OGH 22.04.2024, 5Ob183/23g
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers W* T*, vertreten durch Mag. Thomas Borowan, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die Antragsgegnerin L* AG, *, wegen Kraftloserklärung einer Urkunde, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 73/23v-19, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die behaupteten Revisionsrekursgründe der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und der Aktenwidrigkeit wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[2] Die (schon) im Rekurs behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz hat das Rekursgericht mit ausführlicher Begründung verneint, weshalb diese angeblichen Verfahrensmängel im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden können (RS0042963 [T48, T61]; RS0030748 [T8]). Diese Beschränkung der Anfechtung der rekursgerichtlichen Entscheidung vor dem Obersten Gerichtshof kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass die Verneinung des geltend gemachten erstinstanzlichen Verfahrensmangels durch das Rekursgericht als Mangel des Rekursverfahrens geltend gemacht wird (vgl RS0042963 [T58]).
[3] Eine Aktenwidrigkeit liegt nicht in der Gewinnung tatsächlicher Feststellungen durch Schlussfolgerungen, selbst wenn diese unrichtig wären (RS0043298). Sie würde vielmehr einen Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstücks und dessen Wiedergabe durch das Rekursgericht voraussetzen (RS0043298 [T11]). Die vom Rekursgericht aus dem Vorbringen der Parteien und den vorgelegten Urkunden gezogene und vom Antragsteller als falsch bekämpfte Schlussfolgerung, er habe das Losungswort nicht mehr gekannt, bezieht sich außerdem auf einen Abweisungsgrund, den das Rekursgericht zusätzlich herangezogen hat. Diese Hilfsbegründung ist aber für den Streitausgang nicht (mehr) erheblich, weil der Antragsteller der anderen selbständig tragfähigen Begründung für die Abweisung des Antrags nichts Stichhaltiges entgegen zu halten vermag (vgl RS0042736; RS0118709 [T11]; vgl auch RS0088931).
[4] 2. Nach den Bestimmungen des Kraftlos-erklärungsgesetzes 1951 (KEG) können Urkunden, die abhanden gekommen oder vernichtet worden sind, für kraftlos erklärt werden. Der Beschluss über die Kraftloserklärung tritt an Stelle der abhanden gekommenen Urkunde und vermittelt demjenigen, der die Kraftloserklärung erlangt hat, jene Legitimationswirkung, welche ihm die (für kraftlos erklärte) Urkunde gegeben hätte (RS0065889 [T5]).
[5] Die Kraftloserklärung setzt voraus, dass die für kraftlos zu erklärende Urkunde dem Antragsteller „abhanden gekommen“ oder vernichtet worden ist (§ 1 Abs 1 KEG). Dies ist nur dann der Fall, wenn die Urkunde unauffindbar und ihr gegenwärtiger Inhaber nicht bekannt oder nicht erreichbar bzw die Urkunde vollständig zerstört oder maßgeblich beschädigt ist (1 Ob 228/06w mwN). „Abhanden gekommen“ ist eine Urkunde, wenn sie dem früheren Besitzer ohne sein Wissen und ohne sein Zutun abhanden gekommen ist (4 Ob 227/97d). Die Unkenntnis, in wessen Händen sich die Urkunde befindet, ist dem Verlust gleichzuhalten (1 Ob 25/97a; 4 Ob 227/97d). Befindet sich die Urkunde bei einem dem Antragsteller bekannten Dritten, dann kommt eine Kraftloserklärung allerdings nicht in Frage; diesfalls ist auf Herausgabe zu klagen. Dies gilt aber nur dann, wenn der Herausgabeanspruch gegen den Dritten durchsetzbar ist, nicht aber wenn der Antragsteller bescheinigt, dass dies nicht der Fall ist (2 Ob 178/97h; 9 Ob 286/99w; RS0087826 [T1, T2]; Linder in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG II § 1 KEG Rz 6f). Im Fall einer vom Aussteller mitgeteilten Einlösung und Vernichtung eines Sparbuchs kommt eine Kraftloserklärung hingegen nicht in Betracht (7 Ob 218/73 = RS0087789; 1 Ob 25/97a [Einvernehmliche Entwertung eines Wechsels]).
[6] Der Antragsteller hat den Verlust der Urkunde sowie die Tatsachen glaubhaft zu machen, von denen seine Berechtigung zur Antragstellung abhängt (§ 3 Abs 2 KEG). Das Rekursgericht kam nach einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Parteien, den jeweiligen Tatsachenbehauptungen und den vorgelegten Urkunden – wie schon das Erstgericht – zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller die in § 3 Abs 2 Z 2 KEG geforderte Bescheinigung des Verlustes der Sparurkunde nicht erbracht habe. Der Antragsteller habe nicht ausreichend bescheinigt, dass das für kraftlos zu erklärende Sparbuch „noch vorhanden“ sei, dem Antragsteller aber iSd § 1 Abs 1 KEG „abhanden gekommen“ oder vernichtet worden sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass das Sparbuch zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens nach Auszahlung durch die verpflichtete Bank bereits aufgelöst und aus diesem Grund nicht (mehr) existent gewesen sei. Die Auflösung des Inhabersparbuchs falle nicht unter die Begriffe des Abhandenkommens oder des Zerstörens/maßgeblichen Beschädigens.
[7] Mit den Ausführungen zu der im Revisionsrekurs zur Begründung seiner Zulässigkeit aufgeworfenen Frage des Beweismaßes für die Glaubhaftmachung des Verlustes unternimmt der Antragsteller inhaltlich den – unzulässigen – Versuch, diese Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz und Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel (RS0042903; RS0043371; RS0069246). Auch diese Rechtsmittelbeschränkung kann nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Beweiswürdigung als Mangel des Verfahrens releviert wird (RS0043371 [T28]).
[8] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00183.23G.0422.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-67026