OGH 30.05.2022, 2Ob42/22y
Rechtssatz
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RS0134138 | Der Oberste Gerichtshof stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die nachstehend genannten Wortfolgen in Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs als verfassungswidrig aufheben: 1. In § 178 Abs 1 ABGB idF des BG BGBl I 15/2013 die Wortfolge: „Ist in dieser Weise der Elternteil, der mit der Obsorge allein betraut ist, betroffen, so hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes zu entscheiden, ob der andere Elternteil oder ob und welches Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) mit der Obsorge zu betrauen ist; Letzteres gilt auch, wenn beide Elternteile betroffen sind. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Großelternpaar (diesen Großelternteil).“ 2. In § 204 ABGB idF des BG BGBl I 15/2013 die Wortfolge: „noch Großeltern oder Pflegeeltern“ sowie „oder betraut werden können“. 3. Hilfsweise stellt der Oberste Gerichtshof den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art 140 B‑VG nur die nachstehend genannten Wortfolgen in Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs als verfassungswidrig aufheben: 1. In § 178 Abs 1 ABGB idF des BG BGBl I 15/2013 die Wortfolgen: „oder ob und welches Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil)“ sowie „Letzteres gilt auch, wenn beide Elternteile betroffen sind. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Großelternpaar (diesen Großelternteil).“ 2. In § 204 ABGB idF des BG BGBl I 15/2013 die Wortfolge: „noch Großeltern oder Pflegeeltern“. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie die Hofräte Dr. Nowotny, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1. N*a *, geboren * 2016, *, 2. N*ina *, geboren * 2018, *, 3. N*e *, geboren * 2019, *, wegen Obsorge, über den Revisionsrekurs der mütterlichen Urgroßeltern D* und M*, beide vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 54 R 118/21f-150, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom , GZ 6 PS 17/19m-129, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich auf die Regelung der Obsorge für N*a *, geboren * 2016, und N*e *, geboren * 2019, bezieht, zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] N*a *, geboren 2016, N*ina *, geboren 2018, und N*e *, geboren 2019, sind die Kinder von M* und B*. Die Obsorge wurde den Eltern in den Bereichen Pflege und Erziehung rechtskräftig entzogen, die Kinder befinden sich derzeit bei Pflegefamilien. Strittig ist, wem die Obsorge in Zukunft zukommen soll: Das Land Tirol beantragt, die Obsorge für N*a und N*e ihm als Träger der Kinder- und Jugendhilfe und für N*ina jenem Pflegeelternpaar zu übertragen, von dem sie derzeit betreut wird. Die – 1954 bzw 1956 geborenen – mütterlichen Urgroßeltern beantragen, die Obsorge für alle drei Kinder ihnen zu übertragen. Die Großeltern sind nicht bereit, die Obsorge zu übernehmen.
[2] Das Erstgericht übertrug die Obsorge für N*a und N*e dem Land Tirol als Träger der Kinder- und Jugendhilfe und für N*ina den Pflegeeltern.
[3] Es stellte fest, dass N*a und N*e bei ihren Pflegeeltern gut gefördert würden und ein Abbruch der Beziehungen ihr Wohl gefährdete; zudem wären die Urgroßeltern mit der Betreuung dieser Kinder überfordert. Hingegen werde N*ina bei ihren Pflegeeltern vergleichsweise weniger gefördert; ihre Pflegeeltern bemühten sich zwar, wiesen aber eine geringe Bindungstoleranz und ein unsicheres Bindungsverhalten auf. Zwar sei N*ina in die Pflegefamilie integriert, sie hätte aber bei ihren Urgroßeltern die besseren Entwicklungschancen. Daher sei aus „fachlicher Sicht“ auch unter Bedachtnahme auf die negativen Folgen eines Beziehungsabbruchs zu den Pflegeeltern eine Platzierung von N*ina bei den Urgroßeltern zu empfehlen.
