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OGH 03.09.2024, 14Os130/23h

OGH 03.09.2024, 14Os130/23h

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hule in der Strafsache gegen * J* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten J* und Mag. * B* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 42 Hv 100/21f-1110, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. * B* sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich des Angeklagten J* im Schuldspruch II./, demgemäß auch in der zu I./A./ und II./ gebildeten Subsumtionseinheit und im Strafausspruch, hinsichtlich des Angeklagten Mag. B* im Schuldspruch I./B./, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J* im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit ihren jeweils gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen werden die Angeklagten ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Entscheidung über die gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichtete Berufung des Angeklagten J* kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten J* fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant, wurden mit dem angefochtenen Urteil * J* jeweils eines Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und (gemeint:) Abs 3 zweiter Fall (teilweise iVm § 12 zweiter Fall) StGB (I./A./ und II./) sowie der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (III./) und Mag. * B* des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und (gemeint:) Abs 3 zweiter Fall StGB (I./B./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie – soweit gegenständlich von Relevanz –

I./ ihre Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht, indem sie in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstießen, die dem Vermögensschutz der nachgenannten wirtschaftlich berechtigten Gesellschaften dienten, und diese dadurch in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, und zwar

A./ J* als Geschäftsführer der W* GmbH (kurz: W*) von Juni 2007 bis Juli 2014 in P* und anderenorts dadurch, dass er insbesondere durch Banküberweisungen, „Kassenauszahlungen“ (vgl aber RIS-Justiz RS0094733 [T6]), Scheck- und Wechselausstellungen samt deren Einlösung sowie Kreditkartenzahlungen insgesamt 1.972.967,71 Euro aus dem Vermögen der W* auszahlte, obwohl diesen Zahlungen keine Gegenleistungen gegenüberstanden;

B./ Mag. B* als Geschäftsführer der als unbeschränkt haftende Gesellschafterin der D* GmbH & Co KG (kurz: D* KG) fungierenden und diese vertretenden D* GmbH dadurch, dass er Anfang Februar 2013 (US 37) ohne entsprechende Gegenleistung und ohne Einholung der dafür erforderlichen internen Genehmigungen die abstrakte, abtretbare und verpfändbare Bankgarantie der S* AG vom über 1,45 Mio Euro zugunsten der ihm bekanntermaßen zahlungsunfähigen W* „beauftragte“, welche die aus der Bankgarantie resultierende Forderung in der Folge zur Besicherung eines neu aufgenommenen, angesichts ihrer Liquiditätssituation aber nicht mehr rückzahlbaren Kredits an ihre Kreditgeber zedierte;

II./ J* durch die Aufforderung, die zu I./B./ angeführte Bankgarantie zu Lasten der D* KG ohne entsprechende Gegenleistung zugunsten der zahlungsunfähigen W* zwecks Verwendung der aus der Bankgarantie resultierenden Forderung zur Besicherung eines neu aufgenommenen, angesichts ihrer Liquiditätssituation aber nicht mehr rückzahlbaren Kredits „zu beauftragen“, Mag. B* zu der zu I./B./ genannten strafbaren Handlung bestimmt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Während die vom Angeklagten J* gegen den Schuldspruch I./A./ und II./ gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel verfehlt, kommt der vom Angeklagten Mag. B* auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. B* betreffend den Schuldspruch I./B./ sowie zum den Angeklagten J* betreffenden Schuldspruch II./:

[4] Zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) des Angeklagten Mag. B* auf, dass die Feststellungen zum Faktum I./B./ keine taugliche Basis für die rechtliche Annahme von Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB bieten:

[5] Tathandlung der Untreue (§ 153 StGB) ist die missbräuchliche Vornahme (oder Unterlassung) eines Rechtsgeschäfts oder einer sonstigen Rechtshandlung in Ausübung der dem Machthaber eingeräumten Befugnis. Ein rein faktisches Handeln zum Nachteil des Machtgebers ohne rechtlichen Charakter kommt als Tathandlung der Untreue, selbst wenn es durch einen Machthaber erfolgt, nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0094733, RS0095943; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153 Rz 20 und 24).

[6] Das Tatbild (hier:) des § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB erfordert darüber hinaus, dass demjenigen, über dessen Vermögen der Täter verfügen darf, unmittelbar aus der unter Befugnismissbrauch gesetzten Handlung des Machthabers (von dessen Vorsatz umfasst) – und nicht etwa erst durch zusätzliche Handlungen des Vertretenen oder eines Dritten – ein 300.000 Euro übersteigender Vermögensschaden entsteht, der auch zeitlich versetzt eintreten kann (vgl RIS-Justiz RS0130418, RS0106192; Kienapfel/Schmoller BT II2 § 153 Rz 94; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 153 Rz 28 f; zu § 146 siehe auch RIS-Justiz RS0094410 und Kirchbacher/Sadoghi in WK2 § 146 Rz 66, 71, 76). Der tatbestandsmäßige Vermögensschaden, also der „effektive Verlust an Vermögenssubstanz“, kann dabei nicht nur in einer Verminderung der Aktiven, sondern auch in einer Vermehrung der Passiven (also im Hinzutreten einer Verbindlichkeit), in einem Gewinnentgang oder überhaupt in jedem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen (RIS-Justiz RS0094836, RS0095618).

