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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.01.2025, RV/5100051/2024

Anrechnung von Prüfungen in einem joint-degree Studium

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***K***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Ordnungsbegriff ***1*** betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe in Höhe von 174,70 € und Kinderabsetzbetrag in Höhe von 61,80 € zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Die Tochter der Beschwerdeführerin war an der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) zum Bachelorstudium Molekulare Biowissenschaften zugelassen. Bei diesem Studium handelt es sich laut den im Zuge der Beschwerde vorgelegten Studienunterlagen um ein sogenanntes joint-degree Studium der PLUS und der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Da die PLUS die Hauptuniversität darstellt, ist es notwendig, die Lehrveranstaltungen, die an der JKU absolviert worden sind, an der PLUS anrechnen zu lassen.

Die Modalitäten zur Anrechnung von Prüfungen, die an der JKU abgelegt wurden, durch die PLUS werden in den vorgelegten Studienunterlagen näher dargestellt. Die Anrechnung von Pflichtfächern, die an der JKU absolviert wurden, erfolgt dabei online über plusonline (Onlineservice der PLUS) unter der Rubrik Anerkennungen und Leistungsnachträge, wobei der Studierende folgende Leistungsparameter auszufüllen hat: Semester, in dem das Fach belegt wurde, Datum der Prüfung, Beurteilung. Anschließend ist die Studierenden-Bestätigung anzukreuzen und sind die eingegebenen Daten zu speichern. Jede einzelne Pflichtlehrveranstaltung muss separat nachgetragen werden. Im Anschluss sendet der Studierende zur Gültigsetzung der Leistungen eine E-Mail an eine Mitarbeiterin der PLUS mit der Studienerfolgsbestätigung der JKU als Anhang. Sobald der Leistungsnachtrag vom Prüfungsreferat bearbeitet wurde, findet man neben der Leistung unter OK PLUS einen grünen Haken und die Fächer sind dementsprechend in plusonline gültig übernommen worden.

Zusammengefasst gibt daher der Studierende selbst die Daten über die an der JKU absolvierten Prüfungen im Onlineservice der PLUS ein, und speichert diese Daten. Diese Datenspeicherung muss im Anschluss allerdings noch vom Prüfungsreferat der PLUS gültig gesetzt werden, damit die vom Studierenden in plusonline eingegebenen Daten gültig werden. Diese naturgemäß erst nach Speicherung der Daten durch den Studierenden erfolgende Gültigsetzung durch die PLUS ändert nichts an dem in plusonline verarbeiteten Speicherdatum.

Für die Anrechnung von Wahlfächern (Wahlmodulen) ist ein vergleichbares Verfahren vorgesehen, in dem ebenfalls der Studierende die Daten in plusonline erfasst, und erst nach Bestätigung der PLUS unter OK PLUS die Anerkennung gültig in plusonline übernommen wird. Auch hier wird EDV-mäßig nur das Datum der Speicherung der Daten durch den Studierenden erfasst, das Datum der Gültigsetzung der Daten durch die PLUS wird EDV-mäßig nicht registriert bzw. ändert das Speicherdatum nicht.

Die Tochter der Beschwerdeführerin hat im Sommersemester 2023 an der JKU die Lehrveranstaltungen Analytische Chemie für Molekulare Biowissenschaften (LVA-Nr. 345.001, Praktikum in einem Pflichtfach), Biophysik-Praktikum I (LVA-Nr. 320.003, Praktikum in einem Pflichtfach), Zellkultur (LVA-Nr. 320.033, Praktikum in einem Wahlfach) und Proteine-Expression und Funktion (LVA-Nr. 320.060, Praktikum in einem Wahlfach) erfolgreich abgeschlossen. Die letzte Prüfung fand am statt.

Die Gültigsetzung der an der JKU erfolgreich abgeschlossenen Lehrveranstaltungen durch die PLUS wurde von der Tochter der Beschwerdeführer am (Speicherdatum) beantragt, und erfolgte - durch den vorgelegten E-Mailverkehr nachgewiesen - erst bis Mitte August 2023.

Am beantragte die Tochter der Beschwerdeführerin die Ausstellung des Abschlusszeugnisses. Am erhielt sie per Mail eine Mitteilung der PLUS, dass sie das Bachelorstudium Molekulare Biowissenschaften erfolgreich abgeschlossen habe, jedoch die diesbezüglichen Abschlussdokumente erst nach Einreichung eines Formulars der Statistik Austria beim zuständigen Prüfungsreferat ausgestellt werden würden. Dieses Formular übermittelte sie am an die Universität.

