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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.03.2025, RV/7103198/2024

Anwendung der steuerlichen Begünstigung des § 67 Abs. 1 EStG 1988 iZm grenzüberschreitend überlassenen Arbeitnehmern trotz monatlich, neben dem laufenden Bezug ausbezahlter Sonderzahlungen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
Die Einschränkung der steuerlichen Begünstigung des § 67 Abs.1 EStG 1988 auf Sonderzahlungen, die sich aufgrund der tatsächlichen Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen unterscheiden, ist in Kombination mit § 3 Abs. 4 LSD-BG (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz) dazu geeignet, Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat bei grenzüberschreitender Überlassung ihrer Dienstnehmer nach Österreich in ihrer Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zu benachteiligen. Werden Sonderzahlungen daher aufgrund der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Norm des § 3 Abs. 4 LSD-BG aliquot (in diesem Fall monatlich) neben den laufenden Bezügen ausbezahlt, so ist die steuerliche Begünstigung der Sonderzahlungen gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 dennoch zu gewähren.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Sonja Stradner in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch FAS Network GmbH, Schubertstraße 3, 2100 Korneuburg, und GOBBS Steuerberatungs GmbH, Schubertstraße 3, 2100 Korneuburg, über die Beschwerde vom gegen die Haftungsbescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Lohnsteuer 2019 bis 2022, Steuernummer ***Bf-StNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Bei der Beschwerdeführerin (Bf.) wurde für die Jahre 2019 - 2022 eine Außenprüfung betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Abzugsteuer durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass diverse ungarische Dienstnehmer im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung an österreichische Unternehmen zur Erbringung der Arbeitsleistung in Österreich überlassen worden waren. Die österreichische Lohnsteuer wurde vom ungarischen Arbeitskräfteüberlasser (=Bf.) an das zuständige Finanzamt abgeführt. Die Auszahlung des Lohns samt anteiliger Sonderzahlungen erfolgte monatlich. Als Ergebnis der Lohnsteuerprüfung wurde den anteiligen Sonderzahlungen aufgrund der monatlichen Auszahlung die begünstigte Besteuerung gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 versagt, eine Besteuerung gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 vorgenommen und die Nachverrechnung der Lohnsteuer dem ungarischen Arbeitgeber (= Beschwerdeführerin) mittels Haftungsbescheiden vom gemäß § 82 EStG 1988 vorgeschrieben.

Dagegen brachte die ***Bf***. fristgerecht Beschwerde ein und wandte ein, dass die Sonderzahlungen entsprechend der Bestimmungen für bei in Österreich ansässigen Arbeitgebern beschäftigten vergleichbaren Arbeitnehmern als sonstige Bezüge iSd § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 mit der festen Lohnsteuer innerhalb des Jahressechstels besteuert worden seien. Die Auszahlung der Sonderzahlungen sei nur deswegen monatlich neben dem laufenden Entgelt erfolgt, da diese aufgrund gesetzlicher Bestimmungen in § 3 Abs. 3 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) aliquot für die jeweilige Lohnzahlungsperiode zu leisten seien. Eine Besteuerung nach dem Monatstarif gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 würde zu einer Ungleichbehandlung ausländischer Arbeitnehmer führen und sei daher unionsrechtswidrig.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und führte begründend aus, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sonstige Bezüge nur unter der doppelten Bedingung vorlägen, dass sie erstens im Rechtstitel und zweitens auch durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen zu unterscheiden seien. Es sei unerheblich, dass die monatliche aliquote Auszahlung der Sonderzahlungen aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des LSD-BG erfolge, es fehle die erforderliche deutliche Unterscheidbarkeit von den laufenden Bezügen.

Mit Datum vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) nach gewährter Rechtsmittelfristverlängerung die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung, begehrte die Aufhebung des Haftungsbescheides und verwies erneut auf die mittelbare Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer im Falle der abgabenbehördlichen Interpretation.

Die Vorlage der Beschwerde betreffend Haftung für Lohnsteuer 2019 - 2022 erfolgte am unter Verweis auf das bereits anhängige BFG-Verfahren zur GZ RV/7102224/2021.

Nach Aufforderung seitens des Gerichts vom übermittelte die Bf. diverse Unterlagen zur genauen Beurteilung des Sachverhalts, insbesondere Dienstverträge, Überlassungsvereinbarungen, Lohnkonten und Lohnzettel sowie mit den österreichischen Firmen ("Beschäftigern") abgeschlossene Verträge und Befreiungsbescheide.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist ein Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen mit Sitz in Ungarn und einer Betriebstätte in Österreich, 2100 Korneuburg. Sie unterliegt der beschränkten Steuerpflicht in Österreich.

