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OGH 25.04.2024, 8Ob39/24d

OGH 25.04.2024, 8Ob39/24d

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann-Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* K*, vertreten durch Mag. Dieter Koch, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei E* GmbH *, vertreten durch die DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 112.655,74 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 8/24z-20.2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der in Österreich wohnhafte Kläger begehrt von der in Deutschland ansässigen Beklagten Schadenersatz. Er brachte vor, über seine depotführende Bank in Graz mehrfach Aktien der W* AG mit Sitz in Deutschland gekauft zu haben (und zwar, wie aus den von ihm vorgelegten Beilagen ersichtlich, „loco Düsseldorf“). Er wirft der Beklagten vor, ihre Pflichten als Wirtschaftsprüferin der W* AG verletzt zu haben. Hätte sie pflichtgemäß gehandelt und den von ihr geprüften Jahresabschlüssen den Bestätigungsvermerk versagt, hätte er die Aktien nicht gekauft und damit – wegen der kurz nach seinen Käufen von der W* AG beantragten Insolvenzeröffnung – keinen Schaden erlitten.

[2] Die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts stützte der Kläger auf Art 7 Nr 2 EuGVVO. Das schädigende Ereignis im Sinne dieser Bestimmung sei in Österreich eingetreten, zumal er seinen Anlageentschluss hier gefasst habe, die Zahlungen für die Aktien von seinem österreichischen Bankkonto aus erfolgt seien und sich der Schaden auf diesem Konto verwirklicht habe. Er habe zwar die Aktien in Deutschland gekauft, sie seien aber auch an der Wiener Börse gehandelt worden, wofür die Vorlage eines Jahresabschlusses samt Bestätigungsvermerk der Abschlussprüferin erforderlich gewesen sei. Die W* AG habe insofern auch Offenlegungspflichten in Österreich getroffen. Als Abschlussprüferin einer international notierten und in Österreich gehandelten AG habe die Beklagte vorhersehen müssen, dass sie in Folge eines unrichtigen Bestätigungsvermerks auch in Österreich verklagt werden könnte.

[3] Die Vorinstanzen wiesen über Antrag der Beklagten die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der in § 528 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.

[5] Der EuGH hat bereits mehrfach – konkret in den Rechtssachen Kronhofer (C-168/02 – dort Rn 20 f), Universal Music (C-12/15 – dort Rn 35) und Effectenbezitters (C-709/19 – dort Rz 28) – ausgesprochen, dass sich die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ in Art 7 Nr 2 EuGVVO nicht schon deshalb auf den Ort des Klägerwohnsitzes – als Ort des „Mittelpunkts seines Vermögens“ – bezieht, weil dem Kläger durch den Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Mitgliedstaat ein finanzieller Schaden (ein reiner Vermögensschaden) entstanden ist. Die Gerichte des Wohnsitzes eines Anlegers als Gerichte des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, sind nach der Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs vielmehr nur dann für die Entscheidung nach der in Rede stehenden Vorschrift international zuständig, wenn sich die in besonderer anlage- und schadenstypischer Weise mit dem Geschäftsvorgang oder Schadensfall verknüpften schädigenden Vermögensdispositionen im Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte ereigneten und sonstige spezifische Gegebenheiten der Situation vorliegen, die nicht zum Sitz des Beklagten, sondern in den Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte weisen (EuGH C-304/17, Rs Löber [Rz 31 und 36]; 5 Ob 240/18g [Pkt 5.9.2.] mwN; 8 Ob 46/21d [Rz 8] ua).

[6] Wie vom EuGH insbesondere in der Rechtssache Löber (C-304/17 [Rz 31]) ausgesprochen, müssen kurz gesagt „spezifischen Gegebenheiten [...] insgesamt zur Zuweisung der Zuständigkeit an die österreichischen Gerichte beitragen“, um die in Rede stehende internationale Zuständigkeit Österreichs zu begründen (iglS – zu einer Klage eines anderen Erwerbers von W*-Aktien gegen die auch hier beklagte Wirtschaftsprüferin – 2 Ob 154/21t [Rz 2]). Ob „Gegebenheiten“ im Sinne dieser Rechtsprechung in ausreichender Weise und mit entsprechendem Gewicht vorliegen, ist eine nicht revisible Frage der konkreten Einzelfallbeurteilung (8 Ob 46/21d [Rz 9 mwN]).

[7] Dass der Kläger die Aktienkaufpreise von seinem österreichischen Konto aus beglich, führt entgegen dem Revisionsrekurs noch nicht zur Zuständigkeit Österreichs (6 Ob 18/17s [Pkt 4.3.6.]; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, ZPO20 [2023] Art 7 EuGVVO Rz 19d und 19e). Anders wäre die Situation, wären zusätzlich zur Durchführung der Zahlungen vom österreichischen Konto des Klägers aus die Wertpapiere auch in Österreich erworben worden (vgl EuGH C-304/17, Rs Löber [insb Rn 32 f]). Der Kläger hat aber die Aktien am deutschen Markt erworben. Sein Hinweis darauf, dass er sie auch an der Wiener Börse kaufen hätte können, verfängt nicht, weil es sich dabei um ein hypothetisches Geschehen handelt. Die Beklagte musste möglicherweise damit rechnen, von in Österreich ansässigen Personen, die an der Wiener Börse Aktien der von ihr geprüften deutschen AG kauften, in Österreich auf Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden (vgl EuGH C-709/19, Rs Effectenbezitters [Rz 34]), nicht aber von in Österreich ansässigen Personen, die dies an einem deutschen Handelsplatz (hier: Düsseldorf) taten. Es hätte, um die internationale Zuständigkeit zu begründen, für die Beklagte vorhersehbar sein müssen, dass sich im Fall des Klägers der Erfolgsort im Sinne des Art 7 Nr 2 EuGVVO in Österreich befinden werde (vgl 8 Ob 23/19v [Pkt 7]: „Vorhersehbarkeit eines Erfolgsorts in Österreich für den Beklagten“); dass der Erfolgsort bei Anlegern, die anders als der Kläger W*-Aktien an der Wiener Börse kauften, vorhersehbar in Österreich liegen werde, reicht nicht hin. Die die internationale Zuständigkeit Österreichs begründenden „spezifischen Gegebenheiten“ müssen im Verhältnis zwischen den Streitparteien vorliegen (vgl 8 Ob 46/21d [Rz 10]; 2 Ob 154/21t [Rz 4]).

[8] Die Entscheidungen der Vorinstanzen, es fehle an hinreichenden „spezifischen Gegebenheiten“, die insgesamt zur Zuweisung der Zuständigkeit an die österreichischen Gerichte beitragen, bedarf – wie auch im vergleichbaren Fall 2 Ob 154/21t (dort Rz 4) – keiner höchstgerichtlichen Korrektur.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00039.24D.0425.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-67521