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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.03.2025, RV/3100585/2024

§ 4 Abs. 2 Z..1 GrEStG: Einheitswert auch bei Zwangsversteigerung gemäß § 352 EO anwendbar

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Festsetzung gemäß § 201 BAO der Grunderwerbsteuer zur ErfNr. ***3***, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt/Verfahrensgang

Aufgrund einer Teilungsklage von ***A*** wurde ein Versteigerungsverfahren gemäß § 352 EO bezüglich des landwirtschaftlichen Vermögens in ***Y***, eingeleitet.

***A*** ist ein Onkel des Beschwerdeführers ***Bf1*** und war zu 7/9 Miteigentümer der Liegenschaft.
***B*** ist ein Onkel des Beschwerdeführers und war zu 1/9 Miteigentümer der Liegenschaft.
***C*** ist die Mutter des Beschwerdeführers und war zu 1/9 Miteigentümerin der Liegenschaft.

Gemäß Meistbotsverteilungsbeschluss des BG ***Z*** vom erfolgte der Zuschlag iHv. 2.700.000 Euro an den Beschwerdeführer, welcher die Liegenschaft zu 7/9 Anteilen von ***A***, zu 1/9 Anteil von ***B*** und zu 1/9 Anteil von ***C*** erwarb.

Das Urteil wurde nach § 352 Exekutionsordnung (EO) vollstreckt.
Die Grunderwerbsteuer wurde vom Rechtsanwalt am selbstberechnet.

Infolge einer Außenprüfung ergingen Bescheide gemäß § 201 BAO vom mit denen die Grunderwerbsteuer mit 3,5% der Gegenleistung in Höhe von insgesamt 2.700.000 Euro festgesetzt wurde. Betreffend die Zahlung an ***A*** iHv. 2.055.886 berechnete die belangte Behörde eine Grunderwerbsteuer von 71.956,01 Euro und betreffend die Zahlungen an ***B*** und ***C*** iHv. jeweils 322.057 Euro eine Grunderwerbsteuer von jeweils 11.272 Euro.
Begründend wurde ausgeführt, die Bemessungsgrundlage für den Erwerb eines Grundstückes im Rahmen einer Zwangsversteigerung sei das Meistbot, wobei eine Zwangsversteigerung als originärer Erwerb gelte. Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Ersteher zum Vorbesitzer sei somit unerheblich.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid vom wurde ausgeführt, es handle sich hierbei um einen Erwerb im Familienkreis und die Steuer sei vom Einheitswert mit Stufentarif zu berechnen.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde dahingehend begründet, durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren erwerbe der Ersteher das Eigentum an der Liegenschaft und setze damit einen Erwerbsvorgang, der nach § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG die Grunderwerbsteuerpflicht auslöse.
Nach § 5 Abs. 1 Z. 4 GrEStG sei die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung beim Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren das Meistbot inkl. der Rechte, die nach den Zwangsversteigerungsbedingungen bestehen bleiben. Beim Eigentumserwerb mittels Zuschlag im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahren handle es sich um eine Form des originären Eigentumserwerbs.

Im Vorlageantrag vom wurde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt im Vorlagebericht vorgelegten Akten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 4 Abs. 2 Z 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG) ist bei Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstückes an den in § 26a Abs. 1 Z 1 des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) angeführten Personenkreis die Steuer vom Einheitswert (§ 6) zu berechnen.
Dieser Personenkreis umfasst auch Neffen des Überträgers.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 lit c GrEStG gilt ein Erwerb unter Lebenden durch den in § 26a Abs. 1 Z 1 GGG angeführten Personenkreis als unentgeltlich.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 lit a GrEStG beträgt die Steuer beim unentgeltlichen Erwerb von Grundstücken 0,5% für die ersten 250.000 Euro.

Fest steht, dass die Übertragung des land- und forstwirtschaftlichen Grundstückes (§ 29 BewG) durch Zuschlag im Rahmen einer Versteigerung gemäß § 352 EO erfolgte.

