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OGH 15.11.2023, 13Os50/23m

OGH 15.11.2023, 13Os50/23m

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. De Rijk in der Finanzstrafsache gegen * R* (geboren 1952) und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 13, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF BGBl I 2019/62) sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * R* (geboren 1952) gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 123 Hv 63/21t-377, sowie über die Beschwerde dieses Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten * R* (geboren 1952) fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – * R* eines (richtig) Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 13, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF [A]) sowie zweier Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG (idF vor BGBl I 2019/62 [C]) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des (ehemaligen) Finanzamts Wien 8/16/17 als Einzelunternehmer vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Einkommensteuer bewirkt (C) und zu bewirken versucht (§ 13 FinStrG, A), nämlich

(A) durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen unter Verwendung falscher Beweismittel, nämlich von fingierten Eingangsrechnungen, in denen Rechtsbeziehungen vorgetäuscht und solcherart erhöhte Aufwendungen verbucht wurden (US 22), wobei eine Veranlagung nach Abschluss der Betriebsprüfung durch die Finanzbehörde sogleich in der richtigen Höhe erfolgte (US 22 f und 44 f), und zwar

I) am für das Jahr 2011 um 129.288 Euro und

II) am für das Jahr 2012 um 152.219 Euro, sowie

(C) durch die Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen binnen der gesetzlichen Erklärungsfrist, wobei er die Abgabenhinterziehung gewerbsmäßig (im Sinn der zu den Tatzeitpunkten geltenden Fassung des § 38 FinStrG BGBl I 2015/163 [US 45]) beging, und zwar

I) am für das Jahr 2017 um 8.965 Euro und

II) am für das Jahr 2018 um 17.077 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z „9a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * R*.

[4] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht aus §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a FinStrG idgF (A) und aus §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG (idF vor BGBl I 2019/62, C) ab, weshalb die in objektiver und in subjektiver Hinsicht getroffenen Feststellungen (US 9 bis 26) die vom Erstgericht jeweils vorgenommene Subsumtion nicht tragen oder „unzureichend“ sein sollen (siehe aber RIS-Justiz RS0116565 und RS0116569).

[5] Auch die ergänzende Rechtsbehauptung, es hätte für die rechtsrichtige Beurteilung zusätzlicher Konstatierungen dazu bedurft, „wie der Angeklagte zu Reisepässen und Ausweisen dritter Personen gelangt ist oder gelangen hätte sollen, die dann in der Buchhaltung abgelegt wurden“, leitet die Rüge nicht aus dem Gesetz ab (siehe aber erneut RIS-Justiz RS0116565).

[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[7] Über die Berufung und die als erhoben zu betrachtende Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[8] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

[9] Über eine Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO in Ansehung des den Angeklagten * W* betreffenden Schuldspruch B entscheidet der Oberste Gerichtshof gesondert in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung (§ 285d Abs 2 StPO).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. De Rijk in der Finanzstrafsache gegen * R* (geboren 1952) und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 13, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF) sowie weiterer strafbarer Handlungen aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * R* (geboren 1952) gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 123 Hv 63/21t-377, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner, und der Finanzstrafbehörde, Mag. Ungerböck, des Angeklagten * W* sowie seines Verteidigers Mag. Tropsch zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten * W* wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 13, 33 Abs 1 FinStrG (B), demzufolge auch im * W* betreffenden Strafausspruch aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

* W* wird gemäß § 214 FinStrG vom Vorwurf freigesprochen, er habe zur intendierten Abgabenverkürzung des * R* (geboren 1952), der im Zuständigkeitsbereich des (ehemaligen) Finanzamts Wien 8/16/17 als Einzelunternehmer vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten am für das Jahr 2011 eine Verkürzung an Einkommensteuer um 129.288 Euro durch die Abgabe einer unrichtigen Jahressteuererklärung unter Verwendung falscher Beweismittel, nämlich von fingierten Eingangsrechnungen, in denen Rechtsbeziehungen vorgetäuscht und aufwandswirksam verbucht wurden, zu bewirken versuchte (A I), vorsätzlich beigetragen (§ 11 dritter Fall FinStrG), indem er R* im Sommer 2011 bei der Organisation einer Rechnung für eine fiktive Lieferung Kupfer über 61.831 Euro unterstützte.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * W* wegen des zuvor wiedergegebenen Vorwurfs des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 13, 33 Abs 1 FinStrG (B) schuldig erkannt.

[2] Die gegen den Schuldspruch A und C des Angeklagten * R* gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Genannten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , GZ 13 Os 50/23m-4, zurückgewiesen. Dabei hat der Oberste Gerichtshof die Ausübung der ihm nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO zukommenden Befugnis in Ansehung des * W* betreffenden Schuldspruchs B einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vorbehalten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Diesem Schuldspruch haftet nämlich – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO an, die dem Angeklagten W* zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[4] Nach den erstgerichtlichen Feststellungen organisierte W* (mit der entsprechenden Intention [US 23 f]) im Sommer 2011 die Erstellung einer Rechnung für den Verkauf von Altkupfer zu einem Preis von 61.831 Euro durch eine im Urteil namentlich genannte Person an R*, wobei dieser Geschäftsvorgang tatsächlich nicht stattfand. R* nahm diese Rechnung in die Buchhaltung des Veranlagungsjahres 2011 auf, die die Grundlage der späteren Einkommensteuererklärung bildete und hielt sie für eine allfällige Vorlage an die Behörden bereit. Am reichte R* die Einkommensteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2011 ein und versuchte, eine Verkürzung der Einkommensteuer um 129.288 Euro zu bewirken. Diese – bescheidmäßig festzusetzende – Abgabe wurde jedoch nicht auf der Basis der unrichtigen Abgabenerklärung des R*, sondern aufgrund einer Betriebsprüfung der Finanzbehörde sogleich in der richtigen Höhe festgesetzt (US 21 bis 23 und US 44 f).