Die Bf. sucht im Auftrag der Beschäftiger (=Entleiher) das erforderliche Personal und schließt mit den ausgewählten Arbeiternehmern (ungarische) Dienstverträge ab. Diese Arbeitnehmer sind in Ungarn zur Sozialversicherung angemeldet. Im Rahmen von Überlassungsverein-barungen werden die Arbeitnehmer nach Österreich für bestimmte Zeit überlassen. Die Lohnverrechnung erfolgt in den Büroräumlichkeiten der österreichischen Betriebsstätte.

In den streitgegenständlichen Jahren wurden ungarische Dienstnehmer (2019: 10 Personen; 2020: 16 Personen; 2021: 1 Person; 2022: 40 Personen) an österreichische Beschäftiger zu deren österreichischen Standorten überlassen. Den überlassenen Dienstnehmern wurde in Österreich eine Unterkunft von ihrem ungarischen Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Die Dauer der Überlassung nach Österreich lag für die einzelnen Dienstnehmer zwischen eineinhalb und maximal vier Monaten. Es liegt eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung vor.

Die überlassenen Dienstnehmer bekamen ihren Lohn monatlich ausbezahlt. Die Entgeltzahlung erfolgte durch die Bf. und umfasste neben dem Grundlohn auch die anteiligen Sonderzahlungen (13./14. Gehalt) gemäß Kollektivvertrag. Dies entspricht den Vorgaben des § 3 Abs. 4 LSD-BG. Die Darstellung und Berechnung der Sonderzahlungen ist auf den einzelnen Lohnkonten neben den laufenden Bezügen ersichtlich. Auf den Abrechnungsnachweisen (Lohnzetteln) wurden die Sonderzahlungen separat ausgewiesen. Die entsprechenden Lohnzettel wurden an das österreichische Finanzamt übermittelt und die Lohnsteuer von der Bf. abgeführt.

Die Sonderzahlungen wurden als sonstige Bezüge iSd § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 mit der festen Lohnsteuer innerhalb des Jahressechstels besteuert.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, den beigebrachten Lohnkonten, Dienstverträgen, Überlassungsvereinbarungen und Abrechnungsnachweisen sowie aus den gesetzlichen Bestimmungen des LSD-BG und den entsprechenden Erläuternden Bemerkungen. In Wahrnehmung der amtswegigen Ermittlungspflicht wurde Einsicht in Dokumente aus dem Abgabeninformationssystem des Bundes genommen.

Der Sitz der Bf. in Ungarn (= EU-Mitgliedstaat) wurde durch Vorlage des Firmenregisterauszugs nachgewiesen; das Vorliegen einer Betriebsstätte der Bf. in Österreich geht aus den Betriebsstättenbescheinigungen seitens des Finanzamtes ab dem Jahr 2015 hervor und ist unstrittig. Diese bestätigen, dass sich der Ort der Geschäftsleitung in Korneuburg, Österreich befindet. In den Büroräumlichkeiten wird ua die Lohnverrechnung für die nach Österreich überlassenen Dienstnehmer durchgeführt. Die beschränkte Steuerpflicht wurde auch durch Abgabe entsprechender Steuererklärungen und deren Veranlagung durch das Finanzamt "gelebt".

Aufgrund der beigebrachten Unterlagen konnte sich das Gericht ein klares Bild darüber machen, wie der Prozess der "Arbeitskräfteüberlassung" - angefangen von der Bekanntgabe des Personalbedarfs seitens des Beschäftigers, Abstimmung der Anforderungen, tatsächlichen Auftrag zur Arbeitskräftesuche, über den Suchvorgang der erforderlichen Arbeitskräfte, bis hin zum Abschluss des Dienst- und Überlassungsvertrages mit den ausgewählten Arbeitskräften - vonstattengeht. Dass es sich dabei um eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung handelt, die den vom EuGH iSd Judikatur "Vicoplus ua." ( bis C- 309/09) und insbesondere "Martin Meat" () herausgearbeiteten Merkmalen zur Arbeitskräfteüberlassung entspricht, steht für das Gericht außer Zweifel.

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist für die Beurteilung, ob ein Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung oder Werkvertrag zu beurteilen ist, aus unionsrechtlicher Sicht "jeder Anhaltspunkt" zu berücksichtigen. Dabei sind "die Fragen, ob die Vergütung/das Entgelt auch von der Qualität der erbrachten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trägt, ob also der für einen Werkvertrag essenzielle "gewährleistungstaugliche" Erfolg vereinbart wurde, wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt und von wem die Arbeitnehmer die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten, von entscheidender Bedeutung" (, mwN).