Am wurden ihr daraufhin von der Universität per Mail der Bescheid über die Verleihung des akademischen Grades Bachelor of Science (BSc) und das Bachelorprüfungszeugnis übermittelt. Beide Dokumente sind zwar mit datiert, die Amtssignaturen weisen als Datum der Unterschrift dagegen den aus. Der Tochter der Beschwerdeführerin wurde noch mitgeteilt, dass sie bei Vorliegen wichtiger Gründe eine unterschriebene Ausfertigung der Abschlussunterlagen bekommen könne. Dies wäre schriftlich per E-Mail mitzuteilen. Diese Dokumente könnten jedoch nicht per Post zugesandt werden, sondern müssten persönlich im Prüfungsreferat abgeholt werden.

Die Beschwerdeführerin sprach am persönlich beim Finanzamt vor, gab mit ausgefülltem Formblatt Beih 100 den Wegfall der Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe für ihre Tochter ab bekannt und schloss diesem Formblatt eine Ablichtung des Bescheides über die Verleihung des akademischen Grades Bachelor of Science (BSc) an. Dabei wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass das Abschlussdokument zwar mit datiert wäre, aber erst am ausgestellt worden sei.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt die für den Zeitraum August 2023 gewährten Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag in der im Spruch angeführten Höhe von der Beschwerdeführerin zurück, da die Berufsausbildung der Tochter bereits mit der erfolgreichen Ablegung der Abschlussprüfung geendet habe.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , in der gemäß § 262 Abs. 2 BAO beantragt wurde, diese ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Ferner bevollmächtigte die Beschwerdeführerin ihre Tochter, sie im gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu vertreten und Schriftstücke in Empfang zu nehmen (Zustellvollmacht). In der Beschwerde wurde eine mangelhafte Begründung des Erstbescheides gerügt und in der Sache darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () das Ziel einer Berufsausbildung die Erlangung der fachlichen Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufs sei, und dies die Erlangung eines Nachweises über die fachliche Qualifikation erfordere. Die Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ende daher erst mit dem Zeitpunkt der Erlangung des Nachweises über die fachliche Qualifikation. Der Bescheid über die Verleihung des akademischen Grad Bachelor of Science und das Bachelorprüfungszeugnis wären zwar mit datiert, aber erst am ausgestellt worden. Erst damit liege ein Nachweis betreffend der im Rahmen des Bachelorstudiums erlangten fachlichen Qualifikationen vor, und wurde ihrer Tochter ermöglicht, in Bewerbungsprozessen den Nachweis hinsichtlich ihrer fachlichen Qualifikation zu erbringen.

Am und damit innerhalb der dreimonatigen Frist des § 262 Abs. 2 BAO legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben, da gemäß § 68 Abs. 1 Z 6 UG 2002 die Zulassung zu einem Studium erlösche, wenn der Studierende das Studium durch die positive Beurteilung bei der letzten vorgeschriebenen Prüfung abgeschlossen hat. Das Datum der Erstellung des Bescheides über die Verleihung des akademischen Grades spiele dabei keine Rolle.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den zitierten Aktenteilen, dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den im Zuge der Beschwerde vorgelegten Studienunterlagen. Zu beantworten ist im gegenständlichen Fall allein die (vom Verwaltungsgerichtshof ohnehin bereits geklärte) Rechtsfrage, wann beim Besuch einer in § 3 des Studienförderungsgesetztes 1992 genannten Einrichtung die Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 beendet wird.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 lautet auszugsweise:

"§ 2 (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) [...]

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. [...]"

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen (§ 26 Abs. 1 FLAG 1967). Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge.

Bei dem von der Tochter der Beschwerdeführerin betriebenen Studium handelt es sich um ein sogenanntes joint-degree Studium. Gemeinsame Studienprogramme (joint programmes) sind Studien, die auf Grund von Vereinbarungen zwischen zwei oder mehreren Universitäten (gegenständlich der PLUS und der JKU) durchgeführt und abgeschlossen werden. Ein gemeinsames Studienprogramm kann zu einem joint degree führen, wobei eine gemeinsame Urkunde über die Verleihung des gemeinsamen akademischen Grades auszustellen ist (§ 51 Abs. 2 Z 26 UG 2002).