[4] Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass Grundlage für die Obsorgeentscheidung die Bestimmung des § 178 ABGB sei. Danach seien bei Verhinderung der Eltern die Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge zu betrauen. Nur wenn diese Personen nicht betraut seien oder betraut werden könnten, komme nach § 204 ABGB die Betrauung einer anderen geeigneten Person in Betracht. Wenn sich auch danach keine geeigneten Personen finden ließen, sei nach § 209 ABGB der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Obsorge zu betrauen. Im konkreten Fall sei bei N*a und N*e von vornherein der Kinder- und Jugendhilfeträger zu betrauen, weil die Betrauung der Urgroßeltern das Kindeswohl gefährdete und auch sonst keine geeigneten Personen vorhanden seien. Bei N*ina hätten die grundsätzlich geeigneten Pflegeeltern nach § 178 ABGB Vorrang vor den in dieser Bestimmung nicht genannten Urgroßeltern.
[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.
[6] Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass die Urgroßeltern nicht – auch nicht analog – von § 178 ABGB erfasst würden. Daher seien bei N*ina die Pflegeeltern zu betrauen. Bei N*a und N*e sei die Betrauung der Urgroßeltern schon wegen der in diesem Fall drohenden Kindeswohlgefährdung nicht möglich, sodass insofern jedenfalls der Kinder- und Jugendhilfeträger zu betrauen sei. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 178 ABGB – allenfalls analog – auch Urgroßeltern erfasse.
[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Revisionsrekurs der Urgroßeltern, mit dem sie die Betrauung mit der Obsorge für alle drei Kinder anstreben. Sie vertreten die Auffassung, dass § 178 Abs 1 ABGB (zumindest analog) auch die Urgroßeltern erfasse.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs ist in Bezug auf die Entscheidung über die Obsorge für N*a und N*e nicht zulässig.
[9] Nach den Feststellungen des Erstgerichts gefährdete die Übertragung der Obsorge auf die Urgroßeltern das Wohl dieser Kinder. Das schließt die von den Urgroßeltern angestrebte Obsorgeübertragung aus, ohne dass es auf den Anwendungsbereich oder die allfällige Verfassungswidrigkeit von § 178 Abs 1 ABGB ankäme. Der Revisionsrekurs der Urgroßeltern ist daher, soweit er diese Kinder betrifft, mangels Vorliegens einer im konkreten Fall präjudiziellen Rechtsfrage erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie die Hofräte Dr. Nowotny, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1. N*a *, geboren * 2016, *, 2. N*ina *, geboren * 2018, *, 3. N*e *, geboren * 2019, *, wegen Obsorge, über den Revisionsrekurs der mütterlichen Urgroßeltern D* und M*, beide vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 54 R 118/21f-150, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom , GZ 6 PS 17/19m-129, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
A. Der Oberste Gerichtshof stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die nachstehend genannten Wortfolgen in Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs als verfassungswidrig aufheben:
1. In § 178 Abs 1 ABGB idF des BG BGBl I 15/2013 die Wortfolge: „Ist in dieser Weise der Elternteil, der mit der Obsorge allein betraut ist, betroffen, so hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes zu entscheiden, ob der andere Elternteil oder ob und welches Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) mit der Obsorge zu betrauen ist; Letzteres gilt auch, wenn beide Elternteile betroffen sind. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Großelternpaar (diesen Großelternteil).“
2. In § 204 ABGB idF des BG BGBl I 15/2013 die Wortfolge: „noch Großeltern oder Pflegeeltern“ sowie „oder betraut werden können“.
B. Hilfsweise stellt der Oberste Gerichtshof den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art 140 B-VG nur die nachstehend genannten Wortfolgen in Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs als verfassungswidrig aufheben:
1. In § 178 Abs 1 ABGB idF des BG BGBl I 15/2013 die Wortfolgen: „oder ob und welches Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil)“ sowie „Letzteres gilt auch, wenn beide Elternteile betroffen sind. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Großelternpaar (diesen Großelternteil).“
2. In § 204 ABGB idF des BG BGBl I 15/2013 die Wortfolge: „noch Großeltern oder Pflegeeltern“.
C. Hilfsweise zum Haupt- und zum ersten Eventualantrag stellt der Oberste Gerichtshof den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art 140 B-VG auch folgende Wortfolgen in Bestimmungen des Außerstreitgesetzes und folgende Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs als verfassungswidrig aufheben:
1. Im Außerstreitgesetz folgende Wortfolgen:
(a) In § 133 Abs 2 AußStrG idF des BG BGBl I 59/2017 die Wortfolge „Großeltern oder Pflegeeltern“.
