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OGH 21.03.2023, 1Ob43/23i

OGH 21.03.2023, 1Ob43/23i

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Dipl.-Ing. W*, vertreten durch Mag. Manuela Prohaska, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin D*, vertreten durch Mag. Barbara Glöckner-Volcic, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalts, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom , GZ 20 R 154/22d-112, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Oberwart vom , GZ 6 FAM 18/20t-100, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Der Vater war zur Leistung eines monatlichen Unterhalts für seine volljährige Tochter von 847 EUR verpflichtet. Das Erstgericht enthob ihn dieser Verpflichtung ab , wies aber seinen darüber hinausgehenden Antrag auf Enthebung ab , in eventu Herabsetzung ab , ab. Dem dagegen (in der Sache nur) vom Vater erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht teilweise Folge, enthob den Vater bereits ab seiner Unterhaltspflicht und erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig.

[2] Nunmehr legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ des Vaters vor.

[3] Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage:

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs – wie hier – für nicht zulässig erklärt hat. In einem solchen Fall kann eine Partei nur nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Diese Zulassungsvorstellung ist mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden.

[5] 2. Im vorliegenden Fall übersteigt der Gegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, nicht 30.000 EUR: Strittige Unterhaltsansprüche für einen konkreten in der Vergangenheit liegenden Zeitraum sind nicht gemäß § 58 Abs 1 JN mit der dreifachen Jahresleistung zu bewerten, maßgeblich ist vielmehr der strittige Betrag (RS0111964 [T3]).

[6] Der Vater strebte in zweiter Instanz (nur mehr) den Entfall seiner Unterhaltspflicht für seine Tochter für den Zeitraum bis an. Daraus ergibt sich ein Wert des Entscheidungsgegenstands von 15.246 EUR (18 x 847).

[7] 3. Das Rechtsmittel des Vaters wäre demnach nicht dem Obersten Gerichtshof, sondern vielmehr – im Sinne des gestellten Eventualantrags – dem Rekursgericht vorzulegen gewesen; dies wird nunmehr das Erstgericht nachzuholen haben. Bei der Vorlage ist § 16 Abs 2 Z 1 RpflG zu beachten (RS0125601; insb 2 Ob 128/21v).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Dipl.-Ing. W*, vertreten durch Mag. Manuela Prohaska, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin D*, vertreten durch Mag. Barbara Glöckner-Volcic, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalts, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom , GZ 20 R 154/22d-112, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Oberwart vom , GZ 6 Fam 18/20t-100, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Schriftsatz des Antragstellers vom wird zurückgewiesen.

II. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] I. Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig. Der nach Erhebung des Revisionsrekurses eingebrachte Schriftsatz des Antragstellers vom ist daher zurückzuweisen (RS0041666; RS0100170).

[2] II. Der Vater war zur Leistung eines monatlichen Unterhalts für seine volljährige Tochter von 847 EUR verpflichtet. Seit Dezember 2020 zahlte er keinen Unterhalt mehr.

[3] Die Tochter schloss im Juli 2020 eine (vierjährige) landwirtschaftliche Fachschule mit ausgezeichnetem Erfolg ab. Im August 2020 meldete sie sich zum Fernstudium zur Erlangung der Berufsreifeprüfung in der Europa-Akademie Dr. R* an, mit dem sie im September 2020 begann. Bei Einhaltung des Studienzeitplans hätte sie die Vorbereitungszeit auf die erforderlichen Prüfungen im Februar 2022 beenden können. Zum ehestmöglichen Prüfungstermin am für die Prüfung im Fachbereich „Gesundheit und Soziales“ konnte sie allerdings nicht antreten, weil sie den Anmeldeschluss versäumte. Sie bestand diese Prüfung indes knapp drei Monate später. Für die Prüfungen in Mathematik und Englisch stellte sie einen falschen Zulassungsantrag, sodass ihr im Juni 2021 ein falscher Zulassungsbescheid ausgestellt wurde.

