OGH 13.12.2022, 7Ob193/22s
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P* R*, vertreten durch Rechtsanwälte Estermann & Partner OG in Mattighofen, gegen die beklagte Partei G* AG, *, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 52/22y-11, womit das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 11 C 901/21t-7, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 383,70 EUR (darin enthalten 69,60 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Zwischen den Streitteilen besteht seit eine ÖAMTC-Mobilitäts- und Konsumenten-Rechtsschutzversicherung. Der Vertrag umfasst einen Allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutz, einen Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz sowie einen Arbeitsgerichts-Rechtsschutz. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die ÖAMTC-Mobilitäts- und Konsumenten-Rechtsschutzversicherung 2019 (MKRB 2019) zugrunde, die auszugsweise lauten:
„Art 7
Allgemeine Ausschlüsse
1. Der Versicherungsschutz umfasst nicht die Wahrnehmung rechtlicher Interessen,
[...]
1.7 aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen sowie aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts;
[...]
Art 9
Pflichten des Versicherers, Vorgangsweise bei Meinungsverschiedenheiten
[...]
2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis:
2.1 dass hinreichende Aussicht besteht, in einem Verfahren im angestrebten Umfang zu obsiegen, hat er sich zur Übernahme aller Kosten nach Maßgabe des Art 6 (Versicherungsleistungen) bereit zu erklären;
2.2 dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, dh ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist er berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;
2.3 dass erwartungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.
[...]
Art 17
Konsumenten-Rechtsschutz
1. Voraussetzung für den Versicherungsschutz
1.1 Versicherte Eigenschaft
Versichert sind der Versicherungsnehmer und Familienangehörige als Privatpersonen. [...]
2. Umfang des Versicherungsschutzes
2.1 Versicherte Risiken
Versicherungsschutz besteht für die folgenden, abschließend aufgezählten Risiken:
2.1.1 Schadenersatzrecht
Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines im privaten Lebensbereich erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens.
[...]
2.1.6 Arbeitsrecht
2.1.6.1 Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Versicherers in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer aufgrund eines Arbeits- oder Lehrverhältnisses gegenüber seinem Arbeitgeber in Verfahren vor Arbeitsgerichten.
[...]“
[2] Nachdem der Kläger auf eine Ausschreibung der Stelle des Geschäftsführers der V* in der Wiener Zeitung aufmerksam geworden war, bewarb er sich mit Schreiben vom auf diese Stelle. Nach Absolvierung mehrerer Hearings wurde ihm letztlich am mitgeteilt, dass man sich für einen anderen Kandidaten entschieden habe. Am erfolgte eine entsprechende Medienaussendung, aus der sich ergab, dass der bestehende kaufmännische Geschäftsführer der V* für fünf weitere Jahre wieder bestellt worden ist.
[3] Mit Schreiben vom suchte der Kläger bei der Beklagten um Rechtsschutzdeckung an, um Schadenersatzansprüche im Hinblick auf die getroffene Stellenbesetzung gerichtlich geltend zu machen, weil nicht er als der bestgeeignete Bewerber zum Zug gekommen sei.
[4] Von der Beklagten wurde die Rechtsschutzdeckung mit Schreiben vom mit dem Argument abgelehnt, dass die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts nur für einen im privaten Lebensbereich erlittenen Schaden möglich sei, wogegen der gegenständliche Fall dem beruflichen Lebensbereich des Klägers zuzuordnen sei. Mit Schreiben vom lehnte die Beklagte die Deckung weiters mit der Begründung ab, dass der Versicherungsschutz nicht die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen umfasse.
[5] Der Kläger begehrte zuletzt die Feststellung, dass die Beklagte ihm für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen iSd § 17 Abs 1 Z 1 Gleichbehandlungsgesetz sowie nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes gegenüber der W* GmbH im Zusammenhang mit seiner Bewerbung um die Stelle des Geschäftsführers der V* Deckung aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag bis zum vertraglich vereinbarten Höchstbetrag zu gewähren habe. Er sei ausgebildeter Kunstmanager, verfüge über eine jahrelange Erfahrung im Kunstmanagement und sei ausgebildeter Jurist. Er habe sich im Februar 2021 auf eine Ausschreibung der Stelle des Geschäftsführers der V* beworben. Er sei nach Hearings in die Endauswahl gekommen, jedoch sei letztlich der bis dahin tätige kaufmännische Geschäftsführer weiter bestellt worden, wobei es sich um eine parteipolitisch motivierte Stellenbesetzung handle. Er beabsichtige daher Schadenersatzansprüche zum einen im Sinn des Gleichbehandlungsgesetzes, zum anderen wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes zu verfolgen. Sollte nicht ohnedies Versicherungsschutz aus dem Arbeitsgerichts-Rechtsschutz nach Art 17.2.1.6.1 MKRB bestehen, sei die Deckung für Schadenersatzansprüche gemäß Art 17.2.1.1 MKRB zu übernehmen. Der Ausschluss nach Art 7.1.7 MKRB liege nicht vor, weil kein Anstellungsvertrag zustande gekommen sei. Aufgrund der Qualifikation des Klägers seien hinreichend positive Prozessaussichten gegeben.
