OGH 30.03.2022, 8Ob10/22m
Rechtssatz
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Norm | |
RS0134010 | Nach § 141 Abs 2 Z 2 IO ist ein (wirtschaftlicher) Zusammenhang zwischen den der strafgerichtlichen Verurteilung des Schuldners wegen betrügerischer Krida zugrundeliegenden Handlungen und dem zur Insolvenzeröffnung führenden Vermögensfall zu verlangen. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners W*, vertreten durch LIKAR Rechtsanwälte GmbH in Graz, Insolvenzverwalterin Kapp & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, über den Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 3 R 148/21s-48, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 26 S 14/21k-43, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
[1] Über das Vermögen der M* GmbH – einer von mehreren vom Schuldner gegründeten Gesellschaften – wurde mit Beschluss vom ein (noch anhängiges) Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom wurde der Schuldner ua wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB verurteilt, weil er als geschäftsführender Alleingesellschafter der M* GmbH das Vermögen dieser Gesellschaft um einen Betrag von zumindest 43.206,01 EUR wirklich verringert und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger geschmälert und/oder vereitelt hat.
[2] Über Antrag des im Insolvenzverfahren über das Vermögen der M* GmbH zum Insolvenzverwalter bestellten Rechtsanwalts (kurz Insolvenzverwalter der Gläubigerin) eröffnete das Erstgericht mit Beschluss vom das gegenständliche Insolvenzverfahren.
[3] Mit Schriftsatz vom unterbreitete der Schuldner einen (verbesserten) Sanierungsplanvorschlag mit einer Sanierungsplanquote von 38 %. Der Insolvenzverwalter der Gläubigerin bestritt in seiner Stellungnahme vom unter Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung des Schuldners die Zulässigkeit dieses Sanierungsplans. In der Sanierungsplantagsatzung vom wurde der Sanierungsplan nach Erreichen der gesetzlichen Mehrheiten gemäß § 147 Abs 1 IO von den Gläubigern angenommen.
[4] Das Erstgericht bestätigte den Sanierungsplan mit Beschluss vom . Eine Unzulässigkeit gemäß § 141 Abs 2 Z 2 IO sei nicht gegeben, weil die Verurteilung des Schuldners wegen betrügerischer Krida nicht sein Vermögen, sondern das der M* GmbH betreffe.
[5] Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Insolvenzverwalter der Gläubigerin erhobenen Rekurs Folge und versagte dem Sanierungsplan wegen Unzulässigkeit nach § 141 Abs 2 Z 2 IO die Bestätigung. Im konkreten Fall sei zwar durch die Handlungen des Schuldners das Vermögen der M* GmbH und jenes einer anderen vom Schuldner gegründeten GmbH, nicht aber das eigene Vermögen des Schuldners betroffen, dennoch sei ein Bezug zum vorliegenden Insolvenzverfahren gegeben. Die durch die kridaträchtigen Handlungen des Schuldners geschädigten Gläubiger seien überwiegend auch Gläubiger im vorliegenden Insolvenzverfahren. Die Verurteilung des Schuldners nach § 156 StGB stehe angesichts seiner wirtschaftlichen Verflechtungen mit der M* GmbH, an der er zu 100 % beteiligt gewesen sei, im engen und ursächlichen Zusammenhang mit dem anhängigen Insolvenzverfahren und beziehe sich zumindest mittelbar darauf, weil es den Vermögensverfall betreffe, der letztlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt habe. Insoweit bestehe daher „der zeitliche, als ursächlich gedachte Zusammenhang zwischen der Verurteilung und der Zahlungsunfähigkeit“.
[6] Der ordentliche Revisionsrekurs wurde vom Rekursgericht gemäß § 528 Abs 1 ZPO iVm § 252 IO zugelassen, weil – soweit überblickbar – noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Verurteilung nach § 156 StGB und dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit aufgrund eines mittelbaren Bezugs auf das anhängige Insolvenzverfahren und dem damit einhergehenden Unzulässigkeitsgrund des § 141 Abs 2 Z 2 IO bestehe.
[7] Gegen die Annahme des Versagungsgrundes des § 141 Abs 2 Z 2 IO richtet sich der Revisionsrekurs des Schuldners, der auf eine Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts abzielt.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zur Klarstellung zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.
[9] 1. Tathandlungen des § 156 StGB sind die wirkliche und die scheinbare Verringerung des Vermögens des Täters oder (in Fällen des § 161 Abs 1 StGB) des vom Täter geleiteten Unternehmens. Vermögen im Sinn des § 156 StGB ist alles, was dem Zugriff der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung unterliegt, demnach als Mittel zu ihrer Befriedigung dient. Es gilt ein wirtschaftlicher Vermögensbegriff und nicht ein juristischer (Kirchbacher in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 156 Rz 6 ff; vgl Kirchbacher/Sadoghi in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 146 Rz 61 f).