(b) In § 135 Abs 1 AußStrG idF des BG BGBl I 59/2017 die Wortfolge „Großeltern und Pflegeeltern“.
2. Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch folgende Bestimmungen:
§ 213 ABGB idF des BG BGBl I 59/2017
§ 214 ABGB idF des BG BGBl I 58/2018
§ 224 ABGB idF des BG BGBl I 59/2018
§ 227 ABGB idF des BG BGBl I 15/2013
§ 228 ABGB idF des BG BGBl I 59/2018
§ 229 ABGB idF des BG BGBl I 59/2018
§ 220 ABGB idF des BG BGBl I 59/2018
D. Mit dem Verfahren über den Revisionsrekurs wird in Bezug auf die Regelung der Obsorge für N*ina * bis zur Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.
Text
Begründung:
[1] N*a *, geboren 2016, N*ina *, geboren 2018, und N*e *, geboren 2019, sind die Kinder von M* und B*. Die Obsorge wurde den Eltern in den Bereichen Pflege und Erziehung rechtskräftig entzogen, die Kinder befinden sich derzeit bei Pflegefamilien. Strittig ist, wem die Obsorge in Zukunft zukommen soll: Das Land Tirol beantragt, die Obsorge für N*a und N*e ihm als Träger der Kinder- und Jugendhilfe und für N*ina jenem Pflegeelternpaar zu übertragen, von dem sie derzeit betreut wird. Die – 1954 bzw 1956 geborenen – mütterlichen Urgroßeltern beantragen, die Obsorge für alle drei Kinder ihnen zu übertragen. Die Großeltern sind nicht bereit, die Obsorge zu übernehmen.
[2] Das Erstgericht übertrug die Obsorge für N*a und N*e dem Land Tirol als Träger der Kinder- und Jugendhilfe und für N*ina den Pflegeeltern.
[3] Es stellte fest, dass N*a und N*e bei ihren Pflegeeltern gut gefördert würden und ein Abbruch der Beziehungen ihr Wohl gefährdete; zudem wären die Urgroßeltern mit der Betreuung dieser Kinder überfordert. Hingegen werde N*ina bei ihren Pflegeeltern vergleichsweise weniger gefördert; ihre Pflegeeltern bemühten sich zwar, wiesen aber eine geringe Bindungstoleranz und ein unsicheres Bindungsverhalten auf. Zwar sei N*ina in die Pflegefamilie integriert, sie hätte aber bei ihren Urgroßeltern die besseren Entwicklungschancen. Daher sei aus „fachlicher Sicht“ auch unter Bedachtnahme auf die negativen Folgen eines Beziehungsabbruchs zu den Pflegeeltern eine Platzierung von N*ina bei den Urgroßeltern zu empfehlen.
[4] Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass Grundlage für die Obsorgeentscheidung die Bestimmung des § 178 ABGB sei. Danach seien bei Verhinderung der Eltern die Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge zu betrauen. Nur wenn diese Personen nicht betraut seien oder betraut werden könnten, komme nach § 204 ABGB die Betrauung einer anderen geeigneten Person in Betracht. Wenn sich auch danach keine geeigneten Personen finden ließen, sei nach § 209 ABGB der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Obsorge zu betrauen. Im konkreten Fall sei bei N*a und N*e von vornherein der Kinder- und Jugendhilfeträger zu betrauen, weil die Betrauung der Urgroßeltern das Kindeswohl gefährdete und auch sonst keine geeigneten Personen vorhanden seien. Bei N*ina hätten die grundsätzlich geeigneten Pflegeeltern nach § 178 ABGB Vorrang vor den in dieser Bestimmung nicht genannten Urgroßeltern.
[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.
[6] Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass die Urgroßeltern nicht – auch nicht analog – von § 178 ABGB erfasst würden. Daher seien bei N*ina die Pflegeeltern zu betrauen. Bei N*a und N*e sei die Betrauung der Urgroßeltern schon wegen der in diesem Fall drohenden Kindeswohlgefährdung nicht möglich, sodass insofern jedenfalls der Kinder- und Jugendhilfeträger zu betrauen sei. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 178 ABGB – allenfalls analog – auch Urgroßeltern erfasse.
