OGH 03.08.2023, 8ObA27/23p
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Rechtssatz
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Normen | |
RS0134483 | Eine Zuweisung im Sinne des § 2 Abs 1 OÖGZG bewirkt eine Verlagerung der Ausübung der Diensthoheit auf den Beschäftigten. In Ausübung der Diensthoheit ist es Sache des Beschäftigers, über den Arbeitsplatz des Bediensteten zu entscheiden. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter KR Thomas Schaden (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alexander Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. *, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Stadt *, vertreten durch die Wildmoser/Koch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 10/23d-22, womit das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 28 Cga 10/22p-17, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.177,52 EUR (darin enthalten 362,92 EUR an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.569 EUR (darin enthalten 261,42 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist Vertragsbediensteter der beklagten Stadt. Er war zuletzt von der Beklagten nach dem Oberösterreichischen Gemeindebediensteten-ZuweisungsG einer GmbH (I*) zugewiesen. Ihm wurde über seinen Antrag vom von I* bis zu einem allfälligen Widerruf eingeräumt, mit Beginn 80 % der Wochenstunden im Homeoffice zu arbeiten.
[2] Der Kläger wurde mit Schreiben der Beklagten vom unter Berufung auf das genannte Landesgesetz mit Wirksamkeit von seiner derzeitigen Position abberufen und einer Holding (O*) zugewiesen.
[3] Der Kläger begehrt mit seiner am erhobenen Klage festzustellen, dass er „nicht zur Arbeit in der neuen Stellung bei der O* verpflichtet ist“ und dass er der mit Schreiben vom erfolgten „Abberufung von der Position in der I* und Neuzuweisung an den Beschäftiger O* ab nicht nachzukommen hat“. Er begründet diese Begehren – soweit im Revisionsverfahren noch von Relevanz – damit, dass eine verschlechternde Versetzung vorliege, der weder er noch der Betriebsrat bzw die Personalvertretung zugestimmt habe. Die Verschlechterung liege darin, dass er bei O* nur mehr in einem geringeren Ausmaß im Homeoffice arbeiten könne.
[4] Die Beklagte bestritt das Vorliegen einer verschlechternden Versetzung und beantragte die Abweisung der Klage.
[5] Das Erstgericht wies die Klage mit seinem vor dem gefällten Urteil ab. Den von ihm umfangreich festgestellten Sachverhalt beurteilte es im Wesentlichen damit, dass keine verschlechternde Versetzung vorliege.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Folge und änderte das Ersturteil im klagestattgebenden Sinn ab. Die Versetzung führe zu einer Verschlechterung der sonstigen Arbeitsbedingungen und hätte daher der Zustimmung des Betriebsrats bedurft, die unstrittig nicht eingeholt worden sei. Damit sei die mit Schreiben vom ausgesprochene Zuweisungsänderung nach § 101 ArbVG unwirksam.
[7] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung, es liege keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor, nicht zu.
[8] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO erhobene außerordentliche Revision der Beklagten mit einem auf Klageabweisung gerichteten Abänderungsantrag.
[9] Der Kläger beantragt in der ihm vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise ihr den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) zulässig, weil Rechtsprechung zur Anwendbarkeit von § 101 ArbVG auf Arbeitsplätze iSd § 2h Abs 1 AVRAG nicht vorliegt. Sie ist auch berechtigt.
[11] Ist mit der Einreihung eines Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden, so bedarf sie zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats (§ 101 Satz 3 ArbVG). Ob eine solche verschlechternde Versetzung vorliegt, erfordert einen Vergleich der Gesamtsituation des Arbeitnehmers vor und nach der Versetzung. Dabei ist nach objektiven Kriterien abzuwägen, ob der vorgesehene neue Arbeitsplatz, als Ganzes gesehen, für den betroffenen Arbeitnehmer ungünstiger als sein derzeitiger bzw früherer ist (RS0021232; 9 ObA 135/02x = ecolex 2003, 190 [Mazal]; vgl auch RS0051209).
[12] Dies gilt auch für eine Versetzung auf Arbeitsplätze, die im Sinn des § 2h Abs 1 AVRAG mit regelmäßiger Arbeitsleistung im Homeoffice verbunden werden. Vorweg zu prüfen ist aber, ob bereits mit der Zuweisung iSd § 2 Abs 1 OÖ Gemeindebediensteten-Zuweisungsgesetz eine Versetzung iSd § 101 ArbVG erfolgt ist.