[10] 2.1 § 141 Abs 2 IO statuiert absolute Unzulässigkeitsgründe, deren Vorliegen zwingend zu einer Zurückweisung des Sanierungsplanantrags führen muss (Nunner-Krautgasser/Anzenberger in KLS § 141 IO Rz 1). Gemäß § 141 Abs 2 Z 2 IO ist der Sanierungsplanantrag unzulässig, wenn der Schuldner nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wegen betrügerischer Krida rechtskräftig verurteilt worden ist.
[11] Hinter dieser Bestimmung steht die Überlegung, dass es den Gläubigern „nicht zugemutet werden [kann], einem Manne Nachlass zu gewähren, von dem das Strafgericht festgestellt hat, dass er sie durch betrügerische Handlungen geschädigt hat“. Außerdem wollte der Gesetzgeber nicht „auf die heilsame Generalprävention verzichten“, die einem solchen Unzulässigkeitsgrund innewohnt (Denkschrift 119). Der Schuldner soll „nicht den Vorteil eines Nachlasses genießen, wenn er die Gläubiger betrogen hat“ (Denkschrift 154).
[12] Richtig zieht das Rekursgericht aus den Materialien den Schluss, dass der Unzulässigkeitsgrund mit der Frage der Würdigkeit des Schuldners als Voraussetzung des Sanierungsplans zusammenhängt. Gänzlich unwürdige Schuldner sollen vom Abschluss eines Sanierungsplans ausgeschlossen werden (Denkschrift 118; vgl F. Riel, Das Zwangsausgleichsverfahren [2005] 93 FN 396). Die Verurteilung wegen § 156 StGB stellt immerhin die schwerste gläubigerschädigende Straftat dar (Kodek, Insolvenzrecht [2021] Rz 1075).
[13] Aus der Formulierung „nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit“ ergibt sich nach herrschender Ansicht, dass sich die Verurteilung auf das schwebende Insolvenzverfahren beziehen, also den Vermögensverfall betreffen muss, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte (Nunner-Krautgasser/Anzenberger aaO Rz 18; Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 141 KO Rz 6; Lehmann, Kommentar zur österreichischen Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung I [1916] 715; Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht [1973] 642; F. Riel aaO 94). Mohr (Sanierungsplan und Sanierungsverfahren [2010] Rz 66) spricht sogar davon, dass die Tat nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit begangen worden sein muss, die zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte. Damit wird der Anwendungsbereich der Bestimmung allerdings zu eng gefasst, weil nach dem Gesetzeswortlaut nur der Zeitpunkt der Verurteilung nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit liegen muss. Das Rekursgericht, das sich den überwiegenden Literaturmeinungen anschließt, stellt mit Pollak (in Bartsch/Pollak3 II [1937] 88) auf einen „zeitliche[n], als ursächlich gedachte[n] Zusammenhang zwischen der Verurteilung und der Zahlungsunfähigkeit […]“ ab. Reimer (Die Ausgleichsordnung und ihre Anwendung auf die offene Handelsgesellschaft und ihre persönlich haftenden Gesellschafter [1966] 52) meint, dass „die Unzulässigkeit [nach § 3 Abs 1 Z 2 AO] auch dann schon gegeben [ist], wenn die Verurteilung des Erblassers ohne Zusammenhang mit der vorliegenden Insolvenz erfolgt ist“. Die gegenteilige Ansicht, dass ein Unzulässigkeitsgrund nur dann vorliege, wenn ein Zusammenhang zwischen der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft und der Verurteilung des Gesellschafters (Erblassers) wegen betrügerischer Krida bestehe, werde der Absicht des Gesetzes, „dem Kridatar den Weg in den Ausgleich unmöglich zu machen, nicht gerecht“.
[14] 2.2 Allerdings legt schon der Wortlaut des Gesetzes nahe, dass die Unzulässigkeit des Sanierungsplanantrags nach § 141 Abs 2 Z 2 IO einen Bezug der Verurteilung nach § 156 StGB zur Zahlungsunfähigkeit erfordert. Daran lassen auch die Materialien keinen Zweifel, begründet die Denkschrift die Bestimmung doch mit der Unzumutbarkeit einer Nachlassgewährung für die „durch betrügerische Handlungen“ geschädigten Gläubiger.