Der VwGH hat in Entsprechung dieser Judikatur eine Arbeitskräfteüberlassung iS von Art 1 Abs. 3 lit. c der Richtlinie 96/71/EG bejaht, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:

  • es muss sich bei der Überlassung von Arbeitskräften um eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung handeln, bei der der entsandte Arbeitnehmer im Dienst des die Dienstleistung erbringenden Unternehmens bleibt, ohne dass ein Arbeitsvertrag mit dem verwendenden Unternehmen geschlossen wird;

  • das wesentliche Merkmal der Überlassung muss darin bestehen, dass der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung des erbringenden Unternehmens ist;

  • der Arbeitnehmer muss im Rahmen einer solchen Überlassung seine Aufgaben unter der Aufsicht und Leitung des verwendenden Unternehmens wahrnehmen.

Aus den Dienstverträgen geht eindeutig hervor, dass einzig zum ungarischen Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer den Dienstvertrag abschließt, ein Dienstverhältnis begründet wird. Ein Arbeitsvertrag mit dem verwendenden Unternehmen wird nicht geschlossen. So ist auch eine mögliche Kündigung Sache des ungarischen Arbeitgebers und nicht des österreichischen Beschäftigers. Sowohl aus den Dienstverträgen als auch aus den Dienstzetteln ist ablesbar, dass das Arbeitsverhältnis zum Zweck der Überlassung des Dienstnehmers nach Österreich abgeschlossen wurde. Dies ergibt sich einerseits aus den Vertragsbedingungen "zu Überlassungszwecken" und andererseits aus dem gewöhnlichen Arbeits(Einsatz)ort "Österreich" und der vorgesehenen Verwendung "Überlassung an Dritte". Auch aus den Überlassungsvereinbarungen mit den österreichischen Gestellungsnehmern (=Beschäftiger) ist ersichtlich, dass das Personal für die Erbringung von Tätigkeiten wie zB Schweißen, Schlosserarbeiten, Bedienen der Lasermaschine/Abkantmaschine, Produktionshilfe, Hilfsarbeiten ua. überlassen und auch stundenweise anhand von Stundenaufzeichnungen abgerechnet wird. Weder wurde dem österreichischen Vertragspartner (als Entleiher/Gestellungsnehmer) ein bestimmtes Werk geschuldet noch ist das Entgelt von der Qualität der erbrachten Leistung abhängig. Die Zurverfügungstellung von arbeitsbereiten Arbeitskräften, sprich der Wechsel des Arbeitnehmers nach Österreich, stellt den Gegenstand der Dienstleistung der Bf. dar. Die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer gibt der Gestellungsnehmer vor und auch die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten sie von diesem. Dass der österreichische Beschäftiger gegenüber dem Arbeitnehmer am Arbeitsort Weisungsbefugnis bezüglich der Arbeit hat, ist auch im Dienstvertrag explizit angeführt. Das Gefahrenrisiko liegt somit im vorliegenden Fall ausschließlich beim Gestellungsnehmer. Der Gesteller haftet somit nicht für die tatsächlichen Leistungen der zur Verfügung gestellten Arbeitnehmer, sondern nur für ihre grundsätzliche Qualifizierung (Ludwig/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24, Tz 58 zu § 98 EStG; ).

Überdies hat die Bf. für die Jahre 2019 bis 2022 stichprobenartig Überlassungsmitteilungen gemäß § 12 Abs. 1 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) vorgelegt, die ein weiteres Indiz für eine tatsächliche Arbeitskräfteüberlassung liefern. Das Gericht geht daher zu Recht davon aus, dass es sich um eine gewerbliche grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung handelt. Auch seitens des Finanzamts wurde die Tätigkeit der Bf. immer als "grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung" angesehen und war daher unstrittig.

Dass der ungarische Arbeitgeber seinen nach Österreich überlassenen Dienstnehmern eine Unterkunft in Betriebsnähe zur Verfügung stellt, ist den Auftragsbestätigungen zwischen den österreichischen Beschäftigern und der Bf. ist zu entnehmen.

Die Feststellung, dass die Bf. die Lohnsteuer für die überlassenen Arbeitnehmer abgeführt hat, ist unstrittig und auch anhand der übermittelten Lohnzettel nachgewiesen. Dass die den Arbeitnehmern nach den entsprechenden Kollektivverträgen zustehenden anteiligen Sonderzahlungen (13./14. Gehalt) monatlich zusätzlich zu den laufenden Bezügen ausbezahlt wurden, ist aus den Lohnkonten ersichtlich und wurde seitens der Bf. nicht in Abrede gestellt. Der Ausweis der Sonderzahlungen scheint auf den monatlichen Lohnabrechnungen der Arbeitnehmer getrennt vom laufenden Bezug auf.