[7] Bei wirtschaftlich unvertretbaren Investitions- und Risikogeschäften tritt der strafrechtlich relevante Schaden (bereits) im Zeitpunkt des (wenn auch bloß vorübergehenden [RIS-Justiz RS0099015]) effektiven Verlusts der Vermögenssubstanz in der Sphäre des Machtgebers ein, womit (bei auch darauf gerichtetem Vorsatz) die Untreue vollendet ist. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit eines solchen Geschäfts hängt in erster Linie davon ab, ob im Zeitpunkt der Rechtshandlung ein angemessener Risikoausgleich (insb in Form von ausreichenden Sicherheiten) vorhanden ist (vgl RIS-Justiz RS0126620; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 § 153 Rz 41/1 f; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 153 Rz 19; zur Einräumung einer Bankgarantie vgl 11 Os 7/17i; McAllister, Untreue bei Kreditvergabe und Spekulationsgeschäften? ÖJZ 2014, 13 [16 ff]).

[8] In Konstellationen, in denen das Entstehen der (durch den Befugnisfehlgebrauch begründeten) konkreten Leistungspflicht des Machtgebers vom Eintritt eines noch ungewissen zukünftigen Ereignisses abhängt, bedeutet das Eingehen einer bloßen Zahlungsverpflichtung nicht schon den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Vermögensschadens. Bis zum dadurch verursachten (späteren) Schadenseintritt kommt aber strafbarer Versuch der Untreue in Betracht (vgl dazu RIS-Justiz RS0105921 [T4], RS0094913).

[9] Nach den – hier wesentlichen – Urteilsfeststellungen (US 27 ff [insb US 35 ff]) benötigte der Angeklagte J* Anfang 2013 eine weitere Bankgarantie, um der W* „Liquidität zuzuführen“, obwohl – „verglichen mit den bisher gegebenen drei Bankgarantien im Gesamtwert von 3,75 Mio Euro bzw dem Gesamtauftragswert“ – erst ein „vergleichsweise geringer Betrag von rund 1,2 Mio Euro erfüllt wurde und sohin die gegebenen Bankgarantien zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als das Doppelte als das realisierte Projektvolumen ausmachten“. Der Angeklagte J* erstellte die mit datierte und von der W* an die D* KG gerichtete Auftragsbestätigung Nr 120.544, in der ein Nettoauftragswert in Höhe von insgesamt 1,45 Mio Euro ausgewiesen wurde, wobei nicht festgestellt werden konnte, ob dieser Auftragsbestätigung ein erteilter Auftrag seitens der D* KG zugrunde lag und ob der Angeklagte Mag. B* an der Erstellung dieser Auftragsbestätigung mitwirkte. Aufgrund dieser neuen Auftragsbestätigung erhoffte sich der Angeklagte J* eine weitere Bankgarantie, „um das Ruder der Finanzen der W* nochmals herum zu reißen, obwohl ihm bewusst war, dass vom ersten Auftrag und hinsichtlich der ersten drei Bankgarantien nicht mal annähernd die Hälfte erfüllt war“. Zunächst versuchte der Angeklagte J* – nach Absprache mit dem Angeklagten Mag. B* – selbst, bei der R*bank A* „eine weitere Bankgarantie zugunsten der W* zu erwirken“, was jedoch seitens der Bank abgelehnt wurde. Auch das an einen Mitarbeiter der genannten Bank gerichtete Ersuchen des Angeklagten Mag. B* „um Begebung einer Bankgarantie über 1,45 Mio Euro zugunsten der W*“ lehnte der Bankmitarbeiter ab, „weil er mittlerweile an der Bonität der W* zweifelte“. Gleichzeitig erklärte er dem Angeklagten Mag. B*, „dass die Garantien jederzeit gezogen werden könnten, insbesondere wenn die W* pleite gehe“. Der Angeklagte Mag. B* war darüber schockiert und beunruhigt, weil ihm erstmals bewusst wurde, „welche Folgen die Abtretbarkeit der Bankgarantien für die“ D* KG haben könnte. In weiterer Folge ersuchte der Angeklagte J* den Angeklagten Mag. B* „nochmals um eine weitere Bankgarantie zugunsten der W*“. Er übte dabei auf den Angeklagten Mag. B* „insofern Druck aus, als er darlegte, dass der Auftrag (und damit die bisherigen drei Bankgarantien) ohne die weitere Bankgarantie platzen würde. Der Angeklagte Mag. B* fürchtete, dass in einem solchen Fall sämtliche Bankgarantien gezogen würden und entschloss sich, trotz mittlerweile bekannter Risiken einer abtretbaren Garantie und der wirtschaftlichen Situation, die vierte Bankgarantie zu beauftragen“. Er wusste, dass die D* KG „mit Beauftragung der vierten Bankgarantie in Millionenhöhe in Vorleistung trat, ohne eine Gegenleistung zu erhalten oder in naher Zukunft mit Sicherheit zu erwarten“. Anfang Februar 2013 wandte sich der Angeklagte Mag. B* im Sinne des Ersuchens des Angeklagten J* an Mag. * L*, Vorstand der S* AG, und ersuchte ihn um rasche Ausstellung einer Bankgarantie über 1,45 Mio Euro für die D* KG zugunsten der W*. Nachdem Mag. L* den Angeklagten Mag. B* über die mit der Abtretbarkeit einer Bankgarantie verbundenen Risiken aufgeklärt hatte, stellte die S* AG – unter Bezugnahme auf die Auftragsbestätigung mit der Nr 120.544 – „aufgrund der guten Bonität der D* KG“ – am die abtretbare und verpfändbare Bankgarantie bezüglich eines Höchstbetrags von 1,45 Mio Euro aus.

