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OGH 19.07.2023, 3Ob119/23f

OGH 19.07.2023, 3Ob119/23f

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „K*“ * GmbH & Co KG, *, vertreten durch Neulinger Mitrofanova Čeović Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Partei Dkfm. Friedrich W*, Steuerberater, *, vertreten durch Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, und deren Nebenintervenienten Mag. H* K*, öffentlicher Notar, *, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unwirksamerklärung und Löschung, über die außerordentlichen Revisionen sowohl der beklagten Partei als auch des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 32/23p-45, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht gab (im zweiten Rechtsgang) der Löschungsklage der Klägerin statt. Dementsprechend erklärte es das im Grundbuch zu Gunsten des Beklagten eingetragene Pfandrecht für unwirksam (Spruchpunkt 1) und sprach aus, dass das im Grundbuch zu Gunsten des Beklagten eingetragene Pfandrecht aufgrund seiner Unwirksamkeit gelöscht werde (Spruchpunkt 2).

[2] Mit ihren dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionen zeigen weder der Beklagte noch der Nebenintervenient eine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Im Revisionsverfahren stellt sich die Frage, ob der (vollstreckbare) Notariatsakt vom aus materiell-rechtlicher Sicht eine taugliche Grundlage für die Eintragung der Hypothek zur Sicherung der von der (Löschungs-)Klägerin anerkannten Forderung ist, konkret ob entweder ein konstitutives Anerkenntnis oder ein materiell-rechtlich wirksames Schuldbekenntnis vorliegt. Das Berufungsgericht verneinte dies mit der Begründung, dass der Notariatsakt kein konstitutives Anerkenntnis beinhalte und auch keinen Rechtsgrund enthalte, weshalb es sich um ein abstraktes Rechtsgeschäft handle.

[4] 2.1 Das konstitutive Anerkenntnis ist ein Feststellungsvertrag, mit dem der Schuldner die aufgrund einer ernstlichen Rechtsbehauptung des Gläubigers entstandene Unsicherheit durch die Erklärung beseitigt, die Verpflichtung auch für den Fall zu begründen, dass sie bisher nicht bestanden haben sollte (1 Ob 27/01d; 4 Ob 167/15k). Ein solches Anerkenntnis ist daher nur zur Bereinigung eines ernsthaft entstandenen konkreten Streits oder Zweifels über den Bestand einer Forderung möglich (RS0032896 [T4]). Liegen keine Zweifel des Schuldners am Bestand der Forderung vor, so ist das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses zu verneinen (1 Ob 27/01d).

[5] Nach der Rechtsprechung ist das konstitutive Anerkenntnis ein selbständiger Verpflichtungsgrund (Kausalvertrag), dessen Rechtsgrund die Streitbereinigung selbst ist (RS0032541; RS0111900; RS0032792 [T3]). Ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (RS0017965; RS0032666).

[6] 2.2 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass kein konstitutives Anerkenntnis vorliege, weil weder nach dem Inhalt des Notariatsakts vom noch nach den Feststellungen ein Streit über offene Forderungen oder Zweifel über deren Bestehen vorgelegen habe, weshalb auch keine Bereinigungswirkung in Betracht komme, steht mit den Rechtsprechungsgrundsätzen im Einklang.

[7] 3.1 Ein Anerkenntnis ohne Bereinigungswirkung (Schuldbekenntnis) kann nach der Rechtsprechung keine konstitutive Wirkung entfalten (1 Ob 27/01d). Zudem ist anerkannt, dass ein abstraktes Schuldversprechen dem österreichischen Recht grundsätzlich – mangels gesetzlicher Sonderregelung – fremd ist. Ein reines Schuldbekenntnis, bei dem kein Rechtsgrund vorliegt, bleibt daher ohne rechtliche Wirkung (RS0014027).

[8] 3.2 Hinsichtlich der mit der Klägerin zur Begründung der Zahlungspflicht getroffenen Vereinbarung hat sich der Beklagte (auch im erstinstanzlichen Verfahren) nur auf den Notariatsakt vom berufen. Diese notarielle Schuldanerkenntnis- und Vollstreckbarerklärung sei ein realer und sachlich begründeter Vertrag. Aus den Einwendungen ergibt sich aber nicht etwa, dass der Notariatsakt nur zum Zweck der Sicherung der Zahlungspflicht durch Verbücherung errichtet und die materiell-rechtliche Einigung mit der Klägerin bereits zuvor durch eine Vereinbarung ohne Notariatsaktsform wirksam getroffen wurde. Für die Beurteilung der materiell-rechtlichen Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Begründung der Zahlungspflicht der Klägerin kommt es daher nur auf den Inhalt des Notariatsakt an, zumal die rechtsgeschäftlichen Erklärungen iSd § 52 NO vor dem Notar abgegeben wurden (vgl Wagner/Knechtel, NO6 § 52 Rz 6 und 19 sowie § 68 Rz 13; Dobler in Zib/Umfahrer, NO § 52 Rz 42) und in den Notariatsakt Eingang gefunden haben.

[9] Da der Notariatsakt keinen Rechtsgrund für das Schuldbekenntnis der Klägerin enthält, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es im Anlassfall an einem materiell-rechtlich wirksamen Schuldtitel (kausaler Pfandvertrag als Grundlage für die akzessorische Pfandbestellung) fehle und das einverleibte Pfandrecht der Sicherung eines unwirksamen abstrakten Schuldanerkenntnisses diene, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[10] Mangels erheblicher Rechtsfrage waren die außerordentlichen Revisionen zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00119.23F.0719.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-66731