[15] Zwar hat der Oberste Gerichtshof zu § 201 Abs 1 Z 1 IO und § 211 Abs 1 Z 1 IO, nach denen eine rechtskräftige Verurteilung des Schuldners ua nach § 156 StGB ein Hindernis für die Einleitung bzw ein Grund für die vorzeitige Einstellung eines Abschöpfungsverfahrens ist, ausgesprochen, dass ein Zusammenhang zwischen dem der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt und der Insolvenz nicht zu fordern ist (8 Ob 135/12d; 8 Ob 83/19t). Ein Rückgriff auf diese Rechtsprechung kommt hier allerdings aufgrund der unterschiedlichen Formulierung und Zielrichtung der Regelungen nicht in Betracht. Das Abschöpfungsverfahren sticht gegenüber dem Sanierungs- und Zahlungsplan besonders durch die vom Gläubigerwillen unabhängige Restschuldbefreiung heraus; folglich sind die Unwürdigkeitstatbestände deutlich strenger ausgestaltet und breiter gefächert, als die Unzulässigkeits- und Bestätigungsversagungsgründe der jeweiligen Schulden-bereinigungspläne (vgl auch Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren [2019] 9).
[16] Nach § 141 Abs 2 Z 2 IO ist daher mit der herrschenden Lehre ein (wirtschaftlicher) Zusammenhang zwischen den der strafgerichtlichen Verurteilung des Schuldners wegen betrügerischer Krida zugrundeliegenden Handlungen und dem anhängigen Insolvenzverfahren, konkret dem zur Insolvenzeröffnung führenden Vermögensfall, zu verlangen. Eine vom Insolvenzverfahren völlig losgelöste Verurteilung des Schuldners nach § 156 StGB schadet der Zulässigkeit des Sanierungsplanantrags hingegen nicht.
[17] 3. Das Rekursgericht hat hier zu Recht einen
– den Abschluss eines Sanierungsplans hindernden – Konnex zwischen der Verurteilung des organschaftlichen Vertreters der M* GmbH und dem Insolvenzverfahren über dessen Vermögen angenommen:
[18] Die aus der betrügerischen Krida resultierenden Forderungen der insolventen Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer liegen dem verfahrenseinleitenden Eröffnungsantrag des Insolvenzverwalters der Gläubigerin und dem Eröffnungsbeschluss zugrunde. Abgesehen davon, dass diese durch die Straftaten des Schuldners bedingten Forderungen daher für dessen Zahlungsunfähigkeit (mit-)ursächlich waren, nehmen am gegenständlichen Insolvenzverfahren etliche Insolvenzgläubiger der Gesellschaft mit Forderungen gegen den Schuldner als Vertreter bzw wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaft teil, also „durch betrügerische Handlungen“ des Schuldners geschädigte Gläubiger, die ja im Sinne der Denkschrift durch den Unzulässigkeitsgrund auch vor der Überstimmung durch andere Gläubiger geschützt werden sollen. Es wäre zudem generell ein – den Gedanken der Generalprävention konterkarierender – Wertungswiderspruch, der Gesellschaft (nach § 141 Abs 2 Z 2 und Abs 3 Z 2 IO) einen Sanierungsplan zu versagen, dem – zu 100 % an dieser Gesellschaft beteiligten – wegen § 156 StGB verurteilten organschaftlichen Vertreter selbst jedoch zuzubilligen.
[19] Zusammengefasst schlägt die Verurteilung des geschäftsführenden Alleingesellschafters einer insolventen GmbH wegen betrügerischer Krida jedenfalls auf das Folgeinsolvenzverfahren über das eigene Vermögen des Straftäters durch.
[20] 4. Daran ändert auch nichts, dass – wie der Revisionsrekurswerber unter Verweis auf die zum Zahlungsplan ergangene Entscheidung 8 Ob 65/21y meint – sämtliche Gläubiger vor Abstimmung über den Sanierungsplan Kenntnis von der strafgerichtlichen Verurteilung des Schuldners gehabt hätten. Der Oberste Gerichtshof gelangte in der zitierte Entscheidung zu dem Ergebnis, dass (der von Amts wegen wahrzunehmende Unzulässigkeitsgrund des) § 141 (Abs 2 Z 2) IO beim Zahlungsplan nicht zur Anwendung gelangt und eine Verurteilung nach § 156 StGB – anders als beim Sanierungsplan – gerade kein Hindernis für die Stellung eines Zahlungsplanantrags ist.
[21] 5. Dem Revisionsrekurs des Schuldners war daher nicht Folge zu geben.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00010.22M.0330.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-67466