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OGH 24.05.2023, 7Ob63/23z

OGH 24.05.2023, 7Ob63/23z

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* P*, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, gegen die beklagte Partei G* AG, *, vertreten durch Mag. Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen 222.385 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 8/23y-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger wurde am bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Er war damals Mitarbeiter der S* AG und zum Zeitpunkt des Unfalls Versicherter einer Kollektivunfallversicherung der S* AG und der Beklagten.

[2] Am übermittelte die S* AG der Beklagten einige Unterlagen des Klägers unter Bekanntgabe seiner Anschrift und Mobiltelefonnummer und Bezugnahme auf diesen Versicherungsfall mit der Bitte, mit dem Kläger direkt Kontakt aufzunehmen. Am forderte die Beklagte vom Kläger Informationen zu dem Verkehrsunfall. Auf die Frage des (bereits anwaltlich vertretenen) Klägers vom , ob er „direkt Begünstigter aus dieser Unfallversicherung“ sei, antwortete die Beklagte am , es handle sich um eine Kollektivunfallversicherung der Dienstgeberin des Klägers und eine Auszahlung der Versicherungsleistung könne nach Zustimmung dieser als Versicherungsnehmerin erfolgen. Am ersuchte der Kläger die Beklagte um eine Bestätigung, dass sie „ungeachtet des Fehlens einer gültigen Lenkerberechtigung in die Deckung eintreten werde“, weil der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis (Kollision mit Rotwild) passiert sei. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom gegenüber dem Kläger die Deckung hinsichtlich des gegenständlichen Unfalls mit der Begründung ab, sie sei aufgrund der fehlenden Lenkerberechtigung des Klägers leistungsfrei, und wies den Kläger auf die Jahresfrist für eine Klagseinbringung und die Rechtsfolgen dieser Frist hin. Auf das Ersuchen des Klägers, ihm eine Versicherungspolizze zu übermitteln, antwortete die Beklagte am , sie könne die Versicherungspolizze nicht an den Kläger, sondern nur an seine Dienstgeberin als Versicherungsnehmerin übermitteln, worauf der Kläger diese noch am selben Tag um Übermittlung der Versicherungspolizze ersuchte. Seine Dienstgeberin übersendete dem Kläger die Versicherungspolizze am .

[3] Als der Kläger am seine Dienstgeberin um „Zustimmung zur Einleitung des Verfahrens“ ersuchte, weil sich die Beklagte weigere, eine Versicherungsleistung zu erbringen, antwortete ihm diese am , ihre Zustimmung sei nicht notwendig. Der Kläger brachte am eine Klage auf Leistung aus diesem Versicherungsfall gegen die Beklagte ein.

[4] Die Vorinstanzen wiesen die Klage – soweit im Revisionsverfahren von Interesse – wegen Ablaufs der Frist des § 12 Abs 3 VersVG ab.

[5] Der Kläger zeigt mit seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Ein eigenes Klagerecht des Versicherten besteht nach der Rechtsprechung in den Fällen, in denen der Versicherte den Versicherungsschein besitzt, der Versicherungsnehmer zustimmt oder dieser den Anspruch erkennbar nicht weiter verfolgen will (RS0080792 [T3, T8, T12]; RS0080863 [T1, T3, T7, T10]; 7 Ob 260/05v mwN; RS0035281 [T7]) oder dem Versicherten den Anspruch stillschweigend zur selbständigen Geltendmachung überlassen hat. Ob die Feststellungen die Beurteilung zulassen, dass die selbständige Geltendmachung des Anspruchs dem Versicherten stillschweigend überlassen wurde, ist eine Frage des Einzelfalls (7 Ob 157/05x).

[7] 2. Wenn dem Mitversicherten ein eigener Anspruch gegen den Versicherer zusteht, sind dem Versicherer ihm gegenüber auch dieselben Rechte zuzugestehen wie gegenüber dem Versicherungsnehmer. Die Ablehnung iSd § 12 Abs 3 VersVG kann daher in diesen Fällen auch gegen den (Mit-)Versicherten erfolgen (RS0110861; RS0110862; 7 Ob 206/02y; 7 Ob 157/05x).

[8] 3. Die Vorinstanzen haben die Aufforderung der Versicherungsnehmerin an die Beklagte, sich betreffend den konkreten Versicherungsfall direkt an den Kläger zu wenden, als ausreichende Beteiligung an den Verhandlungen und ein stillschweigendes Überlassen der Verfolgung seiner Ansprüche gewertet. Das ist im konkreten Einzelfall nicht korrekturbedürftig.

[9] 4. Da der Anspruch dem Kläger damit stillschweigend überlassen wurde, kommt es auf Fragen des physischen Besitzes des Versicherungsscheins im Zusammenhang mit der Vereinbarung der elektronischen Kommunikation nach § 5a VersVG nicht an.

[10] 5. Der Kläger zeigt auch keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens auf.

[11] 5.1. Nach § 182a ZPO hat das (Berufungs-)Gericht das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und darf seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es diese mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat (RS0037300 [T46]). Es darf daher die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie nicht aufmerksam gemacht wurden (RS0037300). Nach der herrschenden Rechtsprechung bedarf es aber keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu beurteilen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Verpflichtung nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen der Prozessgegner aufzeigte (RS0122365).

[12] 5.2. Die Beklagte hat sich bereits im erstinstanzlichen Verfahren zur Begründung der Verfristung der Klage auch auf das Schreiben der Versicherungsnehmerin vom gestützt. Die Berücksichtigung dieser Aufforderung der Versicherungsnehmerin an die Beklagte durch das Berufungsgericht bewirkt damit keine Überraschungsentscheidung.

[13] 6. Die Revision war daher spruchgemäß zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00063.23Z.0524.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-67414