OGH 20.07.2022, 3Ob121/22y
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. S*, vertreten durch Lansky, Ganzger, Goeth, Frankl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. E* W*, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, sowiedurch Kopp Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen § 35 EO, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 340/21b-27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 41 C 22/19b-23, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei vom wird zurückgewiesen.
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
[1] Im vorliegenden Oppositionsverfahren ist zu klären, ob der Oppositionskläger seine titelmäßige Verpflichtung zur Rechnungslegung – zum Zweck der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage im Unterhaltsprozess mit seiner hier beklagten Ehegattin – erfüllt hat. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Behandlung des Erlöses aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile des Klägers an der Unternehmensgruppe DDr. W*, die er im März 2017 an die S*-Gruppe abgetreten hat.
[2] Mit Teilurteil des Erstgerichts vom , GZ *, wurde der Kläger schuldig erkannt, der Beklagten über seine monatlichen Einkünfte ab Rechnung zu legen. Aufgrund dieses vollstreckbaren Teilurteils bewilligte das Erstgericht mit Beschluss vom , GZ *, der Beklagten als Betreibende gegen den Kläger als Verpflichteten zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf Rechnungslegung über das monatliche Einkommen ab die Exekution nach § 354 EO.
[3] Mit der am eingebrachten Oppositionsklage machte der Kläger geltend, seine titelmäßige Verpflichtung jedenfalls ab erfüllt zu haben. Den Abtretungspreis für die Veräußerung seiner Gesellschaftsanteile könne er aufgrund einer Geheimhaltungsvereinbarung nicht offen legen. Im Übrigen habe er alle Unterlagen zu seinem monatlichen Einkommen der Beklagten zur Verfügung gestellt.
[4] Die Beklagte entgegnete, dass die Rechnungslegung des Klägers unvollständig sei. Hinsichtlich seiner Einkünfte aus der Unternehmensgruppe DDr. W* fehle die Rechnungslegung zur Gänze.
[5] Das Erstgericht gab der Oppositionsklage statt und sprach aus, dass der Anspruch der hier Beklagten auf Rechnungslegung erloschen sei. Der Kläger habe nunmehr alle ihm zu seinem monatlichen Einkommen zur Verfügung stehenden Unterlagen zur Verfügung gestellt. Diese Unterlagen seien formell vollständig und detailliert. Dadurch habe der Kläger seine Verpflichtung zur Rechnungslegung erfüllt. Eine Offenlegung des Abtretungspreises aus der Veräußerung seiner Gesellschaftsanteile sei aufgrund der mit der Käuferin abgeschlossenen Geheimhaltungsvereinbarung und dem sich daraus ergebenden schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresse nicht notwendig.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Das Vorbringen des Klägers zur Geheimhaltungsvereinbarung mit den Käufern seiner Gesellschaftsanteile sei – mit Rücksicht auf das bereits abgeführte Oppositionsverfahren – nicht präkludiert, weil die Nichtbeachtung der Eventualmaxime (nur) einen Verfahrensmangel begründe; ein solcher sei von der Beklagten aber nicht geltend gemacht worden. Inhaltlich schulde der Kläger eine formell vollständige und detaillierte Rechnungslegung, die einer Überprüfung zugänglich sein müsse. Dies betreffe auch den Erlös aus der Veräußerung seiner Beteiligung an Kapitalgesellschaften, weil es sich dabei im Normalfall um Einkommen handle. Vertraglich eingegangene Geheimhaltungspflichten könnten dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht entgegengehalten werden. Da der Kläger sein Einkommen aus der Veräußerung seiner Gesellschaftsanteile nicht offen gelegt habe, habe er die titelmäßige Rechnungslegungspflicht bisher nicht wirksam erfüllt, weshalb die Oppositionsklage abzuweisen sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob bei der Rechnungslegung durch den unterhaltspflichtigen Ehegatten zur Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage berechtigte Geheimhaltungsinteressen Dritter zu berücksichtigen seien, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.
