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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.03.2025, RV/7100668/2025

Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Zurückweisung des Antrages gemäß § 303 Abs. 1 BAO vom auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens (ArbeitnehmerInnenveranlagungsverfahrens) 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog im Jahr 2019 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Notstandshilfe vom ***1*** sowie Krankengeld während Arbeitslosigkeit von der ***2***.

Am erließ das ***FA2*** den Einkommensteuerbescheid (antragslose ArbeitnehmerInnenveranlagung) 2019, der eine Abgabengutschrift von 187,00 € ergab. Dieser Bescheid wurde am per FinanzOnline in die Databox der Bf. zugestellt (S 7/Rückseite, S 8a/Rückseite BFG-Akt).


Am brachte die Bf. per FinanzOnline beim ***FA*** einen Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens (ArbeitnehmerInnenveranlagungsverfahrens) 2019 ein, in dem sie ausführte, mit dem antragslos erstellten Einkommensteuerbescheid 2019 vom sei eine Gutschrift von 187,00 € festgesetzt worden. Bei der Berechnung der Einkommensteuer sei aber der Alleinerzieherabsetzbetrag für die Kinder ***3***, Sozialversichernummer ***4***, und ***5***, Sozialversichernummer ***8***, nicht berücksichtigt worden. Die Bf. beantrage daher, den Einkommensteuerbescheid 2019 vom aufzuheben und unter Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages einen neuen Einkommensteuerbescheid zu erlassen. Sie beantrage die Wiederaufnahme des ArbeitnehmerInnenveranlagungsverfahrens 2019 gemäß § 303 BAO bzw. rege eine Wiederaufnahme von Amts wegen an.

Mit Bescheid vom wies das ***FA*** den oa. Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO vom zurück. Begründend führte es dazu aus, die Fünfjahresfrist zur Einreichung einer Abgabenerklärung sei eine gesetzliche Frist (§ 41 Abs. 2 Z 2 lit. c iVm § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988), die nicht verlängerbar sei. Nach Ablauf dieser Frist eingebrachte Anbringen seien als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid vom erhob die Bf. am per FinanzOnline Beschwerde. Begründend führte sie darin aus, der Einkommensteuerbescheid 2019 sei lt. FinanzOnline am zugestellt worden. Die Frist habe somit am geendet. Darüber hinaus sei der Bescheid antragslos erstellt und seitens des Finanzamtes seien der Alleinerzieherabsetzbetrag und der Familienbonus Plus nicht berücksichtigt worden. Das Verschulden liege also beim Finanzamt. Außerdem habe sie diesen Bescheid nicht erhalten. Sollte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid eingeschrieben versendet haben, so habe es Recht. Kenntnisnahme von diesem Bescheid habe die Bf. erst dieses Jahr erlangt, als sie ihre ArbeitnehmerInnenveranlagung für 2024 machen habe wollen. Sie beantrage daher die Wiederaufnahme des Verfahrens 2019 gemäß § 303 BAO.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das ***FA*** die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es dazu aus:

"Gem. § 304 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährungsfrist nur zulässig, wenn sie

a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder

b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.

Die Verjährungsfrist beträgt gem. § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre und beginnt gem. § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Die Verjährungsfrist die Veranlagung 2019 betreffend beginnt daher mit und endet [mit] .

Der Bescheid über die antragslose Arbeitnehmerveranlagung 2019 wurde Ihnen am in die Databox in FinanzOnline zugestellt. Die Rechtskraft des Bescheids erwuchs somit mit (Montag).

Außerdem wird angemerkt, dass der Familienbonus Plus gem. § 33 Abs. 3a EStG nur auf Antrag gewährt wird und somit eine amtswegige Berücksichtigung im Rahmen der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung nicht möglich ist."

In ihrem Vorlageantrag vom führte die Bf. aus, ihre bisherige Argumentation bleibe aufrecht. Ergänzend wolle sie auf § 208 Abs. 1 lit. c BAO verweisen. Gemäß dieser Gesetzesstelle beginne die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 4 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die rückzufordernden Beihilfen, Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen geleistet worden seien. § 207 Abs. 4 BAO laute: "Das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, sowie das Recht auf Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen von Abgaben verjährt in fünf Jahren. Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß." Die Arbeitnehmerveranlagung sei antraglos gemacht und der Bf. die Möglichkeit genommen worden, den Alleinerzieherabsetzbetrag und auch den Familienbonus Plus zu beantragen. Die Gutschrift in dieser Höhe sei somit nicht zu Recht erkannt worden, weswegen die Verjährung ab Ende des Jahres beginne, in welchem die Gutschrift erstellt worden sei. Somit ende nach dieser Auslegung der oben genannten Paragrafen die Verjährung mit . Unabhängig davon sei der Bescheid am erstellt worden und ab diesem Zeitpunkt sei die Gutschrift fällig bzw. der Bescheid rechtsgültig geworden. Die Verjährung beginne mit der Fälligkeit einer Abgabe und ende so gesehen mit .

