OGH 31.01.2024, 3Ob211/23k
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei C*, vertreten durch Forsthuber & Partner Rechtsanwälte OG in Baden, gegen die verpflichtete Partei L* GmbH, *, vertreten durch Mag. Jürgen Payer & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Erwirkung vertretbarer Handlungen (§ 353 EO), über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom , GZ 13 R 86/23d-15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Oberwart vom , GZ 4 E 4102/22d-8, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die Kosten der Rekursbeantwortung und des Revisionsrekurses werden der betreibenden Partei mit 1.415,88 EUR (hierin enthalten 235,98 EUR USt) und 3.144,90 EUR (hierin enthalten 424,15 EUR USt und 600 EUR Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung:
[1] Das Erstgericht bewilligte der Betreibenden aufgrund eines rechtswirksamen gerichtlichen Vergleichs antragsgemäß die Exekution gemäß § 354 EO zur Erwirkung der „Fertigstellung und Herstellung nachstehender Leistungen: a) Photovoltaikanlage bei beiden Häusern, b) Alarmanlage bei beiden Häusern, c) Klimaanlage bei beiden Häusern, d) Rollläden straßenseitig bei beiden Häusern, e) Vorplatz bei der betreibenden Partei, f) Subzähler für den Wasserverbrauch“, und ermächtigte die Betreibende, auf Kosten der Verpflichteten die genannten Leistungen durch einen befugten Gewerbsmann funktionstüchtig fertigstellen zu lassen.
[2] Nach Rechtskraft dieser Exekutionsbewilligung beantragte die Verpflichtete die Einstellung der Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 10 EO, weil die zu erbringenden Leistungen entgegen § 7 Abs 1 EO im Titel nicht nach Gegenstand, Art, Umfang und Zeit ausreichend bestimmt seien. Aus dem Vergleich sei nicht einmal der Ort, an dem die Leistungen zu erbringen seien, erschließbar. Darüber hinaus fehlten bei sämtlichen Leistungen die notwendigen und leicht möglichen Konkretisierungen.
[3] Die Betreibende sprach sich gegen die Einstellung der Exekution aus und verwies zum Umfang der zu erbringenden Leistungen auf (näher bezeichnete) Beilagen zum Exekutionsantrag. Es sei klar, dass sich die Exekution nur auf die Liegenschaft der Betreibenden beziehen könne. Bei Abschluss des Vergleichs hätten die Parteien offenkundig gewusst, was sie gemeint hätten, weil sie sich andernfalls nicht auf die gewählte Formulierung geeinigt hätten.
[4] Das Erstgericht präzisierte daraufhin die Exekutionsbewilligung dahin, dass sich die Bewilligung und Ermächtigung bei sämtlichen Leistungen (nur) auf das Objekt der Klägerin (Haus 2) beziehe, und wies den Einstellungsantrag ab. Die geschuldete Handlung sei dem Titel eindeutig zu entnehmen.
[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es die Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 10 EO einstellte und der Betreibenden gemäß § 75 EO sämtliche Exekutionskosten aberkannte. Der Titel genüge den Anforderungen des § 7 Abs 1 EO nicht, weil ihm bereits der Ort, an dem die Handlungen erfolgen sollten, nicht zu entnehmen sei. Auch die laut Titel zu erbringenden vertretbaren Handlungen seien weder ausreichend genau noch eindeutig beschrieben, obwohl dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Eine Ergänzung aus Urkunden bzw aus dem Titelakt komme nicht in Betracht. In § 39 EO seien die allgemeinen Gründe einer Exekutionseinstellung nicht taxativ aufgezählt. Die Exekution sei immer dann einzustellen, wenn ein den im Gesetz genannten Einstellungsgründen rechtsähnlicher Sachverhalt vorliege. Gemäß § 39 Abs 1 Z 10 EO sei die Exekution unter anderem dann einzustellen, wenn bereits im Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung ein die Exekution deckender Titel nicht vorhanden gewesen sei. Hier habe es dem Titel bereits bei Exekutionsbewilligung an der erforderlichen Bestimmtheit gemangelt, sodass die Exekution einzustellen sei.