[10] Die Garantie hatte folgenden Inhalt:„BANKGARANTIE Wir haben davon Kenntnis, dass die D* GmbH &Co., * D* für die Sicherstellung Ihrer Rechte gemäß Auftragsbestätigung Nr. 120544 vom eine Bankgarantie in der Höhe von EUR 1.450.000,- beibringen muss. Dies vorausgeschickt übernehmen wir hiermit Ihnen gegenüber die Bankgarantie bis zum Höchstbetrag von EUR 1.450.000,00 (i.W. Euro einemilllionvierhundertfünfzigtausend) indem wir uns verpflichten, über Ihre erste schriftliche Aufforderung, ohne Prüfung des Rechtsgrundes unter Verzicht auf jedwede Einrede aus dem Grundverhältnis Zahlungen bis zur Höhe des obengenannten Betrages an Sie zu leisten. Die Flüssigmachung erfolgt innerhalb von sieben Werktagen nach Einlangen der schriftlichen Aufforderung. Die Garantieverpflichtung erlischt durch Inanspruchnahme, durch Rückstellung dieses Garantiebriefes an uns, spätestens jedoch am . Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer wollen Sie uns diesen Garantiebrief bitte retournieren. Die Ansprüche aus gegenständlicher Garantie sind abtretbar und verpfändbar. Als Gerichtsstand wird das sachlich zuständige Gericht in Wien vereinbart; es gilt österreichisches Recht.“

[11] „Bei Beauftragung der vierten Bankgarantie“ wusste der Angeklagte Mag. B*, „dass er die ihm als Entscheidungsträger der D* KG eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen und diese zu verpflichten, missbrauchte und in unvertretbarer Weise gegen Regeln, die dem Vermögensschutz der D* KG dienten, verstieß, indem er“ dies „ohne entsprechende Gegenleistung und ohne Einholung der dafür erforderlichen internen Genehmigungen zugunsten der W*“ veranlasste, ohne die wirtschaftliche Lage der W* eingehend zu prüfen. „Er hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, durch Beauftragung der vierten abtretbaren Bankgarantie der D* KG einen € 300.000,00 übersteigenden Schaden zuzufügen.“

[12] Der Angeklagte J* wusste, dass er den Angeklagten Mag. B* „durch seine Aufforderung zur Ausstellung der Bankgarantie vom dazu bestimmte, durch die genannten Handlung(en) seine Befugnis zu missbrauchen und in unvertretbarer Weise gegen Regeln zu verstoßen, die dem Vermögensschutz der D* KG dienten“. Er hielt einen zumindest bedingt vorsätzlichen Fehlgebrauch der entsprechenden Befugnisse durch den Angeklagten Mag. B* für gewiss. Er hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, „durch Ausstellung der vierten abtretbaren Bankgarantie“ durch den Angeklagten Mag. B* „der D* KG einen € 300.000,00 übersteigenden Schaden zuzufügen.“

„Hinsichtlich der vierten Bankgarantie vom (€ 1,45 Mio) schloss die D* KG mit der S* bzw der dahinter stehenden E* Bank einen Vergleich, der die D* KG verpflichtete, € 150.000 zu bezahlen, womit alle Ansprüche verglichen waren. Die D* KG bezahlte diesen Betrag“ (US 39).

[13] Das Urteil enthält demnach keine ausreichenden Feststellungen zu einem die D* KG verpflichtenden Rechtsgeschäft oder einer sonstigen Rechtshandlung des Angeklagten Mag. B*. Denn im Urteil wird zwar der – in erster Linie im Verhältnis zwischen der garantierenden Bank und dem Begünstigten relevante – Garantievertrag wiedergegeben, Konstatierungen zum – hier maßgeblichen – (allfälligen) Abschluss eines rechtsgeschäftlichen Vertrags (Garantieauftrags) zwischen der S* AG und der D* KG sowie zur Ausgestaltung desselben (insb Regelungen betreffend den Rückgriff und die durch den Garantieauftrag entstandenen Kosten) fehlen jedoch (vgl zur [abtretbaren] Bankgarantie und den Beteiligten im Allgemeinen sowie den Leistungs- und Rückabwicklungsverhältnissen bei Inanspruchnahme RIS-Justiz RS0016992, RS0017039, RS0033737, RS0016954, RS0107384; 1 Ob 8/19m mwN; Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht V2 Rz 3/57 ff und 3/67 ff).

[14] Damit einhergehend kann nicht beurteilt werden, ob (und allenfalls in welcher Höhe) der D* KG durch einen (tatbildlichen) Befugnisfehlgebrauch des Angeklagten Mag. B* unmittelbar ein (nach § 153 StGB tatbestandsmäßiger) Vermögensschaden entstanden ist oder entstehen konnte (§ 15 StGB), weshalb die Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten Mag. B* ohne Sachverhaltsbezug bleiben (RIS-Justiz RS0119090).

[15] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass auch dem Schuldspruch II./ des Angeklagten J* ein Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) anhaftet. Denn das zuvor Gesagte gilt sinngemäß auch hier, setzt doch auch die Beteiligung (hier: § 12 zweiter Fall StGB) an einer Untreue (unter anderem) Feststellungen (in objektiver und subjektiver Hinsicht) zur pflichtwidrig schädigenden Handlung des unmittelbaren Täters voraus (vgl RIS-Justiz RS0119837).

[16] Die Schuldsprüche I./B./ und II./ waren daher auf Grundlage der vorliegenden Konstatierungen rechtlich verfehlt.

