weise angewendet werden, aus zwingenden – nicht nur wirtschaftlichen –Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt, zur Verwirklichung des Ziels geeignet und unter Bedachtnahme auf die Rechtsvorschriften, denen der Erbringer im Herkunftsstaat unterliegt, nicht überschießend sind.
[16] An der Grundwertung, dass die von der Entsende-RL formulierten Ziele des Schutzes arbeitsrechtlicher Mindeststandards ausreichende Rechtfertigungsgründe für Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs im Allgemeininteresse darstellen, kann kein Zweifel bestehen.
[17] Die von der Beklagten monierte Schlechterstellung gegenüber inländischen Betrieben ist beim vorliegenden Sachverhalt nicht erkennbar.
[18] 112. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00034.23T.0425.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAF-67583