Dass die Besteuerung der Sonderzahlungen zum begünstigten Steuertarif gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 erfolgte, ist sowohl aus den Lohnkonten ersichtlich, als auch durch die Feststellung des Finanzamts aufgrund der GPLA-Prüfung belegt. Dieser Umstand wird auch seitens der Bf. nicht bestritten. Das Gericht darf daher in freier Beweiswürdigung von oben festgestelltem Sachverhalt ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 sind beschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte.

Nach § 98 Z 4 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung unterliegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die im Inland oder auf österreichischen Schiffen ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist, der beschränkten Einkommensteuerpflicht.

Gemäß § 70 Abs. 1 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung sind Arbeitnehmer, bei denen die Voraussetzungen des §§ 1 Abs. 3 und § 98 Z 4 EStG vorliegen, beschränkt steuerpflichtig.

Gemäß § 47 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25) die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§ 81) des Arbeitgebers besteht. Als Betriebsstätte für Zwecke des Steuerabzuges vom Arbeitslohn gilt gemäß § 81 EStG 1988 jede vom Arbeitgeber im Inland für die Dauer von mehr als einem Monat unterhaltene feste örtliche Anlage oder Einrichtung, wenn sie der Ausübung der durch den Arbeitnehmer ausgeführten Tätigkeit dient; § 29 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung gilt entsprechend. Die Lohnsteuerabzugspflicht ist daher auch für ausländische Arbeitgeber vorgesehen, wenn sie in Österreich für die Dauer von mehr als einem Monat über feste örtliche Einrichtungen verfügen.

Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten und gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988 spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates an das Finanzamt abzuführen.

Das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sowie einer Betriebsstätte im Inland zieht sohin gemäß §§ 47 Abs. 1, § 78 Abs. 1 und § 79 Abs. 1 EStG 1988 zufolge zwangsläufig die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber nach sich.

Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber ist in diesem Fall die vom Gesetz angeordnete Erhebungsform der Einkommensteuer. Kommt ein Arbeitgeber seinen Verpflichtungen zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer nicht nach, so ist der Arbeitgeber mit Haftungsbescheid (§ 82 EStG 1988) zur Entrichtung der Lohnsteuer heranzuziehen.

Außer Zweifel steht, dass eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung von Ungarn nach Österreich stattgefunden hat. Eine gesetzliche Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug trifft den ausländischen Überlasser (=Bf.) dann, wenn er im Inland eine Betriebsstätte unterhält (vgl § 47 Abs. 1 EStG 1988 iVm § 81 EStG 1988). Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor. Die Heranziehung der Bf. zur Haftung für die Lohnsteuer erfolgte daher grundsätzlich zu Recht.

Ob Beschäftiger der gestellten Arbeitskräfte verpflichtet sind, eine Abzugsteuer einzubehalten und abzuführen, ist davon getrennt zu beurteilen und ist nicht Thema der Beschwerde.

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die monatlich - zusätzlich zum laufenden Bezug - ausbezahlten Sonderzahlungen der begünstigten Besteuerung gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 zugänglich sind oder der Tarifbesteuerung gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 unterliegen.

Die zugrundeliegenden gesetzlichen Bestimmungen lauten auszugsweise:

§ 67 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988:

"(Abs. 1) Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Bezug Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zB. 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), beträgt die Lohnsteuer für sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß Abs. 2 nach Abzug der in Abs. 12 genannten Beträge

1. für die ersten 620 Euro ………………………….………………….......0%,

2. für die nächsten 24.380 Euro ……………………………..…………..6%,

3. für die nächsten 25.000 Euro ………………………………………..27%,

4. für die nächsten 33.333 Euro ……………………………………35,75%.

Die Besteuerung der sonstigen Bezüge mit diesen festen Steuersätzen unterbleibt, wenn das Jahressechstel gemäß Abs. 2 höchstens 2.100 Euro beträgt. […]

(Abs. 2) Das Jahressechstel beträgt ein Sechstel der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge. Soweit die sonstigen Bezüge gemäß Abs. 1 mehr als das Jahressechstel oder nach Abzug der in Abs. 12 genannten Beträge mehr als 83.333 Euro betragen, sind diese übersteigenden Bezüge im Auszahlungsmonat nach Abs. 10 zu besteuern. Bei der Berechnung des Jahressechstels ist jener laufende Bezug, der zusammen mit dem sonstigen Bezug ausgezahlt wird, bereits zu berücksichtigen. Wird ein sonstiger Bezug in einem Kalenderjahr vor Fälligkeit des ersten laufenden Bezuges ausgezahlt, ist dieser erste laufende Bezug in seiner voraussichtlichen Höhe auf das Kalenderjahr umzurechnen. […]

