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OGH 28.02.2024, 3Ob205/23b

OGH 28.02.2024, 3Ob205/23b

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des F* M* jun, *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des gerichtlichen Erwachsenenvertreters Mag. D* B*, Rechtsanwalt, *, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 20 R 153/23z-238, mit dem über Rekurs des Vaters des Betroffenen F* M* sen, *, der Beschluss des Bezirksgerichts Hollabrunn vom , GZ 5 P 57/18h-221, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird die angefochtene Entscheidung als nichtig aufgehoben.

Der Rekurs des F* M* sen gegen den Beschluss des Erstgerichts wird als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Erstgericht bestellte mit Beschluss vom Rechtsanwalt Mag. B* gemäß § 268 Abs 3 Z 2 ABGB (aF) zum Sachwalter für den Betroffenen mit näher bestimmtem Wirkungsbereich. Mit Beschluss vom erneuerte es die gerichtliche Erwachsenenvertretung und sprach aus, dass Mag. B* gemäß § 271 ABGB als gerichtlicher Erwachsenenvertreter weiter für den bisherigen Aufgabenkreis bestellt wird und die Erwachsenenvertretung spätestens am endet.

[2] Am kam der Vater des Betroffenen zum gerichtlichen Amtstag und gab bekannt, mit der Erwachsenenvertretung durch Mag. B* nicht zufrieden und bereit zu sein, diese zu übernehmen. Mit Schreiben vom „kündigte“ der Vater „die Erwachsenenvertretung […] durch Mag. B*“ und erklärte „Meine Person macht Die Erwachsenen Vertretung selbst ohne das Gericht“.

[3] Über gerichtliche Aufforderung bekanntzugeben, ob er einen Wechsel in der Person des Erwachsenenvertreters von Mag. B* auf seinen Vater wünsche, teilte der Betroffene mit Schreiben vom mit, diesen Wechsel zu beantragen.

[4] Das Erstgericht wies mit am folgenden Tag gefasstem Beschluss den Antrag des Vaters auf Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung ab und sprach aus, dass Mag. B* gerichtlicher Erwachsenenvertreter des Betroffenen bleibt. Das Erstgericht verstand das Schreiben des Betroffenen vom bloß als Äußerung des Betroffenen „zum Antrag seines Vaters“.

[5] Der Vater des Betroffenen erhob gegen die erstgerichtliche Entscheidung Rekurs.

[6] Rechtsanwalt Mag. B* erstatte als gerichtlicher Erwachsenenvertreter namens des Betroffenen eine Rekursbeantwortung.

[7] Das Rekursgericht wies mit der angefochtenen Entscheidung die Rekursbeantwortung als unzulässig zurück und änderte in Stattgebung des Rekurses die Entscheidung dahin ab, dass Mag. B* als gerichtlicher Erwachsenenvertreter enthoben und – mit unverändertem Wirkungsbereich – der Vater zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter gemäß § 271 ABGB bestellt wird. Die Zurückweisung der Rekursbeantwortung begründete das Rekursgericht damit, dass der gerichtliche Erwachsenenvertreter hinsichtlich der Person des Erwachsenenvertreters weder Parteistellung noch Legitimation zur Beteiligung am diesbezüglichen Rekursverfahren besitze. Zur Umbestellung führte es aus, es gehe aus § 274 ABGB hervor, dass der Gesetzgeber eine verbindliche Stufenfolge für die Auswahl der Person des Erwachsenenvertreters beabsichtigt habe.

[8] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung nicht zu, es liege keine Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität vor.

[9] Gegen diese Entscheidung richtet sich der von Rechtsanwalt Mag. B* als gerichtlichem Erwachsenenvertreter namens des Betroffenen wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene (richtig) außerordentliche Revisionsrekurs mit einem auf Verweigerung der gewünschten Umbestellung abzielenden Abänderungs- und hilfsweise einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