[6] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den Revisionsrekurs zur Frage zu, ob eine nicht ausreichende Bestimmtheit des Exekutionstitels eine Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 10 EO nach bereits eingetretener Rechtskraft der Exekutionsbewilligung „bewirke“.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs der Betreibenden ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist auch berechtigt.
[8] 1. Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor: Die Betreibende wurde zwar nicht persönlich zum Einstellungsantrag einvernommen, wohl aber wurde ihr iSd § 55 Abs 1 Satz 3 EO die – von ihr auch genutzte – Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
[9] 2.1. Nach ständiger Rechtsprechung gelten auch bei der Exekution zur Erwirkung vertretbarer Handlungen die Erfordernisse der Bestimmtheit (RS0109436 [T1]). Im Exekutionstitel müssen vertretbare Handlungen so genau umschrieben werden, wie dies tunlich ist (RS0000808 [T9]).
[10] 2.2. Die im Revisionsrekurs relevierte Frage, ob das Rekursgericht den Titel zu Recht als nicht hinreichend bestimmt iSd § 7 Abs 1 EO erachtet hat, kann hier offen bleiben. Selbst wenn man nämlich davon ausgehen wollte, dass der Titel den Bestimmtheitserfordernissen des § 7 Abs 1 EO nicht entspricht, könnte das, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, die Einstellung der Exekution nicht rechtfertigen.
[11] 3.1. Für die Zulässigkeit der Exekutionseinstellung ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, wann der Einstellungsgrund entstanden ist. Auch wenn der maßgebliche Sachverhalt schon vor Bewilligung der Exekution verwirklicht war, kann dies also zur Einstellung der Exekution führen. So steht die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung einer Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 2 EO nur entgegen, wenn sich das Bewilligungsgericht mit der Frage der Zulässigkeit der Exekution im Hinblick auf den fraglichen Einstellungsgrund ausdrücklich befasst hat. Die Einstellung der Exekution ist somit grundsätzlich als zulässiger Eingriff in die heilende Wirkung der Rechtskraft der Exekutionsbewilligung konzipiert (Jakusch in Angst/Oberhammer3 § 39 EO Rz 7 mwN).
[12] 3.2. Von den in § 39 EO genannten Einstellungsgründen käme hier von vornherein nur jener des Abs 1 Z 10 in Betracht. Demnach ist die Exekution unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogenen Exekutionsakte einzustellen, wenn sie nicht durch einen Exekutionstitel gedeckt ist oder diesem die Bestätigung der Vollstreckbarkeit fehlt.
[13] 3.3. Nach ihrem Wortlaut könnte diese Bestimmung prinzipiell auch den Fall erfassen, dass zwar der im Exekutionsantrag und der Exekutionsbewilligung genannte Titel existiert, aber mangels Bestimmtheit iSd § 7 Abs 1 EO nicht exequierbar ist (und aus diesem Grund im Ergebnis die bewilligte Exekution nicht decken kann). Allerdings berechtigt nicht jeder Mangel des Exekutionstitels, der bei richtiger rechtlicher Würdigung zur Abweisung des Exekutionsantrags hätte führen müssen, zur nachträglichen Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 10 EO, weil ein derart weitgehender Eingriff in die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung nicht in der Absicht des Gesetzgebers der EO-Novelle 1995 lag, mit der § 39 Abs 1 Z 10 EO eingeführt wurde. Mit dieser sollte nämlich lediglich die bisher bestehende Rechtsprechung, wonach die Exekution in analoger Anwendung des § 39 Abs 1 Z 1 EO auch dann einzustellen war, wenn der Exekutionstitel bereits vor der Exekutionsbewilligung außer Kraft getreten war bzw schon damals eine Vollstreckbarkeitsbestätigung fehlte, auf eine solide gesetzliche Basis gestellt werden (Jakusch in Angst/Oberhammer3 § 39 EO Rz 63/1). § 39 Abs 1 Z 10 EO darf also nicht als universeller Einstellungsgrund missverstanden werden (Deixler-Hübner in Deixler-Hübner, § 39 EO Rz 47b). Dieser Einstellungsgrund liegt vielmehr nur dann vor, wenn ein dem Tatbestand des § 39 Abs 1 Z 1 EO rechtsähnlicher Sachverhalt vorliegt, also die Exekution ohne Exekutionstitel oder Bestätigung der Vollstreckbarkeit oder irrtümlich zu Gunsten eines anderen als des aus dem Titel Berechtigten oder irrtümlich zu Lasten eines anderen als des aus dem Titel Verpflichteten bewilligt wurde oder wenn der Titel seine Eignung zur Exekution verloren hat (Deixler-Hübner in Deixler-Hübner, § 39 EO Rz 46 mwN).