(Abs. 10) Sonstige Bezüge, die nicht unter Abs. 1 bis 8 fallen, sind wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. Diese Bezüge erhöhen nicht das Jahressechstel gemäß Abs. 2."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt ) liegen sonstige Bezüge iSd § 67 Abs. 1 EStG 1988 nur unter der doppelten Bedingung vor, dass sie erstens im Rechtstitel und zweitens durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen zu unterscheiden sind (; , 1157/68; , 3394/78; , 2525/80; , 82/13/0094; , 90/14/0184; , 97/13/0148; , 2002/13/0097). So hat der VwGH mehrfach festgestellt, dass sonstige Bezüge Leistungen aus mehreren Lohnzahlungszeiträumen abgelten müssen (; , 2005/15/0135) und sofern sie aliquot mit den laufenden Bezügen ausbezahlt werden, die Besteuerung nach dem Lohnsteuertarif gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 zu erfolgen hat (; RV/0419-F/08).

Die Bf. bringt dazu vor, dass die aufgrund des österreichischen Kollektivvertrages zu gewährenden Sonderzahlungen aufgrund des Rechtstitels eindeutig sonstige Bezüge iSd § 67 Abs. 1 EStG 1988 darstellen. Die Methodik der tatsächlichen aliquoten (dh. monatlichen) Auszahlung für die jeweilige Lohnzahlungsperiode sei allerdings nicht willkürlich gewählt, sondern aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen gemäß § 3 Abs. 4 LSD-BG (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz) vorgegeben.

Diese Bestimmung sei Ausfluss der Umsetzung der Entsenderichtlinie 96/71/EG, geändert durch Richtlinie 2014/67/EU und 2018/957/EU, bzw. Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG, welche sicherstellen soll, dass für aus dem EU-Ausland entsandte und überlassene Arbeitnehmer dieselben Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, darunter Mindestlohnsätze einschließlich Überstundensätze, garantiert werden, wie sie am Einsatzort (hier: Österreich) durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder durch allgemein verbindliche Tarifverträge festgelegt sind. Werden den Sonderzahlungen jedoch aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen aliquoten Auszahlungsmodalität die begünstigte Besteuerung versagt, liege eine verbotene mittelbare Diskriminierung von aus dem EU-Ausland entsandten bzw. überlassenen Arbeitnehmern vor.

§ 3 Abs. 4 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) lautet:

"Sind nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag Sonderzahlungen vorgesehen, hat der Arbeitgeber dies dem entsandten Arbeitnehmer oder der grenzüberschreitend überlassenen Arbeitskraft aliquot für die jeweilige Lohnzahlungsperiode zusätzlich zum laufenden Entgelt (Fälligkeit) zu leisten."

Sieht die fiktiv anzuwendende österreichische kollektive Lohnvorschrift daher einen Anspruch auf Sonderzahlungen vor, hat der ausländische Arbeitgeber die Sonderzahlungen dem entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer aliquot für die jeweilige Lohnzahlungsperiode zusätzlich zum laufenden Entgelt (mit dessen Fälligkeit) zu leisten. Mit der Wortfolge "aliquot für die jeweilige Lohnzahlungsperiode" ist zum einen klargestellt, dass die Sonderzahlungen aliquot zum laufenden Entgelt zu leisten ist, dh. zum Zeitpunkt des laufenden Entgelts. Zum anderen wird dadurch auch deutlich, dass die Sonderzahlungen auch aliquot entsprechend der Entsendung/Überlassung zusammen mit dem laufenden Entgelt zu leisten sind. Ist ein Ausländer daher nur tageweise nach Österreich überlassen, sind die Sonderzahlungen auch nur für eben diese Tage zu leisten.

Werden Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall - daher über mehrere Monate hindurch an österreichische Beschäftiger überlassen, so ist als Lohnzahlungsperiode das "Monat" anzusehen und dementsprechend die Sonderzahlung monatlich (zusätzlich zum laufenden Monatsgehalt) zu leisten.

In Anwendung dieser gesetzlichen Regelung und entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann daher bei monatlicher Lohnauszahlung eine begünstigte Besteuerung der Sonderzahlungen gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 für grenzüberschreitend überlassene Arbeitnehmer nicht erfolgen.