[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Revisionsrekurs der Urgroßeltern, mit dem sie die Betrauung mit der Obsorge für alle drei Kinder anstreben. Sie vertreten die Auffassung, dass § 178 Abs 1 ABGB (zumindest analog) auch die Urgroßeltern erfasse.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Senat hat diesen Revisionsrekurs mit Beschluss vom heutigen Tag zurückgewiesen, soweit er die Regelung der Obsorge für N*a und N*e betrifft. Die Betrauung der Urgroßeltern komme hier schon deshalb nicht in Betracht, weil sie nach den Feststellungen das Wohl dieser Kinder gefährdete. Damit sei der Anwendungsbereich von § 178 Abs 1 ABGB unerheblich.
[9] Hingegen hat der Senat in Bezug auf die Obsorge von N*ina § 178 Abs 1 ABGB anzuwenden. Insofern bestehen Bedenken, ob diese Bestimmung und die mit ihr in Zusammenhang stehende Regelung des § 204 ABGB mit Art 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern, BGBl I Nr 4/2011, vereinbar ist.
[10] 1. Die für das vorliegende Verfahren maßgebenden Bestimmungen des ABGB lauten wie folgt:
§ 178 Abs 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013, BGBl I Nr 15/2013:
Ist ein Elternteil, der mit der Obsorge für das Kind gemeinsam mit dem anderen Elternteil betraut war, gestorben, ist sein Aufenthalt seit mindestens sechs Monaten unbekannt, kann die Verbindung mit ihm nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten hergestellt werden oder ist ihm die Obsorge ganz oder teilweise entzogen, so ist der andere Elternteil insoweit allein mit der Obsorge betraut. Ist in dieser Weise der Elternteil, der mit der Obsorge allein betraut ist, betroffen, so hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes zu entscheiden, ob der andere Elternteil oder ob und welches Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) mit der Obsorge zu betrauen ist; Letzteres gilt auch, wenn beide Elternteile betroffen sind. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Großelternpaar (diesen Großelternteil).
§ 204 ABGB idF KindNamRÄG 2013, BGBl I Nr 15/2013:
Soweit nach dem dritten Hauptstück weder Eltern noch Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut sind oder betraut werden können und kein Fall des § 207 vorliegt, hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes eine andere geeignete Person mit der Obsorge zu betrauen.
§ 209 ABGB idF 2. ErwSchG, BGBl I Nr 59/2017:
Ist eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen und lassen sich dafür Verwandte oder andere nahe stehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden, so hat das Gericht die Obsorge dem Kinder- und Jugendhilfeträger zu übertragen. Gleiches gilt, wenn einem Minderjährigen ein Kurator zu bestellen ist.
[11] 2. Diese Regelung besteht im Kern seit dem KindRÄG 2001 (BGBl I Nr 135/2000), mit dem einerseits bei Verhinderung obsorgeberechtigter Eltern die Pflegeeltern dem anderen Elternteil und den Großeltern gleichgestellt wurden (§ 145 ABGB idF KindRÄG 2001) und mit dem andererseits das Institut der „Vormundschaft“ durch jenes der „Obsorge durch andere Personen“ ersetzt wurde (§ 187 ABGB idF KindRÄG 2001). Die Betrauung „anderer Personen“ setzte schon damals voraus, dass weder der andere Elternteil noch Groß- oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut werden konnten. Dies spiegelt sich auch in den Materialien zu § 187 ABGB idF KindRÄG 2001 wider (EB zur RV, 296 BlgNR 21. GP 71; Hervorhebung durch den Senat):
„Sodann ist zu prüfen, ob dem anderen Elternteil, Großeltern oder Pflegeeltern die Obsorge übertragen werden kann. Diesen Personen kommt gegenüber dritten Personen und dem Jugendwohlfahrtsträger der Vorrang zu. Nur wenn ein anderer Elternteil, Großeltern oder Pflegeeltern entweder nicht vorhanden oder zur Übernahme der Obsorge nicht geeignet oder nicht bereit sind, ist eine dritte Person mit der Obsorge zu betrauen.“
[12] An dieser Rechtslage hat sich durch die Neufassung des Kindschaftsrechts mit KindNamRÄG 2013, BGBl I Nr 15/2013, die im Wesentlichen nur zu einer Verschiebung der hier relevanten Bestimmungen führte, nichts geändert. Gleiches gilt für die Änderung des § 209 ABGB mit dem 2. ErwSchG, BGBl I Nr 59/2017.
