OGH 20.07.2022, 3Ob128/22b
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin J* P*, vertreten durch Englmair Rechtsanwalts GmbH in Linz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Absonderungsgläubigerin H* Privatstiftung, *, vertreten durch Dr. Herbert Heigl und Mag. Willibald Berger, Rechtsanwälte in Marchtrenk, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 194/21k-58, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom , GZ 240 Hc 6/19h-55, (anfechtungsrechtlich) abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Exekutionssache zur Entscheidung über den Rekurs der Absonderungsgläubigerin an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Die Absonderungsgläubigerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Das Erstgericht wies die Vollzugsbeschwerde der Absonderungsgläubigerin nach § 68 EO ab.
[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Absonderungsgläubigerin „mit der Maßgabe nicht Folge“, dass die Vollzugsbeschwerde nicht ab-, sondern (mangels Antragslegitimation) zurückgewiesen werde. Die Vollzugsbeschwerde könne außer von den Parteien auch von Dritten erhoben werden, in deren Interessen durch die bekämpften Maßnahmen eingegriffen werde. Die von der Rekurswerberin lediglich behauptete, aber nicht bescheinigte Stellung als Absonderungsgläubigerin vermittle ihr keine solche Rechtsposition. Die Behauptung im Rekurs, das Absonderungsrecht (im Insolvenzverfahren) angemeldet zu haben, sei eine unbeachtliche Neuerung. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Entscheidung von keiner erheblichen Rechtsfrage abhängig sei.
[3] Gegen diesen Beschluss richtet sich der (einseitige: vgl RS0116198) Revisionsrekurs der Absonderungsgläubigerin, der auf die Stattgebung der Vollzugsbeschwerde abzielt.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts zulässig; er ist im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[5] 1. Auf gerichtliche Veräußerungen durch das ersuchte Exekutionsgericht im Insolvenzverfahren sind gemäß § 119 Abs 2 erster Satz IO die Bestimmungen der EO mit den in § 119 Abs 2 IO angeführten Abweichungen anzuwenden. Das Rechtsmittelverfahren richtet sich im Anlassfall nach der Exekutionsordnung. Auch im Exekutionsverfahren gilt für den Rekurs das Neuerungsverbot (RS0002371).
[6] 2. Neben den Parteien des Exekutionsverfahrens gibt es auch an diesem Verfahren oder an einer Exekutionshandlung beteiligte Personen (vgl RS0001289; vgl auch RS0110287). Wem in einem Exekutionsverfahren die Stellung eines Beteiligten zukommt, ergibt sich in erster Linie aus dem Gesetz. In der Entscheidung zu 3 Ob 199/88 wurde dazu ausgeführt, dass aus § 68 EO (für eine Vollzugsbeschwerde) die Beteiligtenstellung jener Personen abzuleiten sei, die sich durch einen Vorgang des Exekutionsvollzugs beschwert erachteten. Aufgrund des hier gegebenen Zusammenhangs zum Insolvenzverfahren der Schuldnerin ist auch auf § 84 Abs 3 IO Bedacht zu nehmen, wonach über Beschwerden unter anderem eines (Insolvenz-)Gläubigers gegen Maßnahmen des Insolvenzverwalters das (Insolvenz-)Gericht zu entscheiden hat. Aus diesen Wertungen ist abzuleiten, dass einem Absonderungsgläubiger im kridamäßigen Verwertungsverfahren grundsätzlich Beteiligtenstellung zuzuerkennen ist, weil sein Befriedigungsfonds maßgebend vom Ausgang dieses Verfahrens abhängt. Dabei handelt es sich nicht nur um ein rein wirtschaftliches Interesse des Absonderungsgläubigers.
[7] 3. Die Revisionsrekurswerberin hat in der Vollzugsbeschwerde darauf hingewiesen, dass sie am versteigerten Miteigentumsanteil des fraglichen Bildes „bekanntlich“ ein Absonderungsrecht habe. In der zuvor am eingebrachten Mitteilung hat sie zudem darauf verwiesen, dass sie im „Interessentenverzeichnis“ des Masseverwalters geführt werde. Auf die Anmeldung ihrer (besicherten) Forderung und auf den Rechtsgrund für ihr Absonderungsrecht hat sie zwar erst im Rechtsmittelverfahren ausdrücklich Bezug genommen, was aber nichts daran ändert, dass sie bereits vor dem Erstgericht ihr Absonderungsrecht ausreichend behauptet hat. Davon ist offenbar auch das Erstgericht ausgegangen, das die Vollzugsbeschwerde inhaltlich behandelte. Die Revisionsrekurswerberin hat daher im Rahmen des vorliegenden kridamäßigen Verwertungsverfahrens ihre Beteiligtenstellung ausreichend dargelegt. Ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot liegt insoweit nicht vor.
[8] Dafür spricht auch, dass das Exekutionsgericht den Verwertungserlös aus der kridamäßigen Versteigerung nur dann dem Insolvenzverwalter ohne Meistbotsverteilungsverfahren überweisen darf, wenn zweifellos keine Absonderungsrechte bestehen (Jelinek in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 119 Rz 36). Wenn bei der Verteilung selbst auf zu diesem Zeitpunkt noch zweifelhafte Absonderungsrechte Bedacht zu nehmen ist, muss dies grundsätzlich auch im Zusammenhang mit einer zeitlich vorgelagerten Vollzugsbeschwerde gelten.
[9] 4. Zusammengefasst folgt, dass die Revisionsrekurswerberin ihre Beteiligtenstellung rechtzeitig und (noch) ausreichend dargelegt hat, weshalb sie zur Vollzugsbeschwerde nach § 68 EO legitimiert ist. Demnach hätte das Rekursgericht die Vollzugsbeschwerde nicht zurückweisen dürfen.
[10] Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den – inhaltlich bisher nicht behandelten – Rekurs der Absonderungsgläubigerin aufzutragen.
[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO. Die Revisionsrekurswerberin ist nicht betreibende Partei; ein Zwischenstreit liegt nicht vor (vgl 3 Ob 48/11x).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00128.22B.0720.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-66737