[6] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Art 17.2.1.6.1 MKRB gelange schon nicht zur Anwendung, weil er ein bestehendes Arbeits- oder Lehrverhältnis voraussetze. Deckung gemäß Art 17.2.1.1 MKRB komme nicht in Betracht, weil die Bewerbung nicht den privaten Lebensbereich des Klägers betreffe. Im Übrigen sei nach Art 7.1.7 MKRB der Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen ausdrücklich ausgeschlossen. Auch reiche die bloße Behauptung, dass eine Person als Bewerber besser geeignet gewesen wäre als jene Person, die dann tatsächlich den ausgeschriebenen Posten erlangt habe, für einschlägige Schadenersatzansprüche nicht aus. Damit bestehe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, sodass Leistungsfreiheit nach Art 9.2.3 MKRB gegeben sei.
[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen nach dem Bundesgleichbehandlungsgesetz sei nicht mehr möglich. Ein gesetzmäßiges Vorgehen nach § 4 StellenbesetzungsG verlange, dass sich die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle im Rahmen sachlich auszuübenden Ermessens an der Eignung zu orientieren habe. Grundsätzlich würde die Geltendmachung des Anspruchs in die Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte fallen, dies gelte auch dann, wenn es sich um eine Streitigkeit im Zusammenhang mit der Anbahnung eines künftigen Arbeitsverhältnisses handle. Nach Art 7.1.7 MKRB erfasse der Versicherungsschutz durch die Beklagte aber nicht die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen. Dies müsse konsequenterweise auch für die Anbahnung eines solchen Anstellungsvertrags gelten, wobei der Kläger die Stelle eines Geschäftsführers (gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person) angestrebt habe. Der Kläger sei zwar beruflich äußerst qualifiziert, habe jedoch keine Beweise dafür erbracht, dass ein unsachlicher Grund zur Besetzung der Stelle mit dem anderen Kandidaten geführt habe. Deshalb bestehe keine hinreichende Aussicht, dass der Kläger im angestrebten Verfahren obsiegen werde. Die Leistungspflicht der Beklagten scheide nach Art 9 MKRB aus.
[8] Das Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil (teilweise) dahingehend ab, dass es zwischen dem Kläger und der Beklagten feststellte, dass die Beklagte dem Kläger für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nach den Bestimmungen des StellenbesetzungG gegenüber der W* GmbH im Zusammenhang mit der Bewerbung des Klägers um die Stelle des Geschäftsführers der V* Deckung aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zu gewähren habe. Das Mehrbegehren auf Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten auch für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen iSd § 17 Abs 1 Z 1 Gleichbehandlungsgesetz wies es ab. Der Kläger könne bereits nach seinem eigenen Prozessstandpunkt keine Ansprüche nach dem Gleichbehandlungsgesetz mehr geltend machen, weil sowohl die nach dem B-GlBG (§ 20 Abs 1 [§ 17]) als auch die nach dem GlBG (§ 29 Abs 2 [§ 26 Abs 1 iVm § 17 Abs 1 Z 1]) vorgesehene Frist verstrichen sei.
[9] Der Kläger stütze seinen Schadenersatzanspruch aber auch auf eine Verletzung des § 4 StellenbesetzungsG. Selbst wenn Ansprüche im Zusammenhang mit der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses Arbeitsrechtssachen iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG seien, so nütze dies dem Kläger nichts, weil gerade diese Anbahnung nicht in Art 17.2.1.6.1 MKRB erwähnt sei, sondern auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses abgestellt werde. Vielmehr bestehe Deckungsschutz nach Art 17.2.1 MKRB. Art 7.1.7 MKRB greife nicht, weil er schon nach dem Wortlaut („aus Anstellungsverträgen“) auf einen bestehenden Anstellungsvertrag abstelle. Der Ausschluss gemäß Art 9.2 MKRB komme nicht zum Tragen. Der Kläger habe umfangreiches Vorbringen zu seinen eigenen Qualifikationen erstattet und eine Diskriminierung aus weltanschaulichen Gründen (und damit aus unsachlichen Gründen) behauptet. Ob er dies tatsächlich unter Beweis stellen wird können, sei nicht Frage des Deckungsprozesses.
