OGH 22.08.2023, 10ObS73/23t
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Rechtssatz
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Norm | |
RS0134469 | Die Rechtswirksamkeit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit gemäß § 13a AVRAG tritt durch die Zustellung der Mitteilung über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes nach § 143d ASVG (§ 13a Abs 1 Z 8 AVRAG) ein. Erfolgt der tatsächliche Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit nicht zum geplanten (gesetzlich zulässigen) Zeitpunkt, weil nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit im Sinn des § 13a Abs 1 Satz 1 AVRAG ein neuerlicher Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eintrat, so hat dies nicht die Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit zur Folge. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Lena Steiger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid-Wilches (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Mag. Martha Gradl, Rechtsanwältin in Linz, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Dr. Haymo Modelhart, Dr. Elisabeth Humer-Rieger und Mag. Katrin Riesenhuber, Rechtsanwälte in Linz, wegen Wiedereingliederungsgeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 33/23v-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 36 Cgs 83/22b-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 609,67 EUR (darin 101,61 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 502,70 EUR (darin 83,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin steht seit in einem aufrechten Arbeitsverhältnis. Sie war von bis aufgrund einer schweren Erkrankung arbeitsunfähig.
[2] Am vereinbarte die Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin für den Zeitraum von bis eine Wiedereingliederungsteilzeit. Mit Schreiben vom teilte die Österreichische Gesundheitskasse der Klägerin mit, dass ihr Antrag auf Wiedereingliederungsteilzeit vom chef- und kontrollärztlichen Dienst bewilligt worden sei und sie daher Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld habe.
[3] Aufgrund eines bronchopulmonalen Infekts befand sich die Klägerin von bis einschließlich (Freitag) im Krankenstand. Sie nahm ihre Arbeit am wieder auf.
[4] Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Österreichische Gesundheitskasse den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung von Wiedereingliederungsgeld für den Zeitraum von bis mit der Begründung ab, dass ein Dienstantritt der Klägerin infolge ihrer neuerlichen Erkrankung mit nicht möglich war.
[5] Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zuerkennung von Wiedereingliederungsgeld für den Zeitraum von bis . Der Umstand, dass sie infolge ihrer neuerlichen Erkrankung die Arbeit nicht am antreten habe können, habe nicht zur Folge, dass der Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld für den gesamten Zeitraum verloren gehe.
[6] Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass die Wiedereingliederungsteilzeit spätestens einen Monat nach Ende der Arbeitsunfähigkeit angetreten werden müsse. Dies wäre bei der Klägerin spätestens am der Fall gewesen. Da die Klägerin infolge ihrer neuerlichen Erkrankung die Arbeit aber erst am wieder aufgenommen habe, lägen nachträglich nicht sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung der Wiedereingliederungsteilzeit vor.
[7] Das Erstgericht sprach der Klägerin Wiedereingliederungsgeld anlässlich des Versicherungsfalls der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand für den Zeitraum von bis im gesetzlichen Ausmaß zu. Das Mehrbegehren auf Zuerkennung von Wiedereingliederungsgeld für den Zeitraum von bis wies es hingegen ab. Im Umfang der Abweisung erwuchs sein Urteil unangefochten in Rechtskraft. Sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereingliederungsgeld an die Klägerin lägen vor: Die Klägerin habe eine wirksame Vereinbarung nach § 13a AVRAG mit ihrer Arbeitgeberin getroffen und der chef- und kontrollärztliche Dienst der Beklagten habe auf Basis des erstellten Wiedereingliederungsplans die erforderliche Genehmigung erteilt. Wäre die Klägerin nicht neuerlich erkrankt, hätte sie die Wiedereingliederungsteilzeit am antreten können. Die Vorschrift, dass die Wiedereingliederungsteilzeit spätestens einen Monat nach Ende der mindestens sechs Wochen ununterbrochen andauernden Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unglücksfall (Anlassfall) angetreten werden muss, betreffe die arbeitsrechtliche Seite der Vereinbarung, berühre aber nicht den sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld. Dieses gebühre gemäß § 143d Abs 1 ASVG aber erst ab dem Tag des tatsächlichen Dienstantritts, daher hier ab .
