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OGH 24.03.2022, 3Ob22/22i

OGH 24.03.2022, 3Ob22/22i

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Di*, 2. Do*, beide vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Franz P. Oberlercher und Mag. Gustav H. Ortner Rechtsanwalts-GmbH in Spittal an der Drau, und deren Nebenintervenientin C* GmbH, *, vertreten durch Dr. Maximilian Motschiunig, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Verbesserung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 168/21i-64, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Kläger erwarben von der Beklagten mit Kaufvertrag vom eine Eigentumswohnung in einem denkmalgeschützten Gebäude, das die beklagte Bauträgerin und Wohnungseigentumsorganisatorin revitalisiert und durch zwei angrenzende Neubauten erweitert hatte. Rund zwei Jahre nach dem Bezug der Wohnung begehrten sie von der Beklagten Verbesserung, hilfsweise Vertragsanpassung wegen Irrtums, hilfsweise Schadenersatz für Wertminderung und höhere Heizkosten, weil das Objekt nicht die vertraglich zugesicherten Energiewerte habe; der tatsächliche Heizwärmebedarf sei doppelt so hoch wie im Prospekt angegeben.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren sowie die Eventualbegehren im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Parteien einen bestimmten Heizwärmebedarf der Wohnung nicht zum Inhalt des Kaufvertrags gemacht hätten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen von den Klägern erhobene außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1.1 Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, leistet Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäfts oder der getroffenen Vereinbarung gemäß verwendet werden kann (§ 922 Abs 1 ABGB).

[5] 1.2 Eine Leistung ist dann mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückbleibt. Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt (RS0018547 [T5]).

[6] 1.3 Ein Mangel der Eigentumswohnung in Bezug auf den tatsächlichen Heizwärmebedarf läge nur vor, wenn die Beklagte den Klägern einen bestimmten, tatsächlich nicht vorhandenen Wert durch ihre Angaben (allenfalls auch nur im Prospekt) zugesichert hätte. Auf der Grundlage den dem Obersten Gerichtshof bindenden erstgerichtlichen Feststellungen sind die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gekommen, dass von einer solchen Zusage nicht die Rede sein könne, weil der Heizwärmebedarf nicht Thema der Vertragsverhandlungen und in den Unterlagen für die gekaufte Wohnung dazu nichts enthalten war und die Kläger auf die unrichtige Angabe des Energiewerts im Aushang für die gesamte Wohnanlage gerade nicht vertraut hätten. Die außerordentliche Revision zeigt nicht auf, aus welchem Grund darin eine unvertretbare Fehlbeurteilung liegen sollte.

[7] 2.1 Über die Energiewerte oder Energieeffizienz der von den Klägern gekauften Wohnung wurde – abgesehen von einer Rückfrage des Erstklägers nach einem Energieausweis und der Zusage des Geschäftsführers der Beklagten, dass ein solcher „noch in Arbeit“ sei und nachgereicht werde, – bei den Vertragsverhandlungen nicht gesprochen. Ein Energiewert des Kaufobjekts war auch nicht in den schriftlichen Unterlagen sowie in den näheren Verhandlungen über die Ausstattung der Wohnung thematisiert. Im Gegenteil steht fest, dass sich die – irrtümlich beim Verfassen der Anzeige aus einem Energieausweis des Altbestands 2013 übernommenen – unzutreffenden Angaben über den Energiewert auf die gesamte Anlage (mit Altbauvilla und den beiden Neubauten sowie des Innenraums) gerade nicht auf einzelne Wohnungen und damit auch nicht auf das von den Klägern erworbene Objekt bezogen. Dass die Kläger nicht auf die Richtigkeit oder eine Zusage vertrauten, zeigt sich in der Nachfrage des Erstklägers nach einem aktuellen Energieausweis. Entgegen der Rechtsansicht der Kläger ist daher ein Widerspruch der angefochtenen Entscheidung zur Rechtsprechung, nach der für den Vertragsinhalt der Wortlaut der Vereinbarung und der Erklärungen gemessen am Empfängerhorizont maßgeblich ist (RS0017915 [T19]), nicht erkennbar. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Klägern nicht auf eine Zusage der für die gesamte Anlage in einer für nicht fachkundige Käufer kaum verständlichen Weise angegebenen, falschen Energiewerte („HWB = 67,8 kWh/m2a / fGEE = 2,27 (vor Revitalisierung)“) vertraut hätten und die Parteien einen bestimmten Heizwärmebedarf der gekauften Altbauwohnung angesichts der konkreten Verhandlungen nicht zum Vertragsinhalt gemacht hätten, ist – entgegen der Ansicht der Kläger – keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Erklärungsverhaltens der Vertragsparteien.

