1. Besteuerung einer österreichischen Firmenpension im Ansässigkeitsstaat (Belgien) 2. Anwendung des Progressionsvorbehaltes auch im Quellenstaat
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,***13***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem beigeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang/Sachverhalt:
1. Der Bf (Beschwerdeführer) ist Pensionist. Er ist seit in Belgien wohnhaft. Der Bf verfügt in ***3*** über Liegenschaftsbesitz und lebt dort mit seiner Gattin. Seine Ehefrau ist nach wie vor in Belgien berufstätig. Der Bf besitzt auch in Österreich Liegenschaften. Im Inland hält er sich jedoch nur zwei- bis dreimal pro Jahr auf. Er ist in Belgien ansässig.
Der Bf war vom bis zu seiner Pensionierung beim belgischen ***6*** (***1***) beschäftigt. Von 1984 bis 1994 war er in Österreich berufstätig (***2***, einem ***5*** des angeführten ***4***), von 1999 bis 2000 hat er in Deutschland gearbeitet. Seit dem bezieht er eine österreichische und eine deutsche Altersrente sowie eine belgische Pension. Darüber hinaus erhält der Bf eine österreichische Firmenpension (Zahlungen der ***7***).
2. Im Einkommensteuerbescheid vom wurden die österreichischen Pensionszahlungen (Pensionsversicherungsanstalt, ***15***) der österreichischen Besteuerung unterzogen. Nach Ansicht der Abgabenbehörde liege ein Pflichtveranlagungsgrund vor.
Gegen den genannten Bescheid wurde mit Eingabe vom fristgerecht Beschwerde erhoben und eingewendet, der Bf beziehe Pensionen aus verschiedenen Ländern (Österreich, Deutschland, Belgien). Diese Pensionen würden in Belgien veranlagt bzw. besteuert.
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde (wiederum) nur dargelegt, dass ein Pflichtveranlagungstatbestand vorliege.
Mit Eingabe vom wurde fristgerecht der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt. Ergänzend wurde noch ausgeführt, der Bf sei seit 1994 in Belgien wohnhaft. In Belgien werde er zur Einkommensteuer veranlagt, dort sei er ansässig. Der belgische Steuerbescheid für das Jahr 2022 wurde dem Vorlageantrag beigelegt und der Abgabenbehörde übermittelt.
3. Aufgrund eines vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Ermittlungsverfahrens waren die unter Punkt I.1 dieses Erkenntnisses angeführten Feststellungen zu treffen. Diese sind unstrittig.
4. Die Abgabenbehörde hat allerdings (zunächst) die Ansicht vertreten, dass sowohl die Pension der Pensionsversicherungsanstalt als auch die Zahlungen der ***7*** unter Art. 18 Abs. 2 DBA-Belgien zu subsumieren seien und Österreich das Besteuerungsrecht zustehe.
II. Rechtsgrundlagen und Erwägungen:
1. Artikel 18 DBA Österreich-Belgien lautet wie folgt:
"Ruhegehälter
(1) Vorbehaltlich des Artikels 19 dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.
(2) Ruhegehälter und andere wiederkehrende oder einmalige Bezüge, die auf Grund der Sozialgesetzgebung eines Vertragstaates von diesem Staat, einer seiner Gebietskörperschaften oder von einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates gezahlt werden, dürfen jedoch in diesem Staat besteuert werden."
Artikel 23 Abs. 2 DBA Österreich-Belgien lautet wie folgt:
"Bei Personen, die in Belgien ansässig sind, wird die Doppelbesteuerung wie folgt vermieden:
1. Die aus Österreich stammenden Einkünfte - mit Ausnahme der unter Ziffern 2 und 3 fallenden Einkünfte - und die in Österreich gelegenen Vermögensteile, die nach den vorstehenden Artikeln in diesem Staat besteuert werden dürfen, sind in Belgien von der Besteuerung ausgenommen. Diese Befreiung schränkt das Recht Belgiens nicht ein, die auf diese Weise befreiten Einkünfte und Vermögensteile bei der Festsetzung des Satzes seiner Steuern zu berücksichtigen".
2. Sozialversicherungspensionen, die sich nach den im OECD-MK angeführten Kriterien bemessen, sind ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zu besteuern, wenn es dem jeweiligen DBA an einer Sonderregelung für Sozialversicherungspensionen fehlt. Eine Vielzahl von DBA enthält aber eine Bestimmung für ein betragsmäßig unbeschränktes Quellenbesteuerungsrecht an Sozialversicherungspensionen (Kassenstaatprinzip für Sozialversicherungspensionen).
In den meisten Abkommen erfordert die Anwendung der Sonderregelung für Sozialversicherungspensionen, dass die Zahlung aus der gesetzlichen Sozialversicherung stammt. Einige Abkommen stellen hingegen darauf ab, dass die Sozialversicherungspension direkt vom Staat, einer seiner Gebietskörperschaften, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder einer ähnlichen staatlichen Einrichtung ausbezahlt wird (so zB DBA Belgien, Art 18, Schmidjell-Dommes in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA, Art 18 Rzen 43-46).