[8] Das nur von der Beklagten angerufene Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es die Klage zur Gänze abwies. Arbeits- und sozialrechtliche Folgen der Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit könnten nicht getrennt voneinander behandelt werden. Nach der Novelle BGBl I 2018/54 stelle § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG darauf ab, dass die Wiedereingliederungsteilzeit „angetreten“ werden müsse, enthalte daher dafür eine Höchstgrenze, ohne Ausnahmen vorzusehen. Diese Bestimmung korrespondiere mit dem Versicherungsfall der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand, der mit dem tatsächlichen Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit eintrete; auch der Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld bestehe erst ab dem Tag des tatsächlichen Dienstantritts. Dem Gesetzgeber, der in § 143d Abs 4 ASVG den Fall einer Erkrankung während der Wiedereingliederungsteilzeit berücksichtigt habe, könne nicht unterstellt werden, den hier vorliegenden Fall, dass eine neuerliche Erkrankung den vereinbarten Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit hinausschieben könne, nicht bedacht zu haben. Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung fehle, ob Wiedereingliederungsgeld auch dann entfalle, wenn die Wiedereingliederungsteilzeit aufgrund eines Krankenstands nicht innerhalb eines Monats nach Beendigung des Anlassfalls angetreten werden könne.
[9] Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin, mit der sie die Stattgebung ihrer Klage im noch zu behandelnden Umfang anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die Revision ist zulässig und berechtigt.
[11] 1. Die Gewährung von Wiedereingliederungsgeld setzt gemäß § 143d Abs 1 ASVG erstens die vorherige Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit gemäß § 13a AVRAG (in der hier unstrittig anwendbaren Fassung der Novelle BGBl I 2018/54) voraus. Zweitens ist die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst des zuständigen Krankenversicherungsträgers auf Basis des Wiedereingliederungsplans erforderlich. Die Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit bleibt bis zur Mitteilung des Krankenversicherungsträgers über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes und deren Zustellung (an den Arbeitgeber, § 143d Abs 6 ASVG) schwebend unwirksam (ErläutRV 1362 BlgNR 25. GP 4 zum WiedereingliederungsteilzeitG BGBl I 2017/30). Sie wird erst mit dem auf die Zustellung der Mitteilung über die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld folgenden Tag gemäß § 13a Abs 1 Satz 8 AVRAG (vor der Novelle BGBl I 2018/54: Satz 7) rechtswirksam. Die Voraussetzungen für die Vereinbarung einer rechtswirksamen Wiedereingliederungsteilzeit-vereinbarung liegen hier unstrittig vor (10 ObS 129/18w SSV-NF 33/19 Pkt 3.2 ff mwH).
[12] 2.1 Darauf beruhend argumentiert die Revisionswerberin zutreffend, dass der zweite Satz in § 13a Abs 1 AVRAG nicht so ausgelegt werden könne, dass der Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld in ihrem Fall zur Gänze verlustig ginge. Denn die Klägerin habe die Wiedereingliederungsteilzeit ohne Verschulden nicht zum geplanten Zeitpunkt antreten können.