[17] Aus diesem Grund war – bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) – das Urteil hinsichtlich des Angeklagten J* im Schuldspruch II./, demgemäß auch in der zu I./A./ und II./ gebildeten Subsumtionseinheit und im Strafausspruch, hinsichtlich des Angeklagten Mag. B* im Schuldspruch I./B./, demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben. In diesem Umfang war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt zu verweisen.

[18] Auf das Beschwerdevorbringen des Angeklagten J* zu II./ und zum Strafausspruch sowie die weiteren Beschwerdeausführungen des Angeklagten Mag. B* war daher nicht einzugehen.

[19] Im zweiten Rechtsgang wird die Subsumtionseinheit nach § 29 StGB hinsichtlich aller dem Angeklagten J* letztlich zur Last liegenden Untreuefakten neu zu bilden sein (RIS-Justiz RS0116734).

[20] Sollte das Schöffengericht im zweiten Rechtsgang zum Schluss kommen, dass Mag. B* namens der D* KG ein wirtschaftlich unvertretbares Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, würde bereits diese Annahme – losgelöst von der Frage des Erfordernisses der Einholung gesellschaftsrechtlicher Zustimmungen – einen tatbildlichen Befugnisfehlgebrauch darstellen (vgl 11 Os 7/17i).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J* im Übrigen:

[21] Mit Blick auf die (im Verhältnis zum 79 Seiten umfassenden Urteil) weitwendige (470-seitige) Beschwerdeausführung ist klarzustellen, dass der Beschwerdeführer deutlich und bestimmt den Sachverhalt behaupten muss, der den Prüfungskriterien eines ebenso bezeichneten Nichtigkeitsgrundes entspricht (§ 285 Abs 1 und § 285a Z 2 StPO; Ratz, WK-StPO § 285d Rz 10 mwN). Setzt sich die Rechtsmittelschrift – wie gegenständlich – über dieses Gebot hinweg, gehen dadurch bedingte Unklarheiten zu Lasten des Beschwerdeführers (RIS-Justiz RS0100183 [insb T2]).

[22] Gestützt auf „Z 3 bzw. Z 5“ (der Sache nach nur Z 5 vierter Fall; vgl RIS-Justiz RS0113209 [T1]) behauptet die Beschwerde zunächst, das vom Erstgericht im Urteil herangezogene, in der Hauptverhandlung am erstattete (ON 1105 S 2 ff) Gutachten des Sachverständigen Mag. H* sei in der Hauptverhandlung am nicht verlesen worden und demnach nicht vorgekommen. Sie übersieht, dass die Hauptverhandlung auch dann, wenn an mehreren Tagen verhandelt wird, nach dem System der StPO – sofern (wie hier) keine Wiederholung nach § 276a zweiter Satz StPO stattgefunden hat – eine Einheit darstellt (RIS-Justiz RS0129952, RS0117403), weshalb das genannte Beweismittel in der Hauptverhandlung iSd § 258 Abs 1 StPO vorgekommen ist.

[23] Aus Z 2 und 3 kritisiert die Verfahrensrüge die Verlesung der schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Mag. K* (ON 281 und ON 617 bis 619) und Mag. H* (ON 740 und ON 927) in der Hauptverhandlung am trotz behaupteter Widersprüche des Beschwerdeführers im Hauptverfahren (vgl dazu das Protokoll der Hauptverhandlung am ON 1018 S 6 ff; zur Hauptverhandlung am siehe hingegen ON 1022 S 2 ff). Der Einwand scheitert schon daran, dass nach dem ungerügt gebliebenen, aus Sicht des Obersten Gerichtshofs unbedenklichen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 312) Protokoll über die Hauptverhandlung am (ON 1109 S 2 f) die relevierten Aktenbestandteile vom Vorsitzenden des Schöffengerichts im Einzelnen „gemäß § 252 Abs 2 iVm 2a StPO […] einvernehmlich vorgetragen“ wurden und weder die Angeklagten noch ihre Verteidiger eine dieser generellen Zustimmung widersprechende Erklärung abgegeben haben. Da der Vortrag die Verlesung nach § 252 Abs 1 oder Abs 2 StPO substituiert, beinhaltet die Zustimmung zu einem solchen Referat auch das Einverständnis (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO), dass alle vom Vortrag umfassten Aktenstücke in der Hauptverhandlung vorkommen (§ 258 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0127712). Bleibt anzumerken, dass es dem Beschwerdeführer im Rahmen des § 252 Abs 2a StPO freigestanden wäre, seine Zustimmung zum Vortrag auf einzelne Aktenstücke oder auch nur einzelne Teile eines Aktenstücks einzuschränken (vgl 14 Os 34/21p; Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 106, 134).

[24] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 1022 S 5 f und ON 1109 S 3) der in der Hauptverhandlung am 20. und (ON 1018 S 7 ff, ON 1022 S 2 ff; vgl auch ON 1105 S 82) gestellten Anträge auf „Feststellung einer Befangenheit des Mag. H* sowie auf Enthebung des Sachverständigen H* und Bestellung eines anderen Sachverständigen gemäß § 126 Abs 6 StPO“ und „auf Nichtzulassung des Sachverständigen Mag. H* zu dieser und weiterer Hauptverhandlungen sowie auf Nichtzulassung von Befunderhebungen, von Gutachtenserstellungen und Fragestellungen an die Angeklagten sowie an Zeugen“, Verteidigungsrechte nicht verletzt.