[5] Das gegenständliche Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG blieb demnach – wovon das Erstgericht zutreffend ausging – in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 13 FinStrG, RIS-Justiz RS0087158). Die festgestellte Verhaltensweise des W* (Organisation einer Scheinrechnung im Sommer 2011) wäre – wovon das Erstgericht ebenso zutreffend ausging – als vollendeter (RIS-Justiz RS0090016) sonstiger Beitrag (§ 11 dritter Fall FinStrG) des W* zu diesem Finanzvergehen des R* zu werten.

Davon ausgehend hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

[6] Die Strafbarkeit eines Finanzvergehens erlischt durch Verjährung (§ 31 Abs 1 erster Satz FinStrG). Die Verjährungsfrist für Finanzvergehen beträgt – soweit hier von Interesse – fünf Jahre (§ 31 Abs 2 FinStrG).

[7] Sofern nicht auf einen Erfolgseintritt abzustellen ist (§ 31 Abs 1 dritter Satz FinStrG e contrario), beginnt die Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs 1 zweiter Satz FinStrG zu laufen, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört. Dies gilt auch, wenn ein Erfolgsdelikt (vgl § 31 Abs 1 dritter Satz FinStrG) – hier das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (Lässig in WK2 FinStrG § 31 Rz 4) – im Versuchsstadium (§ 13 FinStrG) verbleibt (zum Ganzen 13 Os 118/18d EvBl 2019/136 mwN).

[8] Blieb ein Erfolgsdelikt – wie hier – im Versuchsstadium, können somit im Fall der Beteiligung (§ 11 FinStrG) mehrerer Täter die Zeitpunkte des Beginns der Verjährungsfrist divergieren (Lässig in WK2 FinStrG § 31 Rz 4). Beim sonst Beteiligten (§ 11 dritter Fall FinStrG) kommt es für den Beginn der Verjährungsfrist auf dessen letzte kausale Beitragshandlung zur Ausführungshandlung des unmittelbaren Täters an (RIS-Justiz RS0118617 [T2]).

[9] Nach § 31 Abs 1 letzter Satz FinStrG beginnt die Verjährungsfrist nie früher zu laufen als jene für die Festsetzung der Abgabe, gegen die sich die Straftat richtet, womit eine (durch abgabenrechtliche Vorschriften determinierte) Anlaufhemmung normiert wird. Dies ist als generelle – also auf alle Abgaben bezogene – Anordnung zu verstehen, bei der Berechnung der Frist zur finanzstrafrechtlichen Verfolgungsverjährung auf die Bestimmungen des § 208 BAO Bedacht zu nehmen (Lässig in WK2 FinStrG § 31 Rz 5 mwN).

[10] Nach § 208 Abs 1 lit a BAO beginnt die Verjährung bei der Einkommensteuer (§ 207 Abs 2 BAO) mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Der Abgabenanspruch entsteht gemäß § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.

[11] Ausgehend von den Urteilskonstatierungen entstand der hier relevante Abgabenanspruch für das Veranlagungsjahr 2011 (A I) mit Ablauf des Jahres 2011. Demnach wurde der Anlauf der fünfjährigen Verjährungsfrist für die im Sommer 2011 gesetzte kausale Beitragshandlung des W* bis zum Ablauf des Jahres 2011 gehemmt.

[12] Das Ermittlungsverfahren gegen W* wurde nach der Aktenlage von der Staatsanwaltschaft (erst) am eingeleitet (US 27, ON 1 S 47; zur Fortlaufhemmung des § 31 Abs 4 lit b FinStrG und zum Begriff des „Führens“ des Strafverfahrens in diesem Zusammenhang 13 Os 17/21f EvBl 2022/77, RIS-Justiz RS0132861 und RS0133841 sowie Lässig in WK2 FinStrG § 31 Rz 11). Tatumstände, die den Eintritt der Verjährung mit (§ 31 Abs 3 FinStrG) gehindert hätten, stellte das Erstgericht nicht fest. Dies macht die (implizite) rechtliche Beurteilung, die Strafbarkeit der in Rede stehenden Abgabenhinterziehung sei nicht verjährt, unschlüssig (RIS-Justiz RS0122332 [T11]).

[13] Dieser Rechtsfehler (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs B sowie demzufolge auch des W* betreffenden Strafausspruchs.

[14] Da der Verjährung entgegenstehende Konstatierungen nach der Aktenlage in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten sind, war im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs B mit Freispruch in der Sache selbst zu entscheiden (vgl § 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO, RIS-Justiz RS0100239 [T11] und RS0118545 [T12]).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Strafrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00050.23M.1115.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-66444