[13] 2.2 In der Stammfassung des § 13a Abs 1 AVRAG, BGBl I 2017/30, befand sich keine Regelung, ob die Wiedereingliederungsteilzeit unmittelbar nach Ende des Krankenstands beginnen müsse, oder ob ein zeitlicher und ursächlicher Zusammenhang mit dem vorangegangenen, zumindest sechs Wochen dauernden Krankenstand genüge (dies war strittig, vgl dazu die Hinweise in 10 ObS 129/18w SSV-NF 33/19, Pkt 7.2). Der Gesetzgeber reagierte darauf mit der Einfügung des nunmehrigen zweiten Satzes in § 13a Abs 1 AVRAG mit der Novelle BGBl I 2018/54, der lautet: „Die Wiedereingliederungsteilzeit muss spätestens einen Monat nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des ersten Satzes angetreten werden.“
[14] 2.3 Die Wortinterpretation dieser Bestimmung (§ 6 ABGB) ergibt kein eindeutiges Ergebnis. § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG regelt als Voraussetzung des Anspruchs sicherlich die Notwendigkeit der Vereinbarung, den geplanten Antritt für die Wiedereingliederungsteilzeit auf einen Zeitpunkt zu legen, der spätestens einen Monat nach dem Ende des mehr als sechswöchigen ununterbrochenen Anlassfalls liegt (vgl Drs in SV-Komm [250. Lfg] § 143d Rz 14, die ausführt, dass die Voraussetzungen für das Wiedereingliederungsgeld nicht erfüllt seien, wenn der Arbeitnehmer die Wiedereingliederungsteilzeit erst später, zB nach einem längeren Urlaub, antreten möchte). Der Hinweis auf „muss ... angetreten werden“ im Zusammenhang mit einer Zeitangabe würde für das Erfordernis eines tatsächlichen Antritts sprechen. Allerdings wird dies wiederum durch die Bezugnahme „im Sinne des ersten Satzes“ relativiert – der erste Satz regelt nämlich nur die Vereinbarung. § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG kann daher auch so gelesen werden, dass lediglich der geplante Zeitpunkt des Antritts der Wiedereingliederungsteilzeit im gesetzlich vorgesehenen Zeitraum liegen muss.
[15] 2.4 Bei systematischer Interpretation der Bestimmung fällt auf, dass der wesentliche Mindestinhalt der Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung in § 13a Abs 2 AVRAG geregelt ist, wonach Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung zu vereinbaren sind (Pfeil in ZellKomm³ § 13a AVRAG Rz 11). § 13a Abs 1 AVRAG regelt hingegen (lediglich) weitere (teilweise auch exogene), großteils formale Voraussetzungen und einen gewissen Ablauf der Wiedereingliederungsteilzeit (10 ObS 129/18w SSV-NF 33/19, Pkt 3.1 mwH). Allerdings hängt die Rechtswirksamkeit der Vereinbarung wie ausgeführt allein vom Vorliegen der chef- und kontrollärztlichen Genehmigung und deren Mitteilung an den Arbeitgeber ab, nicht aber von anderen Voraussetzungen. Insbesondere ergibt sich aus § 13a AVRAG nicht, dass die bereits rechtswirksam gewordene Vereinbarung wieder unwirksam werden könnte, weil die Wiedereingliederungsteilzeit nicht zum geplanten Termin angetreten wurde. Bei einer hier erforderlichen systematischen Betrachtung auch der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen wird umgekehrt erkennbar, dass der „tatsächliche Beginn“ der Wiedereingliederungsteilzeit – worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat – den Versicherungsfall der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand (§ 120 Z 2a ASVG) begründet und der „tatsächliche Dienstantritt“ den Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld gemäß § 143d Abs 1 ASVG entstehen lässt.