[25] Die Begründung der Anträge enthält der Sache nach die Behauptungen, der Sachverständige habe ungeprüft unrichtige und auf „rechtswidrige Befunderhebungen gegründete“ „Befunde und Schlussfolgerungen“ des befangenen Sachverständigen Mag. K* übernommen und seinem Gutachten zugrunde gelegt und sich mit den umfangreichen schriftlichen Ausführungen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt, obwohl diese geeignet gewesen wären, das Gutachten des Sachverständigen Mag. H* zu widerlegen. Mit Blick auf „das bisher vom Sachverständigen H* gezeigte Auftreten verbunden mit seiner in der Hauptverhandlung vom zu Protokoll gegebenen Äußerung“, […] „dass er den gesamten Strafakt kennt und exploriert hat, demnach auch die von der Verteidigung eingereichten Aktenteile…“, sei dieser nicht bereit, von seinen „als mangelhaft und falsch kritisierten Befundungen und gutächtlichen Schlussfolgerungen abzugehen“. Darüber hinaus sei der an den Sachverständigen Mag. H* erteilte gerichtliche Gutachtensauftrag in Bezug auf den – unrichtigerweise mit dem Jahr 2004 festgesetzten – Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit der W* suggestiv, sodass „die darauf fälschlich begründeten Feststellungen“ im Gutachten „verfehlt“ seien, und habe der Sachverständige Mag. H* anstelle der „Original KHK Datenbank Classic Line Software“ die „Exzessdatei vorrangig als Basis“ für seine Befundungen herangezogen, weshalb die „Methodik der Herangehensweise zur Gutachtenserstellung objektiv abzulehnen“ sei.

[26] Auf den Inhalt des schriftlichen Gutachtens gegründete Befangenheit eines Sachverständigen iSd § 47 Abs 1 Z 3 (iVm § 126 Abs 4) StPO liegt nach Abgabe desselben nur vor, wenn zu erkennen ist, dass der Sachverständige sein Gutachten auch dann nicht ändern würde oder hiezu gewillt wäre, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen (RIS-Justiz RS0115712).

[27] Auf mangelnde Sachkunde gegründete Einwendungen (§ 126 Abs 4 zweiter Satz StPO) wiederum sind nach Vorliegen eines (schriftlichen) Gutachtens nicht mehr zulässig. Die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen kann diesfalls nur mehr im Rahmen eines Verbesserungsverfahrens nach § 127 Abs 3 StPO erwirkt werden. Ein diesbezüglicher Antrag muss aber die in § 127 Abs 3 erster Satz StPO angeführten Mängel im Befund oder im Gutachten (vgl dazu RIS-Justiz RS0127941, RS0127942; Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 35 ff) unter substanziierter Auseinandersetzung mit den vom Sachverständigen vorgenommenen Modifikationen und Ergänzungen schlüssig darlegen (RIS-Justiz RS0117263, RS0115712 [T10], RS0102833).

[28] Gegenständlich wurden Umstände, die eine Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit durch sachfremde psychologische Motive konkret befürchten ließen (vgl dazu Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 69; RIS-Justiz RS0096880, RS0096914), vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Ebenso wenig entsprach das Antragsvorbringen in der Hauptverhandlung den oben genannten Kriterien des § 127 Abs 3 StPO.

[29] Zu Recht abgewiesen (ON 1105 S 84) wurde auch der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag (ON 1018 S 7 und 16 ff und ON 1105 S 82) auf Einholung eines Sachverständigengutachtens „aus den Fachgebieten 68, 62, forensische Datensicherung, Datenrekonstruktion, Datenauswertung sowie 68, 70 Anwendungssoftware, Standardprogramme“. Der Antrag wurde zum Beweis gestellt, „dass die vom Sachverständigen K* (auf dessen Ausführungen H* aufbaut) als Beweis angeführten Dateien aus den W* Tatbeständen (ersichtlich gemeint: Datenbeständen) nicht fachgerecht dokumentiert, analysiert und gutachterlich bewertet“ wurden, dessen „Auswertungen der KHK Datenbank aufgrund fehlender Angaben zu den ausgewerteten Mandaten und den Versionen nur eingeschränkt nachvollziehbar sind“, und „dass die Auswertung von Daten aus temporär erzeugten in W* Tatbeständen vorgefundenen KHK Datenbank Export wie KHK.MDB aus organisatorisch-technischer Sicht zu unvollständigen und damit auch falschen Ergebnissen führt“. Indem der in der Hauptverhandlung am unverändert wiederholte, auf den Nachweis einer Mangelhaftigkeit der Befundung durch den im Ermittlungsverfahren beigezogenen Sachverständigen Mag. K* abzielende Antrag eine substantiierte Auseinandersetzung mit den darauf bezogenen Erläuterungen des im Hauptverfahren beigezogenen Sachverständigen Mag. H* in der Hauptverhandlung am 20. September und am (ON 1018 S 23 ff und ON 1105 S 2 ff und S 82 f) unterlässt, zielt er auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS-Justiz RS0117263 [T17]).

[30] Die im Rechtsmittel enthaltenen umfangreichen Ausführungen, welche teilweise im bisherigen Verfahren eingebrachte Schriftsätze wiedergeben und die in der Hauptverhandlung gestellten Anträge ergänzen, sind ebenso unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618) wie Kritik an der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses (RIS-Justiz RS0116749).

[31] Der Beantwortung der gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und (richtig:) Abs 3 zweiter Fall StGB (I./A./) gerichteten Mängelrüge (Z 5) ist – mit Blick auf die teilweise undifferenziert zugleich auf mehrere Fälle des § 281 Abs 1 Z 5 StPO oder auf mehrere Nichtigkeitsgründe gestützten Beschwerdeausführungen (vgl aber RIS-Justiz RS0115902 [T3]) – Folgendes voranzustellen:

[32] Undeutlich (Z 5 erster Fall) ist ein Urteil, wenn den Feststellungen unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe nicht unzweifelhaft zu entnehmen ist, welche entscheidenden Tatsachen das Gericht als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschehen ist (RIS-Justiz RS0089983, RS0117995).