3. Das DBA Belgien enthält Sonderbestimmungen für Sozialversicherungspensionen, diese stellen auf eine Auszahlung durch den Staat, seine Gebietskörperschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts ab. Im Gegensatz zu Art 18 Abs. 1 DBA Belgien normiert Art. 18 Abs. 2 DBA Belgien kein ausschließliches Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat des Ruhegehaltsempfängers und sieht das DBA neben der steuerlichen Erfassung im Ansässigkeitsstaat auch ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates vor (siehe Verwendung des Wortes "dürfen" in Abs. 2). In Bezug auf Sozialversicherungspensionen (Art. 18 Abs. 2) gewährt die Zuteilungsnorm keine Vermeidung der Mehrfachbesteuerung, aus diesem Grund muss auf die im Abkommen normierten Methoden zurückgegriffen werden. Dabei bedient sich Belgien - in der Rolle des Ansässigkeitsstaates - der Befreiungsmethode.
Als Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung gelten vor allem Bezüge aus der gesetzlichen Pflichtversicherung. Auch Rentenbezüge einer Kammer, die als Körperschaft öffentlichen Rechts konstituiert ist, sind als Bezüge aus einer gesetzlichen Sozialversicherung zu qualifizieren (vgl. Bendlinger/Kofler in Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht, 2. Auflage, Art. 18 Rz 701ff).
4. Bei dem Begriff der Sozialversicherungspension handelt es sich auf Abkommensebene um einen Typusbegriff; welche Bezüge genau von diesem umfasst werden, wird im Einklang mit den nationalen Sozialversicherungsvorschriften der Partnerstaaten bestimmt. Der Musterkommentar führt diverse Beispiele an: Ruhegehälter, die der Allgemeinheit im Rahmen eines öffentlichen Ruhegehalts zukommen, Zahlungen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Behinderung, Mutterschaft, Sozialhilfe- und Hinterbliebenenleistungen. Dementsprechend beziehen sich Sozialversicherungen auf das "obligatorische Schutzsystem, das ein Staat bereitstellt, um seiner Bevölkerung ein Mindesteinkommen oder eine Mindestaltersversorgung sicherzustellen oder die finanziellen Folgen von Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfällen, Krankheit oder Tod zu mildern" (vgl. Rz 28 MK zum Art. 18 OEDC-MA).
Im Beschwerdefall handelt es sich bei der ***16*** um keine Sozialversicherungspension, sondern um eine Firmenpension; die Auszahlung erfolgt durch eine Pensionskasse. Einzahlungen in Pensionskassen dienen der betrieblichen Altersvorsorge. Diese sind durch das Betriebspensionsgesetz geregelt und sichern die Leistungsansprüche, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern in Form von einseitigen Erklärungen, Einzelvereinbarungen, Betriebsvereinbarungen oder in Kollektivverträgen zusagt. Im Gegensatz zur gesetzlichen Pension wird dieses Modell der Altersvorsorge privatwirtschaftlich organisiert und geführt. Das Pensionskassengesetz definiert die Pensionskasse als Unternehmen, das berechtigt ist, Pensionskassengeschäfte zu betreiben (§ 1 Abs 1. PKG). Es handelt sich dabei um private, konzessionierte Vermögensverwaltungsunternehmen, die der Altersvorsorge dienen und unter Aufsicht durch das Finanzministerium bzw. die Finanzmarktaufsichtsbehörde stehen. Pensionskassen dürfen nur in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betrieben werden (vgl. Hörtenhuber, Betriebliche Altersvorsorge durch Pensionskassen im österreichischen Ertragsteuerrecht, ARD 6709/4/2020).
Die Zahlungen der ***14*** (Firmenpension) fallen daher nicht unter Art. 18 Abs. 2 DBA-Belgien. Bezüglich dieser Zahlungen steht Belgien das Besteuerungsrecht zu.
5. Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuersatz bemisst sich nach dem (Gesamt)Einkommen, worin innerstaatlich der Progressionsvorbehalt seine Rechtsgrundlage findet. Ein Progressionsvorbehalt ist bei einem in Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen jedoch auch dann vorzunehmen, wenn die abkommensrechtliche Ansässigkeit im Ausland gelegen ist (vgl. ).
6. Wie bereits dargelegt, weist das Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht hinsichtlich der österreichischen Firmenpension (€ ***8***) Belgien zu. Die österreichische Alterspension in Höhe von ***9*** darf hingegen in Österreich besteuert werden und hat Österreich als Quellenstaat den Progressionsvorbehalt vorzunehmen. Die Progressionseinkünfte betragen € ***12*** (€ ***10*** + € ***11*** laut Eingabe des Bf vom zuzüglich € ***8***).
7. Der Pflichtveranlagungstatbestand nach § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 ist erfüllt, da Auslandseinkünfte von über € 750 vorliegen, die bei der Besteuerung im Wege des Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden müssen.
III. Zulässigkeit einer Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, weil sich die Rechtsfolgen aus dem Abkommenswortlaut und der unter Punkt II. 5 zitierten Judikatur des VwGH ergeben.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 18 DBA BG (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bulgarien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 30/2011 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.6100198.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
CAAAF-66191