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OGH 04.06.2024, 10ObS111/23f

OGH 04.06.2024, 10ObS111/23f

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Arno Sauberer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Anton Starecek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M*, vertreten durch Dr. Wolfgang Schöberl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, 1080 Wien, Josefstädter Straße 80, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 54/23v-19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Vorliegen des Mittelpunkts der Lebensinteressen im Bundesgebiet als Voraussetzung für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld gemäß § 2 Abs 1 Z 4 KBGG in einem Fall, in dem der Kläger gemeinsam mit seiner als Vertragsbedienstete des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) in die USA entsendeten Ehegattin und dem dort am * 2022 geborenen Kind in den USA lebt und Österreich nur an Feiertagen oder während des Urlaubs seiner Ehegattin besucht.

[2] 2. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet gemäß § 2 Abs 1 Z 4 KBGG dann anzunehmen, wenn sich eine Person ständig in Österreich aufhält und die Gesamtabwägung aller Umstände erbringt, dass diese Person zu Österreich die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (RS0130844; 10 ObS 180/19x; 10 ObS 2/20x [je ErwGr 3]).

[3] 3. Der Oberste Gerichtshof hat den Anspruch einer vom BMEIA in ein Drittland außerhalb der Europäischen Union entsendeten österreichischen Diplomatin auf Kinderbetreuungsgeld mangels eines Mittelpunkts der Lebensinteressen im Bundesgebiet abgelehnt und klargestellt, dass die Fiktion eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland gemäß § 26 Abs 3 BAO nicht auf das Kinderbetreuungsgeld übertragbar ist (10 ObS 180/19x). An dieser Rechtsprechung wurde mehrfach – auch im Hinblick auf von Ehegatten österreichischer Diplomaten geltend gemachten Ansprüchen auf Kinderbetreuungsgeld – festgehalten (10 ObS 2/20x; 10 ObS 45/20w).

[4] Der mit BGBl I 2023/115 neu eingefügte Abs 9 des § 2 KBGG, wonach § 26 Abs 3 BAO für Personen mit Dienstort im Ausland, die im Auftrag einer Gebietskörperschaft tätig werden, sowie für deren Ehegatten und Kinder anwendbar ist, ist auf Geburten nach dem anzuwenden (§ 50 Abs 40 KBGG). Die Regelung kommt daher im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, weil das Kind des Klägers bereits am * 2022 geboren wurde.

[5] Soweit der Kläger in seiner außerordentlichen Revision auf seine österreichische Staatsbürgerschaft und die besondere, insbesondere kulturelle Verbundenheit von Diplomaten und deren Ehepartnern zum Entsendestaat hinweist, wird damit kein Abweichen von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung dargetan, betraf doch bereits die Entscheidung 10 ObS 180/19x eine österreichische Diplomatin. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen daher nicht vor.

[6] 4. Nach dem Revisionsvorbringen soll sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers im Bundesgebiet aufgrund der Mitversicherung bei seiner Ehefrau aus § 25a KBGG iVm § 56 Abs 1 Z 1 B-KUVG ergeben. Dies trifft schon nach dem klaren Wortlaut der Verweisungsnorm des § 25a KBGG nicht zu, sodass auch mit diesem Argument keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl RS0042656):

[7] Nach § 25a KBGG, der sich im Abschnitt 5a („Zuständigkeit und Verfahren“), des KBGG findet, sind für das Verfahren, sofern das KBGG nichts anderes bestimmt, die für Leistungssachen in der Krankenversicherung geltenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen des ASVG, GSVG, BSVG und B-KUVG anzuwenden.

[8] Bei den verwiesenen Bestimmungen handelt es sich um die §§ 358 ff ASVG (7. Teil Abschnitt I 2. Unterabschnitt ASVG: „Gemeinsame Bestimmungen für das Verfahren in Verwaltungs- und in Leistungssachen vor den Versicherungsträgern“), auf die auch das GSVG (§ 194), das BSVG (§ 182) und das B-KUVG (§ 129 = Abschnitt V „Verfahren“ des B-KUVG) verweisen (Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG4 [2023] § 25a Rz 1; vgl D. Weißenböck in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG² [2022] § 25a Rz 1). Zu diesen verfahrensrechtlichen Bestimmungen zählen etwa die Regelung der Kosten, der Rechts- und Verwaltungshilfe, der Antragstellung durch mündige Minderjährige, der Beibringung von Unterlagen, der Weiterleitung des Antrags an den zuständigen Entscheidungsträger und der Feststellung des Sachverhalts (vgl Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG4 § 25a Rz 2).

[9] Hingegen regelt § 56 B-KUVG die Anspruchsberechtigung der Angehörigen, betrifft also die materiellen Anspruchsvoraussetzungen und ist daher vom Verweis des § 25a KBGG schon nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht erfasst.

[10] 5. Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass weder § 2 Abs 1 Z 4 KBGG und die dazu vorhandenen Gesetzesmaterialien noch die (taxative) Aufzählung in § 25a KBGG darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber des KBGG den Auslandsbeamten und deren Angehörigen den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld zuerkennen wollte (10 ObS 180/19x [ErwGr 8.2]; 10 ObS 2/20x [ErwGr 7]). Die dazu in der außerordentlichen Revision aufgeworfene Rechtsfrage ist daher höchstgerichtlich bereits geklärt.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00111.23F.0604.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-66288