[8] Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite „zu verwerfen“ und die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision ist zulässig und im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[10] 1. Im vorliegenden Oppositionsverfahren ist zu klären, ob der Kläger seine titelmäßige Verpflichtung zur Rechnungslegung erfüllt hat. Der zugrundeliegende, der Beklagten zuerkannte Anspruch besteht darin, dass ihr der Kläger über seine monatlichen Einkünfte ab Rechnung zu legen hat.
[11] Aufgrund der Beurteilung des Berufungsgerichts stellt sich im Revisionsverfahren die Frage, ob der Erlös aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen zu den (monatlichen) Einkünften des Unterhaltsschuldners gehört. Dies ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – zu verneinen.
[12] 2.1 Unter dem Begriff „Einkommen“ (gleichbedeutend mit „monatlichen Einkünften“) wird die Summe aller dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden Mittel unter Berücksichtigung unterhaltsrechtlich beachtlicher Abzüge und Aufwendungen verstanden (RS0003799). Neben Erwerbseinkommen, Arbeitsloseneinkommen und Einkommen aus Alters- oder Berufsunfähigkeitspension sind auch Erträgnisse von Vermögen, wie Zinsen, Dividenden, Gewinnausschüttungen, Ausschüttungen aus einer Privatstiftung, Miet- und Pachterlöse sowie Leibrentenzahlungen zum Einkommen zu zählen (RS0009550; RS0122837). Die Vermögenssubstanz selbst ist bei der Bemessung des Unterhalts hingegen grundsätzlich nicht heranzuziehen (vgl RS0133517).
[13] 2.2 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Erlöse aus dem Verkauf von Liegenschaftsvermögen – selbst bei vereinbarter Ratenzahlung (vgl 1 Ob 98/03y) – als reine Vermögensumschichtungen zu behandeln und deshalb nicht als „Erträgnis des Vermögens“, sondern vielmehr als Gegenwert für die Sachsubstanz selbst und damit als „Vermögenssubstanz“ anzusehen sind (1 Ob 98/03y; 3 Ob 9/19y iFamZ 2019/123 [Deixler-Hübner]; 5 Ob 206/20k). Der Erlös aus dem Verkauf eines Vermögensobjekts ist somit nicht als Einkommen zu behandeln, und zwar selbst dann nicht, wenn durch den Verkauf ein Wertzuwachs realisiert wurde (vgl 3 Ob 9/19y).
[14] 2.3 In der Entscheidung zu 6 Ob 6/21g wurde – unter Bezugnahme auf die dargelegte Rechtsprechung – ausgesprochen, dass für die Übertragung eines Geschäftsanteils an einer GmbH und die Erzielung eines Veräußerungserlöses daraus nichts anderes gelten könne, weil auch der Geschäftsanteil ein Vermögensbestandteil sei.
[15] Bereits aus der Entscheidung zu 1 Ob 14/04x lässt sich ableiten, dass ein Gesellschaftsanteil zur Vermögenssubstanz des Unterhaltspflichtigen gehört und dies auch für die Umwandlung in Geld durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils gilt (vgl dazu auch 3 Ob 96/15m; 5 Ob 206/20k).
[16] Zu 6 Ob 49/08m wurde zudem ausgesprochen, dass „Gewinnausschüttungen“, die der Unterhaltsschuldner als Gegenwert für die Übertragung eines Gesellschaftsanteils erhalte, mit Ratenzahlungen vergleichbar seien, die der Unterhaltspflichtige für die Veräußerung von Vermögen beziehe, und auch solche Ratenzahlungen als Vermögensumschichtungen dem Vermögensstamm zuzurechnen seien.
[17] 2.4 Aus diesen Grundsätzen folgt, dass der Erlös aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile des Klägers als Gegenwert für die Vermögenssubstanz und nicht als Erträgnis des Vermögens zu qualifizieren ist. Der in Rede stehende Veräußerungserlös ist daher nicht zum Einkommen des Klägers zu zählen, weshalb dessen vom Berufungsgericht geforderte Offenlegung in der titelmäßigen Rechnungslegungspflicht des Klägers keine Deckung findet.
