OGH 27.06.2023, 4Ob54/23d
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in den verbundenen Markenschutzsachen der Antragstellerinnen 1. W* GmbH, *, 2. Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber, *, beide vertreten durch Schmidtmayr Sorgo Wanke Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Antragsgegnerin L* GESELLSCHAFT m.b.H., *, vertreten durch Dr. Maximilian Schludermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung der Marken AT 187329 und AT 196180, über die außerordentliche Revision der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 33 R 48/22d-3, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der Wortmarke AT 1873329 LIPIZZANER (Prioritätsdatum ) und der Wortbildmarke AT 196180
(Anmeldung am ), jeweils registriert für eine Vielzahl an Waren und Dienstleistungen.
[2] Die Zweitantragstellerin ist eine Gesellschaft öffentlichen Rechts gemäß § 1 Spanische Hofreitschule-Gesetz mit dem Zweck der dauerhaften Erhaltung und traditionsgemäßen Zucht der Pferderasse „Lipizzaner“, zur Erhaltung der Tradition und der Hohen Schule der klassischen Reitkunst, zur traditionsgemäßen Nutzung der betreffenden Teile der Hofburg und des Bundesgestütes Piber und damit zur Wahrung des öffentlichen Interesses am dadurch repräsentierten österreichischen und internationalen Kulturgut. Die Erstantragstellerin vertreibt (im Einverständnis mit der Zweitantragstellerin) verschiedene Produkte mit Bezug zur Spanischen Hofreitschule.
[3] Die Zweitantragstellerin ist Inhaberin diverser älterer Lipizzaner-Marken sowie der (älteren) Bildmarke AT 117393:
[4] Die Antragstellerinnen begehrten – gestützt ua auf § 34 MSchG (bösgläubige Markenanmeldung) die Löschung der Marken der Antragsgegnerin. Es sei notorisch, dass der Begriff „Lipizzaner“ seit langem mit der Spanischen Hofreitschule assoziiert und als deren Produkt- und Markenzeichen wahrgenommen werde. Der Ruf und die Wertschätzung der Lipizzaner werde von der Zweitantragstellerin seit jeher kommerziell genutzt, etwa durch den Verkauf von Souvenirartikeln. Die Antragsgegnerin habe keinen auch nur irgendwie gearteten Bezug zum Begriff „Lipizzaner“. Es sei daher offenkundig, dass sie ihre Marken allein aus unlauteren Motiven angemeldet habe. Die klare Behinderungsabsicht lasse sich auch aus der Vielzahl der Waren- und Dienstleistungsklassen ableiten.
[5] Die Antragsgegnerin wendete ein, sie habe anlässlich der Markenanmeldung alle einschlägigen Markeninhaber kontaktiert und ihr sei es nicht darum gegangen, Dritte zu behindern.
[6] Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts löschte die angegriffenen Marken zum Zeitpunkt ihrer Registrierung wegen bösgläubiger Anmeldung. Die Antragsgegnerin habe keinerlei Bezug zu Pferden oder zu Lipizzanern. Ihre Anmeldung sei nicht im Interesse erfolgt, die Marken für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu verwenden, sondern nur deshalb, um andere möglichst umfangreich von der Benutzung des Begriffs „Lipizzaner“ abzuhalten.
[7] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Antragsgegnerin sei die klare inhaltliche Zuordnung des Begriffs „Lipizzaner“ zur Spanischen Hofreitschule und damit zu einem der breiten Öffentlichkeit bekannten und präsenten Kulturgut der Republik Österreich von Anfang an bewusst gewesen und sie habe gerade auf die „Monopolisierung“ dieses freihaltebedürftigen Begriffs für ihre Waren und Dienstleistungen gegenüber Dritten abgezielt. Dass sie das Landwirtschaftsministerium vorab kontaktiert habe und dieses untätig geblieben sei, könne die Antragsgegnerin nicht legitimieren, mit den Markenanmeldungen Dritte an der Benützung der freihaltebedürftigen Begriffsbezeichnung „Lipizzaner“ zu hindern; vor allem dann nicht, wenn sie mit dem damit verbundenen/assoziierten Kulturgut in keiner Verbindung stehe. Dass andere Unternehmen ihre früheren Markenrechte in Bezug auf „Lipizzaner“ aufgegeben haben, könne daran nichts ändern und stehe auch mit den Markenanmeldungen der Antragsgegnerin in keinem Zusammenhang. Das umfangreiche Waren- und Dienstleistungsverzeichnis im Zusammenhang mit dem überwiegenden Fehlen einer Benutzungsabsicht sowie mit dem Fehlen eines Geschäftsbetriebs belege nochmals die Behinderungsabsicht. Es sei klar, dass die Antragsgegnerin „Lipizzaner“ deshalb habe schützen lassen, um den Vertrieb von Mitbewerbern zu stören und zu behindern. Sie habe versucht, bewusst einen direkten Bezug zur Spanischen Hofreitschule herzustellen und an ihrem Ruf zu partizipieren.