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Bezug habenden Vorlagebericht führte die belangte Behörde aus, nach Durchführung der antraglosen Arbeitnehmerveranlagung 2019 habe die Bf. im Jänner 2025 eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO beantragt, welche jedoch aufgrund von Fristversäumnis zurückgewiesen worden sei. Dem Vorwurf der Bf., sie habe aufgrund der antragslosen Veranlagung den Alleinerzieherabsetzbetrag sowie den Familienbonus Plus nicht beantragen können, sei entgegen zu halten, dass die Bf. gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 lit. c EStG 1988 die antragslose Arbeitnehmerveranlagung durch Abgabe einer Steuererklärung beseitigen und den Alleinerzieherabsetzbetrag sowie den Familienbonus Plus beantragen hätte können. Dafür wäre ihr die für die Antragsveranlagung geltende Frist von fünf Jahren offen gestanden (dh. für die Veranlagung 2019 habe die Frist zur Abgabe einer Steuererklärung bis betragen).

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich fünf Jahre.

Nach § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

§ 209 Abs. 1 BAO lautet:

"§ 209. (1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen."

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116 BAO) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

§ 304 BAO lautet:

"§ 304. Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie

a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder

b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird."

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass das ***FA2*** am den die Bf. betreffenden Einkommensteuerbescheid (antragslose ArbeitnehmerInnenveranlagung) 2019 erlassen hat und dass dieser Bescheid, wie die belangte Behörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung vom selbst ausgeführt hat, am per FinanzOnline in die Databox der Bf. zugestellt wurde (S 7/Rückseite, S 8a/Rückseite BFG-Akt), sodass er am in Rechtskraft erwachsen ist. Am hat die Bf. per FinanzOnline beim ***FA*** einen Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens (ArbeitnehmerInnenveranlagungsverfahrens) 2019 eingebracht, der von der Abgabenbehörde mit Bescheid vom als verspätet zurückgewiesen wurde. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom .

Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichtes Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich fünf Jahre; nach § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Gemäß § 209 Abs. 1 erster Satz BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207 leg. cit.) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77 leg. cit.) von der Abgabenbehörde unternommen werden. Der "Verlängerungstatbestand" gilt - abgesehen von den "absoluten" Verjährungsfristen des § 209 Abs. 3, 4 und 5 BAO - für sämtliche in der BAO geregelte Verjährungsfristen (ein, drei, fünf Jahre nach § 207 leg. cit.). Die fünfjährige Verjährungsfrist beträgt als Folge des § 209 Abs. 1 erster Satz BAO bei veranlagten Abgaben mindestens sechs Jahre (Ritz/Koran, BAO7, § 209 Rz 1). Die Verjährungsfrist wird (bzw. wurde) beispielsweise verlängert durch erstinstanzliche Bescheide (Ritz/Koran, § 209 Rz 10, mit Verweis auf zB ; ; ; ).

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass die Verjährungsfrist für die zu veranlagende Einkommensteuer 2019 grundsätzlich zwar gemäß § 207 Abs. 2 iVm § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit begann und mit endete; allerdings wurde sie durch die innerhalb der Verjährungsfrist am erfolgte und am durch Zustellung an die Bf. nach außen erkennbare und wirksame erstinstanzliche Bescheiderlassung (Einkommensteuerbescheid (antragslose ArbeitnehmerInnenveranlagung) 2019) gemäß § 209 Abs. 1 erster Satz BAO um ein Jahr, sohin bis zum , verlängert.


Damit aber erweist sich der von der Bf. am per FinanzOnline beim ***FA*** eingebrachte Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens (ArbeitnehmerInnenveranlagungsverfahrens) 2019 als rechtzeitig (weil er innerhalb der bis zum laufenden, verlängerten Verjährungsfrist beantragt wurde), sodass er von der belangten Behörde nicht als verspätet zurückgewiesen hätte werden dürfen, weshalb der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom aufzuheben ist.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die Rechtsfolge der Aufhebung des angefochtenen Zurückweisungsbescheides ergibt sich vielmehr aus den im Erkenntnis angeführten gesetzlichen Bestimmungen und aus der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die (ordentliche) Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7100668.2025

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
UAAAF-66159