[10] Der Vater des Betroffenen erstattete keine – ihm vom Senat freigestellte – Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil – wie in der Zulassungsbeschwerde inhaltlich zutreffend aufgegriffen – nach der Rechtsprechung der noch nicht rechtskräftig enthobene Erwachsenenvertreter gegen die Umbestellung zwar nicht im eigenen Namen, sehr wohl aber, wenn er im Namen und im Interesse des Betroffenen das Rechtsmittel einbringt, rekurslegitimiert ist (1 Ob 50/22t [Rz 4] mwN), und er folglich auch das Recht hat, wie hier geschehen, im Namen und im Interesse des Betroffenen den Rekurs eines Angehörigen zu beantworten. Zudem widerspricht die vom Rekursgericht für die von ihm beschlossene Umbestellung gegebene Begründung der herrschenden Auffassung, wonach die Nichteinhaltung der Reihenfolge des § 274 ABGB bei der seinerzeitigen Erwachsenenvertreterbestellung kein Grund für eine Umbestellung ist (7 Ob 49/20m [Pkt 2.3]; Stefula in KBB7 [2023] § 246 Rz 12).

[12] Auf diese Aspekte kommt es aber letztlich nicht an, weil dem Rekursgericht auch eine – von Amts wegen wahrzunehmende – Nichtigkeit unterlief:

[13] Angehörige haben kein Recht auf Beantragung der Übertragung der Erwachsenenvertretung, also auf Stellung eines Umbestellungsantrags. Tritt das Gericht der im „Antrag“ enthaltenen (bloßen) Anregung auf Umbestellung nicht näher, kann es hierüber einen Aktenvermerk verfassen, gegen welchen kein Rekursrecht des Angehörigen besteht (eingehend 8 Ob 119/20p = NZ 2021, 517 [zust Ganner]; Traar/Pesendorfer/Lagger-Zach/Fritz/Barth, Erwachsenenschutzrecht2 [2023] § 127 AußStrG Rz 14). Aber auch wenn das Gericht – wie hier geschehen – mit förmlichem Beschluss ausspricht, dass der „Antrag“ (richtig: die Anregung) des Angehörigen abgewiesen wird und der bisherige Erwachsenenvertreter bestellt bleibt, steht dem Angehörigen dagegen kein Rekursrecht zu, weil das Rekursrecht nicht von der vom Gericht gewählten Entscheidungsform abhängen kann. Auch ein solcher Rekurs ist zurückzuweisen (eingehend 8 Ob 115/21a; Traar et al aaO).

[14] Behandelt das Gericht zweiter Instanz in einer solchen Lage – wie hier – den Rekurs meritorisch statt ihn zurückzuweisen, ist bei Vorliegen eines zulässigen Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof – ein solches liegt hier vor – die Entscheidung des Rekursgerichts als nichtig aufzuheben und der Rekurs zurückzuweisen (RS0121264; 8 Ob 115/21a [Rz 13 f]).

[15] Anders als sein Vater ist der Betroffene berechtigt, einen Umbestellungsantrag zu stellen. Das Erstgericht hat über den vom Betroffenen selbst gestellten Antrag aber gerade nicht entschieden; Spruch und Begründung des Erstgerichts sind insofern eindeutig. Nur bei einer Entscheidung über diesen Umbestellungsantrag hätte der Vater nach § 127 Abs 3 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 AußStrG ein Rekursrecht.

[16] Aus Anlass des zulässigen Rekurses des Erwachsenenvertreters ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Rekurs des Vaters gegen die vom Erstgericht (nur) beschlossene Abweisung seines Umbestellungs„antrags“ zurückzuweisen.

[17] Das Erstgericht wird das Verfahren über den vom Betroffenen selbst gestellten Umbestellungsantrag – unter Beachtung der zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen in der Aktenlage – fortzusetzen haben. Ob eine neuerliche (schriftliche oder mündliche) Anhörung des Betroffenen aufgrund der am bei Gericht eingelangten Mitteilung seines Vaters, worin dieser erklärt damit einverstanden zu sein, dass Mag. B* „bis Ende 2024 weiter macht“, erforderlich ist, obliegt der Beurteilung des Erstgerichts; ebenso die Klärung, ob diese Mitteilung dahin zu verstehen ist, dass der Vater – möglicherweise aus gesundheitlichen Gründen – erst ab 2025 wieder bereit ist, die Erwachsenenvertretung zu übernehmen. Es wäre im Lichte des § 243 ABGB generell klärungsbedürftig, ob der Gesundheitszustand des im 89. Lebensjahr stehenden Vaters so gut ist, dass seine Bestellung eine – im Allgemeinen anzustrebende – stabile Betreuungssituation erwarten lässt (vgl 3 Ob 76/20b [Pkt 4.2] mwH).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00205.23B.0228.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-66772