Diese herrschende Ansicht ist für das erkennende Gericht nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sollen nämlich Beschränkungen der freien Niederlassung (Art 49 AEUV), Dienstleistung (Art 56 AEUV) und Freizügigkeit von Unionsbürgern (Art. 45 AEUV) innerhalb der EU verboten sein, ja vielmehr die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im gesamten Gebiet der Union durch die Bestimmungen des AEUV erleichtert werden.

Allen Grundfreiheiten ist gemein, dass ihnen ein Diskriminierungsverbot im Sinne eines Inländergleichbehandlungssatzes innewohnt, wobei nicht nur offene Diskriminierungen, welche direkt an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, sondern auch sogenannte "versteckte" Diskriminierungen der Prüfung des EuGH unterliegen. So hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung konkretisiert (, O'Flynn), dass "als mittelbar diskriminierend auch solche Voraussetzungen des nationalen Rechts anzusehen sind, die im Wesentlichen (vgl. 41/86, Pinna; , 33/88, Allué ua.) oder ganz überwiegend ( C-279/89, Kommission/Vereinigtes Königreich; , C- 272/92, Spotti) Wanderarbeitnehmer betreffen, sowie auch unterschiedslos geltende Voraussetzungen, die von inländischen Arbeitnehmern leichter zu erfüllen sind als von Wanderarbeitnehmern ( C-336/96, Gilly; , C-403/03, Schempp; , C-349/87, Paraschi)." Eine mittelbare Diskriminierung ist auch in Voraussetzungen zu sehen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie sich besonders zum Nachteil von Wanderarbeitnehmern auswirken (, Schuhmacker; , C- 175/88, Biel, Rn 14; , C-204/90, Bachmann, Rn 9).

Betrachtet man nun § 67 Abs. 1 EStG 1988 und seine Beschränkung der steuerlichen Begünstigung aufgrund des Vorliegens der doppelten Bedingung, dass sonstige Bezüge erstens im Rechtstitel und zweitens durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen zu unterscheiden seien, so ist eine Diskriminierung aufgrund Staatsangehörigkeit nicht gegeben (; , 2011/15/0140; RV/0149-F/07; Ebner in Kanduth-Kristen et al./Jakom, EStG17, § 67 Rz 2 ff). Die Bestimmung ist unterschiedslos auf alle in Österreich tätigen Dienstnehmer anwendbar, wenn der Lohnsteuerabzug vom Arbeitgeber vorgenommen wird. Wie das Finanzamt bereits in seiner Beschwerdevorentscheidung ausführt, hat der VwGH bestätigt, dass das Regelungsgefüge des § 67 EStG 1988 an die Gegebenheiten des Arbeitsrechts anknüpft und die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen auch in Österreich nicht für alle Arbeitnehmer gegeben sein müssen. Weder beim Verfassungs- noch beim Verwaltungsgerichtshof wurde die Bestimmung als verfassungswidrig bedenklich erachtet (Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a, § 67 Rz 5).

Eine Differenzierung dieser Bestimmung wird allerdings in Kombination mit § 3 Abs. 4 LSD-BG herbeigeführt, der ausländischen Arbeitgebern - selbst wenn sie über eine lohnsteuerliche Betriebsstätte verfügen - vorschreibt, die Auszahlung der Sonderzahlungen aliquot neben den laufenden Bezügen zu tätigen. Aus der monatlichen Auszahlung ergibt sich nämlich die Schlechterstellung der Sonderzahlungen aufgrund der Anwendung von § 67 Abs. 10 EStG, welche von ausländischen Arbeitgebern gezahlt werden.

Nach Ansicht des Gerichts führt dies unweigerlich zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nach Artikel 49 AEUV (ex-Art. 43 EGV). Im vorliegenden Sachverhalt erhalten die ungarischen Dienstnehmer bei gleichem Entgelt weniger Nettogehalt als Dienstnehmer von in Österreich ansässigen Arbeitgebern. Dies kann dazu führen, dass es für die ungarischen Dienstnehmer weniger interessant ist, für die Bf. tätig zu werden. Die Bezahlung eines höheren Bruttogehalts als Ausgleich für die fehlende begünstigte Besteuerung der Sonderzahlungen würde bei der Bf. wiederum wesentlich höhere Kosten verursachen, weshalb davon auszugehen ist, dass die Tätigkeit der Bf. in Österreich weniger attraktiv wird. Durch diese unterschiedliche Behandlung von Gehaltszahlungen durch inländische und ausländische Arbeitgeber kommt es daher zu einer Schlechterstellung allein aufgrund des Sitzes der Gesellschaft.