[16] 2.5 Die historische Interpretation ergibt allerdings klar die Absicht des Gesetzgebers, durch die Einführung des § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG lediglich klarzustellen, dass die Wiedereingliederungsteilzeit nicht unmittelbar (nahtlos) an den mehr als sechswöchigen ununterbrochenen Krankenstand anschließen musste. Dies folgt erstens aus dem Zweck der Wiedereingliederungsteilzeit, schwer kranke Arbeitnehmer möglichst sanft in die Arbeitswelt zu reintegrieren und deren längeren Verbleib im Erwerbsleben zu unterstützen (Födermayr, Wiedereingliederungsteilzeit, SozSi 2018, 470 [472]; 10 ObS 129/18w Pkt 1.1). Zweitens hält der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl I 2018/54 seine bloß klarstellende Absicht deutlich fest, wenn es heißt: (ErläutRV 164 BlgNR 26. GP 1, 3):
„Dem Gesetzeswortlaut des § 13a AVRAG sowie des § 143d ASVG ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob der Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit unmittelbar nach Ende des Krankenstandes erfolgen muss. Die Gesetzesmaterialien zu § 13a AVRAG, wonach Gespräche bezüglich der Wiedereingliederungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberin und Arbeitnehmer bzw Arbeitnehmerin, Beratungsgespräche mit fit2work und die Erstellung des Wiedereingliederungsplans bereits während des Krankenstands begonnen werden können und die Vereinbarung über die Herabsetzung der Arbeitszeit bis zur Gesundung des Arbeitnehmers bzw der Arbeitnehmerin und Mitteilung über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes schwebend unwirksam bleibt, sind ein deutliches Indiz dafür, dass derartige Gespräche und Beratungen im Vorfeld der Wiedereingliederungsteilzeit nach dem Willen des Gesetzgebers auch nach der Gesundung erfolgen dürfen. Demgegenüber stehen die erläuternden Bemerkungen zu § 143d ASVG, wonach die Möglichkeit der Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit für Personen geschaffen werden sollte, 'die sich bereits seit mindestens sechs Wochen durchgehend im Krankenstand befinden'.
Die bislang in Absprache des (bisherigen) Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit dem (bisherigen) Bundesministerium für Gesundheit und Frauen und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erfolgte einheitliche Interpretation, wonach eine Wiedereingliederungsteilzeit nur im direkten Anschluss an den mindestens sechswöchigen Krankenstand angetreten werden kann, hat zu Rechtsunsicherheit geführt. Auch sollen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die ihre Arbeits- und Einsatzkraft nach der Genesung zunächst überschätzen, gegenüber anderen nicht benachteiligt werden; auch diesem Personenkreis soll die schrittweise Rückkehr in den Arbeitsprozess im Rahmen der Wiedereingliederungsteilzeit nicht verwehrt werden.
Die vorgeschlagene Gesetzespräzisierung dient der Klarstellung, dass die Wiedereingliederungsteilzeit nicht nur im unmittelbaren Anschluss an den Krankenstand sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt angetreten werden kann.
Die Arbeitszeitreduktion muss im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem mindestens sechswöchigen Krankenstand erfolgen. Um den zeitlichen Zusammenhang zu gewährleisten, muss die Wiedereingliederungsvereinbarung spätestens zum Ablauf von einem Monat nach dem Ende dieses Krankenstands erfolgen. Der Möglichkeit des Antritts der Wiedereingliederungsteilzeit innerhalb eines Monats nach dem Arbeitsbeginn soll ein zwischenzeitiger neuerlicher Krankenstand (infolge einer anderen Erkrankung wie zB eines grippale[n] Infekts oder eines Wiederauflebens jener Erkrankung, die für die Inanspruchnahme der Wiedereingliederungsteilzeit ursächlich ist) nicht entgegenstehen.“
[17] Diese Regelung sollte daher lediglich dem Arbeitnehmer einen gewissen Spielraum bieten (Tomandl, AVRAG [2022] 157). In keiner Weise ergibt sich aus den Materialien eine Absicht des Gesetzgebers, die Wirksamkeit (!) der Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit, deren gesetzliche Ausgestaltung ohnedies schon „übertrieben kompliziert“ erfolgte (Tomandl, AVRAG 156), davon abhängig zu machen, dass der zu einem gesetzlich zulässigen Zeitpunkt geplante Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit auch tatsächlich erfolgt. Der geforderte zeitliche und ursächliche Zusammenhang des Anlassfalls und der Wiedereingliederungsteilzeit ist bereits dann gewahrt, wenn der vereinbarte Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit innerhalb des in § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG normierten Zeitraums liegt. Ist diese zeitliche und kausale Verknüpfung gegeben, so ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen ein zwischenzeitiger kürzerer Krankenstand der Wirksamkeit der Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit zwingend entgegenstehen sollte (vgl bereits zur früheren Rechtslage Schrattbauer, Die neue Wiedereingliedrungsteilzeit, in Mattausch/Pfeil/Mosler, Early Intervention [2018] 27 [33] mwH).