[10] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil die Auslegung von Versicherungsbedingungen, wenn keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege, grundsätzlich revisibel sei, da sie einen größeren Personenkreis betreffen könne.
[11] Gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag dahin, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[12] Der Kläger begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
[14] 1.1 Der Kläger begehrt – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nach dem StellenbesetzungsG.
[15] 1.2 Ungeachtet des Umstands, dass das StellenbesetzungsG keinen subjektiven Anspruch auf Einstellung vermittelt, und es jedenfalls öffentliche Interessen (Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich) dient, schützt das StellenbesetzungsG auch die Interessen von Bewerbern, um diese unter anderem vor unsachlichen Besetzungsentscheidungen zu bewahren. Der Schutzzweck der Norm kann damit einen Schadenersatzanspruch zu Gunsten des bestqualifizierten Bewerbers auslösen, wenn die Stelle aus unsachlichen Gründen mit einem anderen Kandidaten besetzt wurde (RS0127362 [T1]; 8 ObA 25/16h; 9 ObA 45/22s; vgl auch RS0031143).
[16] 2.1 Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen, dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031).
[17] 2.2 Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RS0080166 [T10]; RS0080068).
[18] 3. Nach Art 17.2.1.6.1 MKRB hat der Kläger Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Versicherten in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer aufgrund eines Arbeits- oder Lehrverhältnisses gegenüber seinem Arbeitgeber in Verfahren vor Arbeitsgerichten zu gewähren.
[19] 3.1 Die Leistungsart erstreckt sich im Hinblick auf den – auch für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer – insoweit völlig klaren Wortlaut sowohl auf die Geltendmachung als auch die Abwehr von Ansprüchen, die in einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis ihre rechtliche Grundlage haben. Ansprüche, die erst auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses gerichtet sind oder aus der Anbahnung eines letztlich nicht zustande gekommenen Arbeitsverhältnisses begehrt werden, fallen nach dem eindeutigen Wortlaut nicht unter Versicherungsschutz, weil sich ihre Grundlage („aufgrund“) eben nicht in einem Arbeitsverhältnis haben und sie damit nicht aus einem Arbeitsverhältnis abgeleitet werden (Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann Versicherungsrechts- Handbuch3 § 37 Rechtsschutzversicherung Rn 53; ders in Harbauer Rechtsschutzversicherung9 ARB 2010 § 2 Rn 93 zur insoweit vergleichbaren deutschen Bedingungslage; aA Kronsteiner, Die Rechtsschutzversicherung2 66 [zu dem nicht vergleichbaren Art 20 ARB]).
[20] 3.2 Dem hält der Kläger entgegen, dass der Begriff „aufgrund eines Arbeits- und Lehrverhältnisses“ auch dessen Anbahnung miteinschließe, was bereits aus § 50 Abs 1 Z 1 ASGG folge, der die Anbahnung des Arbeits- und Lehrverhältnisses diesem gleichstelle. Diese Argumentation überzeugt nicht: Richtig ist, dass § 50 Abs 1 Z 1 ASGG als Arbeitsrechtssache, bürgerliche Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer „im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder dessen Anbahnung“ definiert. Die vorliegenden Rechtsschutzbedingungen verweisen aber an keiner Stelle auf das ASGG. So wird – anders als nach den Musterbedingungen der Rechtsschutzversicherung (ARB) – schon nicht Bezug auf den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbegriff nach § 51 ASGG genommen. Auch wird Versicherungsschutz nicht für bestimmte Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG übernommen, sondern nur im klar umschriebenen – zuvor angeführten – Umfang. Zuletzt erachtet selbst der Gesetzgeber – trotz der in § 50 Abs 1 Z 1 ASGG weiter gefassten Formulierung „im Zusammenhang“ – die Klarstellung für notwendig, Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses zusätzlich ausdrücklich anzuführen.
[21] 3.3 Versicherungsschutz nach Art 17.2.1.6.1 MKRB besteht demnach für die vom Kläger beabsichtigte Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nach dem StellenbesetzungsG nicht.
[22] 4. Nach Art 17.2.1.1 MKRB besteht Versicherungsschutz für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines im privaten Lebensbereich erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschaden.
