OGH 03.07.2024, 3Ob95/24b
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. L*, 2. P*, beide vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. G* GmbH, *, vertreten durch Dr. Michael Tröthandl, Rechtsanwalt in Baden, 2. H* AG, *, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 2.940.538,86 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 181/23v-85, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Dass das Berufungsgericht eine der von den Klägern bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen als aus rechtlichen Gründen irrelevant teilweise nicht übernahm, bedeutet nicht, dass es ohne Beweiswiederholung von den erstgerichtlichen Feststellungen abgegangen wäre. Ob die nicht übernommene Feststellung tatsächlich irrelevant ist, stellt eine rechtliche Beurteilung dar, auf die im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge einzugehen ist.
[2] 2.1. Eine analoge Anwendung der §§ 25c und 25d KSchG auf die Interzession durch bloße Pfandbestellung kommt nach ständiger Rechtsprechung mangels Vorliegens einer ungewollten Gesetzeslücke nicht in Betracht (RS0116829). Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Bestimmungen gilt, dass nur in besonderen Ausnahmefällen eine Warn- und Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Bürgen besteht, etwa wenn die Bank bereits vor Abschluss des Bürgschaftsvertrags Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners hat; ein derartiger Ausnahmefall kann dann anzunehmen sein, wenn die Bank aufgrund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vornherein weiß, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur seinerzeitigen Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird und sie daher den Bürgen allein – abweichend von der (banküblichen) üblichen Funktion einer Bürgschaft – wird in Anspruch nehmen müssen (RS0026805). Diese Grundsätze gelten auch für die Pfandbestellung (4 Ob 164/18y mwN). So wie die Bank nicht verpflichtet ist, einen Bürgen vor dem Abschluss eines Bürgschaftsvertrags über die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufzuklären, ist es auch nicht üblich, dass die Bank demjenigen, der ein Pfand bestellt, Auskünfte über die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers erteilt (RS0026779). Dies gilt erst recht dann, wenn der Bürge – wie hier die Kläger als (Minderheits-)Gesellschafter der Erstbeklagten als Kreditnehmerin – in einer besonderen Nahebeziehung zum Schuldner steht und von diesem selbst alle näheren Auskünfte fordern und erlangen kann (RS0026779 [T10]).
[3] 2.2. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Im Übrigen hat die zweitbeklagte Bank die Kläger anlässlich ihrer Pfandbestellungen ohnehin ausdrücklich auf die unzureichende Bonität der Erstbeklagten und den daraus resultierenden Umstand hingewiesen, dass die Kreditgewährung nur aufgrund der hypothekarischen Besicherung erfolgen könne.
[4] 3. Dass das Berufungsgericht die von den Klägern geltend gemachte Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit ihres Schuldanerkenntnisses verneinte, begründet ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage. Mit ihrer Behauptung, die Zweitbeklagte habe ihnen bewusst keine Zeit gelassen, ihre Entscheidung zu überdenken, entfernen sich die Kläger in unzulässiger Weise von den getroffenen Feststellungen, wonach sie den Inhalt dieses Vertrags, dessen Bedeutung und rechtliche Konsequenzen kannten.
[5] 4. Die von den Klägern weiters relevierte erhebliche Rechtsfrage des (vermeintlichen) Verstoßes gegen Compliance-Vorschriften durch eine (auch) private Beziehung zwischen dem Geschäftsführer der Erstbeklagten und dem damaligen Kundenbetreuer der Zweitbeklagten stellt sich hier im Ergebnis nicht. Ein allfälliger Verstoß gegen Compliance-Vorschriften konnte nämlich angesichts der Feststellungen, wonach der Kundenbetreuer bei keiner der Kreditgewährungen an die Erstbeklagte bankintern Einfluss nahm und auch nicht nehmen konnte, weil dafür der Vorstand zuständig war, von vornherein nicht kausal für den behaupteten Schaden der Kläger sein. Im Hinblick darauf ist die vom Berufungsgericht nicht übernommene Feststellung, wonach der Kundenbetreuer auch bei der letzten Kreditgewährung vom Geschäftsführer der Erstbeklagten dafür weder Geld noch Unternehmensanteile erhielt oder ihm solche zugesagt wurden, tatsächlich ohne rechtliche Relevanz.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00095.24B.0703.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-66837