[4] Das Rekursgericht enthob den Vater ab von seiner Unterhaltsverpflichtung.

[5] Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nachträglich zur Frage zu, ob es sich bei der Europa-Akademie Dr. R* um eine „Schule“ und/oder eine zweite Berufsausbildung handle, welche geeignet sei, ein Aufschieben des Eintritts der Selbsterhaltungsfähigkeit zu rechtfertigen.

[6] Mit seinem (von der Tochter beantworteten) ordentlichen Revisionsrekurs zielt der Vater darauf ab, bereits ab von seiner Unterhaltsverpflichtung enthoben zu werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der ordentliche Revisionrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

[8] 1. Das Kind, das über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, ist bereits selbsterhaltungsfähig (RS0047621). Es verliert somit den Unterhaltsanspruch, wenn es die Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit aus Verschulden unterlässt (RS0047621 [T1]). Nach ständiger Rechtsprechung haben unterhaltspflichtige Eltern ihrem Kind allerdings nicht nur eine abgeschlossene Berufsausbildung entsprechend ihrem Stand und Vermögen zu gewähren, sondern auch zu seiner höherwertigen weiteren Berufsausbildung beizutragen, wenn es die dafür erforderlichen Fähigkeiten besitzt, das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt und den Eltern nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine Beteiligung an den Kosten des Studiums des Kindes möglich und zumutbar ist (RS0047580).

[9] Demgegenüber ist bei einer Zweitausbildung das Weiterbestehen des Unterhaltsanspruchs an strengere Voraussetzungen gebunden als jene, die für die Finanzierung der Erstausbildung maßgeblich sind (RS0107722 [T6]).

[10] 2. Personen ohne Reifeprüfung können nach Maßgabe des Berufsreifeprüfungsgesetzes (BRPG) durch die Ablegung der Berufsreifeprüfung die mit der Reifeprüfung einer höheren Schule verbundenen Berechtigungen erwerben, unter anderem wenn sie – wie die Tochter hier – eine mindestens dreijährige mittlere Schule erfolgreich absolviert haben (§ 1 Abs 1 Z 3 BRPG). Das Absolvieren einer Berufsreifeprüfung ermöglicht einen uneingeschränkten Zugang zum Besuch von Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen, Akademien und Kollegs (vgl § 1 Abs 2 BRPG). Die Berufsreifeprüfung ist nach § 1 Abs 3 BRPG eine Externistenprüfung iSd § 42 des SchUG.

[11] Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein Vorbereitungslehrgang zur Ablegung einer Externistenreifeprüfung an einer Volkshochschule ein in § 42 SchUG ausdrücklich normierter Bildungsweg, dem angesichts der steigenden Anforderungen des modernen Lebens steigende Bedeutung zukommt. Solange der Unterhaltsberechtigte diesen Bildungsweg zielstrebig verfolgt und die vorgeschriebenen Vorprüfungen zügig ablegt, muss er sich nicht wie ein Selbsterhaltungsfähiger behandeln lassen (1 Ob 661/88 zur Rechtslage noch vor Einführung des BRPG; siehe zu einem vergleichbaren Fall [Abendkurs zur Absolvierung der Berufsreifeprüfung] auch 3 Ob 51/18y).

[12] Die Schulausbildung ist – wie sich aus der vom Vater selbst zitierten Entscheidung 10 ObS 65/90 [zur Maturaschule Dr. R*] ergibt – nicht auf eine Ausbildung an öffentlichen Schulen oder Privatschulen, denen das Öffentlichkeitsrecht verliehen wurde, beschränkt (RS0089658 [T6]). Ob und inwieweit der Besuch einer „Maturaschule“ einen Anspruch auf Qualifikation der Maturaschulzeiten als Ersatzzeiten nach dem ASVG begründen kann, ist im Zusammenhang mit dem Unterhaltsanspruch der Tochter gegenüber ihrem Vater irrelevant.