[8] Die Antragsgegnerin macht mit ihrer (zwar nicht als solche bezeichneten, aber in eine solche umgedeuteten, vgl RS0123405) außerordentlichen Revision geltend, nur hinsichtlich der Dressur und der Vorführung von Darbietungen zu Pferd sei eine Zuordnung von „Lipizzaner“ zur Zweitantragstellerin möglich, diese sei aber zum Zeitpunkt der Anmeldung durch die Antragsgegnerin nicht an weiteren Waren- und Dienstleistungsklassen interessiert gewesen. Es habe daher keine Verwechslungsgefahr bestanden. Das Interesse der Antragsgegnerin richte sich ausschließlich auf den Schutz des Rufes, welchen sie sich über zwei Jahrzehnte aufgebaut habe. Es liege daher keine bösgläubige Markenanmeldung vor.
Rechtliche Beurteilung
[9] Damit zeigt die Antragsgegnerin keine erheblichen Rechtsfragen auf. Die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.
[10] 1.1. Gemäß § 34 MSchG kann jedermann die Löschung einer Marke begehren, wenn der Anmelder bei der Anmeldung bösgläubig war.
[11] 1.2. Der Begriff der „Bösgläubigkeit“ ist ein unionsrechtlicher Begriff, der einheitlich auszulegen ist (EuGH C-320/12, Malaysia Diary Industries Pte. Ltd, Rz 29). Ob eine Anmeldung bösgläubig war, ist nach der Rechtsprechung des EuGH „umfassend“ zu beurteilen, wobei alle im konkreten Fall „erheblichen Faktoren“ zu berücksichtigen sind (C-529/07, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG, ÖBl 2009, 271 [Gamerith], Goldhase III, Rz 37; C-320/12, Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd, Rz 36).
[12] 1.3. Bösgläubigkeit wurde bisher – wie in den beiden oben genannten EuGH-Erkenntnissen – in erster Linie bei Verletzung von Loyalitätspflichten oder bei Behinderung eines bereits das Zeichen nutzenden Dritten bejaht (vgl auch 4 Ob 89/06a, grüngeflammt; 17 Ob 40/08v = RdW 2009, 584, Tramontana II; RS0120716 [T1]). Der Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass Bösgläubigkeit auf diese Fallgruppen beschränkt wäre (4 Ob 98/14m, Feeling/Feel II).
[13] 1.4. Bösgläubiger Markenrechtserwerb im Sinn des § 34 MSchG setzt die Absicht des Anmelders voraus, mit der Registrierung eines von einem Dritten bereits benutzten Zeichens als Marke eine Waffe in die Hand zu bekommen, um ein von einem Mitbewerber aufgebautes System zu stören. Diese Absicht muss nicht der einzige Beweggrund des Anmelders sein; es genügt, dass es sich um ein wesentliches Motiv handelt (RS0123318).
[14] 1.5. Eine Markenanmeldung ist auch dann bösgläubig, wenn sie ohne eigene Benutzungs- oder Vermarktungsabsicht erfolgt, sondern hauptsächlich dazu dient, dritte Unternehmen, die später gleiche oder ähnliche Zeichen nutzen, auf Unterlassung und Zahlung in Anspruch zu nehmen. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Anmelder ohne konkrete Geschäftsbeziehung mit potentiellen Nutzern eine Vielzahl von Marken mit geringer oder fehlender Kennzeichnungskraft anmeldet, nur ein geringer Teil dieser Anmeldungen tatsächlich zu einer Registrierung führt und ein realistisches Geschäftsmodell für eine über das Geltendmachen von Unterlassungs- und Zahlungsansprüchen hinausgehende Nutzung dieser Marken nicht erkennbar ist (RS0129667).
[15] 1.6. Bösgläubigkeit ist dann anzunehmen, wenn dem Markeninhaber im Zeitpunkt der Anmeldung bekannt war, dass Mitbewerber für ähnliche oder identische Waren Zeichen verwenden, die dem von ihm als Marke angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnlich sind (vgl 17 Ob 17/09p).