[8] 2.2 Auch aus der von den Klägern mehrfach zitierten Entscheidung 3 Ob 24/05h lässt sich für ihren Rechtsstandpunkt nichts gewinnen: Nach dem dort zu beurteilenden Sachverhalt war die Eigenschaft des Kaufgegenstands, deren Fehlen geltend gemacht wurde (Grundstück, das bis zur Wasserlinie reicht), den Käufern aufgrund der Bezeichnung als „Seegrundstück“ verbindlich zugesagt worden. Eine solche verbindliche Zusage lag aber hier gerade nicht vor.

[9] 2.3 Aus den Bestimmungen der §§ 6 und 7 EAVG kann – entgegen der Auffassung der Kläger – nicht abgeleitet werden, dass ein erst nach Vertragsabschluss erstellter Energieausweis „als bedungene Eigenschaften im Sinn des § 922 ABGB anzusehen“ wäre: Durch das Bundesgesetz über die Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises beim Verkauf und bei der
In-Bestand-Gabe von Gebäuden und Nutzungsobjekten (Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2012EAVG 2012), BGBl I Nr. 27/2021, wurde die Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden („Gebäuderichtlinie 2010“) umgesetzt. Die Erläuterungen zu § 6 EAVG stellen klar, dass auch im Fall einer (erheblichen) Abweichung von dem in einem ordnungsgemäß vor Vertragsabschluss vorgelegten Energieausweis angegebenen Wert „nach allgemeinem Gewährleistungsrecht zu beurteilen“ ist, ob darin ein nach den §§ 922 f ABGB relevanter Mangel liegt (1650 BlgNR 24. GP 18). Damit begegnet die Begründung des Berufungsgerichts, dass die Kläger hier mangels einer entsprechenden Vereinbarung aus dem erst nach Vertragsabschluss von der Beklagten übermittelten Energieausweis keine Gewährleistungsrechte ableiten könnten, keinen Bedenken.

[10] 3.1 In der von der Klägerin ebenfalls noch genannten Entscheidung 8 Ob 7/10b wurde festgehalten, dass zwar die öffentlichen (Werbe-)Aussagen des Übergebers/Verkäufers bei der Beurteilung der Frage, ob die Sache dem Vertrag entspricht, mit einfließen, dass aber § 922 Abs 2 ABGB nicht ausschließe, dass die Parteien letztlich von öffentlichen Ankündigungen des Übergebers abweichende Vereinbarungen treffen. Damit stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht im Widerspruch.

[11] 3.2 Soweit die Revisionswerber meinen, eine nachträgliche Einbindung oder Konkretisierung von Gewährleistungsrechten sei möglich, fehlt dafür eine Tatsachengrundlage. Fest steht hingegen, dass die im endgültigen, berichtigten Energieausweis für den denkmalgeschützten Teil des Gebäudes ausgewiesenen Werte sowohl dem tatsächlichen Zustand desselben entsprechen, als auch der für Art und Alter eines solchen Gebäudes üblichen Gesamtenergieeffizienz. Aus dem zunächst ebenfalls erst nach Vertragsabschluss im Auftrag der Beklagten für die Baubehörde erstellten, jedoch auf unrichtigen tatsächlichen Annahmen (betreffend getauschte Fenster im Altbau) beruhenden Energieausweis können die Kläger keine Ansprüche gegen die Beklagte ableiten. Auch in diesem Zusammenhang vermag das Rechtsmittel daher eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht aufzuzeigen.

[12] 3.3 Nach ständiger Rechtsprechung sind vom Berufungsgericht verneinte Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens vom Obersten Gerichtshof nicht mehr zu überprüfen (vgl RS0030748). Soweit die Kläger meinen, aus der begehrten, vom Erstgericht abgelehnten Beischaffung der Baufortschrittsmeldungen hätten sich Rückschlüsse auf das „zivilrechtliche Pflichtenprogramm der beklagten Partei“ ergeben, bekämpfen sie in Wahrheit – unzulässig (vgl RS0069246 [T1]; RS0042903 [T5] ua) – die Richtigkeit der Feststellungen.

[13] 4. Die Anregung zur Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs war nicht aufzugreifen, weil keine entscheidungsrelevanten unionsrechtlichen Fragen („Gebäuderichtlinie 2010“) zu klären waren.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00022.22I.0324.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-66782