[13] 3. Auf der Grundlage dieser Bestimmungen besteht nach ständiger Rechtsprechung (5 Ob 196/06v; 3 Ob 155/11g; 4 Ob 79/20a; RS0123509 [T1]) und einhelliger Lehre (Gitschthaler in Schwimann/Kodek5 § 178 Rz 9; Hopf/Weixelbraun-Mohr in KBB5 § 204 Rz 1; Kathrein in Klang3 § 187 Rz 14; Weitzenböck in Schwimann/Neumayr, Taschenkommentar5 § 178 Rz 6; Weitzenböck in Schwimann/Kodek5§ 204 Rz 1) bei Verhinderung eines obsorgeberechtigten Elternteils eine klare Rangfolge:
- Bestand gemeinsame Obsorge, ist der andere Elternteil von Gesetzes wegen allein obsorgeberechtigt.
- Bestand keine gemeinsame Obsorge, so sind bei gegebener Eignung der nicht obsorgeberechtigte Elternteil oder Pflege- oder Großeltern(-teile) zu betrauen. Letzteres gilt auch bei Verhinderung beider obsorgeberechtigten Elternteile. Innerhalb dieser Gruppe entscheidet das Kindeswohl (1 Ob 207/21d; ältere Rsp zum Vorrang des bisher nicht mit der Obsorge betrauten leiblichen Vaters [ RS0014474 ] ist damit überholt).
- Nur wenn danach weder ein Elternteil noch Pflege- oder Großeltern(-teile) betraut werden können, ist eine andere geeignete Person zu betrauen (RS0123509 [T1]).
- Überhaupt nur subsidiär ist die Betrauung des Trägers der Kinder- und Jugendhilfe (7 Ob 38/08a SZ 2008/53; RS0123509).
[14] Das Gericht hat daher bei Verhinderung – wie hier – beider Elternteile zunächst zu prüfen, ob Groß- oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut werden können. Ist das möglich, kommt die Obsorge einer anderen – möglicherweise geeigneteren – Person von vornherein nicht in Betracht.
[15] 4. Diese Regelung ist im konkreten Fall präjudiziell. Denn sie schließt es wegen der an sich gegebenen Eignung der Pflegeeltern von N*ina aus, die nach den Feststellungen des Erstgerichts besser geeigneten Urgroßeltern mit der Obsorge zu betrauen. Dies war wohl auch der Grund für die (ungewöhnliche) Vorgangsweise des Kinder- und Jugendhilfeträgers, (nur) bei N*ina die Betrauung der Pflegeeltern zu beantragen. Hätte er auch hier, wie bei den anderen Kindern, selbst die Obsorge angestrebt, wären ihm die Urgroßeltern als andere nahestehende Personen vorgegangen.
[16] 5. Das starre Rangverhältnis, das sich aus dem Zusammenwirken von § 178 und § 204 ABGB ergibt, verstößt nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs gegen Art 1 BVG über die Rechte von Kindern, BGBl I Nr 4/2011.
5.1. Art 1 BVG über die Rechte von Kindern lautet wie folgt:
Jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.
[17] Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (G 18/2014, Slg 19.941; G 152/2015 Slg 20.018) enthält diese Bestimmung einen Auftrag an die Gesetzgebung und die Vollziehung, das Kindeswohl vorrangig zu wahren. Die verfassungsrechtliche Vorgabe, das Kindeswohl als vorrangige Erwägung zu berücksichtigen, bindet auch den Gesetzgeber, wenn er die Grundlagen für solche Maßnahmen anordnet.
