Zuzugsbegünstigung; Zuzugszeitpunkt; Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Judith Daniela Herdin-Winter, die Richterin Mag. Julia Carola Cermak-Kapl sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch WTS Tax Service Steuerberatungsgesellschaft mbH, Am Modenapark 10, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Antrag auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrags gem. § 103 Abs. 1a EStG vom , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers S, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Schreiben vom beantragte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin die Gewährung einer Zuzugsbegünstigung gem. § 103 Abs. 1 EStG. Die Beschwerdeführerin sei am von *** zugezogen. Die Wohnung in *** sei am aufgekündigt worden. Vor dem Zuzug habe die Beschwerdeführerin 10 Jahre in *** gelebt. Der Ehemann und die Kinder seien bereits ein Monat vorher in Österreich gemeldet gewesen, da der Ehemann bereits mit eine Professur an der *** übernommen habe. Die Kinder seien ebenfalls bereits zum in Wien gemeldet worden, damit diese direkt in die Krankenversicherung des Mannes eingehen konnten, andernfalls wäre kein Versicherungsschutz für den Zeitraum ab für die Kinder gegeben gewesen.
Mit sei die Beschwerdeführerin in frühzeitige Karenz gegangen und nach Österreich nachgezogen. Mit habe diese ein zunächst befristetes Dienstverhältnis an der *** begonnen.
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag als verspätet zurück. Zur Begründung führte diese aus, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin mit den beiden minderjährigen Kindern bereits am nach Österreich gezogen sei. Da gemäß ständiger Rechtsprechung des VwGH den persönlichen Beziehungen mehr Gewicht als den wirtschaftlichen Beziehungen beizumessen sei, und ein gemeinsamer Haushalt bestehe, sei davon auszugehen, dass die Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen nach Österreich auf Grund der engeren persönlichen Beziehungen am erfolgt sei.
Die Frist zur Einbringung eines Antrags auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrags gem. § 103 Abs. 1a EStG habe daher gem. § 1 Abs. 2 ZBV 2016 am geendet, weshalb der Antrag verspätet gewesen sei.
Mit Schreiben vom erhob die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin dagegen Beschwerde. Die Beschwerdeführerin habe sich noch den gesamten Monat Mai 2021 in *** aufgehalten und vermehrt andere Familienangehörige und Freunde besucht. Die Beschwerdeführerin habe bis in *** gearbeitet und ab Elternzeit angemeldet, um frühzeitig in Karenz gehen zu können. Es habe daher unzweifelhaft bis ein alleiniger wirtschaftlicher Bezug zu *** bestanden. Das Mietverhältnis sei erst mit aufgekündigt worden. Zur Betreuung der beiden Kinder sei die Mutter der Beschwerdeführerin von bis zu Besuch nach Wien gekommen. Der Zuzug der Kinder sei zum erfolgt, um den Versicherungsschutz der Kinder sicherzustellen.
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin sei im Mai 2021 noch in *** gelegen. Sie habe sich in dieser Zeit auch in *** und kaum in Österreich aufgehalten. Die Kinderbetreuung haben im Mai 2021 deren Mutter und Ehemann übernommen. Zudem sei der Arbeitsvertrag mit der *** erst mit unterzeichnet worden, eine Antragstellung vor diesem Zeitpunkt sei daher unmöglich gewesen.
Mit BVE vom wurde die Beschwerde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte diese aus, dass unstrittig sei, dass die Beschwerdeführerin bereits seit einen inländischen Wohnsitz gehabt habe. Fraglich sei jedoch, ob diese auch den Mittelpunkt der Lebensinteressen bereits mit nach Österreich verlagert habe. Die stärksten persönlichen Beziehungen der Beschwerdeführerin hätten jedoch unstrittig ab zu Österreich bestanden, dem Zuzugszeitpunkt von Ehemann und den beiden minderjährigen Kindern. Den über den hinausgehenden wirtschaftlichen Anknüpfungspunkten der Beschwerdeführerin sowie allfälligen anderen persönlichen Bindungen komme bei dieser Sachlage keine entscheidende Bedeutung zu.
Mit Schreiben vom beantragte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das BFG sowie die Abhaltung einer mündlichen Senatsverhandlung. Die Verhandlungen zur wissenschaftlichen Beschäftigung der Beschwerdeführerin hätten sich schon zum Zuzugszeitpunkt in einem fortgeschrittenen Stadium befunden. Es sei bereits eine Zusage per E-Mail vorgelegen.
Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann würden auch ein Haus in *** besitzen. Es sei auch die Überlegung im Raum gestanden, dass diese langfristig in den Raum *** ziehe. Sie sei daher nur aufgrund der Zusage zur Ausübung einer hochqualifizierten, wissenschaftlichen Tätigkeit nach Wien gezogen. Andernfalls wäre sie mit ihren Kindern nach *** gezogen.
In der mündlichen Verhandlung führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, dass sie mit eine Stelle an der Universität *** als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Vollbeschäftigung angetreten habe. Im November *** und Oktober *** habe sie 2 Töchter bekommen, aber jeweils direkt nach dem Mutterschutz weiter vollbeschäftigt gearbeitet.
Im Sommer 2020 habe ihr Mann einen Vertrag an der *** unterschrieben. Als Dienstbeginn sei der vorgesehen gewesen. Es sei geplant gewesen, dass sie beide nach Österreich übersiedeln, sobald eine adäquate Stelle für sie gefunden worden sei. Sie habe eine Stelle in der Abteilung ihres Mannes oder in einer Nebenabteilung angestrebt. Dies sei jedoch von der Personalabteilung abgelehnt worden. Bei ihrer Stelle an der Universität *** habe es sich um eine unbefristete Beschäftigung gehandelt. Das heißt, sie habe jedenfalls die Möglichkeit gehabt, weiter dort zu arbeiten.
Im Frühjahr 2021 habe sie einen Antrag auf Elternzeit unter Entfall der Bezüge gestellt, dies sei von der Universität *** mit bewilligt worden. Die beiden Kinder seien mit Anfang Mai wegen der Krankenversicherung bei ihrem Mann in Österreich angemeldet worden.
Auf Frage der Richterin gab die Beschwerdeführerin an, dass es sich bei dem Wohnsitz in Wien um ein Haus handle. Dieses hätten die Eheleute im Februar 2021 besichtigt und gemeinsam erworben. Am seien ihr Mann und ihre beiden Kinder nach Wien übersiedelt. Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter hätten diese begleitet. Dazu sei ein Auto angemietet worden. Zum gleichen Zeitpunkt sei ihr Familienauto sowie das Auto ihrer Mutter nach Österreich überstellt worden.
Sie sei nach 2 Tagen wieder zurück nach *** gefahren. Für die Fahrten zwischen *** und Wien habe sie zunächst das Familienauto benutzt und ab Mai 2021 jeweils ein Leihauto angemietet, da ihr Ehemann das Auto ab diesem Zeitpunkt selbst benötigt habe.
Auf Nachfrage der Richterin gab die Beschwerdeführerin an, dass sie keine Ein-/Ausreise Nachweise für sich vorlegen könne (Pre-Travel-Clearance). Nachweise für die Anmietung der Leihautos könne sie ebenfalls nicht vorlegen.
Ihre ältere Tochter habe ab Anfang Mai 2021 einen Kindergarten in Wien besucht, ihre jüngere Tochter ab September 2021 denselben Kindergarten. Ihre Mutter habe sich bis Ende Mai 2021 gemeinsam mit ihrem Mann um die Kinder gekümmert. Sie selbst sei im Zeitraum von 19.4. bis Ende Mai mehrfach mit dem Auto hin und her gefahren, teilweise mit ihrer jüngeren Tochter gemeinsam. Mit sei sie ebenfalls nach Österreich übersiedelt.
Die Richterin merkte an, dass sich gem. dem vorliegenden Verwaltungsakt die Mutter vom 21.5 bis 28.5. nicht in Wien aufgehalten habe. Auf Frage der Richterin, wer die Kinder in diesem Zeitraum betreut habe gab die Beschwerdeführerin an, dass dies ihr Ehemann gemacht habe. Sie habe keine genauen Aufzeichnungen über ihre Anwesenheitstage in Wien. Sie glaube aber, dass sie in diesem Zeitraum zwei Tage in Wien anwesend gewesen sei.
Die Wohnung in *** sei zum gekündigt worden. Am habe eine Besichtigung gemeinsam mit dem Vermieter stattgefunden um etwaigen Verbesserungsbedarf zum Mietende zu besprechen. An diesem Tag habe sie auch die Corona-Impfung in *** erhalten.
