Suchen Hilfe
OGH 11.09.2024, 3Ob123/24w

OGH 11.09.2024, 3Ob123/24w

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn (Vorsitzender), die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P*, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E* AG, *, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 2.275.870,03 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 158/23m-30, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Das Bestehen und der Umfang von Schutz- und Sorgfaltspflichten, wie etwa von Beratungs- und Aufklärungspflichten von Banken, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (vgl RS0106373 [T4]; RS0111165 [T7]).

[2] 2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die beklagte Bank vor Durchführung der vom Kläger (dem vormaligen Erstkläger) beauftragten Überweisungen auf Konten von Kryptobörsen über den sich aus dem von ihr implementierten Warnsystem ergebenden (wie sich später herausstellen sollte, berechtigten) Betrugsverdacht nur ihn selbst und nicht auch seine während des Berufungsverfahrens verstorbene Gattin (die vormalige Zweitklägerin, deren Gesamtrechtsnachfolger der Kläger ist) informieren musste, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar:

[3] 2.1. Der Kläger und seine Gattin waren bezüglich ihres gemeinsamen Girokontos bei der Beklagten jeweils einzelzeichnungsberechtigt; es handelte sich daher um ein sogenanntes „Oder-Konto“. Bei diesem kann jeder Kontoinhaber im eigenen Namen über das gesamte Guthaben aus dem Konto verfügen, wobei das Zuvorkommen („Angehen“ iSd § 892 ABGB) entscheidet (9 Ob 26/98h).

[4] 2.2. Der Girovertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag, nach dem die Bank Verfügungen des Kunden (etwa Überweisungsaufträge) im Rahmen seines Guthabens für seine Rechnung in aller Regel bis zur Beendigung der Geschäftsverbindung ausführen muss (RS0032986). Auf den Girovertrag sind die Regeln über den Auftrag mitanzuwenden (RS0019656). Überweisungsaufträge sind einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, zu deren Ausführung sich das Geldinstitut im Giroverkehr verpflichtet hat. Ihr Zugang löst die Ausführungsverpflichtung aus (RS0019656 [T1]). Aus der dem Auftragsverhältnis immanenten Interessenwahrungspflicht resultiert allerdings unter anderem die Pflicht zur Sorgfalt oder zur Rückfrage bei unklarem oder zu unbestimmtem Auftrag (RS0019656 [T4]).

[5] 2.3. Es trifft zu, dass die Beklagte angesichts des von ihrem internen Warnsystem gemeldeten Verdachts einer gerichtlich strafbaren Handlung (nämlich des Betrugs zu Lasten der Kontoinhaber) zur Information darüber verpflichtet war; daraus folgt aber entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass sie nicht nur ihn selbst (als Auftraggeber der betreffenden Überweisungen), sondern auch die zweite Einzelzeichnungsberechtigte warnen hätte müssen. Jedenfalls ohne Hinzutreten besonderer, hier gerade nicht vorliegender Umstände (wie etwa Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Klägers) war die Beklagte, dazu verpflichtet, die Überweisungsaufträge, die der Kläger trotz Hinweises auf den Betrugsverdacht bekräftigt hatte, durchzuführen. Sie war daher weder berechtigt noch gar verpflichtet, die Gattin des Klägers gesondert auf den bestehenden Betrugsverdacht hinzuweisen, um auf diese Weise den Kläger – entgegen seinem von ihm klar erklärten Willen – allenfalls indirekt von den problematischen Überweisungen abzuhalten.

[6] 3. Es begründet auch keine erhebliche Rechtsfrage, dass das Berufungsgericht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten dahin auslegte, dass die (bloße) Reaktivierung des (anlässlich der ersten aufgrund des internen Warnsystems eingestoppten Überweisung) gesperrten Online-Verfügers des Klägers ohne Zustimmung der Mitkontoinhaberin zulässig war, weil es sich dabei um keine Disposition über das Konto an sich handelte, sondern dieser Vorgang nur die Art des Zugriffs auf das Konto betraf.

[7] 4. Der Kläger wiederholt in seinem Rechtsmittel zwar auch seinen Standpunkt, die Beklagte hätte ihn selbst angesichts der Vielzahl von Überweisungen an Kryptobörsen in einem relativ kurzen Zeitraum öfter als bloß zweimal (zu Beginn der Überweisungen) auf den Betrugsverdacht aufmerksam machen müssen. Damit kann er allerdings schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen, weil er sich mit der Argumentation des Berufungsgerichts, wonach sich am Grundsachverhalt, der die ersten beiden Warnungen ausgelöst habe, im Wesentlichen nichts geändert habe, es sich um Konten großer durchaus seriöser Kryptobörsen gehandelt habe und das Geld in der Folge aufgrund betrügerischer Handlungen dritter Personen „verloren gegangen“ sei, inhaltlich gar nicht auseinandersetzt.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00123.24W.0911.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-66735