[18] 5.2. Im konkreten Fall bilden die § 178 Abs 1 und § 204 ABGB die Grundlage für die Betrauung mit der Obsorge bei Verhinderung der obsorgeberechtigten Eltern oder des obsorgeberechtigten Elternteils. Die Rangfolge, die sich daraus ergibt, wird zwar in vielen Fällen dem Kindeswohl entsprechen, weil die in § 178 Abs 1 ABGB genannten Personen typischerweise ein Naheverhältnis zum Kind aufweisen. Das muss aber nicht immer zutreffen. So könnten der andere Elternteil oder die Großeltern zwar grundsätzlich geeignet sein, dem Kind aber viel ferner stehen als eine Tante, ein (deutlich) älterer Bruder oder ein Freund des (verstorbenen) Vaters, mit denen bereits eine enge Beziehung besteht und die im konkreten Fall besser geeignet sind, die Entwicklung und Entfaltung des Kindes zu fördern. Das Wohl des konkreten Kindes forderte unter diesen Umständen die Betrauung der letztgenannten Personen, das starre Rangverhältnis zwischen § 178 Abs 1 und § 204 ABGB schließt sie aber aus. Bei Pflegeeltern wird zwar typischerweise eine Nahebeziehung zum Kind bestehen, die oft für die Betrauung mit der Obsorge sprechen wird. Aber auch hier kann die Betrauung einer anderen nahestehenden Person im Einzelfall – etwa bei einem nur kurzen Pflegeverhältnis oder bei einer starken Bindung zur nahestehenden Person – dem Kindeswohl mehr entsprechen als jene der (an sich geeigneten) Pflegeeltern. Auch dies wird durch die starre Regelung verhindert.
[19] 5.3. Eine Rechtfertigung dafür ist nicht erkennbar. Zu denken wäre allenfalls an verfahrensökonomische Erwägungen. Allerdings ist im Verfahren ohnehin die Eignung des anderen Elternteils, der Großeltern oder der Pflegeeltern zu prüfen. Die Einbeziehung weiterer Personen, die zur Übernahme der Obsorge bereit sind, führt daher nur zu einem geringen Mehraufwand. Der bloße Umstand der Blutsverwandtschaft kann eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass das konkrete Kindeswohl maßgebend ist, nicht begründen. Dass ein Beziehungsabbruch zu Pflegeeltern Kinder belastet, wird zwar in vielen Fällen zutreffen; ein ausreichender Grund für eine typisierende – also von den konkreten Verhältnissen absehende – Regelung liegt darin aber nicht. Das gilt umso mehr, als im Verhältnis zwischen dem anderen Elternteil, den Großeltern und den Pflegeeltern sehr wohl das konkrete Kindeswohl entscheidet, sodass eine bereits bestehende Nahebeziehung zu Pflegeeltern hier kein Vorrangverhältnis begründet.
[20] 5.4. Verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich. Zwar könnte im konkreten Fall erwogen werden, § 178 Abs 1 ABGB auf Urgroßeltern analog anzuwenden. Grundlage wäre die Annahme, dass der Gesetzgeber den unwahrscheinlichen Fall geeigneter Urgroßeltern nicht bedacht habe. Das könnte zwar zutreffen, änderte aber nichts an der Verfassungswidrigkeit von § 178 Abs 1 ABGB. Denn die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen wäre nur behoben, wenn in jedem Fall die bestgeeignete Person mit der Obsorge betraut werden könnte, wenn also das durch § 178 Abs 1 und § 204 ABGB begründete Rangverhältnis im Ergebnis nicht bestünde. Dies wäre aber weder mit dem Wortlaut der Bestimmungen noch mit dem Willen des historischen Gesetzgebers vereinbar.
[21] 6. Die Verfassungswidrigkeit würde durch die Aufhebung der in Punkt A. des Spruchs genannten Wortfolgen behoben.
6.1. Die Bestimmungen enthielten dadurch folgenden Inhalt:
§ 178. (1) Ist ein Elternteil, der mit der Obsorge für das Kind gemeinsam mit dem anderen Elternteil betraut war, gestorben, ist sein Aufenthalt seit mindestens sechs Monaten unbekannt, kann die Verbindung mit ihm nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten hergestellt werden oder ist ihm die Obsorge ganz oder teilweise entzogen, so ist der andere Elternteil insoweit allein mit der Obsorge betraut.