[33] Der Begründungsmangel der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt vor, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS-Justiz RS0098646, RS0118316).

[34] Mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen, wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch – im Sinn einer logischen Unvereinbarkeit – besteht (RIS-Justiz RS0119089).

[35] Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS-Justiz RS0099413).

[36] Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS-Justiz RS0099547). Die Richtigkeit von auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüssen kann unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit aber nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0099524).

[37] Schließlich sind zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) eines Begründungsmangels nicht nur die beanstandete Feststellung zu einer entscheidenden Tatsache und der nach Ansicht des Beschwerdeführers vorliegende Mangel iSd Z 5 konkret anzuführen, sondern es ist – unter Beachtung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370) – auch darzulegen, worin der Begründungsmangel erblickt wird (vgl RIS-Justiz RS0130729).

[38] Bezugspunkt der Mängelrüge ist aber (nur) der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen. Entscheidend sind jene Tatsachen, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss haben (RIS-Justiz RS0106268, RS0117499), nicht hingegen solche Umstände, die nur für die Strafzumessung von Bedeutung sind.

[39] Bei einer – wie hier – nach Maßgabe des Zusammenrechnungsgrundsatzes des § 29 StGB gebildeten Subsumtionseinheit sui generis (siehe dazu Ratz in WK² StGB § 29 Rz 5 ff; RIS-Justiz RS0112520) setzt eine prozessordnungskonforme Ausführung der Mängelrüge daher voraus, dass sich die behaupteten Begründungsmängel entweder auf die Strafbarkeit einer (rechtlich selbständigen) Einzeltat oder auf die rechtliche Beurteilung der Subsumtionseinheit auswirken (RIS-Justiz RS0120980 [T1], RS0117996). Konkrete Wert- oder Schadensbeträge wiederum sind nur dann subsumtionsrelevant, wenn sie eine Wertgrenze tangieren (RIS-Justiz RS0099497 [T16]).

[40] Hat das Erstgericht (prozessual) eine Mehrzahl gleichartiger Taten nur pauschal individualisiert (zur gleichartigen Verbrechensmenge vgl RIS-Justiz RS0119552), kann zudem die Täterschaft hinsichtlich einzelner dieser Taten nicht erfolgversprechend in Frage gestellt werden (RIS-Justiz RS0116736; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33).

[41] Soweit die Beschwerde mehrfach behauptet, das Erstgericht habe Feststellungen „nichtigkeitbegründend“ auf Grundlage des im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachtens ON 740 des Sachverständigen Mag. H* getroffen, ist auf die Beantwortung der Verfahrensrüge zu verweisen. Ein Begründungsmangel iSd Z 5 wird mit dem Vorbringen nicht zur Darstellung gebracht.

[42] Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) kritisiert, dass das Erstgericht die (nach Tathandlungen in weitere Fakten untergliederten) Feststellungen zum Schuldspruch I./A./ (Überschrift: „Zahlungen ohne Gegenleistungen“) auf das Gutachten des Sachverständigen Mag. H* gestützt habe, obwohl dieses „mit schwerer Mangelhaftigkeit belastet“ sei. Daran anschließend listet die Beschwerde – eingebettet in eine Fülle an oftmals seitenweise wörtlich wiedergegebenen Verfahrensergebnissen und „bekämpften Feststellungen“ sowie „gewünschten Feststellungen“ – zu jedem Faktum des Schuldspruchs I./A./ (im Folgenden: Faktum V* und G*, Faktum LO*, Faktum * T* und W*, Faktum Überrechnung Steuerkonto und Faktum Spesen) vermeintliche Mängel im Sachverständigengutachten auf, die sich auf das Urteil des Erstgerichts niedergeschlagen hätten, da es das Gutachten des Sachverständigen – aus Sicht des Beschwerdeführers damit zu Unrecht – für nachvollziehbar und schlüssig erachtet habe.

[43] Sie übersieht zunächst, dass angebliche Mängel oder Widersprüche des Gutachtens nur im Weg des § 127 Abs 3 StPO beseitigt werden können (RIS-Justiz RS0097360). Die umfangreichen Ausführungen zu behaupteten Mängeln im genannten Gutachten (sogar bezogen auf ein nicht vom Schuldspruch umfasstes Faktum) verbunden mit einer eigenständigen Würdigung von (in extenso wiedergegebenen) Beweisergebnissen gehen daher von vornherein ins Leere. Mit (bloß) gegen die materielle Überzeugungskraft einer – iSd § 127 Abs 3 StPO mängelfreien – Expertise gerichtetem Vorbringen kann wiederum ein unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe relevanter Mangel einer auf das betreffende Gutachten gestützten Urteilsbegründung nicht behauptet werden (RIS-Justiz RS0097433, RS0099508).