[18] 2.5 Den Fragen, ob der Unterhaltspflichtige auf die Veranlagung des Kapitals aus einer Vermögensveräußerung anzuspannen ist (vgl 3 Ob 96/15m Pkt 4.6.3; 6 Ob 6/21g Pkt 2.2) und ob er den Verkaufserlös für seine private Lebensführung verwendet und insofern den Stamm seines Vermögens angegriffen hat (vgl RS0047382), kommt im vorliegenden Oppositionsprozess angesichts der konkreten titelmäßigen Verpflichtung des Klägers keine Bedeutung zu. Auf die Frage, ob im Abtretungspreis für die veräußerten Gesellschaftsanteile thesaurierte Gewinne enthalten sind (vgl 6 Ob 6/21g Pkt 1.1), geht die Beklagte in ihrer Berufung, in der sie sich auf Gewinnausschüttungen und Entnahmen vom Verrechnungskonto bezogen hat, nicht eingegangen; dies kann in dritter Instanz nicht mehr nachgeholt werden (RS0043573 [insb T2, T13, T33, T42 und T43]).
[19] 3. Auf die Zulassungsfrage, ob die Offenlegung des – nicht zu den monatlichen Einkünften des Klägers zählenden – Veräußerungserlöses für die Gesellschaftsanteile aufgrund zu berücksichtigender Geheimhaltungsinteressen Dritter (hier der Käufer der Geschäftsanteile) verweigert werden darf, kommt es nicht an, weshalb diese – als bloß theoretische Frage – nicht beantwortet werden muss.
[20] 4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. Eine abschließende Beurteilung ist allerdings noch nicht möglich, zumal die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung der Behauptung des Klägers, er habe seiner Rechnungslegungspflicht auch in allen anderen Punkten vollständig entsprochen, in der Revisionsbeantwortung entgegentritt. Dazu beruft sie sich auch auf die in ihrer Berufung geltend gemachten Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens sowie auf das Vorliegen sekundärer Feststellungsmängel. Dazu ergibt sich, dass sich das Berufungsgericht nur mit der Frage des Erlöses aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile des Klägers befasst und ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht die Mängel- und Tatsachenrüge der Beklagten zu den anderen Fragen unbehandelt gelassen hat. Das Urteil des Berufungsgerichts war daher – in Stattgebung der Revision – aufzuheben und die Rechtssache zur abschließenden Erledigung der Berufung der Beklagten an die zweite Instanz zurückzuverweisen.
[21] Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. S* W*, vertreten durch Lansky, Ganzger, Goeth, Frankl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. E* W*, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, sowie durch Kopp Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen § 35 EO, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 3 Ob 121/22y, wird wie folgt berichtigt:
I. Im Kopf der Entscheidung hat die Bezeichnung der Vertreter der beklagten Partei zu lauten:
„vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, sowie durch Kopp Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg“.
II. Dem Spruch wird folgender Satz vorangestellt:
„Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei vom wird zurückgewiesen.“
III. In der Begründung hat in Pkt 2.5 der letzte Satz zu lauten:
„Auf die Frage, ob im Abtretungspreis für die veräußerten Gesellschaftsanteile thesaurierte Gewinne enthalten sind (vgl 6 Ob 6/21g Pkt 1.1), ist die Beklagte in ihrer Berufung, in der sie sich auf Gewinnausschüttungen und Entnahmen vom Verrechnungskonto bezogen hat, nicht eingegangen; dies kann in dritter Instanz nicht mehr nachgeholt werden (RS0043573 [insb T2, T13, T33, T42 und T43]).“
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Gemäß § 419 ZPO kann das Gericht jederzeit Schreib- und Rechenfehler oder offenbare Unrichtigkeiten berichtigen (vgl RS0041519). Die vorliegende Berichtigung wurde deshalb notwendig, weil aufgrund eines offenkundigen Irrtums auf die zweite Revisionsbeantwortung der beklagten Partei vom Bezug genommen wurde. Diese zweite Revisionsbeantwortung war zurückzuweisen, weil nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zusteht (RS0041666).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00121.22Y.0720.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAF-66733