Sie habe die *** Krankenversicherung mit Ende November 2021 gekündigt. Mit Auflösungsvertrag vom habe sie den Dienstvertrag an der Universität *** beendet und am einen - zunächst auf einen Monat befristeten - Vertrag mit der *** unterzeichnet. Dieser sei mehrfach verlängert worden. Seit März 2022 habe sie ein unbefristetes Dienstverhältnis.
Auf Frage der Richterin gab die Beschwerdeführerin an, dass ihrem Ehemann eine Zuzugsbegünstigung gem. § 103 Abs 1a EStG mit Zuzugsdatum gewährt worden sei.
Auf Frage des Vertreters der belangten Behörde, wann und in welcher Form die Kündigung der Wohnung in *** erfolgt sei, gab diese an, dass dies per E-Mail erfolgt sei. Sie legte dazu ein E-Mail vom vor. In diesem kündigt der Ehemann die Wohnung per Ende Februar 2021 mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten. Die Kündigung sei jedoch in jedem Fall notwendig gewesen, da sie auch im Fall, dass sie in *** verblieben wäre, die Wohnung aus Kostengründen aufgeben hätte müssen. Ihr stehe im Elternhaus bei ihrer Mutter jederzeit eine Möglichkeit zur Nächtigung zur Verfügung.
Auf Frage des Vertreters der belangten Behörde gab die Beschwerdeführerin an, dass ihrem Ehemann schon im Rahmen seiner Bewerbung an die *** im Sommer 2020 eine adäquate Stelle für seine Ehefrau zugesichert worden sei.
Der steuerliche Vertreter verwies darauf, dass es sich bei der Beschwerdeführerin unbestreitbar um eine Spitzenkraft handle. Einzig und allein sei fraglich, wann diese ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Österreich verlegt habe. Es sei zu beachten, dass dabei eine personenbezogene Beurteilung zu erfolgen habe. Gemäß dem Prinzip der Individualbesteuerung könne nicht ausschließlich auf den Aufenthaltsort der Familie abgestellt werden. Dies sei im Hinblick auf ledige Personen sachlich nicht zu rechtfertigen.
Im Mai 2021 habe es noch keinen endgültigen Entschluss der Beschwerdeführerin zur Verlagerung ihres Mittelpunktes der Lebensinteressen gegeben. Erst mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrages Ende November 2021 sei gesichert gewesen, dass diese langfristig in Österreich verbleibe. Die Vereinbarung der Elternzeit mit der Universität *** sei nur eine Notlösung gewesen.
Der Antrag auf Erteilung einer Zuzugsbegünstigung habe erst nach Abschluss des Dienstvertrags mit der *** gestellt werden können. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Beschwerdeführerin weiterhin in Erwägung gezogen nach *** zurückzugehen. Bei der Frage welcher Staat für diese der Bedeutungsvollere sei, seien alle konkreten persönlichen und wirtschaftlichen Umstände personenbezogen zu berücksichtigen. Im konkreten Fall handle es sich nur um einen Zeitraum von einem Monat. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen könne sich nur dann verlagern, wenn man sich in diesem Staat auch regelmäßig aufhalte. Im Regelfall sei das dort, wo sich die Familie aufhalte, es gebe aber auch Ausnahmefälle. So ein Ausnahmefall läge hier vor. Für den Zeitraum von einem Monat habe der Mittelpunkt der Lebensinteressen der beiden Eheleute nicht im selben Staat gelegen. Im Mai 2021 habe kein gemeinsamer Haushalt der beiden Eheleute vorgelegen.
Der Vertreter der belangten Behörde stimmte zu, dass eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen sei. Gemäß dem VwGH seien die persönlichen Beziehungen stärker zu gewichten. Insbesondere die Kernfamilie stelle eine wichtige Rolle dar. Es handle sich bei der Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Regelfall um einen Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum ziehe. Irgendwann seien die Beziehungen zum anderen Staat stärker. Es seien jedoch nicht subjektive Elemente entscheidend, sondern relevant seien objektive Maßnahmen, die auch entsprechend nach Außen treten. Dazu sei folgendes festzuhalten:
Die Beschwerdeführerin sei verheiratet, habe einen Mann und zwei Kinder die sich alle seit Ende April 2021 in Österreich aufhalten würden. Sie habe in Österreich ein Haus in einer Toplage gekauft, der Kaufvertrag sei offensichtlich bereits im Februar 2021 fixiert worden. Sie habe zwei PKW nach Österreich verbringen lassen. Die Wohnung in *** sei bereits im Februar 2021 gekündigt worden. Ihre Familie habe sich im Mai 2021 in Österreich aufgehalten. Auch die Beschwerdeführerin habe sich gemäß ihren Angaben bereits im Mai 2021 gelegentlich am Familienwohnsitz aufgehalten.
