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OGH 28.02.2024, 3Ob235/23i

OGH 28.02.2024, 3Ob235/23i

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei D*, vertreten durch Dr. Lechner & MMag. Niedrist Rechtsanwalts KG in Innsbruck, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei G*, vertreten durch DI (FH) Mag. Bernd Auer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterhalt (hier: einstweiliger Unterhalt), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 169/23h-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Ehe der Streitteile wurde mit (rechtskräftigem) Urteil vom geschieden und ausgesprochen, dass das überwiegende Verschulden an der unheilbaren Zerrüttung der Ehe den nunmehrigen Beklagten trifft. Die Klägerin bewohnt weiterhin die frühere Ehewohnung; die Betriebskosten dafür trägt der Beklagte. Außerdem zahlt der Beklagte weiterhin die Krankenzusatzversicherung der Klägerin. Die gemeinsamen Kinder werden im Haushalt des Beklagten betreut.

[2] Seit der Rechtskraft ihrer Scheidung am hat die Klägerin „keinerlei Aktivitäten gesetzt, um ein eigenes Einkommen zu erzielen“. Sie hat sich auch nicht arbeitssuchend gemeldet. Die Klägerin leidet an „multiplen Bandscheibenschäden“ und ist deshalb der Meinung, nicht arbeitsfähig zu sein; dennoch hat sie bisher keinen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt.

[3] Die Klägerin und gefährdete Partei (folgend: Klägerin) begehrte vom Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (folgend: Beklagter) neben rückständigem und laufendem Unterhalt auch einen einstweiligen Unterhalt (monatlich 2.150 EUR). Sie brachte zusammengefasst vor, der Beklagte erziele monatlich (zumindest) 13.650 EUR netto aus Geschäftsführerbezügen in mehreren Unternehmen, aus Mieteinnahmen und Erträgen aus Beteiligungen und Wertpapierdepots. Sie selbst habe kein Einkommen und sie sei wegen ihrer schweren gesundheitlichen Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar.

[4] Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die Klägerin könne bereits seit Juli 2020 einer beruflichen Tätigkeit nachgehen und sei auf ein fiktives Einkommen von monatlich 2.500 EUR „anzuspannen“. Sie müsse sich neben den unstrittig vom Beklagten geleisteten Zahlungen (für Betriebskosten und Krankenversicherung) den fiktiven Mietwert der von ihr benutzten Ehewohnung anrechnen lassen.

[5] Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, der Klägerin beginnend mit einstweiligen Unterhalt von monatlich 1.180 EUR zu zahlen.

[6] Die Klägerin habe die Voraussetzungen für die Gewährung eines einstweiligen Unterhalts bescheinigt. Der Beklagte habe sich auf eine „Anspannung“ der Klägerin berufen, allerdings die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes zu seinen Gunsten mit den Mitteln des Provisorialverfahrens nicht nachweisen können. Ausgehend von seinem monatlichen Nettoeinkommen ergebe sich (unter Berücksichtigung der überlassenen Ehewohnung) der zuerkannte Betrag.

[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten dagegen Folge und änderte die Entscheidung im abweisenden Sinn ab.

[8] Nach § 66 EheG sei der Unterhaltsanspruch subsidiär zu eigenen Einkünften aus Vermögen und Erwerbstätigkeit. Die Klägerin habe nicht bescheinigen können, dass sie nicht in der Lage sei, durch eine Erwerbstätigkeit ihren Unterhalt zu decken, oder dass ihr eine solche Tätigkeit nicht zumutbar wäre. Da fest stehe, dass die Klägerin seit der Scheidung keine Aktivitäten gesetzt habe, um eigenes Einkommen zu erzielen, und darüber hinaus nicht fest stehe, ob und in welcher Höhe sie ein solches erzielen könnte, sei ihr Anspruch auf einstweiligen Unterhalt nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[9] In ihrem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs vermag die Klägerin keine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

[10] 1.1 Gemäß § 66 EheG hat der allein oder überwiegend schuldige Ehepartner dem anderen Teil den nach den Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit Einkünfte des Unterhaltsberechtigten aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 66 EheG ist der Unterhaltsanspruch des schuldlos geschiedenen Ehegatten gegenüber eigenen Einkünften und eigenem Vermögen subsidiär (RS0110630 [T1]). Der Unterhaltsberechtigte ist im Rahmen der Zumutbarkeit zur Erwerbstätigkeit verpflichtet (vgl RS0080396; RS0057355) und hat seine Arbeitskraft primär für die Beschaffung des eigenen Unterhalts einzusetzen (RS0005947 [T1]; vgl auch Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht2 § 66 EheG Rz 17 mwN). Der Umstand, dass der gemäß § 66 EheG Unterhalt begehrende Teil während der Ehe keiner Berufstätigkeit nachging, hat nicht zur Folge, dass ihm gar keine Arbeitstätigkeit zugemutet werden könnte (vgl RS0057355 [T3]).

[11] 1.2 Der Ehepartner, der einstweiligen Unterhalt nach § 66 EheG iVm § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO fordert, hat gemäß § 389 EO nicht nur zu behaupten und zu bescheinigen, dass die Einkünfte aus Vermögen zur Deckung seines angemessenen Unterhalts nicht ausreichen, sondern auch, dass er sich durch eine Erwerbstätigkeit diesen Unterhalt nicht zu verschaffen in der Lage oder ihm eine solche Tätigkeit überhaupt nicht zumutbar ist (RS0005947; vgl auch Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht2 § 66 EheG Rz 20).

[12] 2.1 Die Entscheidung des Rekursgerichts stimmt mit dieser Rechtslage überein. Die Klägerin setzte nach dem als bescheinigt festgestellten Sachverhalt bisher „keinerlei Aktivitäten“, um ein Eigeneinkommen zu erzielen, sie hat sich auch weder arbeitssuchend gemeldet, noch versucht, Pensionsleistungen zu erhalten. Wenn das Rekursgericht daher die Negativfeststellung dazu, ob und in welcher Höhe die Klägerin ein Einkommen erzielen könnte, zu ihren Lasten wertete, so ist dies nicht korrekturbedürftig.

[13] 2.2 Die Bezugnahme des Revisionsrekurses auf zwei – ebenfalls Unterhaltsansprüche nach § 66 EheG, allerdings nicht einstweiligen Unterhalt betreffende – Entscheidungen (7 Ob 210/17h und 7 Ob 112/18y) zeigt weder einen Widerspruch des angefochtenen Beschlusses dazu, noch eine – wie die Klägerin meint – im Lichte der Einzelfallgerechtigkeit aufzugreifende Fehlbeurteilung auf. In beiden Fällen wurde zwar zu Beweislastfragen Stellung genommen, allerdings ausgehend von einer mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbaren Tatsachengrundlage. Ausgehend von der Feststellung, dass die Klägerin überhaupt keine Aktivitäten gesetzt hat, um im Rahmen des ihr konkret Zumutbaren eigene Einkünfte oder Leistungen zu erhalten, begründet die Anwendung des auch in der gegebenen Konstellation in Frage kommenden Anspannungsgrundsatzes (vgl dazu 7 Ob 210/17h) keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts.

[14] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00235.23I.0228.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-66793