Gleiches ergibt sich, wenn man die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, ex-Art. 49 EGV) als Maßstab für die unionsrechtliche Prüfung heranzieht. Sie verbietet es, gebietsfremde Anbieter von Dienstleistungen gegenüber Gebietsansässigen zu diskriminieren. Die nachteilige Besteuerung der Arbeitnehmer aufgrund ihres ungarischen Arbeitgebers führt jedoch dazu, dass das grenzüberschreitende Anbieten von Dienstleistungen weniger attraktiv ist (vgl dazu auch verb C-53/13, Strojírny Prostejov und EuGH C-80/13, ACO Industries Tábor).

In beiden Fällen liegt somit ein steuerlicher Nachteil der grenzüberschreitenden Situation gegenüber einem rein nationalen Sachverhalt vor, weshalb von einer Beschränkung der Grundfreiheiten auszugehen ist.

Die Bf. argumentiert letztlich noch mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Artikel 45 AEUV (ex-Art. 39 EGV) und der mittelbaren Diskriminierung der überlassenen ausländischen Arbeitnehmer aufgrund der unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer in Bezug auf die Entlohnung. So müsse ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten die gleichen steuerlichen Vergünstigungen genießen wie die dortigen inländischen Arbeitnehmer. Die ungarischen Dienstnehmer hätten zwar vor dem Hintergrund der Entsende- bzw. Leiharbeitsrichtlinie Anspruch auf Sonderzahlungen, die jenen eines inländischen Arbeitnehmers gleichen, würden jedoch aufgrund der Tarifbesteuerung gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 tatsächlich benachteiligt.

Darin ist der Bf. zuzustimmen. Eine Regelung, die - in Kombination mit gesetzlich vorgeschriebenen aliquoten Auszahlungen der sonstigen Bezüge - dazu führt, dass die Steuerlast eines Steuerpflichtigen erhöht wird, weil er seinen Arbeitslohn nicht von einem Arbeitgeber in Österreich, sondern von einem Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat bezieht, ist geeignet, gebietsfremde Arbeitnehmer davon abzubringen, in Österreich einer Beschäftigung nachzugehen und stellt daher grundsätzlich eine nach Art. 45 AEUV verbotene Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar (, Bechtel und Bechtel; , C-152/03, Ritter-Coulais; , C-182/06, Lakebrink; Zorn, ÖStZB 2018, 519).

Rechtfertigungsgründe für die angeführten Beschränkungen sind im Zusammenhang mit der begünstigten Besteuerung für das Gericht nicht erkennbar, zumal auch seitens des Finanzamtes diesbezüglich keine Gründe vorgebracht wurden. Weder sind die "Situationen" nicht objektiv miteinander vergleichbar (, Wielockx; , C- 107/94, Asscher), noch sind sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt (vgl. , Test Claimants in the FII Group Litigation; , C-337/08, X Holding). § 67 EStG 1988 ist auf alle Dienstnehmer anzuwenden, unabhängig davon, ob sie bei einem inländischen oder ausländischen Arbeitgeber tätig werden. Lediglich die geänderte Auszahlungsmodalität aufgrund der gemäß § 3 Abs. 4 LSD-BG normierten gesetzlichen Verpflichtung führt zu einem Verlust der begünstigten Besteuerung.

Hinsichtlich der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses hat der EuGH in seiner ständigen Rechtsprechung auch den Schutz der Arbeitnehmer anerkannt (, Wolff & Müller; , C-164/99, Portucaia Construcoes mwH).

Dazu ist folgendes auszuführen:

Die Umsetzung der Entsende- bzw. Leiharbeitsrichtlinie hat der österreichische Gesetzgeber im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) bewirkt. Ziele des LSD-BG sind einerseits die Garantie eines fairen Wettbewerbs und andererseits der Schutz der (entsandten und grenzüberschreitend überlassenen) Dienstnehmer, insbesondere im Hinblick auf das ihnen auszuzahlende Entgelt (§ 3 Abs. 4 LSD-BG). Der zwingende Anspruch auf jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt, ist Sinn und Zweck der Vorschrift (ErläutRV 1111 BlgNr 25. GP, Besonderer Teil, S 6-7).

Die Sonderregelung hinsichtlich der aliquoten Auszahlungsmodalität der Sonderzahlungen fand sich bereits in § 7b Abs. 4 AVRAG (der Vorgängerregelung des LSD-BG; gültig bis ) und wurde im Zuge der Harmonisierung der Geltungsbereiche des AVRAG und des AÜG übernommen und auf grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassungen ausgedehnt. Den Materialien (ErläutRV 319 zu 25. GP, Besonderer Teil, S 4) ist zu entnehmen, dass die Vorschrift der aliquot für die jeweilige Lohnzahlungsperiode zusätzlich zum laufenden Entgelt auszuzahlenden Sonderzahlungen deshalb eingeführt wurde, um eine unverhältnismäßige Belastung der ausländischen Arbeitgeber zu vermeiden, zugleich aber eine Gleichbehandlung mit inländischen Arbeitgebern zu erzielen. Verwiesen wurde in diesem Zusammenhang auf § 16 AngG, der eine aliquote Auszahlung der Sonderzahlungen bei unterjährigem Beginn oder unterjähriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsieht.