Die steuerliche Vertreterin führte abschließend aus, dass die Unterzeichnung des Dienstvertrages mit Ende November auf Druck der Beschwerdeführerin erfolgt sei, da dieser Zeitpunkt der letztmögliche Zeitpunkt zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Zuzugsbegünstigung gewesen sei. Auch das Haus in *** hätte jederzeit durch die Beschwerdeführerin bezogen werden können. Es sei eine zeitpunktbezogene Betrachtung anzustellen. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin im Mai 2021 noch in *** gelegen.
Abschließend gab die Beschwerdeführerin an, dass sie nicht nachvollziehen könne, dass der Ankauf eines Hauses in Wien als bedeutsamer Umstand angesehen werde. Es stehe ihr frei, ob sie eine Wohnung anmiete oder eine Immobilie erwerbe, unabhängig davon, ob sie beabsichtige diese zu behalten. Ihr stehe beispielsweise auch in *** ein Ferienwohnsitz zur Verfügung.
Auf Nachfrage der Richterin gab die Beschwerdeführerin an, dass es sich dabei um eine Wohnung handle, die sich im Eigentum ihres Mannes befinde. Diese könne jederzeit von ihr bzw. ihrer Familie benützt werden. Der Vertreter der belangten Behörde merkte an, dass dieser Wohnsitz nicht im Verzeichnis angeführt worden sei.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin lebte bis gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern (geboren *** und ***) in einer gemeinsamen Wohnung in ***. Im Februar 2021 erwarb diese gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Haus in Wien.
Am reiste die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrem Ehemann und den beiden gemeinsamen Kindern nach Wien. Der Ehemann der Beschwerdeführerin begann mit eine neue berufliche Tätigkeit an der ***. Die ältere Tochter der Beschwerdeführerin besuchte ab einen Kindergarten in Wien. Die gemeinsame Wohnung in *** wurde mit Ende Mai 2021 gekündigt. Am hielt sich die Beschwerdeführerin anlässlich der Übergabe der Wohnung an den Vermieter in *** auf und erhielt auch eine Corona-Impfung. Die Beschwerdeführerin hielt sich ab regelmäßig in Wien auf. Mit meldete sie ihren Hauptwohnsitz in Wien an.
Im Frühjahr 2021 beantragte die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Tätigkeit an der Universität *** Elternzeit unter Entfall ihrer Bezüge. Diese begann am .
Am unterzeichnete die Beschwerdeführerin einen Vertrag über ein zunächst befristetes Dienstverhältnis mit der ***.
Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Gewährung einer Zuzugsbegünstigung gem. § 103 Abs. 1 EStG.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich einerseits aus dem Verwaltungsakt sowie den Aussagen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung und ist insoweit unstrittig.
Zur Feststellung, dass sich die Beschwerdeführerin ab regelmäßig in Wien aufhielt:
Das BFG geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass sich die Beschwerdeführerin bereits ab regelmäßig in Österreich aufgehalten hat und sich um Betreuung der Kinder und Eingewöhnung in den Kindergarten kümmerte. Bei dieser Beurteilung war ausschlaggebend, dass ihr Ehemann bereits mit seine neue berufliche Tätigkeit in Österreich aufnahm, die vorgeblich zur Betreuung der Kinder anwesende Großmutter der Kinder nachweislich nur bis 20. Mai in Österreich anwesend war, und die Beschwerdeführerin auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht näher belegen oder glaubhaft machen konnte, welchen konkreten beruflichen Verpflichtungen sie in *** ab noch nachging, wie oft sie sich tatsächlich zu diesem Zweck noch in *** aufgehalten hatte und wer wann die Betreuung der beiden Kleinkinder im Mai 2021 übernahm.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 103 Absatz 1a EStG 1988 lautet:
"Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft oder Forschung dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen, unabhängig von der Gewährung einer Begünstigung gemäß Abs. 1 aufgrund des Zuzugs für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Zuzugs einen Freibetrag in Höhe von 30% der zum Tarif besteuerten Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit festsetzen. Wird der Freibetrag gewährt, können daneben keine weiteren Betriebsausgaben, Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Zuzug stehen, geltend gemacht werden."
