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OGH 28.02.2024, 3Ob9/24f

OGH 28.02.2024, 3Ob9/24f

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A* S*, Russische Föderation, vertreten durch Mag. Lukas Leszkovics, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei V* GmbH, *, vertreten durch KOMWID Kompein Widmann & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 2,5 Mio EUR sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 47 R 218/23s, 47 R 219/23p-44, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 24 E 2390/21d-32, ersatzlos aufgehoben und jener vom , GZ 24 E 2390/21d-34, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses vom (Spruchpunkt I. im Beschluss des Rekursgerichts) richtet,

1. teilweise – in Ansehung des zugrunde liegenden Einstellungsantrags – Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts wird in diesem Umfang aufgehoben und die Exekutionssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die darauf entfallenden anteiligen Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

2. Im Übrigen – in Ansehung des zugrunde liegenden Aufschiebungsantrags im Hinblick auf den Einstellungsantrag – wird der Beschluss des Rekursgerichts zu Spruchpunkt I. bestätigt.

Die (anteiligen) Kosten der betreibenden Partei für die Revisionsrekursbeantwortung werden mit 1.601,70 EUR (darin enthalten 266,95 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

II. Zu Spruchpunkt II.2 im Beschluss des Rekursgerichts wird der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die betreibende Partei hat die darauf entfallenden anteiligen Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Mit Beschluss vom bewilligte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien dem Betreibenden gegen die Verpflichtete aufgrund des Vergleichs des Handelsgerichts Wien vom zur Hereinbringung von 2,5 Mio EUR sA (unter anderem) die Rechteexekution auf ihren näher bezeichneten Geschäftsanteil an der F* GmbH; die Entscheidung über den Verwertungsantrag wurde vorbehalten. Die Exekutionsbewilligung wurde der GmbH am zugestellt. In der Folge wurde die Rechteexekution gemäß § 44 JN an das Erstgericht überwiesen. Im Jahr 2022 veräußerte die Verpflichtete ihren Geschäftsanteil an der GmbH; die neuen Gesellschafter wurden am im Firmenbuch eingetragen.

[2] Am stellte die Verpflichtete den Antrag, das Exekutionsverfahren gemäß § 41 Abs 1 iVm § 39 Abs 1 Z 8 EO um den auf Pfändung und Verwertung des Geschäftsanteils der Verpflichteten an der GmbH gerichteten Teil einzustellen (Antrag auf Einstellung der Rechteexekution).

[3] Zusätzlich stellte sie die Anträge, das Exekutionsverfahren gerichtet auf den erwähnten Teil (Rechteexekution) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim Handelsgericht Wien eingebrachte Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vergleichs vom (Exekutionstitel) aufzuschieben (Antrag auf Aufschiebung der Rechteexekution im Hinblick auf die Klage);

in eventu, das Exekutionsverfahren gerichtet auf den erwähnten Teil (Rechteexekution) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Einstellung der Rechteexekution aufzuschieben (Antrag auf Aufschiebung der Rechteexekution im Hinblick auf den Einstellungsantrag).

I. Zu Spruchpunkt I. im Beschluss des Rekursgerichts:

[4] Mit Beschluss vom wies das Erstgericht den Antrag der Verpflichteten vom , soweit dieser den Aufschiebungsantrag im Hinblick auf den Antrag auf Einstellung der Rechteexekution sowie den Antrag auf Einstellung der Rechteexekution gemäß § 41 Abs 1 Z 1 iVm § 39 Abs 1 Z 8 EO betrifft, ab. In der Begründung führte es (zum Einstellungsantrag) unter anderem aus, dass die Veräußerung der Geschäftsanteile durch die Verpflichtete keinen Einstellungsgrund bilde und die Voraussetzungen für eine Einstellung der Rechteexekution gemäß § 39 Abs 1 Z 8 EO nicht vorlägen. Der Einstellungsantrag – und auch der Aufhebungsantrag gemäß § 42 Abs 1 Z 3 EO – seien daher abzuweisen.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten Folge und hob den Beschluss des Erstgerichts vom ersatzlos auf. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig (Spruchpunkt I.). Das Erstgericht habe nur über die Aufschiebung, nicht aber auch über die Einstellung der Rechteexekution entschieden. Der auf Einstellung der Exekution gerichtete Rekursantrag sei daher unberechtigt. Über den Aufschiebungsantrag (im Hinblick auf den Einstellungsantrag) hätte das Erstgericht noch nicht entscheiden dürfen, weil es sich dabei um einen Eventualantrag zum Aufschiebungsantrag im Hinblick auf die Klage handle. Das Erstgericht habe somit über den Eventualantrag entschieden, noch bevor es über den Hauptantrag entschieden habe. Da zum maßgebenden Zeitpunkt (des angefochtenen Beschlusses) noch keine Entscheidung über den Hauptantrag (auf § 41 Abs 1 Z 1 EO gestützter Aufhebungsantrag) bestanden habe, sei die Entscheidung des Erstgerichts ersatzlos aufzuheben (vgl RS0037547).

