OGH 19.04.2023, 3Ob19/23z
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache (hier) der minderjährigen Kinder 1) E* D*, geboren am * 2013, und 2) E* D*, geboren am * 2016, beide wohnhaft bei ihrer Mutter A* D* (§ 10a AußStrG), hier wegen vorläufigen Kontaktrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters M* D*, vertreten durch Dr. Dominik Brunner, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 96/22a-98, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Das Rekursgericht setzte – aus Anlass des Rekurses des Vaters – die vom Erstgericht beschlossene vorläufige Kontaktregelung vorläufig aus, erkannte diesem Beschluss vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckung zu und erkannte dem angefochtenen Beschluss des Erstgerichts die vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit ab.
Rechtliche Beurteilung
[2] Mit dem gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Vater keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[3] 1. Oberster Grundsatz bei der Kontaktrechtsregelung ist das Kindeswohl (RS0048056; RS0047754 [T14 und T18]). Im Konfliktfall hat das Interesse eines Elternteils gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzutreten (RS0048062; RS0048068).
[4] Einem Elternteil steht nach der Rechtsprechung das Kontaktrecht insoweit nicht zu, als das Wohl des Kindes durch dessen Ausübung massiv gefährdet wäre. Nur bei einer derartigen schwerwiegenden Gefährdung hat in einem – selbst unverschuldeten – Konfliktfall der Kontaktrechtsanspruch eines Elternteils gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten (RS0047955; RS0048068). Die gänzliche Unterbindung des persönlichen Kontakts zwischen einem Elternteil und dem Kind muss grundsätzlich die Ausnahme bleiben und jede sich ohne Gefährdung des Kindeswohls bietende Möglichkeit einer Kontaktaufnahme genutzt werden (RS0047754 [T15]). Die vollständige Aussetzung der Besuchskontakte zu einem Elternteil (hier zum Vater) wäre aber etwa dann gerechtfertigt, wenn der Vater notwendige begleitete Besuchskontakte nicht wahrnehmen will oder diese – insbesondere aus Gründen in seiner Sphäre – nicht durchgeführt werden können und in einem solchen Fall das Unterbleiben des persönlichen Kontakts dem Kindeswohl mehr entspricht als eine unbegleitete Kontaktrechtsausübung (vgl 4 Ob 78/20d).
[5] Die Beurteilung, ob die bestehende Gefährdungssituation die vollständige Aussetzung der Kontakte zum Vater – im Anlassfall ohnedies nur vorläufig bis zur weiteren Abklärung dieser Situation – rechtfertigt, hängt letztlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
[6] 2. Aufgrund der wiederholt eskalierenden, insbesondere aggressiven, gewalttätigen und vollkommen uneinsichtigen und unkooperativen Verhaltensweisen des Vaters wurden die bisher unternommenen Versuche zur Durchführung einer Besuchsbegleitung und Einrichtung einer Besuchsmittlung von den dafür zuständigen Stellen abgelehnt. Der Vater versucht, die Kinder zu manipulieren und steht auf dem Standpunkt, dass die Kinder das zu tun haben, was er ihnen sage, und nicht das, was das Jugendamt oder das Gericht vorschreibe.
[7] Die Einschätzung des Rekursgerichts, dass der Vater nicht davor zurückschrecke, sein unberechenbares Verhalten in Anwesenheit der beiden jüngeren Kinder fortzusetzen, was für deren Wohl besonders abträglich sei und daher selbst begleitete Besuchskontakte bis zum Vorliegen der erforderlichen Erhebungsergebnisse nicht verantwortet werden könnten, ist keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Da der Vater jede Form der notwendigen Besuchsbegleitung ablehnt und die bisherigen Versuche zur Ermöglichung solcher Kontakte aufgrund des Verhaltens des Vaters gescheitert sind, kann – entgegen der Ansicht des Vaters – keine Rede davon sein, dass im Anlassfall keine massive Gefährdung des Wohls der beiden minderjährigen Kinder vorliege und der Beschluss des Erstgerichts angemessen sei. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen ebenso wenig vor wie der behauptete Nichtigkeitsgrund.
[8] 3. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00019.23Z.0419.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-66762