[18] 3.1 Nichts anderes kann für einen solchen zwischenzeitigen Krankenstand gelten, wenn er innerhalb des Zeitraums des § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG beginnt, jedoch erst nach dem geplanten Zeitpunkt des Antritts der Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung endet.
[19] 3.2 Jene Rechtsfolgen, die nicht an den geplanten, sondern an den tatsächlichen Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit anknüpfen und den Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld betreffen, regeln nicht die arbeitsrechtlichen, sondern die sozialrechtlichen Bestimmungen zur Wiedereingliederungsteilzeit. Dies entspricht der Regelungstechnik des Gesetzgebers: Nach § 13a Abs 1 Satz 8 AVRAG wird die Wiedereingliederungsteilzeit frühestens mit dem Tag wirksam, der auf die Zustellung der Mitteilung der chef- und kontrollärztlichen Bewilligung folgt. Gegenstand der Mitteilung ist die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes, daher eines sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs. Erst zu diesem frühestmöglichen Zeitpunkt hat der Gesetzgeber daher die (arbeitsrechtlich vereinbarte) Wiedereingliederungsteilzeit mit dem Sozialrecht verknüpft (Tomandl, AVRAG 157).
[20] 3.3 Die sozialversicherungsrechtliche Leistung des Wiedereingliederungsgeldes soll den durch die vereinbarte Reduktion der Arbeitszeit verursachten Ausfall des arbeitsrechtlichen Entgelts teilweise kompensieren (Schrattbauer, Die neue Wiedereingliederungsteilzeit, 28). Nachdem der arbeitsrechtliche Entgeltanspruch durch die Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung festgelegt wurde (vgl § 13a Abs 6 und Abs 1 Satz 4 AVRAG) und die Verknüpfung mit dem Sozialrecht durch die Mitteilung der Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes erfolgt ist, legen nun die bereits zitierten Bestimmungen der §§ 120 Z 2a und 143d Abs 1 ASVG den Eintritt des Versicherungsfalls und den Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs auf Wiedereingliederungsgeld fest und knüpfen dies jeweils – hier nach dem Wortlaut eindeutig – an den tatsächlichen Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit (bzw des Dienstes) an.
[21] 3.4 Bei Zusammenschau der arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen ergibt sich folgendes Bild: Liegt eine Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit – insbesondere auch mit einem gemäß § 13a Abs 1 Satz 2 ASVG zulässigen geplanten Antrittstermin – vor und erweist sich diese als medizinisch zweckmäßig, sodass die chef- und kontrollärztliche Bewilligung erteilt wird (§ 143d Abs 1 ASVG), so ist diese Vereinbarung rechtswirksam. Der Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld entsteht frühestmöglich mit dem geplanten Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit. Erfolgt dieser nicht tatsächlich, so hindert dies – ungeachtet der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung – den Eintritt des Versicherungsfalls der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand und das Entstehen des Anspruchs auf Wiedereingliederungsgeld. Umgekehrt ergibt sich aus dem Wortlaut des § 13a Abs 1 Satz 2 AVRAG gerade nicht, dass die – nach Erteilung der chef- und kontrollärztlichen Genehmigung bereits rechtswirksame! – Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit (nur) deshalb ihre Wirksamkeit verlöre, weil die Wiedereingliederungsteilzeit zum geplanten Termin nicht tatsächlich angetreten wurde. Zutreffend wird im Ergebnis in der Literatur daher vertreten, dass die Zeitpunkte der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit und des Entstehens des Anspruchs auf Wiedereingliederungsgeld auseinanderfallen können (Dunst/Panhölzl, Die Wiedereingliederung nach langen Krankenständen, DRdA-infas 2017, 113 [115]; Födermayr, Wiedereingliederungsteilzeit, SozSi 2018, 470 [474]; aA ohne nähere Begründung Liebmann in Poperl/Trauner/Weißenböck, ASVG-Praxiskommentar [72. Lfg] § 143d ASVG Rz 11).