Fest steht, dass der Erwerber als Sohn bzw. Neffe der Überträger dem in § 26a Abs. 1 Z 1 GGG angeführten Personenkreis angehört.

Strittig ist, ob die gemäß § 4 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987 begünstigte Bemessungsgrundlage für Erwerbe von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken auch im Fall einer Zwangsversteigerung anzuwenden ist.
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes sind dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes ein Ausschluss der Begünstigung im Fall einer Zwangsversteigerung nicht zu entnehmen.
Die Regelung erfasst die Übertragung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke zum Zweck der Fortführung der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung und dient damit der Erhaltung agrarischer Strukturen (vgl VfSlg 20.032/2015).

Weiters ist strittig, ob es sich bei den gegenständlichen Erwerbsvorgängen um originäre Erwerbe handelt, bei denen ein zwischen dem Ersteher und dem Vorbesitzer bestehendes Verwandtschaftsverhältnis auf den Steuersatz nicht von Einfluss ist.

Bei dieser Frage ist zu differenzieren und festzustellen, dass im gegenständlichen Fall kein Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren nach § 237 EO vorliegt, sondern eine Vollstreckung des Anspruchs der gerichtlichen Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft zum Zwecke der Auseinandersetzung gemäß § 352 EO.

Kann eine gemeinschaftliche Sache nicht oder nicht ohne beträchtliche Wertminderung geteilt werden, so ist sie gerichtlich feilzubieten (Zivilteilung nach § 843 ABGB). Die Feilbietung kann im Einvernehmen aller Miteigentümer erfolgen und ist dann im Wege der freiwilligen Versteigerung nach §§ 191 ff AußStrG vorzunehmen. Sind nicht alle Miteigentümer mit einer Feilbietung einverstanden, so ist -wie im gegenständlichen Fall- auf Teilung zu klagen und das Urteil nach § 352 EO zu vollstrecken.

Nach § 237 EO erwirbt der Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren das Eigentum an der versteigerten Liegenschaft bereits durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlages, nicht erst mit der Einverleibung ( 756/757/67, , 81/16/0097). Die Grunderwerbs-Steuerschuld entsteht also bereits mit der Erteilung des Zuschlags. Die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erstehers hat also nur deklaratorische Bedeutung. Der Erwerb in der Zwangsversteigerung ist originärer Erwerb; ein zwischen dem Ersteher und dem Vorbesitzer bestehendes Verwandtschaftsverhältnis ist auf den Steuersatz nicht von Einfluss.

Demgegenüber unterliegt das Verfahren nach § 352 EO den Regeln der freiwilligen Versteigerung; der Erwerb vollzieht sich nicht aufgrund eines staatlichen Hoheitsaktes, ist also nicht Erwerbsvorgang iSd § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG, sondern Kauf im Sinne des Privatrechtes.
Der Ersteher erlangt durch den Zuschlag nicht das Eigentum, sondern - wie der Käufer - nur den Titel zum Erwerb des Eigentums. Er erlangt aber aufgrund des Zuschlags das unwiderrufliche Recht, über das Grundstück rechtlich zu verfügen. Nach der Rechtsansicht des VwGH (E , 1896/61, , 83/16/0061) wird durch den Zuschlag der Tatbestand des § 1 Abs 2 GrEStG erfüllt. Das Eigentumsrecht des Erstehers wird aufgrund einer Amtsurkunde des Exekutionsgerichtes im Grundbuch eingetragen (N. Arnold in Arnold/Bodis, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987, 17. Lfg 2020, zu § 1 GrEStG Rz 241-242).

Da kein originärer Erwerb vorliegt, ist entgegen der Ansicht der belangten Behörde ein zwischen dem Ersteher und dem Vorbesitzer bestehendes Verwandtschaftsverhältnis auf den Steuersatz von Einfluss.

Die angefochtenen Bescheide waren daher aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, weshalb die ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.3100585.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
OAAAF-66216