§ 204. Soweit nach dem dritten Hauptstück weder Eltern mit der Obsorge betraut sind und kein Fall des § 207 vorliegt, hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes eine andere geeignete Person mit der Obsorge zu betrauen.
[22] 6.2. Damit bliebe es dabei, dass die Verhinderung eines Elternteils bei gemeinsamer Obsorge zur alleinigen Obsorge des anderen Elternteils führt. In allen anderen Fällen wäre die aus Sicht des Kindeswohls geeignetste Person zu betrauen. Faktisch werden das oft der nicht obsorgeberechtigte Elternteil, die Pflegeeltern oder die Großeltern sein; im Einzelfall könnte diesen aber – auch bei an sich gegebener Eignung – im Interesse des Kindeswohls eine besser geeignete Person vorgezogen werden.
7. Zum ersten Eventualantrag
[23] 7.1. Es könnte die Auffassung vertreten werden, dass das auf § 178 Abs 1 und § 204 ABGB beruhende Rangverhältnis nicht verfassungswidrig sei, soweit der bisher nicht obsorgeberechtigte Elternteil Vorrang vor anderen Personen genieße. Das könnte mit einem allenfalls von Art 8 EMRK geschützten Recht dieses Elternteils begründet werden, im Fall der grundsätzlich gegebenen Eignung vorrangig mit der Obsorge betraut zu werden.
[24] 7.2. Ein Vorrang des anderen Elternteils vor den in § 178 Abs 1 ABGB genannten Groß- und Pflegeeltern besteht nach der Rechtsprechung allerdings nicht (1 Ob 207/21d unter Hinweis auf Art 1 BVG Kinderrechte). Das spricht auch im gegebenen Zusammenhang gegen eine Sonderstellung des anderen Elternteils. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof diese Frage anders beurteilt, beantragt der Oberste Gerichtshof aber nur die Aufhebung der in Punkt B. des Spruchs genannten Wortfolgen. § 178 Abs 1 und § 204 ABGB erhielten dadurch folgenden Inhalt:
§ 178. (1) Ist ein Elternteil, der mit der Obsorge für das Kind gemeinsam mit dem anderen Elternteil betraut war, gestorben, ist sein Aufenthalt seit mindestens sechs Monaten unbekannt, kann die Verbindung mit ihm nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten hergestellt werden oder ist ihm die Obsorge ganz oder teilweise entzogen, so ist der andere Elternteil insoweit allein mit der Obsorge betraut. Ist in dieser Weise der Elternteil, der mit der Obsorge allein betraut ist, betroffen, so hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes zu entscheiden, ob der andere Elternteil mit der Obsorge zu betrauen ist.
§ 204 ABGB idF KindNamRÄG 2013, BGBl I Nr 15/2013:
Soweit nach dem dritten Hauptstück weder Eltern mit der Obsorge betraut sind oder betraut werden können und kein Fall des § 207 vorliegt, hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes eine andere geeignete Person mit der Obsorge zu betrauen.
[25] Damit wäre der andere Elternteil im Fall der Eignung vorrangig zu betrauen; Groß- und Pflegeeltern fielen hingegen unter § 204 ABGB und stünden damit auf einer Stufe mit anderen geeigneten Personen, sodass insofern die bessere Eignung entschiede.
8. Zum zweiten Eventualantrag
[26] 8.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit von Normprüfungsanträgen (zuletzt etwa G 188/2021 mwN) ist der Antrag zurückzuweisen, wenn er nicht alle Bestimmungen erfasst, die mit der oder den verfassungswidrigen Bestimmungen in untrennbarem Zusammenhang stehen; Gleiches gilt dann, wenn durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde. In beiden Fällen hat die Anfechtung alle in Betracht kommenden Bestimmungen zu erfassen. Davon könnten hier die nachstehend genannten Regelungen des Außerstreitgesetzes und des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs betroffen sein.
[27] 8.2. Das Außerstreitgesetz sieht in zwei Bestimmungen eine mit § 178 Abs 1 ABGB vergleichbare Gleichstellung von Eltern mit Groß- und Pflegeeltern vor.