[44] Unter dem Aspekt des – der Sache nach ebenfalls angesprochenen – Umfangs der Begründungspflicht des Erstgerichts vernachlässigt die Beschwerde, dass das Schöffengericht – anders als bei einer Abweichung vom Gutachten oder den Urteilskonstatierungen entgegenstehenden Ausführungen des Sachverständigen – nicht gehalten ist, im Rahmen der (gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO) auf eine gedrängte Darstellung zu beschränkenden Urteilsbegründung näher auf den Inhalt des Gutachtens einzugehen, wenn Feststellungen – wie hier (US 43 ff) – auf ein als widerspruchsfrei und nachvollziehbar erachtetes Sachverständigengutachten gestützt werden (RIS-Justiz RS0098716). Gegen die Feststellungen sprechende Hinweise im Gutachten, mit denen sich das Gericht nicht auseinandergesetzt hätte (vgl RIS-Justiz RS0119301 [T6]), zeigt die Beschwerde im Übrigen nicht deutlich und bestimmt auf.

[45] Die auf das Faktum V* und G* bezogene Mängelrüge (nominell Z 5 zweiter und vierter Fall) kritisiert die Feststellungen, wonach der Angeklagte die Darlehensvaluta jeweils für private Zwecke verwendet hat, während die Kredite durch die W* getilgt wurden (US 12 f). Indem sie Passagen der Verantwortung des Angeklagten J* sowie (in der Hauptverhandlung vorgekommene) Urkunden eigenständig würdigt und über mehrere Seiten der Beschwerdeschrift „gewünschte Feststellungen“ unterbreitet, wird weder Unvollständigkeit noch eine offenbar unzureichende Begründung iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufgezeigt, sondern die tatrichterliche Beweiswürdigung bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) bekämpft. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, das Erstgericht habe die Verantwortung des Angeklagten mit Stillschweigen übergangen, übersieht, dass die Tatrichter diese auf US 47 f als unglaubwürdig erachtet haben (RIS-Justiz RS0098642 [T1]). Die tatsächliche Existenz eines Unternehmens „P*“ ist nicht entscheidend, womit auch zum diesbezüglichen Nachweis vorgelegte Urkunden keiner gesonderten Erörterung bedurften (RIS-Justiz RS0098646; vgl im Übrigen US 49).

[46] Soweit die Rüge einen Teil des vom Erstgericht zu diesem Faktenkomplex angenommenen Schadensbetrags iHv 20.761,65 Euro als betrieblich veranlasste Provisionszahlungen an die V* darzustellen versucht, wird mit Blick auf die erfolglose Bekämpfung der Feststellungen zu einem 300.000 Euro übersteigenden Schaden (schon allein zu den von diesem Faktum umfassten, als gleichartige Verbrechensmenge nur pauschal individualisierten Taten) keine entscheidende Tatsache angesprochen.

[47] Die obigen Ausführungen gelten auch für das gleichgelagerte Beschwerdevorbringen in Betreff des Faktums Spesen. Weil das Erstgericht die Verantwortung des Angeklagten zu diesem Vorwurf – unter Berücksichtigung zahlreicher von ihm vorgelegter Unterlagen – für unglaubwürdig erachtet hat (US 52 ff), war es mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, sämtliche zur Untermauerung seiner Einlassung eingebrachten (großteils von ihm selbst verfassten [Tabellen, Buchkalender und ähnliche]) Urkunden (insbesondere auch zu den Tantiemen, mit denen sich die Tatrichter ohnehin gesondert auseinandergesetzt haben [US 23 ff, 52 ff]) in diesen zu erörtern (RIS-Justiz RS0106642). Die Aussage des Zeugen * Go* wurde gleichfalls berücksichtigt (US 60). Inwieferne die von der Beschwerde als übergangen reklamierten Details daraus Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen entgegenstehen sollen, macht sie nicht klar.

[48] Das weitere Vorbringen (nominell Z 5 erster, zweiter und vierter Fall), das Erstgericht habe eine vom Angeklagten J* im Rahmen seiner „Verantwortung“ angebotene (zur Vermeidung einer „Überladung des Ermittlungsverfahrens“ nicht vorgelegte), 27 Ordner umfassende Belegsammlung zu Spesenabrechnungen nicht dahingehend überprüft, ob die dort aufgelisteten Ausgaben betrieblich veranlasst waren, bezieht sich schon nicht deutlich und bestimmt auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweisergebnis (vgl RIS-Justiz RS0124172 [T4, T7]).

[49] Die in diesem Zusammenhang weiters erhobene Kritik am Sachverständigengutachten geht – wie bereits oben ausgeführt – abermals ins Leere. Die umfangreichen Aufgliederungen von Spesen des Angeklagten J* in der Beschwerdeschrift und die darauf gegründete Beweiswürdigung des Beschwerdeführers lassen einen Bezug zu einem Begründungsmangel ebenso vermissen wie die Behauptungen, Feststellungen würden „nicht im Einklang mit“ oder „im eklatanten Widerspruch zu“ bezeichneten „Beweis/Verfahrensergebnissen“ stehen. Im Übrigen blieben die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Hauptverhandlung vorgelegten Unterlagen zu Spesenabrechnungen nicht unberücksichtigt (US 52 ff [zum mehrfach angesprochenen Filofax US 54]).

[50] Allfällige Fehler des Erstgerichts im Rahmen der Zitierung von Seitenangaben des Sachverständigengutachtens begründen – dem auf US 52 bezogenen Beschwerdevorbringen zuwider – keine Nichtigkeit aus Z 5.