Bei gemeinsamen Studienprogrammen haben die beteiligten Bildungseinrichtungen Vereinbarungen über die Durchführung, insbesondere über die Festlegung der Leistungen, die die betreffenden Studierenden an den beteiligten Bildungseinrichtungen zu erbringen haben, zu schließen (§ 54d Abs. 1 UG 2002).

Gemeinsame Studienprogramme erfordern keine formale Anerkennung von Prüfungen und anderen Studienleistungen. Daher sind die für eine Anerkennung ex post konzipierten studienrechtlichen Bestimungen (§ 78 UG 2002) nicht anwendbar (Empfehlung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Durchführung gemeinsamer Studienprogramme). Es ist daher insbesondere keine Anerkennung durch Bescheid des für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organs (§ 78 Abs. 4 Z 4 UG 2002) erforderlich.

Die Anerkennung der an der JKU abgelegten Praktika erfolgte im gegenständlichen Fall wie im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen näher dargestellt formfrei durch Anrechnung, somit ohne Anerkennungsbescheid, durch Eingabe und Speicherung der Daten in plusonline durch die studierende Tochter der Beschwerdeführerin und Gültigsetzung dieser Eingaben durch die PLUS.

Die Zulassung zu einem Studium erlischt gemäß § 68 Abs. 1 Z 6 UG 2002, wenn der Studierende das Studium durch die positive Beurteilung bei der letzten vorgeschriebenen Prüfung abgeschlossen hat (z.B. ). Dabei muss die positive Beurteilung der letzten Prüfung für das Studium naturgemäß aber auch gültig sein. Die letzte Prüfung an der JKU wurde im gegenständlichen Fall zwar bereits am abgelegt. Damit war aber das Studium an der PLUS als der für das joint-degree Studium zuständigen Hauptuniversität noch nicht abgeschlossen, da der Studienabschluss die (wenn auch formfreie) gültige Anrechnung der an der JKU abgelegten Prüfungen voraussetzte. Diese Anrechnung wurde von der Tochter der Beschwerdeführer am durch entsprechende Eintragung und Speicherung der Daten in plusonline beantragt. Die Gültigsetzung dieser von der Studierenden in plusonline eingegebenen und mit gespeicherten Daten durch die PLUS erfolgte nachweislich erst im Laufe des Monates August 2023. Der Umstand, dass in den gemäß § 46a Abs. 2 Z 4 FLAG 1967 übermittelten Daten als Ende der Zulassung zum Studium der ausgewiesen wird, ist EDV-bedingt, da nur das Datum der Speicherung der Daten durch die Studierende erfasst wurde. Dieser Umstand ändert nichts daran, dass die Gültigsetzung der an der JKU abgelegten Prüfungen durch die PLUS erst im August 2023 erfolgte und erst damit die Prüfungen gültig wurden. Erst mit dieser Gültigsetzung liegt eine für das Studium an der Hauptuniversität gültige positive Beurteilung bei der letzten vorgeschriebenen Prüfung im Sinne des § 68 Abs. 1 Z 6 UG 2002 vor. Für August 2023 bestand daher schon aus diesem Grund noch ein Beihilfenanspruch der Beschwerdeführerin.

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach es Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation (, mwN). Dieser Nachweis lag ebenfalls erst im August 2023 vor, da sowohl der Bescheid über die Verleihung des akademischen Grad Bachelor of Science als auch das Bachelorprüfungszeugnis zwar mit datiert, aber erst am ausgestellt worden sind. Die Berufsausbildung endet nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erst mit der Erlangung des Nachweises der Qualifikation für den Beruf. Da dieser Nachweis erst am erlangt wurde und erst damit die Berufsausbildung beendet wurde, stand auch aus diesem Grund für den Monat August 2023 noch Familienbeihilfe zu.

Da sich der angefochtene Rückforderungsbescheid aus den angeführten Gründen als rechtswidrig erweist, war er ersatzlos aufzuheben und damit spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, , mwN) geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 54d Abs. 1 UG, Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002
§ 68 Abs. 1 Z 6 UG, Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002
§ 51 Abs. 2 Z 26 UG, Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100051.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
SAAAF-66219