OGH 11.01.2024, 8ObA1/24s
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat MMag. Matzka sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Gabriele Svirak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch die Dr. Obermayer Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch die Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufkündigung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 57/23b-38, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Nach § 18 Abs 6 erster Satz HbG kann der Hauseigentümer, wenn dem Hausbesorger eine Dienstwohnung zusteht, nur aus erheblichen Gründen kündigen. Solche Gründe liegen gemäß § 18 Abs 6 lit d HbG dann vor, „wenn der Hausbesorgerposten überhaupt aufgelassen wird“. Der Hauseigentümer hat wichtige Gründe für die Auflassung des Hausbesorgerpostens und die ernste Absicht der Auflassung nachzuweisen (RIS-Justiz RS0063161). Eine Auflassung des Postens ist anzunehmen, wenn Eigentümer oder Mieter des Hauses die gesamten Hausbesorgerarbeiten unentgeltlich übernehmen oder wenn diese von deren Bediensteten im Rahmen ihrer sonstigen Beschäftigung ohne zusätzliche Entlohnung verrichtet werden (RS0063177). Die Auflassung des Hausbesorgerpostens darf nicht zum Schein erfolgen, etwa um einen Hausbesorger, gegen den andere Kündigungsgründe nicht zu Gebote stehen, auf diese Weise kündigen zu können (RS0063170). Durch bloße Teil- oder Behelfslösungen kann die Gesamtheit der Hausbesorger-tätigkeiten und damit der Hausbesorgerposten nicht substituiert werden (RS0063174; RS0063167), weil der Posten dadurch nicht überflüssig wird (vgl 8 ObA 21/21b mwN).
[2] 1.2. Die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungsgrund vorliegt, ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen (vgl nochmals 8 ObA 21/21b). Das ist hier nicht der Fall.
[3] 2. Der sich seit Juli 2023 in Altersteilzeit befindliche Kläger ist Eigentümer des zweistöckigen Hauses, in dem sich fünf Wohneinheiten befinden. Er beabsichtigt ernsthaft und unbedingt, den seit 1981 von der Beklagten innegehabten Hausbesorgerposten aufzulassen und danach alle anfallenden Hausbesorgertätigkeiten selbst zu verrichten, nämlich konkret insbesondere: Gehsteigreinigung; Haustorsperre; Kehren, Aufwaschen und Wartung (Licht, Feuerlöscher) von Stiegenhaus und Einfahrt; Kellerbegehung und -reinigung; Hofkehrung und Müllbehälterreinigung; Gartenpflege und -kontrolle; Reinigung und Sperre der ehemaligen Waschküche; Zugänglichkeit, Kontrolle und Reinigung von Dach, Dachboden und Dachrinnen; sowie Winterdienst, wobei der Kläger bereit ist, für die Räumung des straßenseitigen Gehsteiges auf eigene Kosten wie schon bisher einen externen Winterdienst als zusätzliche Absicherung zu beauftragen. Die Lebensgefährtin des Klägers und seine Mutter, die beide im Haus wohnen, eine Mieterin im Haus und der seit Herbst 2023 ebenfalls in Altersteilzeit befindliche, andernorts wohnende Bruder des Klägers sind bereit, für diesen im Verhinderungsfall kurzfristig auch für den Winterdienst unentgeltlich einzuspringen. Der Kläger möchte den Hausbesorgerposten auflassen, weil er subjektiv mit Umfang und Qualität der Verrichtung der Hausbesorgertätigkeiten durch die Beklagte und/oder deren Vertreter seit zumindest 2016 nicht zufrieden ist; weiters möchte er Betriebskosten einsparen sowie die der Beklagten zur Nutzung überlassene Hausbesorgerwohnung und eine daneben liegende freistehende Wohnung sanieren und zusammenlegen, um sich dadurch eine weitere Einkommensquelle durch Vermietung einer höherwertigen Wohnung zu schaffen. Die 1947 geborene Beklagte ist seit 2012 nicht mehr in der Lage, die Hausbesorgertätigkeiten selbst zu verrichten, sondern wurde seit zumindest 2012 von ihrem Ehegatten sowie ihren andernorts wohnenden Kindern, Sohn und Tochter, vertreten. Seit dem Tod ihres Gatten 2021 vertritt sie nur noch ihr Sohn. Der Kläger erhob die gegenständliche Aufkündigung deshalb nicht früher, weil er nach Rechtsberatung der Ansicht war, dass er das erst tun könne, sobald er in Altersteilzeit sei.