[13] Das Oberösterreichische Gemeindebediensteten-ZuweisungsG (LGBl 2005/119 idgF) regelt (nur) die Zuteilung von Bediensteten einer Gemeinde bzw eines Gemeindeverbands, die eine entsprechende Organisationseinheit haben, an einen anderen Rechtsträger als Beschäftiger (9 ObA 62/09x; vgl auch 9 ObA 6/10p = DRdA 2012/15 [Drs]). „Zuweisung“ ist die Zurverfügungstellung von Bediensteten zur Dienstleistung an einen Beschäftiger (§ 2 Abs 1 leg cit). Dass der Kläger „Bediensteter“ (iSd § 2 Abs 2 leg cit) ist, ist im Verfahren nicht strittig, ebenso – nunmehr – die Qualifikation sowohl von I* als auch O* als (bisheriger bzw zukünftiger) „Beschäftigter“ (iSd § 2 Abs 3 leg cit).
[14] Erfolgt – wie hier – eine „Zuweisung“, so steht die Ausübung der Diensthoheit gegenüber den dem Beschäftiger zugewiesenen Bediensteten zwar (weiterhin) der Gemeinde (dem Gemeindeverband) zu (§ 5 Abs 1 Satz 1 leg cit). Mit im Gesetz genannten – hier nicht relevanten – Ausnahmen ist aber das für Personalangelegenheiten zuständige Mitglied des Vorstands oder der Geschäftsführung des Beschäftigers mit der Vertretung der Gemeinde (des Gemeindeverbands) als Dienstgeber gegenüber allen dem Beschäftiger zugewiesenen Bediensteten der Gemeinde (des Gemeindeverbands), die nicht Beamtinnen oder Beamte der Gemeinde (des Gemeindeverbands) sind, betraut (§ 5 Abs 3 leg cit).
[15] Eine Zuweisung bewirkt insofern eine Verlagerung der Ausübung der Diensthoheit auf den Beschäftiger. In Ausübung der Diensthoheit ist es Sache des Beschäftigers (wenngleich er dabei die Gemeinde bzw den Gemeindeverband vertritt), über den Arbeitsplatz des Bediensteten zu entscheiden.
[16] Die Zuweisung des Klägers zu einem neuen Beschäftiger (O*) mit Wirksamkeit bewirkte noch keine Veränderung des tatsächlichen Arbeitsplatzes des Klägers. Welchen Arbeitsplatz der Kläger beim neuen Beschäftiger ab dem haben wird und ob mit diesem „eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen“ iSd § 101 ArbVG verbunden ist, konnte vor dem noch nicht beurteilt werden. Die Kompetenz zur (vertretungsweisen) Ausübung der Diensthoheit ging erst mit diesem Datum auf den neuen Beschäftiger (O*) über. Insofern war auch noch keine „Einreihung“ auf einen anderen Arbeitsplatz iSd § 101 ArbVG erfolgt. Der Rechtsstandpunkt des Klägers, seine Begehren seien berechtigt, weil eine verschlechternde Versetzung iSd § 101 ArbVG vorliege, erweist sich daher zum maßgeblichen Zeitpunkt des – vor dem erfolgten – Verhandlungsschlusses erster Instanz als unzutreffend, war doch zu diesem Zeitpunkt insoweit der neue Arbeitsplatz noch nicht festgelegt und konnte damit der für § 101 ArbVG notwendige Vergleich von altem und neuem Arbeitsplatz noch nicht erfolgen.
[17] Dass dieser Aspekt bislang keiner Erörterung zugeführt wurde, steht der Abweisung der Klage nicht entgegen. Zum einen ist eine überraschende Rechtsansicht unerheblich, wenn sie – wie hier – auf unveränderter Tatsachengrundlage beruht (Rassi in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 II/3 [2015] §§ 182, 182a Rz 99 mwN). Zum anderen war die Klage, weil sich auch durch ein ergänztes Sachverhaltsvorbringen vor Schluss der Verhandlung erster Instanz am Umstand, dass vor Wirksamwerden der Zuweisung (mit ) der neue Arbeitsplatz noch nicht feststehen kann und es daher nicht möglich ist, die Versetzung auf diesen als eine Verschlechterung iSd § 101 ArbVG zu werten, nichts ändern konnte, „im eigentlichen Sinn unschlüssig“ (Geroldinger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 III/1 [2017] § 226 ZPO Rz 194). Bei einer solchen Unschlüssigkeit besteht – anders als bei einer Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit – keine richterliche Anleitungspflicht nach §§ 182, 182a ZPO (vgl Geroldinger aaO 196). Dass zwischenzeitlich bereits die Zuweisung an den neuen Beschäftiger O* wirksam wurde, ändert hieran nichts, kommt es doch auch in Arbeits- und Sozialrechtssachen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz an (RS0008698 [T4]; vgl auch 8 ObA 58/17p [Pkt 4 aE]).
[18] Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Gerichtsgebühren waren nicht zuzusprechen (§ 16 Abs 1 Z1 lit a GGG iVm Anm 5 zu TP 3 GGG).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00027.23P.0803.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-67573