[51] Nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe nimmt die das Faktum Spesen betreffende Beschwerde (der Sache nach Z 5 erster Fall) in den Blick (siehe aber RIS-Justiz RS0117995 [T1]), wenn sie die Feststellung, wonach „hinsichtlich eines Teils der Spesenvorschüsse im Zeitraum bis im Gesamtbetrag von € 508.958,67“ zu den Spesenvorschüssen „einerseits keine adäquaten Gegenleistungen“ vorlagen, andererseits „es für die Vorschüsse Zahlungsbelege“ gab (US 25), geht doch aus US 24 ff unzweifelhaft hervor, dass hinsichtlich des gesamten vom Erstgericht festgestellten Betrags an Spesenvorschüssen keine (adäquaten) „Gegenleistungen“ bestanden haben und das Gericht (unter Auslassung des Wortes „keine“) das Nichtvorliegen von Zahlungsbelegen gemeint hat. Unter dem Aspekt des dritten Falls der Z 5 wiederum können die Feststellungen nach den Kriterien der Logik und Empirie nebeneinander bestehen.

[52] Einzelne der vom Faktum Spesen erfassten Ausgaben des Angeklagten J* können mit Blick auf das Bestehen einer gleichartigen Verbrechensmenge im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde von vornherein nicht erfolgversprechend in Frage gestellt werden. Einwände betreffend die Verbuchung der Zahlungen an den Angeklagten J* beziehen sich wiederum nicht auf Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen.

[53] Soweit die Mängelrüge zum Faktum Spesen die Konstatierungen zum Schadensbetrag im Umfang von 54.287,08 Euro kritisiert, berührt sie mit Blick auf die erfolglose Bekämpfung der Feststellungen zu einem 300.000 Euro übersteigenden Schaden (vgl dazu oben zu Faktum V*/G*) schon nicht Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen.

[54] Zum Faktum LO* kann sinngemäß auf die obige Antwort verwiesen werden, weil abermals Passagen der Verantwortung des Angeklagten J* sowie (in der Hauptverhandlung vorgekommene) Urkunden eigenständig gewürdigt und über mehrere Seiten der Beschwerdeschrift „gewünschte Feststellungen“ unterbreitet werden. Begründungsmängel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO zeigt die Beschwerde nicht auf. Die Verantwortung des Angeklagten zu diesem Faktum hat das Erstgericht abermals nicht unberücksichtigt gelassen (US 49 f), sondern letztlich als Geständnis gewertet (RIS-Justiz RS0099419). Soweit die Mängelrüge zum Faktum LO* die Höhe des vom Erstgericht festgestellten Schadenbetrags bekämpft, spricht sie neuerlich mit Blick auf das bisher zum Überschreiten eines Schadensbetrags von 300.000 Euro Gesagte (schon) nicht Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen an.

[55] Gleiches gilt für die auf das Faktum * T* bezogene Mängelrüge, die im Übrigen übergeht, dass das Erstgericht in Betreff der Leistung von 19.100 Euro an T* die Verantwortung des Angeklagten J* (auch) aufgrund der Aussage der Zeugin * Re* als widerlegt angesehen und die Angaben der Zeugen * T* als vage und substratlos erachtet hat (US 50 f).

[56] Zum Faktum Überrechnung Steuerkonto erschöpft sich die Rüge (nominell Z 5) im unzulässigen Bestreben, das Rechtsmittelgericht möge aus der Verantwortung des Beschwerdeführers andere Schlüsse als das Erstgericht ziehen (RIS-Justiz RS0116733 [T1]).

[57] Der unter dem Titel „Präambel“ nominell aus Z 5a erhobene Vorwurf, „einer lebensnahen – an den relevanten, im Hauptverfahren hervorgekommenen, Beweis/Verfahrensergebnissen orientierten – Beurteilung“ wäre „objektiv entnehmbar, dass die entlastenden Beweis/Verfahrensergebnisse insgesamt mit dem – durch das Erstgericht festgestellten – Sachverhalt nicht in Einklang zu bringen sind“, bleibt unsubstantiiert und bringt eine Tatsachenrüge nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung (RIS-Justiz RS0100555).

[58] Die auf das Faktum I./A./ (Spesen) bezogene Rechtsrüge (Z 9 lit a) fordert zunächst Urteilskonstatierungen zu angeblichen „Gegenforderungen“ des Angeklagten J* gegenüber der W* und behauptet das Fehlen eines Schädigungsvorsatzes in Höhe rechtlich begründeter Gegenforderungen. Indem sie die getroffenen Feststellungen bekämpft und durch „gewünschte Feststellungen“ ersetzt, gelangt sie nicht prozessordnungsgemäß zur Ausführung (RIS-Justiz RS0099810 und RS0118580; zur Schadensberechnung bei der Untreue vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0094565, RS0094917; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153 Rz 39, 40).

[59] Die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung ist – der weiteren Rüge zuwider – nicht Gegenstand einer Rechts- oder Subsumtionsrüge (RIS-Justiz RS0122138, RS0122137). Im Übrigen orientiert sich die Behauptung, aus der Feststellung (US 24), wonach der Angeklagte J* „versuchte [...], so viel Geld als möglich durch 'Spesenvorschüsse' aus dem Vermögen der W* in sein privates Vermögen ohne Gegenleistung überzuführen“, folge, dass bezüglich des Faktums I./A./ (Spesen) lediglich Versuch anzunehmen sei, nicht an der Gesamtheit der getroffenen Feststellungen (US 23 ff).

[60] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J* war daher in diesem Umfang – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[61] Mit ihren jeweils gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen waren die Angeklagten ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die Kassation zu verweisen.

[62] Die Entscheidung über die gegen den Zuspruch privatrechtlicher Ansprüche gerichtete Berufung des Angeklagten J* kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

[63] Die Kostenentscheidung, die sich nicht auf die amtswegige Maßnahme erstreckt (RIS-Justiz RS0101558), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Strafrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00130.23H.0903.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-66451