[4] 3. Von diesem zusammengefassten Sachverhalt ausgehend haben die Vorinstanzen das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 18 Abs 6 lit d HbG übereinstimmend bejaht. Dies hält sich im Rahmen des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Entscheidungsspielraums.
[5] 4. Gegen diese Beurteilung vermag die Beklagte in ihrer Revision auch keine Bedenken zu erwecken:
[6] 4.1. Ihr Einwand, aus dem Umstand, dass der Kläger die Durchführung der Hausbesorgertätigkeiten selbst beabsichtige, folge „allzu deutlich“, dass der Wegfall im Kündigungszeitpunkt gerade nicht gegeben gewesen sei, ist nicht stichhältig. Das Vorliegen des Kündigungsgrundes setzt nicht zwingend voraus, dass der Posten bereits im Kündigungszeitpunkt aufgelassen worden wäre und die Tätigkeiten bereits anderweitig verrichtet würden; vielmehr genügt der – hier von den Vorinstanzen vertretbar als erbracht angesehene – Nachweis, dass diesbezüglich die ernste und konkrete Absicht besteht, dies künftig so zu gestalten (vgl im Zusammenhang RS0063177 [T2 – künftig]; 9 ObA 58/93; 8 ObA 34/97a, immolex 1997/176, 315). Die Zweckmäßigkeit der Auflassung – Möglichkeit des Klägers, diese Tätigkeit nunmehr im Wesentlichen selbst auszuführen, zieht die Revision nicht in Zweifel.
[7] 4.2. Warum die solcherart konkret und ernstlich geplante unentgeltliche Übernahme der gesamten Hausbesorgerarbeiten durch den Eigentümer genau im von der Beklagten schon bisher eingeschränkt ausgeführten Umfang (nämlich ohne bereits bisher durch ein externes Unternehmen besorgten teilweisen Winterdienst) kein Grund für die Auflassung des Hausbesorgerpostens bilden sollte, ist nicht nachvollziehbar. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Posten damit nur zum Schein aufgelassen bzw durch eine bloße Behelfslösung ersetzt werden soll, zeigt die Beklagte damit nicht auf; dass Eigentümer, Mieter oder Dritte die Hausbesorgerarbeiten anstelle der Beklagten entgeltlich verrichten würden (vgl die in der Revision ins Treffen geführte Entscheidung 9 ObA 219/98s), entfernt sich von den Feststellungen.
[8] 4.3. Im Übrigen ist die Einbringung der Aufkündigung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses und die darin vorzunehmende Geltendmachung eines Kündigungsgrundes im Sinne des § 18 Abs 6 HbG im Gesetz an keine Frist gebunden (vgl RS0063107). Dass der Kläger wider Treu und Glauben mit der Auflösungserklärung so lange zugewartet hätte, dass die Beklagte daraus auf seinen Verzicht auf die Geltendmachung des Auflösungsgrundes schließen hätte können, ist weder aus den Feststellungen ableitbar, noch führt die Beklagte selbst Derartiges ins Treffen: Sie verweist in ihrer Revision nur darauf, dass die Situation seit 2016 unverändert sei, sodass keine Notwendigkeit für die Auflassung des Postens vorliege. Auch damit zeigt sie keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf.
[9] 5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO, § 2 Abs 1 ASGG).
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00001.24S.0111.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-67555