[23] 4.1 Anzumerken ist auch hier, dass sich die vorliegenden Bedingungen wesentlich von den Musterbedingungen der Rechtsschutzversicherung (ARB) unterscheiden. Weder nehmen die MKRB eine Definition der Begriffe „Privatbereich“, „Berufsbereich“ und „Betriebsbereich“ vor, noch enthalten sie Deckungsabgrenzungsausschlüsse, insbesondere im Verhältnis Allgemeiner Schadenersatz-Rechtsschutz und Arbeitsgerichts-Rechtsschutz.
[24] 4.2 Zum Begriff „privater Lebensbereich“ hat der Fachsenat schon insoweit Stellung genommen, dass damit auf Ereignisse des täglichen Lebens abgestellt wird, die nicht bei einer (geschäftlichen) Tätigkeit im Betrieb, Gewerbe oder Beruf eintreten (7 Ob 46/04x, 7 Ob 190/12k, 7 Ob 75/20k).
[25] 4.3 Aufgrund der konkreten Ausgestaltung der geltend gemachten primären Risikoumschreibungen wird der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen – soweit sie nicht vom Arbeitsgerichts-Rechtsschutz umfasst sind – dem privaten Lebensbereich zuordnen. Er wird daher Schadenersatzansprüche aufgrund einer – im Arbeitsgerichts-Rechtsschutz hier nicht versicherbaren – Bewerbung um ein (unselbständiges) Arbeitsverhältnis nicht als Tätigkeit ansehen, die im Beruf eintritt.
[26] 4.4 Die Beklagte hat danach grundsätzlich Versicherungsschutz aus dem Allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutz für die beabsichtigte Geltendmachung des (deliktischen) Schadenersatzanspruchs des Klägers zu gewähren.
[27] 5.1 Der eingewandte Risikoausschluss des Art 7.1.7 MKRB umfasst nicht die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen sowie aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts.
[28] 5.2 Dieser Risikoausschluss setzt nach dem klaren Wortlaut ebenfalls einen bereits bestehenden Anstellungsvertrag voraus. Seine Anwendung verlangt, dass derjenige, dessen rechtliche Interessen wahrgenommen werden, bereits Vertreter einer juristischen Person geworden ist (vgl BGH IV ZR 72/18).
[29] 5.3 Der eingewandte Risikoausschluss greift demnach nicht.
[30] 6.1 In der Rechtsschutzversicherung ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen (RS0081929). Bei der Erfolgsprüfung können die zur Prozesskostenhilfe entwickelten Grundsätze übernommen werden. Die vorzunehmende Beurteilung, ob „keine oder nicht hinreichend Aussicht auf Erfolg“ besteht, hat sich am Begriff „nicht als offenbar aussichtslos“ des die Bewilligung der Verfahrenshilfe regelnden § 63 ZPO zu orientieren. „Aussichtslos“ ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann (insbesondere bei Unschlüssigkeit aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand [RS0116448]).
[31] 6.2 Der Grundsatz in der Rechtsschutzversicherung, dass im Deckungsprozess die Beweisaufnahmen und die Feststellungen zu im Haftpflichtprozess relevanten Tatfragen zu unterbleiben haben und daher dem Versicherer eine vorweg genommene Beweiswürdigung verwehrt ist, gilt allgemein. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist aufgrund einer Prognose – im Falle eines bereits laufenden Haftpflichtprozesses aufgrund einer nachträglichen Prognose – nach dem im Zeitpunkt vor Einleitung des Haftpflichtprozesses vorliegenden Erhebungsmaterial vorzunehmen, weil eine Beurteilung der Chancen durch antizipierte Beweiswürdigung nicht in Betracht kommt (RS0124256).
[32] 6.3 Der Kläger hat – mit umfangreichem Vorbringen – behauptet, dass er tatsächlich der am besten qualifizierte Bewerber gewesen sei und bei rechtmäßiger Vorgangsweise mit der ausgeschriebenen Funktion betraut worden wäre. Soweit die Beklagte meint, dass die vom Kläger angebotenen Beweismittel nicht ausreichen oder nicht geeignet seien, um die von ihm zu beweisenden Tatsachen unter Beweis zu stellen, zielt sie auf die Vorwegnahme der Beweiswürdigung ab, die aber ebenso wie die Vorwegnahme des Ergebnisses des Haftpflichtprozesses bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht in Betracht kommt (RS0081927).
[33] 7. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Da der Kläger hinsichtlich der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Gleichbehandlungsgesetz bereits (rechtskräftig) unterlegen ist, beträgt die Bemessungsgrundlage im Revisionsverfahren nur mehr 1.250 EUR.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00193.22S.1213.000 |
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Fundstelle(n):
OAAAF-67321