[14] 3.4. Entgegen der Ansicht der Verpflichteten und des Rekursgerichts verwirklicht die mangelnde Bestimmtheit des Titels (und damit dessen mangelnde Exequierbarkeit) also den Einstellungsgrund des § 39 Abs 1 Z 10 EO nicht.
[15] 3.5. Die Aufzählung der Einstellungsgründe in § 39 Abs 1 EO ist zwar nicht taxativ, weshalb die Exekution auch dann einzustellen ist, wenn ein den Einstellungsgründen rechtsähnlicher Sachverhalt vorliegt; solche Gründe stellen etwa das Fehlen der inländischen Gerichtsbarkeit oder der Parteifähigkeit dar, weiters der Vollzug ohne Deckung durch eine Exekutionsbewilligung, die verbotene Exekution, sofern diese nicht schon entschiedener Gegenstand des Titelverfahrens war, der unzulässige Eingriff durch die Exekutionsführung in die Rechtssphäre Dritter, die perplexe (wirkungslose) Exekutionsbewilligung, beispielsweise ein ungeeignetes Exekutionsmittel zur Zielerreichung, oder der perplexe Exekutionsvollzug sowie die Unmöglichkeit der Handlung des Verpflichteten nach § 354 EO (3 Ob 289/02z mwN). Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor, und die mangelnde Bestimmtheit des Titels ist den genannten Sachverhalten auch nicht gleichzuhalten.
[16] 3.6. Für den Standpunkt der Betreibenden (und des Rekursgerichts) könnte der Rechtssatz sprechen, dass die mangelnde Bestimmtheit des Titels iSd § 7 Abs 1 EO nicht mit Impugnationsklage, sondern nur mit Rekurs oder Einstellungsantrag geltend gemacht werden kann (RS0000327; so auch 3 Ob 292/05w; 3 Ob 220/07k mwN; vgl auch Höllwerth in Deixler-Hübner, § 7 EO Rz 108 mwN). Allerdings geht der erkennende Fachsenat in seiner jüngeren Rechtsprechung – im Einklang mit den obigen Ausführungen – davon aus, dass die mangelnde Bestimmtheit eines Exekutionstitels iSd § 7 Abs 1 EO (nicht mit Klage nach § 36 EO, sondern) nur mit Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung geltend zu machen ist (3 Ob 135/08m; 3 Ob 165/12d; 3 Ob 59/19a; 3 Ob 60/19y; 3 Ob 61/19w; in diesem Sinn auch schon 3 Ob 102/90). Daran ist weiterhin festzuhalten.
[17] 4. Dem Revisionsrekurs ist daher dahin Folge zu geben, dass der erstgerichtliche Beschluss wiederhergestellt wird.
[18] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO. Der im Revisionsrekurs verzeichnete Streitgenossenzuschlag steht allerdings nicht zu, weil der Betreibendenvertreter nur eine einzige Partei vertritt und ihm auch nur eine einzige Partei gegenübersteht. Auch die verzeichnete Verbindungsgebühr steht nicht zu. Die Pauschalgebühr für den Revisionsrekurs beträgt gemäß TP 4 Z III lit a GGG bei einem Streitwert von 37.100 EUR nur 600 EUR.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00211.23K.0131.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-66778