Rechtliche Beurteilung

[6] Der dagegen von der Verpflichteten erhobene Revisionsrekurs ist teilweise (hinsichtlich des Einstellungsantrags) im Sinn eines Aufhebungsantrags berechtigt.

Zum Einstellungsantrag:

[7] 1. Das Rekursgericht hat übersehen, dass das Erstgericht auch über den Antrag auf Einstellung der Rechteexekution entschieden hat. Den dagegen erhobenen Rekurs der Verpflichteten hat es daher zu Unrecht nicht behandelt. Es liegt in dieser Hinsicht ein unerledigter Sachantrag vor, was von der Verpflichteten zu Recht gerügt wird. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist daher in diesem Umfang aufzuheben und diesem die Entscheidung über den Rekurs der Verpflichteten gegen die Abweisung des Einstellungsantrags aufzutragen.

[8] Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO iVm § 78 EO (siehe auch § 65 Abs 3 EO).

Zum Aufschiebungsantrag:

[9] 2.1 Den Antrag auf Aufschiebung der Rechteexekution im Hinblick auf den Einstellungsantrag hat die Verpflichtete als Eventualantrag gegenüber dem Aufschiebungsantrag im Hinblick auf die Klage nachrangig gereiht (vgl RS0006429). Darüber hätte das Erstgericht am wegen des noch offenen Hauptantrags nicht entscheiden dürfen; mit Beschluss vom hat es dem Hauptantrag sodann (sogar) stattgegeben. Insoweit ist die ersatzlose Aufhebung des Beschlusses vom durch das Rekursgericht nicht zu beanstanden.

[10] Die Kostenentscheidung dazu gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm §§ 78, 65 Abs 3 Z 2 EO. Der darauf entfallende Kostenanteil beträgt ein Viertel der gesamten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung.

[11] 2.2 Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Rekursgericht den Hauptantrag (Antrag auf Aufschiebung der Rechteexekution im Hinblick auf die Klage) sowie auch den Eventualantrag (Antrag auf Aufschiebung der Rechteexekution im Hinblick auf den Einstellungsantrag) mit seinem Beschluss zu Spruchpunkt II.2 (nunmehr) abgewiesen hat (vgl RS0037663).

II. Zu Spruchpunkt II. im Beschluss des Rekursgerichts:

[12] Mit Beschluss vom gab das Erstgericht den Antrag auf Aufschiebung der Rechteexekution im Hinblick auf die Klage statt und schob die Exekution auf den Geschäftsanteil der Verpflichteten an der GmbH gemäß § 42 Abs 1 Z 1, § 44 Abs 1 Z 3 EO gegen eine Sicherheitsleistung von 500.000 EUR bis zur rechtskräftigen Erledigung des auf Feststellung der Rechtswirksamkeit des Titelvergleichs gerichteten Verfahrens auf. Dazu sprach es aus, dass die Aufschiebung erst mit Erlag der Sicherheitsleistung wirksam werde.

[13] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betreibenden Folge und wies (zu Spruchpunkt II.2) den Antrag der Verpflichteten vom auf Aufschiebung der Rechteexekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Titelvergleichs sowie zudem auch den Eventualantrag auf Aufschiebung der Rechteexekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Einstellung der Rechteexekution ab. Gleichzeitig verwies es die Verpflichtete mit ihrem Rekurs gegen den Beschluss vom (gegen die Auferlegung der Sicherheitsleistung) auf diese Entscheidung. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig.