Umso widersprüchlicher ist es, dass eben diese Sonderregelung, die auf die Entlastung der ausländischen Arbeitgeber und auf die Gleichstellung der ausländischen Dienstnehmer abzielt, nun dazu führt, dass die Bf. und die ungarischen, nach Österreich überlassenen Arbeitnehmer aufgrund der bisher anzuwendenden Judikatur zu § 67 Abs. 1 EStG 1988 steuerlich benachteiligt und somit in ihren Grundfreiheiten beschränkt werden. Der Schutz der Arbeitnehmer im Sinne des Allgemeininteresses kann daher im vorliegenden Fall nicht als Rechtfertigung dienen.

Der Unabhängige Finanzsenat hielt in der Vergangenheit eine Steuerbefreiung für begünstigte Auslandstätigkeiten von Arbeitnehmern inländischer Betriebe für eine unzulässige Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und ließ die Einschränkung auf Arbeitnehmer inländischer Betriebe im Sinne des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unter Anwendung der "acte-clair"-Doktrin unangewendet ( RV/0016-F/04; bestätigt unter anderem durch ; ua). Dies hält das erkennende Gericht für dahingehend verallgemeinerungsfähig, dass den in Österreich steuerpflichtigen Arbeitnehmern von Betrieben im EU-/EWR-Ausland alle innerstaatlichen Begünstigungen zu gewähren sind, die Arbeitnehmern inländischer Betriebe zustehen würden (vgl. Feurstein, SWK 2005, 972; dazu auch schon ). Aufgrund der Vergleichbarkeit zum vorliegenden Fall sowie der oben angeführten klaren Judikatur des EuGH hält das Gericht auch im gegenständlichen Fall im Sinne der "acte-clair"-Doktrin ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH für nicht erforderlich.

Zusammengefasst ist die Verweigerung der steuerlichen Begünstigung gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 auf sonstige Bezüge, die aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung monatlich auszubezahlen sind, nach Ansicht des Gerichts dazu geeignet, Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat bei Entsendung oder Überlassung ihrer Dienstnehmer nach Österreich in ihrer Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zu beschränken. Auch sieht es das Gericht als erwiesen an, dass ausländische Arbeitnehmer, die lohnsteuerpflichtige Einkünfte von ausländischen Arbeitgebern mit Betriebstätte im Inland erzielen, aufgrund der nachteiligen Besteuerung der Sonderzahlungen davon abgehalten werden, einer Beschäftigung in Österreich nachzugehen. Dies steht aber in offensichtlichem Widerspruch zur Arbeitnehmer-freizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV.

Aufgrund des Anwendungsvorranges ist die dem Unionsrecht widersprechende Regelung nach § 3 Abs. 4 LSD-BG iVm § 67 Abs. 10 EStG soweit als möglich unionsrechtskonform zu interpretieren bzw. die dem Unionsrecht widersprechenden Bestimmungen im Kollisionsfall unangewendet zu lassen (vgl hierzu Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht4 (2011), 85ff). Wird daher eine aliquote, monatliche Auszahlung der Sonderzahlungen neben den laufenden Bezügen aufgrund eines Gesetzes zwingend vorgeschrieben, steht die steuerliche Begünstigung gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 nach Ansicht des Gerichts zu.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden und die Haftungsbescheide aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob die begünstigte Besteuerung von sonstigen Bezügen gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 aufgrund einer per Gesetz zwingend vorgeschriebenen aliquoten Auszahlung der Sonderzahlungen bzw. infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zusteht, existiert keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Diese Frage ist überdies von allgemeiner Bedeutung. Die Revision war daher zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 78 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 67 Abs. 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 4 LSD-BG, Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 44/2016
Art. 49 AEUV, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. Nr. C 202 vom S. 47
§ 67 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 7b Abs. 4 AVRAG, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl. Nr. 459/1993
Art. 56 AEUV, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. Nr. C 202 vom S. 47
Art. 45 AEUV, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. Nr. C 202 vom S. 47
§ 47 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise





























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RV/0419-F/08

RV/0016-F/04
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103198.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
KAAAF-66197