[13] 3. Auf dieser Grundlage ist der Berufsreifeprüfungslehrgang, der der Vorbereitung auf die Ablegung der Berufsreifeprüfung dient, hier nicht als zweite Berufsausbildung, sondern als weiterführende Ausbildung im Sinn eines mehrstufigen Ausbildungsgangs anzusehen, nachdem sich die Tochter – wie sie unbestritten vorgebracht hat – für ein Hochschulstudium (Veterinärmedizin) unmittelbar im Anschluss an die landwirtschaftliche Fachschule entschieden hatte (vgl 1 Ob 703/87 [zu einem mit Reifeprüfung abschließenden Aufbaulehrgang im Anschluss an die Handelsschule]).

[14] Ob die für das Weiterbestehen eines Unterhaltsanspruchs bei einer (echten) Zweitausbildung verlangten strengeren Voraussetzungen vorliegen (vgl RS0107722), insbesondere eine vom Vater in Zweifel gezogene besondere Eignung (überdurchschnittliche Begabung) der Tochter für den eingeschlagenen Bildungsweg, kann daher dahin gestellt bleiben.

[15] Aus der Feststellung, dass die Tochter die Aufnahmeprüfung für einen Lehrgang zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung an ihrer landwirtschaftlichen Fachschule nicht bestanden hat, ergibt sich (noch) nicht ihre fehlende Eignung für die Ablegung der Berufsreifeprüfung, zumal sie die Schule selbst mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen hat. Denn hier bleibt offen, ob ihre Aufnahme an den erforderlichen intellektuellen Fähigkeiten oder an den Aufnahmekapazitäten der Fachschule scheiterte.

[16] Die Frage, wann ein Kind seinen Unterhaltsanspruch verliert, weil es die Ausbildung nicht zielstrebig verfolgt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl RS0047580 [T3]). Dabei kommt es nach der Rechtsprechung auf den ex post zu betrachtenden Studienfortgang unter Berücksichtigung der durchschnittlichen bzw angemessenen Studiendauer an (RS0110600).

[17] Die Ansicht des Rekursgerichts, dass die Tochter die weiterführende Ausbildung erst seit Sommer 2021 nicht mehr zielstrebig verfolgt hat, weil sie die Prüfungen nicht zum ehestmöglichen Termin in Angriff genommen hat, begegnet im Einzelfall keinen Bedenken. Dass, wie der Vater meint, die Tochter den Lehrgang von Anfang an nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben hätte, steht nicht fest. Insofern ist auf die bestandene Prüfung im Fach „Gesundheit und Soziales“ zu verweisen.

[18] 4. Insgesamt zeigt der Vater keine entscheidungserhebliche – vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende – Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht auf.

[19] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 erster Satz AußStrG. Die volljährige Tochter hat auf die fehlende Zulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodass ihr die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung zustehen (RS0122774). Der Ansatz nach TP 3C RATG beträgt bei einer Bemessungsgrundlage von 6.776 EUR richtig 325 EUR, für die Revisionsrekursbeantwortung gebührt aber nur der einfache Einheitssatz (§ 23 RATG).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Dipl.-Ing. W*, vertreten durch Mag. Manuela Prohaska, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin D*, vertreten durch Mag. Barbara Glöckner-Volcic, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalts, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Revisionsrekursbeantwortung vom wird zurückgewiesen.

2. Der Beschluss vom wird in Rz 11 dahin berichtigt, dass es statt „Solange der Unterhaltsverpflichtete diesen Bildungsweg verfolgt …“ zu lauten hat: „Solange der Unterhaltsberechtigte diesen Bildungsweg verfolgt …“.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Zu 1.: Mit Beschluss vom hat der Oberste Gerichtshof den Revisionsrekurs des Antragstellers zurückgewiesen und ihn zum Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegnerin verpflichtet.

[2] Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig. Die am eingebrachte weitere Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegnerin ist daher zurückzuweisen (RS0041666; RS0100170).

[3] Zu 2.: Der offenkundige Schreibfehler in Rz 11 war von Amts wegen zu berichtigen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00043.23I.0321.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-66553