[14] Mit dem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Verpflichtete keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[15] 1.1 Die Aufschiebung einer Exekution (§§ 42 ff EO) erfordert einen gesetzlichen Aufschiebungsgrund und die Gefahr eines nicht oder schwer zu ersetzenden (Vermögens-)Nachteils für den Aufschiebungswerber. Aus § 44 Abs 1 EO leitet die Rechtsprechung ab, dass der Aufschiebungswerber – abgesehen vom Fall der Offenkundigkeit – den ihm drohenden Nachteil im Sinn dieser Gesetzesstelle konkret und schlüssig behaupten und bescheinigen muss (RS0001619; RS0001421). Nur allgemeine Behauptungen reichen nicht aus. An die Behauptungs- und Bescheinigungslast des Aufschiebungswerbers sind prinzipiell strenge Anforderungen zu stellen (3 Ob 158/22i). Ein Vermögensnachteil wäre nur dann nicht oder nur schwer ersetzbar, wenn der Aufschiebungswerber entweder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, insbesondere wegen mangelnder finanzieller Mittel des allenfalls Ersatzpflichtigen, nicht damit rechnen kann, Ersatz für seinen Schaden zu erlangen (RS0001666 [T2]; RS0001628; 3 Ob 69/21z). Die verpflichtete Partei, die in einem Aufschiebungsantrag behauptet, ihr drohe bei Nichtaufschiebung der Verlust eines Geldbetrags, muss also konkret behaupten und bescheinigen, dass sie die gezahlten Geldbeträge vom Ersatzpflichtigen nicht mehr zurückerhalten werde (RS0001664; 3 Ob 73/13a).

[16] 1.2 Nach der – von den Umständen des Einzelfalls geprägten – Beurteilung des Rekursgerichts erstattete die Verpflichtete kein ausreichend konkretes Vorbringen zur Darlegung eines Vermögensnachteils. Die pauschale Behauptung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen und der Hinweis auf die Gefahr, dass die neuen Gesellschafter eine Exszindierungsklage erheben und die Kosten dieses Verfahrens an die Verpflichtete überwälzen würden, seien zu unbestimmt. Es könne daher nicht überprüft werden, ob und in welchem Umfang der Verpflichteten ein erheblicher Nachteil drohe.

[17] 1.3 Dieser Beurteilung tritt die Verpflichtete nicht entgegen.

[18] 2.1 Die Verpflichtete vertritt die Ansicht, dass bei Fortsetzung der Exekution auf einen bereits verkauften Geschäftsanteil einer GmbH die Gefahr eines nicht oder nur schwer ersetzbaren Vermögensnachteils des Verpflichteten offenkundig sei; dies gelte insbesondere bei einem in Russland wohnhaften Betreibenden in der derzeitigen politischen Lage (Ukraine-Krieg und Sanktionen gegen die Russische Föderation).

[19] 2.2 Nach der Rechtsprechung ist bei der Pfändung und Verwertung des Geschäftsanteils einer GmbH ein Vermögensnachteil des die Aufschiebung des Exekutionsverfahrens beantragenden Verpflichteten erst in einem Verfahrensstadium offenkundig, in dem bereits ein Schätzungsgutachten vorliegt und daher der Verkauf des Geschäftsanteils unmittelbar bevorsteht. Wenn der Verpflichtete die Aufschiebung aber schon in der Anfangsphase des Exekutionsverfahrens beantragt, hat er den durch die Fortsetzung des Verfahrens drohenden Vermögensnachteil konkret zu behaupten und bescheinigen (RS0124330; 3 Ob 212/08k).

[20] Warum diese Grundsätze für den Fall, dass der gepfändete Geschäftsanteil vom Verpflichteten nachträglich verkauft wurde, nicht gelten soll, vermag die Verpflichtete nicht zu begründen; dazu zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[21] 2.3 Zur Rechtsverfolgung in der Russischen Föderation hat der Senat in der Entscheidung zu 3 Nc 19/22g festgehalten, dass in Anbetracht der völkerrechtlich erklärten Weiteranwendung des HPÜ 1954 (BGBl 1957/91) sowie des Rechtshilfevertrags zwischen Österreich und der ehemaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken durch die Russische Föderation im Allgemeinen nicht anzunehmen ist, dass einer Partei die Rechtsverfolgung in der Russischen Föderation nicht möglich oder unzumutbar wäre (vgl auch RS0109288). Entgegen der Ansicht der Verpflichteten ist die gegenteilige Annahme somit jedenfalls nicht offenkundig. Auch dazu zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[22] 2.4 Auf die Abweisung auch des Eventualantrags (Antrag auf Aufschiebung der Rechteexekution im Hinblick auf den Einstellungsantrag) durch das Rekursgericht (vgl RS0037664) geht die Verpflichtete im außerordentlichen Revisionsrekurs nicht ein.

[23] 3.1 Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs gegen Spruchpunkt II.2 im Spruch des Rekursgerichts zurückzuweisen.

[24] 3.2 Die Kostenentscheidung für die insoweit nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Revisionsrekursbeantwortung der Betreibenden gründet sich auf §§ 528 Abs 3, 521a Abs 2 iVm § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO iVm §§ 78, 65 Abs 3 Z 2 EO.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00009.24F.0228.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-66833