[28] § 133 Abs 2 AußStrG beschränkt die nach § 133 Abs 1 AußStrG bestehende Pflicht des Gerichts, die Vermögensverwaltung von gesetzlichen Vertretern zu überwachen, wenn Eltern, Groß- oder Pflegeeltern, der Kinder- und Jugendhilfeträger oder im Rahmen der Erwachsenenvertretung nächste Angehörige mit der Vertretung betraut sind. § 135 Abs 1 AußStrG sieht vor, dass Eltern, Groß- und Pflegeeltern sowie der Kinder- und Jugendhilfeträger nur dann zur Rechnungslegung im Sinn von § 134 AußStrG verpflichtet sind, wenn das Gericht dies aus besonderen Gründen verfügt. Beide Bestimmungen beruhen offenkundig auf der Wertung, dass Groß- und Pflegeeltern (sowie, wenngleich aus anderen Gründen, der Kinder- und Jugendhilfeträger) bei der Vermögensverwaltung gleich behandelt werden sollten wie Eltern.
[29] Es könnte die Auffassung vertreten werden, dass diese Gleichstellung von Groß- und Pflegeeltern mit Eltern in untrennbarem Zusammenhang mit deren ebenso bevorzugter Stellung in § 178 Abs 1 ABGB steht. Zwar trifft das nach Auffassung des Senats nicht zu, weil bei Regelungen zur Vermögensverwaltung auch unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl eine typisierende Betrachtung möglich ist; ein Gleichlauf mit den Bestimmungen zur Betrauung mit der Obsorge ist nicht zwingend erforderlich. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof diese Frage anders beurteilt, wird aber auch die Aufhebung der Einbeziehung von Groß- und Pflegeeltern in diese Bestimmungen beantragt.
[30] 8.3. Die §§ 213 ff ABGB enthalten mehrere Regelungen zur Obsorge durch „andere“ Personen, die jene modifizieren oder ergänzen, die nach dem Dritten Hauptstück des Ersten Teils des ABGB für „Eltern“ gelten.
[31] Mit der Obsorge betraute Groß- und Pflegeeltern sind auch in diesem Zusammenhang Eltern gleichgestellt und fallen daher unter die Regelungen des Dritten Hauptstücks. Die nur die Obsorge durch andere Personen betreffenden Regelungen des Vierten Hauptstücks sind daher auf sie nicht anwendbar. Konkret handelt es sich um folgende Bestimmungen (zu deren unstrittigen Anwendungsbereichen Weitzenböck in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar ABGB5 § 213 Rz 1, § 214 Rz 1, § 224 Rz 3, § 227 Rz 1; §§ 229 f Rz 11):
- § 213 ABGB (Genehmigungspflicht in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung): abweichende Regelung für „Eltern“ in § 167 ABGB.
- § 214 ABGB (Rechnungslegung): abweichende Regelung für „Eltern“ in § 165 ABGB.
- § 224 ABGB (Entgegennahme von Zahlungen): Regelung nur für die Obsorge durch „andere“ Personen; kein Verweis darauf für „Eltern“ in § 164 Abs 1 ABGB.
- §§ 227 f ABGB (Haftung): Regelung nur für die Obsorge durch „andere“ Personen.
- §§ 229 f ABGB (Entschädigung, Entgelt und Aufwandersatz): Regelung nur für die Obsorge durch „andere“ Personen.
[32] Diese Bestimmungen erhielten bei Erfolg des Haupt- oder des ersten Eventualantrags einen weiteren Anwendungsbereich, weil sie nun auch mit der Obsorge betraute Pflege- und Großeltern erfassten. Hingegen fiele ein mit der Obsorge betrauter anderer Elternteil weiterhin nicht darunter, weil für ihn schon nach dem Wortlaut die Regelungen für „Eltern“ im Dritten Hauptstück des Ersten Teils des ABGB anwendbar blieben.
[33] Der Oberste Gerichtshof nimmt zwar nicht an, dass die Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Bestimmungen zu einem „völlig veränderte[n], dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbare[n] Inhalt“ des Kindschaftsrechts führte. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof diese Frage anders beurteilt, wird aber auch die Aufhebung dieser Bestimmungen beantragt.
[34] 9. Mit dem Verfahren über den Revisionsrekurs ist bis zur Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs innezuhalten (§ 62 Abs 3 VfGG).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00042.22Y.0530.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-66689