[16] 1.7. Zeitlich relevant für die Beurteilung ist ausschließlich der Zeitpunkt der Anmeldung. Nicht mehr verfolgbar ist nach dieser Bestimmung ein späteres sittenwidriges Verhalten des Anmelders bzw des Markeninhabers (Hofinger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 34 Rz 8).
[17] 1.8. Ob Bösgläubigkeit vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl RS0129667 [T1]).
[18] 2.1. Zu 4 Ob 82/95 (= ÖBl 1996, 139, Spanische Reitschule) verneinte der Oberste Gerichtshof Unterlassungsansprüche gegen den Vertrieb von Porzellanpferden, die mit „Spanische Reitschule“ und „Wien“ beschriftet waren, mit der Begründung, es liege kein kennzeichenmäßiger Gebrauch der Marke der Klägerin vor, weil jeder unbefangene Betrachter dieses Gegenstands die Aufschrift als Hinweis darauf verstehen werde, dass ein Pferd aus der Spanischen Reitschule dargestellt werde. Es bestehe kein Grund zur Annahme, die Porzellanfigur selbst stamme aus dem Betrieb der Klägerin oder aus einem mit ihr in Verbindung stehenden Unternehmen.
[19] 2.2. In der Entscheidung 17 Ob 7/11w wurde jedoch ausgesprochen, dass sich diese Einschätzung der maßgeblichen Verkehrsauffassung im Hinblick auf die zwischenzeitige wirtschaftliche Entwicklung nicht aufrecht erhalten lasse, weil mittlerweile allgemein bekannt sei, wie sehr sich – oft aus der unmittelbaren Verwaltung der öffentlichen Hand ausgelagerte und damit wirtschaftlich selbstständige – Institutionen wie Museen oder auch die Spanische Hofreitschule bemühen (müssten), durch den Verkauf verschiedener Waren und Dienstleistungen, die mit der(n) bekannten Marke(n) der Institution gekennzeichnet seien (Merchandising), zusätzliche Einnahmen zu erzielen. In Abkehr von 4 Ob 82/95 wurden daher die auf der Schauseite des beanstandeten Souvenirtellers angebrachten Worte „Spanische Reitschule“ als unterscheidungskräftiger Hinweis auf die Herkunft der so bezeichneten Ware angesehen. Der vom Beklagten in Abrede gestellte herkunftshinweisende und daher die Markenrechte der Klägerin beeinträchtigende (kennzeichenmäßige) Gebrauch der Marke der Klägerin wurde somit bejaht.
[20] 3.1. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall ist nach den obigen Grundsätzen bei einer Gesamtschau nicht erkennbar.
[21] 3.2. Nach den in diesem Verfahren getroffenen Feststellungen meldete die Antragsgegnerin die Marken erst an, als seitens des Landwirtschaftsministeriums (über die bestehenden Lipizzaner-Marken hinaus) kein weitreichender Markenschutz beantragt wurde. Dass das Ministerium vorab kontaktiert wurde und untätig blieb, hat das Berufungsgericht jedoch vertretbar dahin gewertet, dass dies die Antragsgegnerin, die ohne jedwede rechtliche, wirtschaftliche oder organisatorische Verbindung zu dem mit „Lipizzaner“ verbundenen/assoziierten Kulturgut steht, nicht dazu legitimiert, mit den Markenanmeldungen Dritte (vor allem die dazu berechtigten Antragsteller) an der Benützung dieses Zeichens zu hindern. Diese Beurteilung wird vor allem auch dadurch gestützt, dass die Antragsgegnerin die Registrierung der Marken für eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Waren und Dienstleistungen vornahm, um (laut den Feststellungen) „Dritten zuvorzukommen“. Die Annahme einer bösgläubigen Registrierung iSv § 34 MSchG durch die Vorinstanzen ist daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung.
[22] 3.3. Der von der Antragsgegnerin ins Spiel gebrachte Ruf, den sie sich (nach der Registrierung) für einen Bruchteil der registrierten Waren und Dienstleistungen über zwei Jahrzehnte aufgebaut habe, ist unmaßgeblich, zumal bei der Beurteilung iSv § 34 MSchG – wie bereits ausgeführt – nur der Zeitpunkt der Anmeldung von Relevanz ist.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00054.23D.0627.001 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-66949