§ 1 Abs. 1 und 2 der Zuzugsbegüngstigungsverordnung 2016 (BGBl. II 261/2016) lauten:
"(1) Der Bundesminister für Finanzen kann auf Antrag der zuziehenden Person die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastungen (§ 103 Abs. 1 EStG 1988) und einen Zuzugsfreibetrag (§ 103 Abs. 1a EStG 1988) zuerkennen. Dem Antrag ist ein Verzeichnis im Sinne des § 7 Abs. 1 samt den dazugehörigen Nachweisen beizulegen.
(2) Der Antrag ist spätestens sechs Monate nach dem Zuzug einzubringen."
Ein Zuzug aus dem Ausland nach § 103 Abs. 1 und Abs. 1a EStG 1988 liegt nur bei einer Verlegung des Mittelpunkts der Lebensinteressen in das Inland vor. Besteht nach der Begründung des inländischen Wohnsitzes weiterhin ein ausländischer Wohnsitz, so erfolgt der Zuzug erst in jenem Moment, in dem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen auf den inländischen Wohnsitz verlagert (vgl. ).
Als Mittelpunkt der Lebensinteressen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jener Ort zu verstehen, zu dem die engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen. Dabei ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Den wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als den persönlichen Beziehungen. Unter letzteren versteht man all jene, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei etwa familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen und die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements (vgl. mwN).
Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu jenem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt. Diese Annahme setzt das Führen eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort voraus (vgl. ).
Der Antrag auf Gewährung einer Steuerbegünstigung nach § 103 Abs. 1a EStG 1988 iVm. § 1 Abs. 2 ZBV 2016 ist spätestens sechs Monate nach dem Zuzug - also der Verlegung des Lebensmittelpunktes vom Ausland in das Inland - bei der zuständigen Abgabenbehörde einzubringen. Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. , mwN).
Aus den Feststellungen ergibt sich unzweifelhaft, dass die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern am in Österreich einreiste, um einen neuen Familienwohnsitz zu begründen. Die Beschwerdeführerin erwarb bereits im Februar 2021 ein Haus in Wien, zeitgleich erfolgte die Kündigung der Wohnung in ***. Die ältere Tochter wurde bereits mit Anfang Mai 2021 in den Kindergarten am neuen Familienwohnsitz eingewöhnt. Es ist daher offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin in keiner Weise beabsichtigte für einen gewissen Zeitraum getrennte Wohnsitze von ihrer Familie zu führen oder einen Arbeitswohnsitz in *** beizubehalten.
Die Tatsache, dass der vormalige *** Familienwohnsitz erst einen Monat nach gemeinsamer Übersiedlung an den Vermieter übergeben wurde, ist daher in diesem Zusammenhang unerheblich. Nicht ausschlaggebend ist daher auch wie oft und wie lange sich die Beschwerdeführerin tatsächlich in Zeitraum von bis Ende Mai 2021 in Österreich und *** aufgehalten hat. Überdies konnte die Beschwerdeführerin auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht näher belegen oder glaubhaft machen, welchen konkreten beruflichen Verpflichtungen sie in *** in dieser Zeit noch nachging, wie oft sie sich tatsächlich zu diesem Zweck noch in *** aufgehalten hatte und wer wann die Betreuung der beiden sich in Österreich aufhaltenden Kleinkinder im Mai 2021 übernahm.
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin verlagerte sich daher gemeinsam mit ihrer Familie bereits mit nach Österreich, weshalb der Antrag auf Gewährung einer Zuzugsbegünstigung gem. § 103 Abs. 1a EStG vom von der belangten Behörde zu Recht als verspätet zurückgewiesen wurde.
Ergänzend wird festgehalten, dass der VfGH in seinem Ablehnungsbeschluss vom , E 3721/2018; E 1360/2018 bereits festgehalten hat, dass die Frist des § 1 Abs. 2 der ZBV 2016 in der Verordnungsermächtigung des § 103 Abs. 3 EStG, BGBl 1988/400 idF BGBl I 2015/118, Deckung findet. Eine Fristsetzung wie jene des § 1 Abs. 2 ZBV 2016 steht nicht im Widerspruch zu § 103 EStG. Sie gewährleistet, dass die Begünstigung in einem sachlichen Konnex mit dem Zuzug steht und trägt ferner zur Verfahrensbeschleunigung bei.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass zur Ermittlung des Mittelpunkts der Lebensinteressen auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen ist (vgl. mwN). Darüber hinaus lag keine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 103 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103795.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
JAAAF-66209