[22] 3.5 Richtig weist das Berufungsgericht darauf hin, dass der Gesetzgeber den Fall des Eintritts des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit während der Wiedereingliederungsteilzeit in § 143d Abs 4 ASVG geregelt und die Fälle einer Erkrankung unmittelbar nach Ende der Wiedereingliederungsteilzeit (ErläutRV 1362 BlgNR 25. GP 3) und zwischen dem Ende des Anlassfalls und dem Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit (ErläutRV 164 BlgNR 26. GP 3) bedacht hat. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er hätte den Fall nicht bedacht, dass ein Krankenstand nach Ende des Anlassfalls den Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit hinausschieben könnte. Denn erstens enthält § 143d Abs 4 ASVG lediglich eine Regelung zur Höhe des Wiedereingliederungsgeldes, die sicherstellen soll, dass der Arbeitnehmer durch die Wiedereingliederungsteilzeit gegenüber einem „gewöhnlichen“ Krankengeldbezug nicht schlechter gestellt wird (vgl Födermayr, Wiedereingliederungsteilzeit, SozSi 2018, 476). Zweitens hat der Umstand, dass die Wiedereingliederungsteilzeit tatsächlich nicht angetreten wird, wie ausgeführt lediglich zur Folge, dass der Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld nicht entsteht, nicht aber, dass die Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit nach Erteilung der chef- und kontrollärztlichen Bewilligung ihre Rechtswirksamkeit verliert. Nach der gesetzgeberischen Intention entsteht auch keine „Versorgungslücke“: In dem vom Gesetzgeber bedachten Fall einer neuerlichen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nach Ende des Anlassfalls entsteht in der Regel – wenn nicht ein- und derselbe Versicherungsfall vorliegt (§ 139 Abs 1 ASVG) – ein neuer Krankengeldanspruch, worauf die Klägerin auch hingewiesen hat. Dieser Anspruch würde wiederum nur ruhen, wenn der Versicherte einen Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld hat (§ 143 Abs 1 Z 8 ASVG), was aber gerade nicht der Fall ist, wenn er die Wiedereingliederungsteilzeit nicht tatsächlich antritt.
[23] 4. Ergebnis: Die Rechtswirksamkeit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit gemäß § 13a AVRAG tritt durch die Zustellung der Mitteilung über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes nach § 143d ASVG (§ 13a Abs 1 Z 8 AVRAG) ein. Erfolgt der tatsächliche Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit nicht zum geplanten (gesetzlich zulässigen) Zeitpunkt, weil nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit im Sinn des § 13a Abs 1 Satz 1 AVRAG ein neuerlicher Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eintrat, so hat dies nicht die Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit zur Folge.
[24] 5. Daraus folgt im vorliegenden Fall, dass der Klägerin für den Zeitraum zwischen ihrem tatsächlichen Dienstantritt am und dem Ende der wirksam vereinbarten Wiedereingliederungsteilzeit am ein Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld infolge der Erfüllung der – abgesehen vom nicht erfolgten tatsächlichen Dienstantritt zum geplanten Zeitpunkt unstrittigen – sonstigen Voraussetzungen zusteht. Der Revision ist daher Folge zu geben und das – in diesem Umfang noch im Revisionsverfahren zu behandelnde – klagestattgebende Urteil des Erstgerichts wieder herzustellen.
[25] Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00073.23T.0822.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAF-66371